Orientierungssatz
Stellt die Arbeit am Vormittag des Unfalltages für eine Kinderpflegerin eine besondere physische und psychische Anstrengung dar, die eine Ruhepause zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig macht, so steht der von ihr zurückgelegte Weg, um sich zu Hause hinzulegen, wozu sie im Kindergarten keine Möglichkeit hat, mit der versicherten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang.
Normenkette
RVO § 550 S. 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 14.05.1976; Aktenzeichen L 3 U 177/73) |
SG Darmstadt (Entscheidung vom 04.01.1973; Aktenzeichen S 1 U 230/71) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 1976 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Entschädigungsleistungen wegen eines am 21. September 1970 erlittenen Unfalls, durch den sie eine Querschnittslähmung davongetragen hat. Die 1943 geborene, geschiedene Klägerin arbeitete seit dem 1. September 1970 in einem Kindergarten in D. Sie war mit dem verheirateten Sozialpädagogen Dieter E (E.) befreundet, der bei ihr auch wohnte. Am Unfalltag holte E. die Klägerin in ihrer Mittagspause gegen 12.50 Uhr mit seinem Kraftwagen ab. Beide verunglückten, weil E. auf dem H-ring in südlicher Richtung mit überhöhter Geschwindigkeit über die Einmündung der Brücke des H-weges hinausfuhr und eine 12 m hohe Böschung auf die Geleise der Eisenbahn hinunterstürzte. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 7. Oktober 1971 einen Entschädigungsanspruch der Klägerin ab. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft habe E., der zuvor schon häufig an Depressionen gelitten und deswegen in psychiatrischer Behandlung gestanden habe, kurz vor Antritt der Fahrt in Selbstmordabsicht eine größere Anzahl Tabletten eingenommen, weil seine Frau von ihm die Scheidung verlangte und er aus den sich daraus ergebenden Problemen keinen Ausweg wußte. Die Klägerin sei daher im wesentlichen einer Gefahr erlegen, die auf privaten Gründen, und zwar auf dem Verhalten des E. beruht habe, der sich entweder bewußt und absichtlich oder unbewußt im Straßenverkehr völlig abnorm verhalten habe. Die persönliche Beziehung der Klägerin zu ihrem Freund, die Auseinandersetzungen in ehelicher Hinsicht und die sich daraus für die Beteiligten ergebenden Probleme sowie die labile Anlage des Freundes hätten im Vordergrund gestanden und dem Ablauf des Ereignisses in der Mittagspause des Unfalltages das entscheidende Gepräge gegeben. Die Voraussetzungen für die Anerkennung des Unfalls als Wegeunfall iS des § 550 der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien daher nicht erfüllt. Das Sozialgericht (SG) Darmstadt hat die gegen diesen Bescheid erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 4. Januar 1973). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin das Ereignis vom 21. September 1970 als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 14. Mai 1976). Das LSG hat aufgrund des Ergebnisses der von ihm durchgeführten Zeugenvernehmung, der Anhörung der Klägerin sowie der Würdigung der beigezogenen Akten ua der E. betreffenden Strafakten des Amtsgerichts (AG) Darmstadt (22 Ds 56/72) und der das Verfahren zwischen E. und seinem Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer betreffenden Zivilprozessakten des Landgerichts (LG) Darmstadt (3 O 356/71) in tatsächlicher Hinsicht ua festgestellt: Die Klägerin sei nach einer halbjährigen Therapie im Niedersächsischen Landeskrankenhaus Tiefenbrunn von dort Mitte 1970 entlassen worden und habe auch nach ihrer Übersiedlung nach Darmstadt in nervenfachärztlicher Behandlung gestanden. Am 1. September 1970 sei sie als Kinderpflegerin zur Probe in einem Kindergarten in Darmstadt angestellt worden. Der Dienst habe zwischen 7.00 Uhr und 7.15 Uhr begonnen; sie sei morgens mit dem Fahrrad zur Arbeitsstätte gefahren. Im Kindergarten habe sie eine Gruppe von drei- bis fünfjährigen milieu- und entwicklungsgestörten Kindern zu betreuen gehabt, von denen einige noch nicht stubenrein gewesen seien. Während des morgendlichen Unterrichts habe sie nur wenig oder gar nicht sitzen können. Mittags habe sie sich müde und erschöpft gefühlt. Ihre Mittagspause habe von 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr gedauert. Im Kindergarten sei den Kindergärtnerinnen offiziell kein Mittagessen gewährt worden, jedoch hätten sie dennoch oft am Essen der Kinder teilnehmen können. Die Klägerin habe den Kindergarten in der Mittagspause regelmäßig verlassen. An manchen Tagen sei sie zu E. gegangen, der in der Nähe gearbeitet habe, an anderen Tagen sei sie mit dessen Auto, für das sie einen Schlüssel gehabt habe, nach Hause gefahren. Dort habe sie gerade anfallende Hausarbeiten verrichtet und sich etwa für eine dreiviertel Stunde hingelegt, da sie wegen der vorangegangenen Krankheit geschwächt gewesen sei. Am Morgen des Unfalltages habe sie mit E. verabredet, ihn mittags auf seiner Dienststelle aufzusuchen. Da sie dort aber weder E. noch seinen Kraftwagen vorgefunden habe, sei sie wieder zum Kindergarten zurückgegangen. Kurz vor 13.00 Uhr sei E. beim Kindergarten erschienen. Sie sei in sein Auto gestiegen und dabei davon ausgegangen, daß sie in die gemeinsame Wohnung fahren würden, was sich auch aus der Fahrtrichtung ergeben habe. Nach dem Fahrtziel habe sie nicht gefragt. E. habe sich schweigsam, aber nicht auffällig verhalten. Unterwegs habe E. vor einer Ampel einen ohne Folgen verlaufenden Auffahrunfall gehabt. Als er danach schneller als üblich gefahren sei, habe die Klägerin ihn gebeten, langsam zu fahren; sie habe aber keinen Anlaß zum Aussteigen gesehen; E. sei Rallyefahrer gewesen. Nach dem Eindruck des E. behandelnden Neurologen habe E. nicht Selbstmord begehen wollen. Als Zeuge habe E. bestätigt, daß er mit der Klägerin habe nach Hause fahren wollen. In rechtlicher Hinsicht hat das LSG ausgeführt: Die Klägerin habe auf dem zum Unfall führenden Weg zur ihrer Wohnung nach § 550 RVO unter Versicherungsschutz gestanden. Sinn dieser Vorschrift sei es, den Versicherungsschutz auf alle Wege auszudehnen, die ein Versicherter zwischen Wohnung und Betrieb zurücklege, wenn sie sich aus der Gestaltung der Arbeitszeit ergeben. Es müsse jedem Versicherten freigestellt sein, eine Arbeitspause zu Hause zu verbringen, ohne daß dadurch der Versicherungsschutz auf dem Hin- und Rückweg verloren gehe. Außerdem habe der Weg der Klägerin unter Versicherungsschutz gestanden, weil sie im wesentlichen deshalb nach Hause gefahren sei, um sich von ihrer anstrengenden Tätigkeit im Kindergarten zu erholen. Ein Weg, der in der Mittagspause zur Erholung zurückgelegt werde, stehe unter Versicherungsschutz, wenn die Art der Arbeit oder das Arbeitsverfahren an die physischen und psychischen Kräfte des Versicherten besondere Anforderungen stelle und die Erholung in der Arbeitspause notwendig sei, um die Weiterarbeit zu sichern. Diesem Zweck habe auch die Fahrt der Klägerin gedient. Die über fünfstündige Beschäftigung am Vormittag habe für die Klägerin unter den dargelegten Umständen - Alter und Art der Kinder, vorherige stationäre Behandlung - eine besondere physische und psychische Anstrengung dargestellt, so daß die Ruhepause in der Wohnung zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich gewesen sei. Im Kindergarten hätte sie sich nur auf einen Stuhl setzen, zu Hause aber hinlegen können. Der Versicherungsschutz der Klägerin sei auf dem Weg zur Wohnung nicht wegen des Verhaltens des E. entfallen. Zum einen stehe nicht fest, daß er den Unfall vorsätzlich verursacht habe - er sei nur wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden - und zum anderen habe die Klägerin vor Antritt der Fahrt eine Fahruntüchtigkeit des E. nicht erkannt.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Ihrer Ansicht nach umfasse der Unfallversicherungsschutz nach § 550 RVO nicht alle Wege des Versicherten, die dieser während einer Pause zwischen Wohnung und Betrieb zurücklege. Die einzige Ausnahme bilde der Weg zur Essenseinnahme. Im vorliegenden Fall stehe nicht einmal fest, daß die Klägerin auf dem Weg zu ihrer Wohnung gewesen sei; sie habe E. nicht gefragt, wohin die Fahrt gehe. Alles was das LSG meine, annehme und unterstelle lasse sich bei richtiger Anwendung der Verfahrensvorschrift des § 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht aufrechterhalten. Bei der ersten Vernehmung nach dem Unfall habe die Klägerin über die Zielrichtung der Fahrt nichts anzugeben vermocht. Es habe sich von vornherein der Verdacht ergeben, daß zumindest der Fahrer des Kraftwagens E. Selbstmord begehen wollte und die Klägerin diese Absicht erkannt habe. Das LG Darmstadt sei im Zivilprozeß (3 O 356/71) zu dem Ergebnis gekommen, daß E. den Unfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Da die Klägerin die Selbstmordabsicht ihres Freundes erkannt und nichts unternommen habe, um auszusteigen, sei der Versicherungsschutz ausgeschlossen. Überdies habe nicht festgestellt werden können, daß der Dienst der Klägerin im Kindergarten am Vormittag so anstrengend gewesen sei, daß sie zur Wiedererlangung oder Erhaltung der Arbeitskraft der Ruhe bedurft hätte. Sie habe auch sonst nicht geschlafen, wenn sie mittags nach Hause gefahren sei. Am Unfalltag sei sie kräftig genug gewesen, zunächst zum vereinbarten Treffpunkt mit E. und zurück zum Kindergarten zu gehen. Die zum Unfall führende Fahrt sei ganz eindeutig durch private Gründe, nämlich dem Wunsch geprägt gewesen, mit E. zusammen zu sein. Das habe im Vordergrund gestanden und zu dem tragischen Ende der Fahrt geführt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Mai 1976 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 4. Januar 1973 zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 SGG).
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Die Klägerin hat am 21. September 1970 einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Arbeitsunfall gilt nach § 550 Abs 1 RVO, der mit dem bis zum 31. Dezember 1973 in Kraft gewesenen § 550 Satz 1 RVO identisch ist (vgl § 15 Nr 1 des 17. Rentenanpassungsgesetzes vom 1. April 1974 - BGBl I 821), auch ein Unfall auf einen mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Der Versicherungsschutz nach § 550 Abs 1 RVO ist nicht auf täglich nur einen einzigen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit beschränkt (vgl SozR Nr 11 zu § 543 RVO aF; BSG Urteil vom 25. Januar 1977 - 2 RU 99/75 - zur Veröffentlichung vorgesehen; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 8. Aufl. S 486 o). Erforderlich ist aber, daß bei mehrfachen Wegen an einem Tag jeder dieser Wege in einem ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Ob dies, wie das LSG meint, bei einem Weg der Fall ist, der keinen anderen Zweck hat, als die Arbeitspause zu Hause zu verbringen, kann dahingestellt bleiben. Das LSG hat den Versicherungsschutz aber auch deshalb bejaht, weil die Klägerin nach Hause fuhr, um sich dort von ihrer anstrengenden Tätigkeit im Kindergarten zu erholen. Der erkennende Senat hat sich wiederholt mit dem Versicherungsschutz auf Wegen beschäftigt, die Versicherte unternehmen, um sich Erholung und Erfrischung zu verschaffen (BSGE 4, 219, 223; 12, 254, 255; 16, 236, 239; SozR Nrn 26 und 61 zu § 543 RVO aF; SozR Nr 15 zu § 550 RVO; BG 1967, 115; Urteile vom 31. Januar 1969 - 2 RU 116/67, vom 9. Dezember 1976 - 2 RU 145/74, vom 28. April 1977 - 2 RU 75/75; vgl auch Beschluß vom 17. Dezember 1975 - 2 BU 21/75). Nach dieser Rechtsprechung, der das LSG im angefochtenen Urteil gefolgt ist, besteht auf solchen Wegen Versicherungsschutz nur, wenn sie aus besonderen mit der betrieblichen Tätigkeit zusammenhängenden Umständen notwendig sind (Brackmann aaO S 482 b II und 482 c; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm 8 zu § 550 Stichwort: Erholung). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, gegen die zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht worden sind (§ 163 SGG), begann die tägliche Arbeit der Klägerin im Kindergarten zwischen 7.00 Uhr und 7.15 Uhr und dauerte zunächst bis 12.30 Uhr, insgesamt also mehr als 5 Stunden. Die Klägerin hatte eine Gruppe von drei- bis fünfjährigen milieu- und entwicklungsgestörten Kindern zu betreuen, von denen einige noch nicht stubenrein waren. Während ihrer Tätigkeit konnte die Klägerin gar nicht oder nur wenig sitzen. Die Klägerin hatte die Tätigkeit im Kindergarten nach einer halbjährigen stationären Behandlung im Niedersächsischen Landeskrankenhaus T aufgenommen; sie stand auch in Darmstadt noch in nervenfachärztlicher Behandlung. Daraus hat das LSG ohne Rechtsirrtum geschlossen, daß die Arbeit am Vormittag des Unfalltages für die Klägerin eine besondere physische und psychische Anstrengung darstellte, die eine Ruhepause zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig machte. Der von der Klägerin zurückgelegte Weg, um sich zu Hause hinzulegen, wozu sie im Kindergarten keine Möglichkeit hatte, stand daher mit der versicherten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang. Die von der Beklagten gegen die Feststellung des LSG gerichteten Rügen, daß sich der Unfall auf dem Wege vom Kindergarten nach der Wohnung der Klägerin ereignet hat, erachtet der erkennende Senat nicht für durchgreifend. Die Unfallstelle liegt, was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt, an einer Straße, die vom Kindergarten direkt zur Wohnung der Klägerin führt. Aufgrund der Angaben der Klägerin und der Aussage ihres als Zeuge vernommenen Freundes E. hat das LSG als bewiesen angesehen, daß beide zur Wohnung der Klägerin fahren wollten. Eine etwa unrichtige oder nicht erschöpfende Beweiswürdigung stellt noch keinen Verfahrensmangel dar (BSGE 2, 236, 237). Ein Mangel des Verfahrens würde nur dann vorliegen, wenn das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG) überschritten, zB gegen die Denkgesetze verstoßen hätte. Die Revision behauptet dies zwar, legt einen solchen Verstoß jedoch nicht in einer den gesetzlichen Erfordernissen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG entsprechenden Weise dar. Um diesen Erfordernissen zu genügen, ist bei der Rüge eines Verstoßes gegen die Denkgesetze in der Revisionsbegründung die Gedankenkette des LSG zu diesem Punkt wiederzugeben und anzuführen, an welcher Stelle und wodurch sich die Gedankenführung des Gerichts zu den allgemeinen Denkgesetzen in Widerspruch setzt (SozR Nr 47 zu § 164 SGG). Daran mangelt es der Revision. Die Klägerin stand somit auf dem zum Unfall führenden Weg nach § 550 Abs 1 RVO unter Versicherungsschutz.
Der Versicherungsschutz würde auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß - was das LSG nicht als bewiesen angesehen hat - der Freund E. der Klägerin etwa die Absicht gehabt hat, Selbstmord zu begehen. Zwar schließt die absichtliche Herbeiführung des Arbeitsunfalls den Anspruch des Verletzten auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 553 RVO aus. Diese versicherungsrechtliche Folge würde aber für die Klägerin nur eintreten, wenn die Klägerin die Absicht ihres Freundes E. erkannt und sich dennoch zu ihm in sein Auto gesetzt hätte. Darin wäre ein Anwendungsfall des Begriffs der "selbstgeschaffenen Gefahr" zu sehen, der der versicherten Tätigkeit nicht zuzurechnen ist (vgl Brackmann aaO S 488 c mit Nachweisen; Lauterbach aaO Anm 18 c zu § 550). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat E. auf die Klägerin vor Antritt der Fahrt am Unfalltag keinen von der Norm abweichenden Eindruck gemacht. Da sie ihn als guten Kraftfahrer kannte - sie hat mit ihm an Rallyes teilgenommen -, hat für sie auch dann noch kein Anlaß bestanden auszusteigen, als E. zunächst einen unbedeutenden Auffahrunfall verursachte und dann schneller als üblich fuhr; sie hat ihn nur gebeten, langsamer zu fahren. Dagegen hat die Beklagte keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben. Daß die Klägerin, wie die Revision vorträgt, nach dem Unfall der Auffassung gewesen sei, E. habe den Unfall absichtlich herbeigeführt, entnimmt die Beklagte dem Bericht der Kriminalbeamten K und K vom 1. Kommissariat der Kriminalabteilung D vom 21. September 1970. Die Beamten haben mit der Klägerin gesprochen, als diese nach dem Unfall in der Poliklinik D auf dem Röntgentisch lag. Bei der Vernehmung vor dem Landgericht Darmstadt am 22. März 1973 (3 O 356/71) hat K als Zeuge ausgesagt, daß die Klägerin damals sehr stark unter Schockwirkung gestanden und sich in einem desolaten Zustand befunden habe. Der gleichfalls als Zeuge vernommene K bestätigte dies; seiner Meinung nach befand sich die Klägerin in einem furchtbaren Zustand. Es stellt demnach keinen Verfahrensverstoß dar, und schon gar nicht, wie die Beklagte meint, einen Verstoß gegen die Denkgesetze, daß das LSG nicht die durch die beiden Kriminalbeamten im Krankenhaus von der auf dem Röntgentisch liegenden Klägerin erfragten Angaben seinen tatsächlichen Feststellungen zugrunde gelegt hat, sondern sich auf Aussagen stützt, die die Klägerin bei ihrer Vernehmung vor dem LG am 22. März 1973 (3 O 356/71) und ihrer Anhörung vor dem Berufungsgericht am 14. Mai 1976 gemacht hat. Überdies wäre es für den Versicherungsschutz der Klägerin ohne Bedeutung, wenn sie nach dem Unfall der Meinung gewesen sein sollte, E. habe den Unfall absichtlich herbeigeführt. Ein Anhalt dafür, daß sie diese Überzeugung schon zu einem Zeitpunkt hatte, in dem sie das Auto des E. noch gefahrlos hätte verlassen können, ist weder den Feststellungen des LSG noch dem Vorbringen der Revision zu entnehmen. Zwar hätte die Klägerin nach dem Auffahrunfall aussteigen können, jedoch spricht nichts dafür, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt auch nur die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, daß E. einen Unfall herbeiführen wollte.
Da die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat und wegen der Schwere der durch diesen Unfall erlittenen Verletzungen Leistungen der in § 547 RVO genannten Art in Betracht kommen, hat das LSG die Beklagte zu Recht dem Grunde nach verurteilt, Entschädigung zu gewähren (§ 130 SGG).
Die Kostentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen