Leitsatz (amtlich)
Die Weitergewährung von Übergangsgeld im Anschluß an eine "abgeschlossene" berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme (RVO § 1241e Abs 3) setzt voraus, daß diese Maßnahme, falls eine Prüfung vorgesehen ist, mit deren Bestehen beendet worden ist (Anschluß an BSG 1978-09-12 5 RJ 8/78).
Normenkette
RVO § 1241e Abs. 3 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
SG Lübeck (Entscheidung vom 01.02.1978; Aktenzeichen S 2 J 181/77) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 1. Februar 1978 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Strittig ist, ob dem Kläger im Anschluß an eine erfolglos beendete berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld zusteht (§ 1241e Abs 3 Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Die Beklagte bewilligte dem 1929 geborenen Kläger eine Ausbildung zum Elektromechaniker als berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme. Für deren Dauer - Februar 1973 bis 31.März 1976 - gewährte sie Übergangsgeld. Der Kläger bestand die Abschlußprüfung bei der Handwerkskammer nicht. Seinen Antrag, ihm auch für die Anschlußzeit der Arbeitslosigkeit bis zum 12. Mai 1976 Übergangsgeld zu zahlen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. August 1976 ab: Eine berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme sei nur dann "abgeschlossen", wenn sie erfolgreich, dh mit bestandener Abschlußprüfung, beendet werde. Der Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 11. März 1977).
Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Beklagte zur Gewährung des Übergangsgeldes für die Zeit vom 1. April bis zum 12. Mai 1976 verpflichtet (Urteil vom 1. Februar 1978): Die einschränkende Auslegung des § 1241e Abs 3 RVO durch die Beklagte, daß Übergangsgeld nur bei erfolgreichem Abschluß zu gewähren sei, finde im Gesetz keine Stütze (Hinweis auf eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung - BMA - vom 10. Oktober 1975 - VR 1 - 58048 20).
Die Beklagte hat die - vom SG durch Beschluß zugelassene - Sprungrevision eingelegt. Sie stützt ihre Rechtsansicht auf den Wortlaut und Zweck des § 1241e Abs 3 RVO und beruft sich auf das Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. September 1978 - 5 RJ 8/78 -.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 1. Februar 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die gegen das vorinstanzliche Urteil und die Stellungnahme des BMA vorgebrachten Argumente für nicht durchgreifend und meint, der Rentenversicherungsträger habe im Wege nachgehender Fürsorge während der ersten sechs Wochen im Anschluß an die berufsfördernde Maßnahme auch einzutreten, wenn diese erfolglos geblieben sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat für die strittige Zeit gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übergangsgeld.
Nach § 1241e Abs 3 RVO idF des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881, 1885) wird dem Betreuten, der im Anschluß an eine abgeschlossene berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation arbeitslos ist, das Übergangsgeld während der Arbeitslosigkeit bis zu sechs Wochen weitergewährt, wenn er sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat und zur beruflichen Eingliederung zur Verfügung steht. Der Kläger war zwar vom 1. April bis zum 12.Mai 1976 beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet; es fehlt aber am Erfordernis der "abgeschlossenen" Berufsförderungsmaßnahme.
Der 5. Senat des BSG hat in dem bereits erwähnten, zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 12. September 1978 - 5 RJ 8/78 - entschieden, Übergangsgeld sei nach § 1241e Abs 3 RVO nur im Anschluß an eine mit Erfolg beendete Berufsförderungsmaßnahme weiterzuzahlen. Dem schließt sich der Senat im Ergebnis an.
Es kann auf sich beruhen, ob der Begriff der "abgeschlossenen" berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation schon seinem Wortlaut nach nur eine solche meint, mit der das angestrebte Ziel erreicht wird. Immerhin hat die Rechtsprechung des BSG die abgeschlossene Fachschul- oder Hochschulausbildung in § 1259 Abs 1 Nr 4b RVO nicht zeitlich (iS von beendet), sondern qualitativ (iS von erfolgreich) verstanden (vgl BSGE 20, 35, 36 = SozR Nr 9 zu § 1259 RVO; SozR 2200 § 1259 Nrn 4 und 14). Deshalb liegt es nahe anzunehmen, daß vom Gesetzgeber der weitere und neutralere Begriff "beendet" (anstatt "abgeschlossen") gewählt worden wäre, falls entsprechend der Ansicht des SG und des Klägers ein zeitlicher Endpunkt der Berufsförderungsmaßnahme hätte genügen sollen.
Daß die Berufsförderungsmaßnahme nicht nur beendet, sondern plangemäß und mit Erfolg abgeschlossen sein muß, um beim Vorliegen der anderen Voraussetzungen des § 1241e Abs 3 RVO dessen Rechtsfolgen eintreten zu lassen, ergibt sich jedenfalls aus dem weiteren Wortlaut und Inhalt der Vorschrift. Diese verlangt neben der Meldung beim Arbeitsamt, daß der Betreute zur beruflichen Eingliederung zur Verfügung steht. Diese Terminologie lehnt sich an § 103 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) an, weicht aber insofern davon ab, als der Rehabilitand nicht "der Arbeitsvermittlung", sondern "zur beruflichen Eingliederung" zur Verfügung stehen muß. Wenn damit nicht auf die "zumutbare Beschäftigung" - wie in § 103 Abs 1 und 1a AFG sowie in § 1241e Abs 1 RVO (wonach in der Zeit zwischen einer medizinischen und einer berufsfördernden Maßnahme Übergangsgeld ua gezahlt wird, falls dem Betreuten eine zumutbare Beschäftigung nicht vermittelt werden kann) - abgehoben wird, so zeigt dies, daß nach dem erklärten Willen des Gesetzes eine berufsorientierte Eingliederung iS der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme angestrebt wird; insoweit brauchen also Voraussetzungen des § 103 AFG nicht vorzuliegen, um den sechswöchigen Anspruch auf dieses "Überbrückungsübergangsgeld" auszulösen (vgl insbesondere Zweng/Scheerer, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Anm II A, letzter Absatz zu § 1241e RVO; ferner Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl Anm 7 zu § 1241e RVO). Dahinter steht die Erwägung, den Betreuten einerseits zur Mithilfe in Form der Meldung beim Arbeitsamt anzuhalten, andererseits aber die Verwirklichung des Zieles der Rehabilitation nicht dadurch zu gefährden, daß dem Versicherten eine aus der Sicht der durchgeführten Maßnahme berufsfremde - wenngleich iS des § 103 Abs 1a AFG möglicherweise zumutbare - Beschäftigung angesonnen wird. Der Gesetzgeber hat den Betreuten nicht unmittelbar anschließend einem Arbeitslosen gleichgestellt; er ist davon ausgegangen, daß ein geeigneter Arbeitsplatz aus verschiedenen Gründen häufig nicht sogleich, regelmäßig jedoch in spätestens 6 Wochen gefunden oder vermittelt werden kann (vgl amtliche Begründung zu der entsprechenden Bestimmung des RehaAnglG, § 17 Abs 3 BT-Drucks 7/1237 S. 60). Die berufliche Eingliederung stimmt also mit der abgeschlossenen Berufsförderungsmaßnahme der Rehabilitation in dem Sinne überein, daß diese Eingliederung nur durchgeführt werden und der Versichert sich für sie nur bereithalten kann, wenn die Voraussetzungen dafür durch eine planmäßig und mit dem erwarteten Erfolg beendete Berufsförderungsmaßnahme geschaffen worden sind. Eine Berufsausbildung, für die nach der betreffenden Ausbildungsordnung eine Abschlußprüfung vorgesehen ist, stellt ohne diese Prüfung keinen beruflichen Qualifikationsnachweis dar.
Ist das Ziel der Berufsförderungsmaßnahme nicht erreicht worden, etwa weil - wie hier - der Rehabilitand die als Abschluß vorgesehene Prüfung nicht bestanden hat, so fehlt es an dem in § 1241e Abs 3 RVO ins Auge gefaßten Überbrückungstatbestand. In einem solchen Fall ist es, worauf der 5. Senat in dem erwähnten Urteil hingewiesen hat, nicht Aufgabe des Versicherungsträgers, den Versicherten über das Ende der Berufsförderungsmaßnahme hinaus zu unterstützen; denn es besteht dann kein Bezug zu der durchgeführten Maßnahme mehr, und es fehlt an einem Grund dafür, den Versicherten anders zu behandeln als andere arbeitslose Versicherte.
Die abweichende Stellungnahme des BMA vom 30. Oktober 1975 vermag den Senat nicht zu überzeugen. Wenn gemäß § 1241 Abs 1 RVO nach "Abschluß" einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme beim Erfordernis einer (späteren) berufsfördernden Maßnahme für die Zwischenzeit unter besonderen Voraussetzungen Übergangsgeld vom Versicherungsträger weiterzugewähren ist, so kann nach der Ansicht des Senats aus dem Gebrauch des Wortes "Abschluß" in diesem Zusammenhang nicht zwingend geschlossen werden, es genüge in Abs 3 der Vorschrift die lediglich formale, zeitliche Beendigung der Berufsförderungsmaßnahme, gleichviel, ob die vorgesehene Prüfung bestanden wurde. Zwar betrifft, wie in der Stellungnahme ausgeführt, § 1241e RVO (entsprechend der Grundvorschrift des § 17 RehaAnglG) die Weiterzahlung von Übergangsgeld in Erkenntnis dessen, daß sich die Rehabilitation häufig in verschiedenen Phasen vollzieht; der vom BMA angesprochene und hier vorliegende Sachverhalt ist indessen durch die wesentliche Besonderheit gekennzeichnet, daß im Zeitpunkt der durch die erfolglose Prüfung beendeten berufsfördernden Maßnahme mit Sicherheit kein mit dieser Maßnahme in finalem Zusammenhang stehendes Tätigwerden mehr zu erwarten war.
Die vom 5. Senat in dem genannten Urteil bejahte Frage, ob dann, wenn nach Beendigung einer berufsfördernden Maßnahme zur Erreichung des Rehabilitationszieles eine weitere berufsfördernde Maßnahme erforderlich wird, § 1241e Abs 1 RVO entsprechend anzuwenden ist, stellt sich hier nicht; in dieser Richtung bietet der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte.
Auf die Sprungrevision der Beklagten war daher das sozialgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen