Entscheidungsstichwort (Thema)
Einräumung eines lebenslangen Verwaltungs- oder Nutzungsrechts durch letztwillige Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage, ob eine Verpachtung auch dann als Abgabe anerkannt werden kann, wenn der Verpachtungszeitraum nicht klar erkennbar für den im Gesetz bestimmten Mindestzeitraum nach GAL § 41 Abs 2 (Fassung: 1972-07-26) iVm § 2 Abs 3 (Fassung: 1965-09-14) schriftlich vereinbart worden ist.
Normenkette
GAL § 41 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1972-07-26, § 2 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1965-09-14; HÖFEO § 7 Abs. 2
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Januar 1976 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. Juni 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der im August 1975 verstorbene Landwirt Adolf R (R.), Vater und Rechtsvorgänger des gegenwärtigen Klägers, hatte einen aus 68,68 ha Eigenland und 1,76 ha Pachtland bestehenden Hof bewirtschaftet. 1961 hatten R. und seine im Mai 1974 verstorbene Ehefrau den Kläger durch gemeinschaftliches Testament als Hoferben eingesetzt; dieses Testament hatten sie 1963 dahin geändert, daß anstelle des Klägers dessen Sohn E. als Erbe eingesetzt und dem Kläger das lebenslängliche Verwaltungs- und Nießbrauchsrecht zugewendet wurde.
Am 29. März 1963 verpachtete R. den Hof auf seine Lebenszeit an den Kläger. Ein weiterer Vertrag vom November/ Dezember 1963 nahm 3.1720 ha Grünland, 5.4210 ha Ackerland, 12.9858 ha Holzbestand, 2.2792 ha Heideland, 1.6664 ha Moorteil und den Hähnchenstall auf der Hofstelle von der Verpachtung aus; mit diesen Ländereien führte R. eine Hähnchenmästerei fort. Im März 1971 veräußerte R. Flurstücke in einer Gesamtgröße von 28.3519 ha. Am 24. August 1971 schließlich verpachtete er auch die ausgenommenen Flächen auf seine Lebenszeit an den Kläger. Beiträge an die Beklagte hat R. von Oktober 1957 bis März 1963 entrichtet.
Den im August 1971 gestellten Antrag auf Landabgaberente lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, daß R. den Hof bereits 1963 abgegeben habe; seitdem habe er ein landwirtschaftliches Unternehmen jedenfalls nicht im Hauptberuf betrieben. Während des Klageverfahrens beanstandete die Beklagte die Dauer der Pachtverträge. R. und der Kläger vereinbarten darauf, "daß die Pachtverträge, unbeschadet ihrer bisherigen Dauer, noch jetzt auf die Dauer von weiteren neun Jahren bestehen" sollten. Auf das hin gewährte die Beklagte an R. ab 1. Dezember 1973 Landabgaberente.
Die Klage auf Gewährung der Landabgaberente auch für die Zeit vom 1. August 1971 bis 30. November 1973 hatte im zweiten Rechtszug (nach zugelassener Berufung) Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hielt die Voraussetzungen der strukturverbessernden Abgabe iS von § 41 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) bereits im August 1971 für erfüllt. Zwar sei die damalige Verpachtung nicht für mindestens zwölf Jahre vereinbart worden, der Kläger sei jedoch durch die Testamente seiner Eltern zusätzlich gesichert gewesen. Daß die Testamente erst mit dem Tode der Mutter unwiderruflich geworden seien, ändere daran nichts; denn R. habe zuvor schon durch die Beschäftigung des Klägers auf dem Hof zu erkennen gegeben, daß dieser den Hof übernehmen solle. Daß dem Kläger im letzten Testament - mit seinem Einverständnis - nur noch Nießbrauch und Verwaltung auf Lebenszeit eingeräumt worden seien, müsse bei der Anwendung von § 2 Abs. 3 GAL außer Betracht bleiben.
Das LSG hat die Revision zugelassen. Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Sie rügt, das LSG habe zu Unrecht Grundsätze des Höferechts der ehemals britischen Besatzungszone über die Bestimmung des Hoferben auf andere letztwillige Verfügungen angewandt; R. habe sich 1971 nicht endgültig vom Unternehmen gelöst gehabt, da er das Testament noch hätte ändern können.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; die Beklagte hat für die streitige Zeit keine Landabgaberente zu gewähren.
Das Urteil des LSG läßt nicht erkennen, nach welcher Fassung der §§ 41 und 42 GAL es den geltend gemachten Anspruch beurteilt hat. Maßgebend war insoweit zunächst die Fassung nach dem Erlaß des Gesetzes vom 21. Dezember 1970 (BGBl I 1744) - GAL 1971 - und ab 1. Oktober 1972 die Fassung nach dem Erlaß des Gesetzes vom 26. Juli 1972 (BGBl I 1293) - GAL 1972 -. Nach beiden Fassungen bedurfte es der Erfüllung mehrerer Voraussetzungen (§ 41). Hiervon hat das LSG nur die Voraussetzungen der strukturverbessernden Abgabe (§ 41 Abs. 1 Buchst. c) geprüft.
Auf die übrigen Voraussetzungen ist das LSG nicht eingegangen, weil unter den Beteiligten darüber kein Streit (mehr) bestand. Ein fehlender Streit, ja sogar eine Übereinstimmung unter den Beteiligten über das Vorhandensein gesetzlicher Tatbestandsmerkmale macht deren Prüfung durch die Gerichte jedoch nicht entbehrlich. Ein Gericht darf Rente nur zusprechen, wenn es selbst von der Erfüllung aller gesetzlichen Tatbestandsmerkmale überzeugt ist. Ausführungen zu Tatbestandsmerkmalen erübrigen sich allenfalls dann, wenn sie ohne Zweifel gegeben sind. Das traf hier nicht zu; Bedenken konnten insbesondere hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Buchst. d bestehen. Indessen kann das offen bleiben.
Das LSG hat jedenfalls zu Unrecht angenommen, daß R. sein Unternehmen im August 1971 strukturverbessernd abgegeben hat. Auch hier hat das LSG freilich nur einen Teilbereich dieser gesetzlichen Voraussetzung geprüft. Nicht eingegangen ist es auf § 42 GAL 1971 bzw. 1972, der des näheren bestimmt, wann eine Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung gemäß § 41 Abs. 1 Buchst. c vorliegt. Nicht beachtet wurde infolgedessen, daß das GAL 1971 noch die Einräumung eines Vorkaufsrechts an den Pächter für die Dauer des Pachtvertrages verlangt hat (wenn auch nicht mehr im Vertrag). Doch braucht auch darauf nicht näher eingegangen zu werden.
Nach § 41 Abs. 2 GAL 1971 bzw. 1972 finden auf die strukturverbessernde Abgabe Abgabevorschriften des § 2 GAL, darunter dessen Abs. 3, entsprechende Anwendung. Diese Bestimmung kennt zwei Abgabeformen, nämlich die mit dem Übergang des Eigentums verbundene Übergabe des Unternehmens und den sonstigen Verlust der Unternehmereigenschaft. Im letzteren Fall, der hier allein in Betracht kommt, verlangt das Gesetz, daß die Abgabe für einen Zeitraum von mindestens neun Jahren nach der Vollendung des 65. Lebensjahres des abgebenden Unternehmers (unbeschadet weitergehender gesetzlicher Formvorschriften) schriftlich vereinbart wird. Diese Frist ist bei strukturverbessernder Abgabe in § 41 Abs. 2 Satz 2 GAL 197 2 auf zwölf Jahre bestimmt worden.
Eine solche schriftliche Vereinbarung ist zwischen R. und dem Kläger nicht getroffen worden. In dem Pachtvertrag von August 1971 hatten sie keine Abgabe für die Dauer des im GAL 1971 bzw. im GAL 1972 genannten Zeitraumes vereinbart; die Verpachtung auf Lebenszeit von R. kam dem nicht gleich.
Damit bleibt nur zu fragen, ob die festgestellten Umstände es rechtfertigen, das Gesetz im Abgabeerfordernis abweichend von seinem Wortlaut, jedoch entsprechend seinem Sinn und Zweck erweiternd auszulegen. Entgegen der Auffassung des LSG ist das nicht möglich. Gerade bei der strukturverbessernden Abgabe sollen die Abgabebestimmungen auch gewährleisten, daß der Übernehmer des Landes mindestens für die im Gesetz geforderte Zeit von neun bzw. zwölf Jahren fest mit dem Verbleib des Landes in seiner Bewirtschaftung rechnen kann. Das wird nicht mit gleicher Sicherheit gewährleistet, wenn ein Pächter, dessen Pachtverhältnis mit dem Tode des Verpächters endet, für die folgende Zeit testamentarisch mit dem Recht der Verwaltung und Nutznießung bedacht wird. Die letztwillige Verfügung verleiht keine Stellung, die in der Wirkung einer vertraglich für die vorgeschriebene Zeit fest vereinbarten Nutzung (Verpachtung) vergleichbar ist. Ein Pächter wird weder durch eine Veräußerung des Landes noch durch den Tod des Verpächters in seinen Rechten betroffen (§§ 581 Abs. 1, 571 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Das Testament hindert dagegen den bzw. die Erblasser nicht, noch zu Lebzeiten in einer Weise über das Land zu verfügen (es z.B. zu veräußern), daß Rechte an dem Land dem Bedachten mit dem Erbfall nicht mehr zufließen können. Außerdem steht es dem Erblasser bzw. den Erblassern frei, ein Testament aufzuheben oder zu ändern (§§ 2253 Abs. 1, 2302 BGB).
Eine Bindung des R. an die testamentarische Verfügung im Verhältnis zum Kläger konnte hier auch nicht, wie das LSG meint, durch irgendein schlüssiges Verhalten des R. bewirkt werden. Soweit sich das LSG in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung zu formlosen Hofüberlassungsverträgen im Höferecht der ehemals britischen Besatzungszone bezieht, ist dem entgegenzuhalten, daß sich die dort entwickelten Grundsätze (BGHZ 12, 286; 23, 249; vgl. jetzt § 7 Abs. 2 Höfeordnung idF vom 26. Juli 1976 - BGBl I 1933 -) auf andere Sachverhalte nicht übertragen lassen (BGHZ 47, 184, 188; BSG SozR 5850 § 2 Nr. 1). Das bedeutet, daß eine Bindung des Erblassers nach diesen Grundsätzen nur insoweit eintreten kann, als es sich um die Einsetzung eines Hoferben handelt, nicht dagegen auch, wenn es - wie hier - um ein Verwaltungs- und Nutzungsrecht geht.
Im übrigen hat der Senat schon im Urteil vom 16. Dezember 1975 (BSG aaO) auf die Notwendigkeit der Schaffung klarer Verhältnisse durch den früheren Unternehmer bei der Abgabe hingewiesen; dies muß erneut hervorgehoben werden. Das Erfordernis der schriftlichen Vereinbarung zwischen Abgebendem und Unternehmer im Falle des "sonstigen Verlustes der Unternehmereigenschaft" ist 1961 in das GAL (§ 2) nicht zuletzt im Interesse der Rechtsklarheit eingeführt worden. Damit ist es nicht vereinbar, wenn die über Ansprüche auf Landabgaberente entscheidenden Stellen außer schriftlichen Vereinbarungen zwischen Verpächter und Pächter noch einseitige, d.h. hier: ohne Mitwirkung des Pächters abgefaßte Erklärungen wie Testamente prüfen oder gar sonstige Umstände nach Grundsätzen von Treu und Glauben mitbeurteilen müßten. Das ist um so weniger einzusehen, als von einem Unternehmer, der Landabgaberente verlangt, durchaus erwartet werden kann, daß er die gesetzlichen Vorschriften über die Unternehmensabgabe beachtet; entgegenstehende ernsthafte Hindernisse oder Schwierigkeiten sind insoweit überhaupt nicht zu erkennen.
Nach alledem war der Revision der Beklagten mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes ergebenden Kostenfolge stattzugeben.
Fundstellen