Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 03.06.1988)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. Juni 1988 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über Anerkennung und Leistung von Mehrkostenzuschüssen (MKZ) für Förderungszeiten ab 1. Dezember 1986.

Die Klägerin – eine Arbeitsgemeinschaft, zu der sich mehrere Bauunternehmen zusammengeschlossen haben – beantragte am 15. November 1985 die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ für die Baustelle U-Bahn Los D 79, Eichborndamm/Ecke Taldorfer Weg, Berlin. Sie gab als Beginn der Arbeiten, für die die Förderung begehrt werde, den 1. Dezember 1985 und als voraussichtliches Ende der Arbeiten den 31. März 1986 an. Die Beklagte erkannte die Voraussetzungen für die Gewährung des MKZ für Rohbauarbeiten in Höhe von 4,55 DM je geleistete Arbeitsstunde an (Bescheid vom 14. Februar 1986) und kam den für die Förderungszeit vom 1. Dezember 1985 bis 31. März 1986 gestellten Leistungsanträgen nach. Mit einem am 4. September 1986 eingegangenen Schreiben teilte die Klägerin der Beklagten ua mit, daß ihr Antrag vom 15. November 1985 in bezug auf das voraussichtliche Ende der Arbeiten fehlerhaft sei; das voraussichtliche Ende der Arbeiten sei nicht der 31. März 1986, sondern der 31. März 1989; gleichzeitig bat sie um Austausch der entsprechenden Antragsformulare. Die Beklagte verwies auf ihren Bescheid vom 14. Februar 1986 und erklärte, dieser sei bestandskräftig geworden; der am 4. September 1986 eingereichte Antrag könne lediglich als Neuantrag beurteilt werden und müsse, da nicht vor dem 1. Juli 1986 gestellt, im Hinblick auf § 238 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) abschlägig beschieden werden (Bescheid vom 8. September 1986; Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1987). Im Verlauf des Klageverfahrens entschied die Beklagte hinsichtlich des Förderungszeitraumes vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987 über insgesamt 19 Anträge auf Auszahlung des MKZ, und zwar durch sechs Bescheide vom 26. Februar 1987 über je einen Leistungsantrag vom 15. Januar, 6. Februar, 9. Februar, 17. Februar 1987 und zwei Leistungsanträge vom 25. Februar 1987, einen Bescheid vom 16. März 1987 über einen Leistungsantrag vom 12. März 1987, einen Bescheid vom 23. März 1987 über einen Leistungsantrag vom 13. März 1987, zwei Bescheide vom 21. April 1987 über je einen Leistungsantrag vom 13. und 14. April 1987, einen Bescheid vom 11. Mai 1987 über einen Leistungsantrag vom 6. Mai 1987, einen Bescheid vom 18. Mai 1987 über einen Leistungsantrag vom 14. Mai 1987, einen Bescheid vom 2. Juli und drei Bescheide vom 3. Juli über vier Leistungsanträge vom 23. Juni 1987, zwei weitere Bescheide vom 3. Juli 1987 über je einen Leistungsantrag vom 25. und 26. Juni 1987 und einen weiteren Bescheid vom 3. Juli 1987 über einen Leistungsantrag vom 29. Juni 1987. In all diesen Bescheiden berief sie sich auf den die Anerkennung ablehnenden Bescheid vom 8. September 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 und versah jeden der Bescheide mit der Klausel, daß er Gegenstand des anhängigen Verfahrens werde.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, mit der die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 1986 idF des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von MKZ bis zum 31. März 1989 erstrebte, abgewiesen (Urteil vom 16. November 1987). Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte einen von der Klägerin gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und betont, die Klägerin sei nicht ohne Verschulden gehindert gewesen, die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ vor dem 1. Juli 1986 zu beantragen; zudem sei eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Sinn und Zweck des § 238 AFG ausgeschlossen (Bescheid vom 23. Dezember 1987; Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1988). Die Beklagte hat ferner im Hinblick auf den Förderungszeitraum vom 1. Dezember 1987 bis 31. März 1988 über insgesamt acht Anträge auf Auszahlung des MKZ befunden, und zwar durch einen Bescheid vom 19. Februar 1988 über je einen Leistungsantrag vom 19. Januar und 11. Februar 1988, einen weiteren Bescheid vom 19. Februar 1988 über je einen weiteren Leistungsantrag vom 19. Januar und 11. Februar 1988, einen Bescheid vom 25. März 1988 über einen Leistungsantrag vom 17. März 1988, einen weiteren Bescheid vom 25. März 1988 über einen weiteren Leistungsantrag vom 17. März 1988, einen Bescheid vom 25. April 1988 über einen Leistungsantrag vom 20. April 1988 und einen weiteren Bescheid vom 25. April 1988 über einen weiteren Leistungsantrag vom 20. April 1988. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, ihre Klagen gegen den Bescheid vom 23. Dezember 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1988 sowie gegen die jeweils zwei Bescheide vom 19. Februar, 25. März und 25. April 1988 abgewiesen (Urteil vom 3. Juni 1988); es hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt:

Die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ für die Förderungszeiträume vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987, 1. Dezember 1987 bis 31. März 1988 und 1. Dezember 1988 bis 1. März 1989 setze gemäß § 238 AFG voraus, daß die Anerkennung vor dem 1. Juli 1986 beantragt worden sei. In der Zeit zwischen dem Erlaß des Anerkennungsbescheides vom 14. Februar 1986 und dem 30. Juni 1986 habe die Klägerin keinen die nächste Förderungszeit betreffenden Anerkennungsantrag gestellt. Eine Zulassung der Korrektur des auf die Förderungszeit vom 1. Dezember 1985 bis 31. März 1986 beschränkten und mit der Anerkennung vom 14. Februar 1986 verbrauchten Antrages vom 15. November 1985 und eine Zulassung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Stichtagsregelung des § 238 AFG verböten sich, weil sie auf eine Umgehung des Gesetzes hinausliefen.

Die ablehnende Entscheidung der Beklagten über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 23. Dezember 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1988, die wegen ihres inneren Zusammenhanges mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. September 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 Gegenstand des Verfahrens geworden sei, sei zu Recht ergangen. Sofern die Stichtagsregelung des § 238 AFG überhaupt als Frist gewertet werden könne, handele es sich um eine Ausschlußfrist, gegenüber der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme.

Die Berufung der Beklagten auf die Stichtagsregelung des § 238 AFG verstoße nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Zum einen seien von der Rückwirkung dieser Vorschrift nur solche Arbeitgeber berührt, die ihren Anerkennungsantrag im Juli 1986 gestellt hätten, nicht aber die Firmen, die – wie die Klägerin den Antrag Anfang September 1986 gestellt hätten. Zum anderen sei die Suspension der MKZ dadurch kompensiert worden, daß die sog Winterbau-Umlage ab 1. Januar 1987 um 1 vH gesenkt worden sei und so zu einer Entlastung der Bauwirtschaft beigetragen habe.

Schließlich seien die die Leistungsanträge der Klägerin ablehnenden Bescheide rechtmäßig; die Ablehnung der Auszahlung eines MKZ sei die zwingende Folge der Ablehnung eines Anerkennungsantrages. Die auf die Auszahlungsanträge der Klägerin ergangenen Ablehnungsbescheide bestätigten lediglich den für die Förderungszeiträume vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987 und vom 1. Dezember 1987 bis 31. März 1988 ablehnenden Anerkennungsbescheid; das reiche für die Annahme aus, daß die auf die Auszahlungsanträge ergangenen Ablehnungsbescheide Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden seien. Zwar habe das SG über diese Bescheide, soweit sie die Förderungszeit vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987 beträfen, nicht mitentschieden. Doch hindere das nicht das Berufungsgericht, auch über diese Verwaltungsakte zu befinden, da dies dem Willen der Beteiligten entspreche.

Die Klägerin macht mit der Revision geltend, der Antrag vom 4. September 1986 dürfe unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 238 AFG nicht als Neuantrag qualifiziert werden; er stelle vielmehr einen Berichtigungsantrag dar. Bei Dauerbaustellen könnten Anträge auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ durchaus für mehrere Förderungszeiträume gestellt werden. Es gebe keine Rechtsgrundlage, die es der Beklagten untersage, vor jedem Förderungszeitraum in eine erneute Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung des MKZ einzutreten. Die ausreichenden Schutzvorkehrungen müßten nicht im Zeitpunkt der Antragstellung, sondern erst im Zeitpunkt der Ableistung der zu fördernden Arbeitsstunden vorliegen. Bei der hier in Rede stehenden U-Bahn-Baustelle habe kein Zweifel darüber herrschen können, daß die einmal vorhandenen Schutzvorkehrungen auch für weitere Förderungszeiträume gewährleistet seien. Die Beklagte habe auf ihrem Vordruck für den Anerkennungsantrag nicht die Angabe eines verbindlichen Enddatums, sondern lediglich die Angabe des voraussichtlichen Endes der Arbeiten, für die die Förderung begehrt werde, verlangt. Der Hinweis auf die Bestandskraft des Anerkennungsbescheides vom 14. Februar 1986 überzeuge nicht, da die Bezugnahme auf einen bestimmten Förderungszeitraum in der Zeit vor Inkrafttreten des § 238 AFG ohne Bedeutung gewesen sei. Der Anerkennungsbescheid vom 14. Februar 1986 habe für die Förderungszeiträume nach dem 31. März 1986 keine Wirkungen entfalten können.

Werde der Antrag der Klägerin vom 4. September 1986 nicht als Berichtigungsantrag, sondern als Neuantrag eingestuft, sei die Klägerin in ihrer grundgesetzlich geschützten Eigentumsposition (Art 14 Grundgesetz -GG-) verletzt. Die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) an eine dem Eigentumsschutz unterfallende sozialversicherungsrechtliche Position stelle, nämlich daß sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhe und der Sicherung seiner Existenz diene, seien vorliegend verwirklicht. Die Gewährung von MKZ werde durch die Erhebung der Winterbau-Umlage ermöglicht. Diese Umlage, zu deren Entrichtung die Betriebe der Bauwirtschaft von Rechts wegen gezwungen seien, sei untrennbar mit der Leistungsgewährung verknüpft. Ihre Ermäßigung habe auf seiten der Klägerin für den ab 1. Dezember 1986 vorenthaltenen MKZ keinen identischen Ausgleich gebracht. Hieran fehle es schon deswegen, weil die Senkung der Winterbau-Umlage erst am 1. Januar 1987 in Kraft getreten sei und nach der Bruttolohnsumme eines Betriebes bemessen werde. Im übrigen handele es sich um ein Umlagesystem, in dessen Rahmen die Inanspruchnahme von Leistungen keinerlei Einfluß auf die Höhe der zu entrichtenden Umlage habe.

Die Klägerin habe, was das LSG außer acht gelassen habe, schon im Jahre 1985 den langfristigen Auftrag zur Durchführung des U-Bahn-Baues übernommen und sowohl die Mehrkosten für den Winterbau als auch die Zuschüsse im Rahmen der Produktiven Winterbauförderung in ihre Kalkulation einbezogen. Diese Kalkulationsbasis sei ihr durch die rückwirkend in Kraft gesetzte Stichtagsregelung des § 238 AFG genommen worden. Dadurch sei ihr eine Rechtsposition entzogen worden, die der Sicherung ihrer Existenz als Baubetrieb gedient habe.

Ihr selbst könne nicht vorgeworfen werden, den Antrag, sofern man ihn als Neuantrag auffasse, am 4. September 1986 gestellt zu haben. Die Neuregelung des § 238 AFG sei erst am 16. August 1986 im Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl) Berlin verkündet worden. Andererseits müsse die Beklagte sich vorhalten lassen, erstmals am 30. Oktober 1986 im Wege einer Pressemitteilung auf die Stichtagsregelung aufmerksam gemacht zu haben. Im übrigen habe die Beklagte die Baubetriebe Berlins immer rechtzeitig vor Beginn eines Förderungszeitraumes über einschlägige Änderungen von Rechtsvorschriften unterrichtet. Wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses, das sich zwischen ihr und den Baubetrieben entwickelt habe, hätte sie dies auch in bezug auf die Neuregelung des § 238 AFG zumindest bei Firmen mit mehrjährigen Baustellen tun müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. September 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 und des Bescheides vom 23. Dezember 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1988

  1. zu verpflichten, die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Mehrkostenzuschüsse für die Förderungszeiträume vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987, 1. Dezember 1987 bis 31. März 1988 und 1. Dezember 1988 bis 31. März 1989 anzuerkennen, und
  2. unter weiterer Aufhebung der sechs Bescheide vom 26. Februar 1987, der Bescheide vom 16. und 23. März 1987, der zwei Bescheide vom 21. April 1987, der Bescheide vom 11. Mai, 18. Mai und 2. Juli 1987, der sechs Bescheide vom 3. Juli 1987 sowie der zwei Bescheide vom 19. Februar 1988, der zwei Bescheide vom 25. März 1988 und der zwei Bescheide vom 25. April 1988 zu verurteilen, gemäß den Leistungsanträgen vom 15. Januar, 6. Februar, 9. Februar und 17. Februar 1987, 25. Februar 1987 (zweimal), 12. und 13. März 1987, 13. und 14. April 1987, 6. und 14. Mai 1987, 23. Juni 1987 (viermal), 25. Juni, 26. Juni und 29. Juni 1987, 19. Januar 1988 (zweimal), 11. Februar 1988 (zweimal), 17. März 1988 (zweimal) und 20. April 1988 (zweimal) Mehrkostenzuschuß zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erwidert: Der Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung des MKZ, der von der Klägerin am 15. November 1985 gestellt worden sei, gelte nur für die jeweilige aktuelle Förderungszeit, nicht aber für alle Förderungszeiten während der Dauer eines Bauvorhabens. Soweit die Revision die Verfassungsmäßigkeit des § 238 AFG in Zweifel ziehe, vermöge sie nicht zu überzeugen. Mehrere Gerichte hätten hinsichtlich des § 238 AFG keinerlei Veranlassung für eine Vorlage an das BVerfG gesehen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Die Klägerin ist vor dem Bundessozialgericht (BSG) ordnungsgemäß vertreten. Die Fachgemeinschaft B. B. … e.V. ist gemäß der in einem anderen Verfahren – 7 RAr 15/87 – vorgelegten Satzung (§ 2 Nr 1 Buchst a) eine Vereinigung von Arbeitgebern iS des § 166 Abs 2 Satz 1 SGG. Zwar findet sich die den Prozeßbevollmächtigten D. … ua erteilte Vollmacht vom 10. August 1988, die auf die Vertretungsbefugnis im anhängigen Revisionsverfahren begrenzt ist, lediglich von einer vertretungsberechtigten Person der Fachgemeinschaft, nämlich Herrn W., unterzeichnet. Jedoch ist Herr W. ausweislich eines Vereinsregisterauszuges des Amtsgerichts Charlottenburg, der im genannten anderen Verfahren vorgelegt wurde, stellvertetender Präsident der Fachgemeinschaft. Gemäß § 9 Nr 3 (1) der erwähnten Satzung sind der Präsident und sein Stellvertreter jeder für sich ua zur alleinigen gerichtlichen Vertretung der Fachgemeinschaft berechtigt (Vorstand iS des § 26 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-).

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind der den Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ ablehnende Bescheid vom 8. September 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987, der den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehnende Bescheid vom 23. Dezember 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1988, die Bescheide, durch die während des Verfahrens vor dem SG die Leistungsanträge betreffend den Förderungszeitraum vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987 abgelehnt worden sind, und die Bescheide, durch die im Verlauf des Verfahrens vor dem LSG die Leistungsanträge hinsichtlich der Förderungszeit vom 1. Dezember 1987 bis 31. März 1988 abschlägig beschieden worden sind. Allerdings hat das SG nicht über die Bescheide befunden, durch die die während des erstinstanzlichen Verfahrens gestellten Leistungsanträge abgelehnt wurden; auch eine Urteilsergänzung, die binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils hätte beantragt werden müssen (§ 140 Abs 1 SGG), ist unterblieben. Doch war das Berufungericht nicht gehindert, auch über diese Verwaltungsakte zu entscheiden, da dies dem Willen der Beteiligten entsprach (BSGE 61, 45, 48 = SozR 4100 § 113 Nr 5).

Die Beklagte hat den Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ für die Förderungszeiten vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1989, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Leistungsanträge für die Förderungszeiten vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1987 und vom 1. Dezember 1987 bis 31. März 1988 zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 238 AFG, der durch Art 11 des Gesetzes zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften vom 25. Juli 1986 (BGBl I 1169) eingefügt worden und am Tag nach der am 31. Juli 1986 erfolgten Verkündung in Kraft getreten ist (Art 14 Abs 1), werden die Leistungen der Produktiven Winterbauförderung nach den §§ 77 bis 79 bis zum 31. März 1989 nicht gewährt, es sei denn, daß die Anerkennung einer Förderung vor dem 1. Juli 1986 beantragt worden ist. Durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2343), in Kraft getreten am 1. Januar 1989 (Art 10), ist in § 238 AFG die Jahreszahl „1989” durch „1992” ersetzt worden (Art 1 Nr 35).

Zu den Leistungen der Produktiven Winterbauförderung iS des § 238 AFG gehört der MKZ. Er wird Arbeitgebern des Baugewerbes in Form von Zuschüssen zu den sonstigen witterungsbedingten Mehrkosten der Bauarbeiten gewährt, die sie in der Förderungszeit (1. Dezember bis 31. März, vgl § 75 Abs 2 Nr 1 AFG) durchgeführt haben (§ 78 Abs 1 AFG). Er wird frühestens von dem Tage an gewährt, an dem der Antrag nach § 81 Abs 2 Satz 1 AFG beim Arbeitsamt (ArbA) eingegangen ist (§ 79 Abs 1 AFG). Das Verfahren für die Gewährung des MKZ ist zweistufig ausgestaltet. Mit dem sog Anerkennungsantrag (§ 81 Abs 2 Satz 1 AFG) wird eine Entscheidung der Bundesanstalt für Arbeit (BA) darüber herbeigeführt, ob die auf der Baustelle getroffenen Schutzvorkehrungen als ausreichend angesehen werden können. Der Anerkennungsbescheid als solcher stellt sich als ein verselbständigter Teil einer Entscheidung dar, durch die Leistungen bewilligt werden (BSG Dienstblatt der BA Rechtsprechung – DBlR – Nr 2782a zu § 78 AFG; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand September 1988, § 81 Anm 7); er beinhaltet die Zusicherung der BA, daß der Arbeitgeber nach Maßgabe der erbrachten Arbeitsstunden und, falls die BA die angezeigten Arbeiten – wie hier – schon im Anerkennungsbescheid klassifiziert hat, nach Maßgabe des zugesagten Förderungssatzes den Zuschuß erhält (BSG vom 17. April 1986 – 7 RAr 91/84; Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl, § 81 Rz 19). Demgegenüber wird mit dem Leistungsantrag, der bis zum Ablauf einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach dem Ende der Schlechtwetterzeit zu stellen ist (§ 81 Abs 2 Satz 2 AFG), das Ziel verfolgt, die Auszahlung des MKZ herbeizuführen.

Im vorliegenden Fall fehlt es am Ausnahmetatbestand des § 238 AFG. Der Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ ist nicht vor dem 1. Juli 1986 gestellt worden. Die vom Gesetzgeber für die Förderungszeiten ab 1. Dezember 1986 vorgesehene Suspension des MKZ kommt zum Tragen.

Dahinstehen kann, ob ein Anerkennungsantrag, wie das LSG meint, nur für eine Förderungszeit gestellt werden kann, oder ob er, wie die Klägerin geltend macht, für mehrere Förderungszeiten gestellt werden kann. Der Antrag vom 15. November 1985, der eine empfangsbedürftige Willenserklärung darstellt (Geffers/Schwarz, Komm zum AFG, Stand 1979, § 81 Rz 2; Kranz, Komm zum Winterbau, Stand April 1988, § 81 Rz 6), kann aus der Sicht eines objektiven Beobachters in der Rolle der Beklagten (§ 133 BGB) nur in dem Sinne verstanden werden, daß die Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ für die Förderungszeit vom 1. Dezember 1985 bis 31. März 1986 beantragt wurde. Das folgt zum einen daraus, daß die Klägerin auf dem vorgedruckten Antragsformular das voraussichtliche Ende der Arbeiten, für die die Förderung begehrt wurde, mit dem 31. März 1986 angegeben hat. Dafür spricht zum anderen, daß die Klägerin in ihrem am 4. September 1986 eingegangenen Schreiben ua darauf hingewiesen hat, daß ihr Antrag vom 15. November 1985 in bezug auf das voraussichtliche Ende der Arbeiten fehlerhaft sei; das voraussichtliche Ende der Arbeiten sei nicht der 31. März 1986, sondern der 31. März 1989. Wäre die Klägerin selbst davon ausgegangen, mit dem Antrag vom 15. November 1985 als voraussichtliches Ende der Arbeiten ein späteres Datum als den 31. März 1986 benannt zu haben, hätte es insoweit der Mitteilung vom 4. September 1986 nicht bedurft.

Eine Korrektur des Anerkennungsantrages vom 15. November 1985 ist nicht möglich. Eine offenbare Unrichtigkeit iS eines Schreiboder Rechenfehlers, die selbst in einem Verwaltungsakt jederzeit berichtigt werden kann (§ 38 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – SGB 10), ist nicht ersichtlich; die Klägerin behauptet dies auch nicht. Geheime Vorbehalte sind unerheblich (§ 116 BGB). Allerdings kann ein Antrag nach allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts bis zum Wirksamwerden des Verwaltungsaktes zurückgenommen werden (§§ 130, 182 ff BGB); danach kann er entsprechend den §§ 119 ff BGB angefochten werden (BVerwGE 30, 185; 37, 19; Wolff/Bachof, VerwR III, 4. Aufl, § 156 Va 1; Krause, VerwArch 1970, 297, 321, 326 ff). Offenbleiben kann, ob diese Prinzipien auch auf Anerkennungsanträge iS des § 81 Abs 2 Satz 1 AFG anzuwenden sind. Selbst wenn man dies bejaht, verhelfen sie der Klägerin nicht zum gewünschten Erfolg. Abgesehen davon, daß die Klägerin den Anerkennungsbescheid vom 14. Februar 1986 nicht nachträglich zu Fall bringen will, läßt sich weder durch Rücknahme noch durch Anfechtung ihres Antrages vom 15. November 1985 ein Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ auch für die Förderungszeiten vom 1. Dezember 1986 bis 31. März 1989 konstruieren. Ein der Klägerin günstigeres Ergebnis läßt sich, wie vom LSG im Ergebnis richtig gesehen, nicht aus der Rechtsfigur der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB 10) herleiten, wonach jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Abs 1 Satz 1). Auch wenn man dieses Rechtsinstitut nicht allein auf Verfahrenshandlungen (vgl dazu Hauck/Haines, SGB 10 1 und 2, Stand Mai 1988, § 27 Rz 4), sondern auch auf materielle Fristen für anwendbar hält (BSG vom 25. Oktober 1988 – 12 RK 22/87 – demnächst in SozR 1300 § 27 Nr 4), muß seine Anwendung hier scheitern; die Vorschrift des § 238 AFG bewertet Anerkennungsanträge, die bis zum 30. Juni 1986 gestellt wurden, anders als Anerkennungsanträge, die nach diesem Zeitpunkt gestellt wurden; sie beinhaltet demnach eine Stichtagsregelung, nicht eine Handlungsfrist. Selbst wenn man ihr Fristcharakter zuspräche, käme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht; denn diese ist, wie aus § 27 Abs 5 SGB 10 hervorgeht, nicht zulässig, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, daß sie ausgeschlossen ist. Der Anerkennungsantrag des § 81 Abs 2 Satz 1 AFG läßt – ähnlich wie die Anzeige des Arbeitsausfalles als Voraussetzung für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld gemäß den §§ 64 Abs 1 Nr 4, 66 Satz 1 AFG (BSG vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 18/87 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) – nach Sinn und Zweck eine Rückdatierung im Wege der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu. Das ist einerseits § 79 Abs 1 AFG zu entnehmen, wonach der MKZ nicht rückwirkend, sondern erst von dem Tage an gewährt wird, an dem der Anerkennungsantrag bei dem zuständigen ArbA eingegangen ist und alle weiteren Voraussetzungen für die Leistung gegeben sind (Krebs/Schelter, Komm zum AFG, Stand Oktober 1988, § 81 Rz 8). Das ergibt sich andererseits zwingend aus § 238 AFG. Wäre bezüglich der Stichtagsregelung dieser Vorschrift eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft, müßten auf nach dem 30. Juni 1986 gestellte Förderungsanträge entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers Leistungen ggf doch bewilligt werden. Eine vorübergehende Aussetzung der Leistungen der Produktiven Winterbauförderung nach den §§ 77 bis 79 AFG wäre nicht gewährleistet. Dies lag nicht in der Absicht des Gesetzgebers.

Der Beklagten ist es, wie die Vorinstanzen zu Recht angenommen haben, nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) versagt, sich gegenüber der Klägerin auf die verspätete Stellung des Anerkennungsantrages zu berufen. Auch im Sozialrecht ist anerkannt, daß ein Verhalten, das zu eigenem früheren Verhalten im Widerspruch steht „venire contra factum poprium”), als Sonderfall des Grundsatzes von Treu und Glauben rechtsmißbräuchlich und mit dem Verlust des geltend gemachten Rechts verbunden sein kann (BSGE 22, 257 = SozR Nr 2 zu § 143 l AVAVG; BSG SozR 4100 § 72 Nr 2; BSGE 47, 194, 196 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; BSGE 49, 76, 81 = SozR 2200 § 1418 Nr 6; BSGE 50, 213, 216 = SozR 2200 § 1419 Nr 7; BSG vom 21. Juli 1981 – 7 RAr 37/80; BSGE 52, 63, 69 = SozR 4100 § 119 Nr 15; BSG SozR 4100 § 141e Nr 7; BSG vom 14. Februar 1989 – 7 RAr 18/87). Hier greift der der Beklagten gemachte Vorwurf des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens indessen nicht durch. Die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen die Klägerin berechtigterweise davon ausgehen durfte, eine Antragstellung auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ für die Förderungszeiten 1986/89 sei vor dem 1. Juli 1986 entbehrlich. Es mag richtig sein, daß die Beklagte – wie die Klägerin vorträgt erstmals am 30. Oktober 1986 im Wege einer Pressemitteilung auf die Stichtagsregelung des § 238 AFG aufmerksam gemacht hat. Es mag ferner zutreffen, daß sie die Baubetriebe Berlins immer rechtzeitig vor Beginn eines Förderungszeitraumes über einschlägige Änderungen von Rechtsvorschriften unterrichtet hat und daß sich aus diesem Grunde zwischen ihr und den Baubetrieben Berlins ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt hat. Doch reicht das nicht für die Annahme aus, die Beklagte habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen die Klägerin berechtigterweise erwarten durfte, die Stellung eines Anerkennungsantrages vor dem 1. Juli 1986 sei unnötig. Die Besonderheit der Neuregelung des § 238 AFG ist darin zu sehen, daß sie am 31. Juli 1986 im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist, am 1. August 1986 in Kraft getreten ist, am 16. August 1986 in GVBl Berlin verkündet worden ist und den 30. Juni 1986 zum maßgebenden Stichtag erklärt hat. Der Beklagten kann nicht iS einer Verpflichtung, die ihre Berufung auf die Versäumung des Stichtags als rechtsmißbräuchlich erscheinen läßt, abverlangt werden, mögliche anspruchsberechtigte Unternehmen schon geraume Zeit vorher umfassend über ein Gesetz zu informieren, das erst im August in Kraft tritt. Sie wäre insoweit überfordert.

Der sog sozialrechtliche Herstellungsanspruch führt zu keinem der Klägerin günstigeren Ergebnis. Er ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aus einem Sozialrechtsverhältnis erwachsenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl hierzu etwa BSG SozR 4100 § 56 Nr 18; BSG vom 11. Januar 1989 – 7/11b RAr 16/87 – jeweils mwN). Voraussetzung ist folglich ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten. Hier kann der Beklagten, wie aufgezeigt, nicht angelastet werden, die Klägerin nicht vor dem 1. Juli 1986 über die Stichtagsregelung des § 238 AFG informiert zu haben.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Stichtagsregelung des § 238 AFG nicht gegen die Verfassung, und zwar weder unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes (Art 14 GG) noch, jedenfalls soweit die Klägerin berührt ist, unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit (Art 20, 28 GG).

Voraussetzung für einen Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen ist eine vermögenswerte Rechtsposition, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet ist; diese genießt den Schutz der Eigentumsgarantie dann, wenn sie auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruht und zudem der Sicherung seiner Existenz dient (BVerfGE 69, 272, 300; 72, 9, 18 f; 76, 220, 235). Dahinstehen kann, ob das Erfordernis der Existenzsicherung zu den unabdingbaren Voraussetzungen der Anerkennung einer dem Eigentumsschutz unterfallenden sozialen Rechtsposition zu rechnen ist oder ob es, wie in der Literatur betont wird, den Grenzen des Eigentumsschutzes zuzuordnen ist (vgl dazu etwa Stober, SGb 1989, 53, 58 ff). Des weiteren kann offenbleiben, ob dem MKZ der Charakter einer Sozialleistung zuzubilligen ist, was ua deswegen zweifelhaft erscheint, weil er der Einkommensteuerpflicht unterliegt (Krebs/Schelter, aaO, § 81 Rz 14). Jedenfalls erwächst die Gewährung des MKZ nicht aus einer auf Eigenleistung beruhenden sozialversicherungsrechtlichen Position. Dem stehen Zielsetzung und Finanzierung des MKZ entgegen. Vorrangiges Ziel der Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft – und damit des MKZ – ist es, der witterungsbedingten Saisonarbeitslosigkeit der Bauarbeiter entgegenzuwirken. Die andernfalls hohen Leistungsansprüche der Bauarbeiter in den Wintermonaten lassen außergewöhnliche Maßnahmen zur Verkürzung ihrer Saisonarbeitslosigkeit wirtschaftlich erscheinen. Überdies besteht ein gesamtwirtschaftliches Interesse an einer besseren Ausnutzung der Baukapazitäten durch gleichmäßigere Verteilung der Baulasten über das ganze Jahr (Hennig/Kühl/Heuer, aaO, Vorbem vor § 74). Schon hieraus erhellt, daß die Gewährung des MKZ mehr im Interesse des Gemeinwohls als im Interesse der Baubetriebe liegt. Die Art der Finanzierung des MKZ unterstreicht dies. Die Mittel für die Produktive Winterbauförderung werden von den Arbeitgebern des Baugewerbes im Wege einer Umlage aufgebracht (§ 186a AFG). Die Umlage bemißt sich nach den Bruttoarbeitsentgelten der in den förderungsfähigen Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer. Die Ermächtigung des § 76 Abs 2 AFG berechtigt den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, generalisierend und typisierend die Gruppen von Baubetrieben zu beschreiben, die wesentlich gefördert werden können. Innerhalb dieser Gruppen sind dann auch einzelne Betriebe, die wegen ihrer Besonderheiten nicht wesentlich gefördert werden können, in die Umlagepflicht einbezogen (BSG SozR 4100 § 186a Nr 8). Ein Arbeitgeber kann selbst dann umlagepflichtig sein, wenn er sich mit eigenen Mitteln witterungsunabhängig gemacht hat, so daß sein Betrieb gegenwärtig nicht förderungsfähig ist (BSG SozR 4100 § 186a Nr 16). Demgemäß beruhen die Leistungen der Produktiven Winterbauförderung – und damit der MKZ – weniger auf den eigenen Aufwendungen des einzelnen Baubetriebes als vielmehr auf der solidarischen Anstrengung der Gesamtheit der Bauunternehmen. Man mag deshalb von einer Aussicht sprechen, die sich im Zeitpunkt der Antragstellung auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ zu einem Anspruch verdichtet, sofern alle weiteren Voraussetzungen verwirklicht sind. Von einer auf Eigenleistung beruhenden Rechtsposition kann nicht die Rede sein.

Die Stichtagsregelung des § 238 AFG steht auch mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen zur Rückwirkung von Gesetzen in Einklang.

Bei der Rückwirkung von Gesetzen ist zwischen Gesetzen mit echter und solchen mit unechter Rückwirkung zu unterscheiden. Von echter Rückwirkung spricht man, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Unechte Rückwirkung ist anzunehmen, wenn auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bzw Rechtsbeziehungen für die Zukunft eingewirkt wird (BVerfGE 11, 139, 145; 25, 142, 154; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Komm zum Grundgesetz, Stand November 1988, Art 20 VII Rz 68). Ein Gesetz, das echte Rückwirkung vorsieht, ist nichtig (BVerfGE 25, 371, 403; 30, 367, 385; 392, 401). Bei einem Gesetz, daß sich unechte Rückwirkung beimißt, ist eine Güterabwägung zwischen der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl und dem Ausmaß des durch die Gesetzesänderung verursachten Vertrauensschadens vorzunehmen (BVerfGE 14, 288, 299; 25, 142, 154).

Die Neuregelung des § 238 AFG greift nicht nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein. Sie wirkt, soweit die Klägerin berührt ist, aber auch nicht auf noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bzw Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein. Eine begründete Erwartenshaltung auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung eines MKZ erwächst frühestens mit der Stellung des Anerkennungsantrages (§ 81 Abs 2 Satz 1 AFG); erst dann kann ein Arbeitgeber des Baugewerbes damit rechnen, daß er Zuschüsse zu den sonstigen witterungsbedingten Mehrkosten der Bauarbeiten erhält, die er in der Förderungszeit durchführt (§ 79 Abs 1 AFG). Die Klägerin hat ihren Anerkennungsantrag am 4. September 1986 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt war § 238 AFG bereits rund fünf Wochen in Kraft und selbst im GVBl Berlin bereits etwa drei Wochen zuvor verkündet worden. Ein Vertrauenstatbestand auf seiten der Klägerin ist nicht gegeben, so daß es einer Abwägung zwischen der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens und den Belangen der Klägerin nicht bedarf.

Selbst wenn § 238 AFG unechte Rückwirkung beizumessen wäre – was auf die Bauunternehmen zutreffen mag, die ihren Anerkennungsantrag im Juli 1986 gestellt haben –, bliebe zu beachten, daß das Vertrauen des Bürgers keinen Schutz verdient, wenn er in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge rückbezogen wird, mit der Neuregelung rechnen mußte (BVerfGE 13, 261, 272). Im vorliegenden Fall ist die das Vertrauen der Klägerin erschütternde Zäsur mit dem 27. Juni 1986, dem Tag der dritten Lesung, anzusetzen (vgl hierzu etwa Schmidt in Ambs ua, Gemeinschaftskomm zum AFG, Stand März 1989, § 238 Rz 6).

Damit erweist sich der die Anerkennung ablehnende Bescheid vom 8. September 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1987 als rechtmäßig. Demnach sind auch die auf die Leistungsanträge hin ergangenen Ablehnungsbescheide rechtens; denn die Ablehnung der Auszahlung des MKZ ist eine zwingende Folge der Ablehnung des Anerkennungsantrages (BSG vom 17. April 1986 – 7 RAr 91/84).

Die Revision der Klägerin konnte mithin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung leitet sich aus § 193 SGG ab.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174571

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