Leitsatz (redaktionell)
1. Wie jede Versorgungsleistung wird auch die Pflegezulage nur auf einen dahingehenden Antrag gewährt.
2. Der Antrag auf "Versorgungsbezüge" umfaßt nicht schlechthin und ohne weiteres alle in BVG § 9 aufgezählten Versorgungsleistungen einschließlich des Anspruchs auf Pflegezulage.
3. Bei der Prüfung eines Versorgungsantrages ist nur dann eine Pflegezulage in Betracht zu ziehen, wenn sie ausdrücklich begehrt wird oder mindestens besondere Umstände dargetan werden, die eine Prüfung des Anspruchs auf eine Pflegezulage nach den Voraussetzungen des BVG § 35 Abs 1 nahelegen.
4. Nach KOV-VfG § 7 Abs 1 soll der Antrag die begehrten Leistungen bezeichnen sowie die zur Begründung erforderlichen Tatsachen und Beweismittel angeben.
KOV-VfG § 7 Abs 2 verpflichtet die Verwaltung dagegen nur, darauf hinzuwirken, daß sachdienliche Anträge gestellt, begründet und gegebenenfalls ergänzt werden. Diese Bestimmung begründet aber nicht die Verpflichtung, den Antragsvordruck allgemein durch Aufzählung und Erläuterung der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zu ergänzen.
Normenkette
BVG § 35 Abs. 1 Fassung: 1964-02-21, § 9 Fassung: 1964-02-21; KOVVfG § 7 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02, Abs. 2 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. April 1966 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. November 1967 geändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit mit ihr Pflegezulage für die Zeit vor dem 1. Oktober 1964 beantragt worden ist.
Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe
I
Am 12. Oktober 1960 beantragte der Kläger nach seiner Flucht aus der Sowjetzone beim Versorgungsamt (VersorgA) II B auf einem als "Antrag auf Versorgungsbezüge - Heilbehandlung - nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ..." bezeichneten Vordruck Versorgung nach dem BVG. Die einzelnen Versorgungsleistungen nach dem BVG waren darin nicht aufgeführt; als Schädigungsfolgen hatte der Kläger "Amputation linker Fuß und rechter Unterschenkel" angegeben. Nach dem Wegzug des Klägers aus B holte das VersorgA R das versorgungsärztliche Gutachten vom 13. Juli 1961 ein, in dem als Schädigungsfolgen "1. Verlust des linken Unterschenkels im mittleren Drittel, 2. Verlust des rechten Fußes nach Pirogoff" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. festgestellt, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage aber verneint wurden. Daraufhin bewilligte das VersorgA mit Bescheid vom 24. August 1961 wegen der angegebenen Schädigungsfolgen vom 1. Oktober 1960 an Grundrente nach einer MdE um 70 v. H. sowie eine Kleiderverschleißzulage. Die im Bescheidvordruck für "Pflegezulage (§ 35)" vorgesehene Spalte enthielt nur Striche. Durch Bescheid vom 11. September 1964 erhöhte das VersorgA die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit auf 80 v. H., änderte zunächst nur entsprechend die Grundrente und behielt sich die Änderung der einkommensabhängigen Leistungen vor. Die Spalte "Pflegezulage" enthielt wiederum nur Striche. Später ergingen noch mehrere Bescheide über die Gewährung einer Ausgleichsrente.
Am 1. Oktober 1964 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 8 zu § 35 BVG die Gewährung einer Pflegezulage. Das VersorgA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 13. November 1964 ab, weil die Amputation nach Pirogoff nicht dem vollständigen Verlust des Fußes gleichzusetzen sei und Hilflosigkeit im Sinne des § 35 BVG nicht vorliege. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 1965). Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hörte den Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses E, der die Auffassung vertrat, der Zustand eines Pirogoff-Stumpfes entspreche funktionell einem modifizierten Unterschenkelstumpf, so daß er funktionell wie ein Verlust des ganzen rechten Fußes zu betrachten sei. Daraufhin erklärte sich der Beklagte mit Schreiben vom 2. Juni 1965 bereit, dem Kläger vom 1. Oktober 1964 an Pflegezulage nach Stufe I zu gewähren. Dieser aber beanspruchte die Pflegezulage nunmehr schon vom 1. Oktober 1960 an mit dem Hinweis auf den bereits damals gestellten Versorgungsantrag; der Beklagte lehnte dies jedoch ab. Das SG entsprach dem Antrag des Klägers mit Urteil vom 21. April 1966, weil der Antrag von Oktober 1960 bereits den Anspruch auf eine Pflegezulage mitumfaßt habe. Außerdem sei auch nach § 40 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) die rückwirkende Gewährung erforderlich. Die Berufung wurde zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 24. November 1967 zurückgewiesen. Es hielt die Anwendung des § 40 Abs. 1 VerwVG nicht für zulässig, weil in den früheren Bescheiden über die Pflegezulage noch nicht entschieden worden sei, stimmte aber der Auffassung des SG zu, daß bereits der erste Antrag von Oktober 1960 den Anspruch auf eine Pflegezulage enthalten habe. Nach der VV Nr. 1 Satz 2 zu § 1 BVG umfasse der Versorgungsantrag alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen, sofern er nicht ausdrücklich auf bestimmte Leistungen beschränkt werde. Dies bedeute, daß die Versorgungsbehörde die einzelnen in § 9 BVG aufgezählten Versorgungsleistungen, die nach den tatsächlichen Angaben des Klägers nahelägen, prüfen und darüber entscheiden müsse.
Da der Kläger sich bereits in seinem Antrag von Oktober 1960 als Doppelamputierter bezeichnet habe, hätte bereits 1961 auch über die Gewährung einer Pflegezulage entschieden werden müssen. Der Bescheid vom 13. November 1964 enthalte somit die um vier Jahre verspätete Entscheidung über eine bereits von dem Antrag vom 12. Oktober 1960 umfaßte Leistung, die schon mit Wirkung vom 1. Oktober 1960 an hätte ergehen müssen. Das Schreiben des Klägers vom 1. Oktober 1964 bedeute nicht den Erstantrag, sondern nur eine Mahnung an die noch ausstehende Entscheidung über die Gewährung auch einer Pflegezulage aufgrund des Antrages vom 12. Oktober 1960. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß in diesem Antrag die Pflegezulage nicht ausdrücklich genannt worden sei, da er das damals benützte Formular selbst herausgegeben habe und die Berufung auf einen solchen Mangel daher gegen Treu und Glauben verstoße. Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. März 1966 - 10 RV 516/64 - stehe der Rechtsauffassung des LSG nicht entgegen, weil es sich dabei um innere Leiden gehandelt habe, bei denen eine Pflegezulage, vor allem eine durch Rechtsvorschriften für eine bestimmte Gruppe vorgesehene Leistung dieser Art, nicht so ohne weiteres in Betracht gekommen sei wie bei Doppelamputierten. Außerdem sei in jenem Rechtsstreit bereits in den Vorinstanzen eine Klärung der Ansprüche zu erwarten gewesen und schließlich hätte nach dem Tode der ursprünglichen Klägerin der zu ihren Lebzeiten versäumte Antrag auf eine Pflegezulage nicht mehr nachgeholt werden können. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das ihm am 27. Dezember 1967 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch Schriftsatz vom 5. Januar 1968, eingegangen beim BSG am 8. Januar 1968, Revision eingelegt.
Er beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 24. November 1967 und das Urteil des SG Reutlingen vom 21. April 1966 aufzuheben und die Klage, soweit mit ihr die Gewährung von Pflegezulage für die Zeit vor dem 1. Oktober 1964 begehrt wird, als unbegründet abzuweisen.
In der Revisionsbegründung vom 7. März 1968, die innerhalb der bis zum 27. März 1968 verlängerten Begründungsfrist beim BSG am 8. März 1968 eingegangen ist, rügt der Beklagte eine Verletzung der §§ 1, 35 und 60 BVG, des § 7 VerwVG und des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Außerdem hat seiner Ansicht nach das LSG den Begriff der Verwirkung (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches) verkannt. Er führt dazu aus, der Versorgungsantrag umfasse zwar alle nach Lage des Falles in Betracht kommenden Leistungen; dies gelte aber nicht, wenn nach dem Sachverhalt eine bestimmte Leistung von Anfang an auszuschließen sei. Da nach dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 20. Oktober 1958 eine Amputation nach Pirogoff nicht den Verlust des ganzen Fußes bedeute, habe kein Anlaß bestanden, bei dem ersten Antrag vom Oktober 1960 auch die Gewährung einer Pflegezulage in Betracht zu ziehen, zumal der Kläger nach der versorgungsärztlichen Untersuchung nicht die Voraussetzungen eines Doppelamputierten im Sinne der VV Nr. 8 zu § 35 BVG erfüllt habe. Das Berufungsgericht habe diesen Sachverhalt verkannt. Die Feststellung, daß der Versorgungsarzt die Voraussetzungen einer Pflegezulage bejaht habe, könne nicht auf die Versorgungsakten gestützt werden und verstoße gegen § 128 SGG. Der Beklagte habe die Gewährung einer Pflegezulage nicht deshalb zugestanden, weil er die Voraussetzungen der VV Nr. 8 zu § 35 BVG für gegeben erachtet habe, sondern wegen der subjektiven Besonderheiten dieses Falles. Das Berufungsgericht habe die Voraussetzungen der "Gruppenversorgung" gemäß VV Nr. 8 zu § 35 BVG zu Unrecht bejaht und sei deshalb der irrigen Auffassung gewesen, das Urteil des BSG vom 8. März 1966 stehe seiner Entscheidung nicht entgegen, so daß auch insoweit § 128 SGG verletzt sei. Es habe ferner nicht beachtet, daß der Kläger seit Januar 1961 durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten gewesen sei, der es unterlassen habe, die begehrten Leistungen gemäß § 7 Abs. 1 VerwVG im einzelnen zu bezeichnen und den Bescheid vom 24. August 1961 anzufechten, soweit eine Pflegezulage nicht zuerkannt worden war.
Sollte aber der Antrag vom 12. Oktober 1960 bereits den Anspruch auf eine Pflegezulage mitumfaßt haben, so müsse dieser Anspruch als verwirkt betrachtet werden, weil sich der Kläger über drei Jahre mit dem ohne Bewilligung einer Pflegezulage erlassenen Bescheid vom 24. August 1961 abgefunden habe und bei Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beklagte aus haushaltsrechtlichen Gründen ein schutzwürdiges Interesse daran habe, daß Versorgungsleistungen für die Vergangenheit nicht zuerkannt würden.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die vom LSG getroffene Entscheidung für zutreffend.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch der Sache nach begründet.
In verfahrensmäßiger Hinsicht hat das LSG zunächst zutreffend die Zulässigkeit der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 21. April 1966 bejaht. Bei einer zulässigen Revision ist die Zulässigkeit der Berufung auch ohne eine entsprechende Rüge oder einen entsprechenden Antrag von Amts wegen zu prüfen (BSG 2, 225). Der Beklagte hatte im Berufungsverfahren die Abänderung des angefochtenen Urteils des SG und die Abweisung der "über das Angebot vom 2.6.1965 hinausgehenden Ansprüche" begehrt. Seine Berufung betraf somit die Gewährung einer Pflegezulage nur für die Zeit vom 1. Oktober 1960 bis zum 30. September 1964 und damit Versorgung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum, so daß sie an sich nach § 148 Nr. 2 SGG ausgeschlossen gewesen wäre. Sie war jedoch gleichwohl statthaft, da das SG sie nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen hatte.
Zu Unrecht hat das LSG jedoch entschieden, daß dem Kläger Anspruch auf eine Pflegezulage bereits vom 1. Oktober 1960 an zusteht, weil schon der "Antrag auf Versorgungsbezüge" vom 12. Oktober 1960 den Anspruch auf eine Pflegezulage mitumfaßt habe. Nach § 35 Abs. 1 BVG idF des 1. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) wird eine Pflegezulage gewährt, solange der Beschädigte infolge der Schädigung so hilflos ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf. Diese Voraussetzung ist von den späteren Änderungen des § 35 BVG nicht berührt worden. Die VV Nr. 8 zu § 35 BVG idF vom 14. August 1961 und vom 23. Januar 1965 läßt bei Doppelamputierten ohne weitere Gesundheitsstörungen im allgemeinen eine Pflegezulage nach Stufe I zu, "ohne Rücksicht darauf, ob es sich um paarige oder nichtpaarige Gliedverluste (Oberarm, Unterarm, ganze Hand, Oberschenkel, Unterschenkel, ganzer Fuß) handelt." Wie jede Versorgungsleistung wird auch die Pflegezulage nur auf einen dahingehenden Antrag gewährt, der materiell-rechtliches Erfordernis (BSG 2, 289, 295; 7, 118, 120) und für den Beginn der Leistung maßgebend ist. Nach § 60 Abs. 1 BVG beginnt die Beschädigtenversorgung mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Antragsmonat. Dem Kläger könnte daher die Pflegezulage vom 1. Oktober 1960 an nur dann gewährt werden, wenn sein Versorgungsantrag vom 12. Oktober 1960 auch diesen Anspruch umfaßt hätte und dessen Voraussetzungen erfüllt sind. In jenem Antrag hatte der Kläger schlechthin "Versorgungsbezüge nach dem BVG" begehrt. Nach der VV Nr. 1 zu § 1 BVG wie auch nach der Rechtsprechung des BSG ist der Antrag auf alle "nach Lage des Falles" in Betracht kommenden Leistungen gerichtet anzusehen, es sei denn, daß er auf bestimmte Leistungen ausdrücklich beschränkt wird. Demnach umfaßt entgegen der Auffassung des LSG und des SG der Antrag auf Versorgungsbezüge nicht schlechthin und ohne weiteres alle in § 9 BVG aufgezählten Versorgungsleistungen einschließlich des Anspruchs auf eine Pflegezulage. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 8. März 1966 - 10 RV 516/64 - (BVBl. 1966 S. 117) mit eingehender Begründung dargelegt hat, muß vielmehr bei der Beurteilung der von der Verwaltung bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigenden Ansprüche zwischen den einzelnen Versorgungsleistungen unterschieden werden. Dieses Urteil betrifft zwar nicht den gleichen Sachverhalt wie im vorliegenden Fall und hatte sich vor allem mit der Frage zu befassen, ob die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von "Versorgung" nach einer MdE um 100 v. H. auch eine Entscheidung über die Gewährung einer Pflegezulage einschließt. In diesem Zusammenhang sind aber auch Grundsätze für die Beurteilung der Frage entwickelt worden, welche Versorgungsleistungen nach Lage des Einzelfalles bei der Prüfung eines Versorgungsantrages in Betracht kommen. Dabei ist auf § 9 BVG hingewiesen, in welchem die einzelnen Versorgungsleistungen aufgeführt sind, die aber ihrer Art und ihren Voraussetzungen nach so verschieden sind, daß sie je nach Lage des Einzelfalles besonders beantragt werden müssen. Der erkennende Senat hat dies auch bei den in § 9 Nr. 3 BVG genannten Versorgungsleistungen für erforderlich gehalten, wo neben der Beschädigtenrente (§§ 30 bis 34 BVG) die Pflegezulage (§ 35 BVG) erwähnt ist. Das Erfordernis eines besonderen Antrags bei der Pflegezulage ist vor allem auf die Erwägung gestützt, daß die Pflegezulage eine zusätzliche Versorgungsleistung neben der Rente ist und nicht nur wie diese dem Ausgleich der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der wehrdienstbedingten MdE, sondern dem zusätzlichen Ausgleich eines weiteren Schadens dient, der in einer durch die Schädigung verursachten Hilflosigkeit besteht (vgl. BSG 17, 114, 119). Hiernach ist bei der Prüfung eines Versorgungsantrages nur dann eine Pflegezulage in Betracht zu ziehen, wenn sie ausdrücklich begehrt wird oder mindestens besondere Umstände dargetan werden, die eine Prüfung des Anspruchs auf eine Pflegezulage gemäß den Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BVG nahelegen. In seinem "Antrag auf Versorgungsbezüge nach dem BVG" vom 12. Oktober 1960 hat der Kläger den Anspruch auf eine Pflegezulage nicht ausdrücklich geltend gemacht. Der Kläger hat zwar zur Begründung seines Versorgungsantrages eine "Amputation des linken Fußes und des rechten Unterschenkels" angegeben; nach dem versorgungsärztlichen Gutachten vom 13. Juli 1961 hat es sich bei der Amputation des Fußes jedoch nur um eine Absetzung nach Pirogoff gehandelt. Unter diesen Umständen bestand für die Versorgungsbehörde kein Anlaß, in Anwendung der VV Nr. 8 den Antrag des Klägers als Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage anzusehen, denn die erwähnte Bestimmung sieht ohne Prüfung der Hilflosigkeit die Gewährung einer Pflegezulage nur bei Doppelamputierten vor, also nur bei solchen Beschädigten, bei denen vollständige "paarige oder nichtpaarige Gliedverluste (... Unterschenkel, ganzer Fuß)" vorliegen. Diese Voraussetzung ist aber bei einer Absetzung des Fußes nach Pirogoff nicht erfüllt. Sie führt nicht zum Verlust des ganzen Fußes. Diesem Umstand trägt auch das Rundschreiben des BMA vom 20. Oktober 1958 (BVBl. 1958 S. 153) Rechnung, das ausdrücklich ausspricht, daß eine Amputation nach Pirogoff nicht den Verlust des ganzen Fußes bedeutet und dem vollständigen Verlust auch nicht gleichgesetzt werden kann, so daß selbst bei einem Zusammentreffen dieser Schädigung mit dem vollständigen Verlust eines anderen Körpergliedes die Voraussetzungen der VV Nr. 8 zu § 35 BVG nicht gegeben sind und eine Pflegezulage nur in Betracht kommt, wenn Hilflosigkeit im Sinne des § 35 Abs. 1 BVG vorliegt. Ebensowenig gab das vom Kläger erwähnte Rundschreiben des BMA vom 18. Oktober 1953 (BVBl 1953 S. 172) Anlaß, den Antrag des Klägers vom Oktober 1960 als Antrag auf Gewährung einer Pflegezulage anzusehen, weil jenes Rundschreiben sich nur auf Doppel- Unterschenkelamputierte bezogen hat, zu denen der Kläger aufgrund der Angaben in seinem Versorgungsantrag von Oktober 1960 zweifellos nicht gehört. Es fehlte somit im Antrag vom 12. Oktober 1960 als auch den sonstigen Umständen nach jeglicher Hinweis dafür, daß für den Kläger eine Pflegezulage in Betracht kam, die eine Prüfung und Entscheidung darüber erfordert hätte. Eine Pflegezulage war erstmals am 1. Oktober 1964 beantragt worden, so daß erst auf diesen Antrag hin und von diesem Zeitpunkt an über den Anspruch auf eine Pflegezulage zu entscheiden war. Der auf den Antrag vom 1. Oktober 1964 erlassene Bescheid vom 13. November 1964 stellt somit nicht "eine um vier Jahre verspätete Entscheidung" dar, die schon auf den Antrag von Oktober 1960 hätte getroffen werden und sich auch auf die Zeit vom 1. Oktober 1960 bis zum 30. September 1964 hätte beziehen müssen.
Der Bescheid vom 13. November 1964 ist auch kein Zugunstenbescheid nach § 40 Abs. 1 VerwVG gewesen. Die Anwendung dieser Vorschrift würde voraussetzen, daß über den Anspruch auf eine Pflegezulage bereits eine Entscheidung ergangen war, deren Unrichtigkeit eine Neuregelung geboten erscheinen ließ (vgl. BSG in BVBl 1964, 81). Dies ist hier aber nicht der Fall. Der Bescheid vom 24. August 1961 enthielt in der Rubrik "Pflegezulage" nur Striche; darin kann im vorliegenden Fall kein Verwaltungsakt gesehen werden, der den Erfordernissen eines Verwaltungsaktes auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung im Sinne des § 22 VerwVG entspricht und der vor allem in einer für den Beschädigten erkennbaren Weise zum Ausdruck bringen muß, welche Leistungen zuerkannt oder abgelehnt worden sind und mit welcher Begründung (BSG 3, 271, 274; ferner Urteil vom 24. Oktober 1963 - 8 RV 1097/60 -). Abgesehen davon wäre die Versorgungsbehörde selbst bei einem Bescheid nach § 40 Abs. 1 VerwVG nicht verpflichtet, die begehrte Leistung auch für die Vergangenheit zu gewähren; vielmehr steht es in solchem Fall in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, den Zeitpunkt zu bestimmen, von dem an die Neuregelung gelten soll (BSG in SozR VerwVG § 40 Nr. 6 und Nr. 10). Es besteht auch kein Grund, das Schreiben des Klägers vom 20. September 1961 als einen noch unerledigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. August 1961 und in Verbindung damit alle weiteren Schreiben einschließlich des Antrages auf Gewährung einer Pflegezulage vom 1. Oktober 1964 als Teil des mit dem Widerspruch eingeleiteten Vorverfahrens anzusehen, in welchem über die Gewährung einer Pflegezulage mit Wirkung von Oktober 1960 an hätte entschieden werden müssen. Mit dem Schreiben vom 20. September 1961 hat der Kläger nicht die in dem Bescheid vom 24. August 1961 getroffene, seiner Meinung nach unvollständige Regelung angefochten und deren Nachprüfung begehrt, sondern nur eine Höherbewertung seiner MdE wegen beruflicher Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG beansprucht. Der Widerspruch des Klägers vom 24. November 1964 richtete sich dagegen ausdrücklich nur gegen den Bescheid vom 13. November 1964 über die Ablehnung der Pflegezulage. Der Versorgungsbehörde kann auch nicht vorgehalten werden, sie dürfe sich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, daß in dem Versorgungsantrag von Oktober 1960 der Anspruch auf eine Pflegezulage nicht ausdrücklich genannt worden sei, da sie andernfalls nach § 7 Abs. 2 VerwVG verpflichtet gewesen wäre, den Antragsvordruck durch einen Katalog der Versorgungsleistungen nach § 9 BVG zu ergänzen, die Voraussetzungen der jeweiligen Ansprüche zu erläutern und den Antragsteller zur Bezeichnung der begehrten Leistungen anzuhalten. Nach § 7 Abs. 1 VerwVG soll der Antrag die begehrten Leistungen bezeichnen sowie die zur Begründung erforderlichen Tatsachen und Beweismittel angeben; der Abs. 2 dieser Bestimmung verpflichtet die Verwaltung dagegen nur, darauf hinzuwirken, daß sachdienliche Anträge gestellt, begründet und gegebenenfalls ergänzt werden. Diese Bestimmung begründet aber nicht die Verpflichtung, den Antragsvordruck allgemein durch Aufzählung und Erläuterung der gesetzlich vorgesehenen Leistungen zu ergänzen.
Ist somit die Gewährung einer Pflegezulage erstmals am 1. Oktober 1964 beantragt worden, so durfte die Pflegezulage gemäß § 60 Abs. 1 BVG frühestens von diesem Zeitpunkt, dem Beginn des Antragsmonats, an bewilligt werden. Dabei braucht im vorliegenden Falle nicht mehr geprüft zu werden, ob die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Pflegezulage für diese Zeit auch erfüllt sind. Das LSG hat sich mit den materiell-rechtlichen Voraussetzungen dieses Anspruchs nicht näher befaßt, sondern sich auf das Anerkenntnis des Beklagten bezogen, das dieser am 2. Juni 1965 "dem Grunde nach" bindend abgegeben und das der Kläger mangels entsprechender Einwendungen in dieser Hinsicht "dem Sinne nach" angenommen habe; es hat den Kläger ferner ohne nähere Begründung als Doppelamputierten bezeichnet. Trotz der in dieser Hinsicht bestehenden Bedenken erübrigt sich jedoch eine Erörterung dieser Fragen. Da der Beklagte im Berufungsverfahren wie auch im Revisionsverfahren nur die Abänderung der angefochtenen Urteile und die Abweisung der Klage begehrt hat, soweit diese "über das Angebot vom 2.6.1965 hinausgehende Ansprüche" und die Gewährung der Pflegezulage auch für die Zeit vor dem 1. Oktober 1964 betrifft, hat er sich mit seiner Verurteilung zur Gewährung einer Pflegezulage vom 1. Oktober 1964 an abgefunden, so daß insoweit eine Nachprüfung der Voraussetzungen dieses Anspruchs entfällt.
Das LSG und das SG haben den Antrag des Klägers von Oktober 1960 zu Unrecht auch auf eine Pflegezulage bezogen und infolgedessen § 60 Abs. 1 BVG nicht richtig angewendet. Auf die Revision des Beklagten waren die Urteile des LSG und des SG entsprechend zu ändern. Die Klage war abzuweisen, soweit mit ihr Pflegezulage für die Zeit vor dem 1. Oktober 1964 beantragt worden ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen