Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfolgungsbedingte Ersatzzeit
Leitsatz (redaktionell)
- Die von § 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB VI geforderte Tatsache, dass jemand “zum Personenkreis des § 1 BEG gehören” muss, belegt nach dem Wortlaut dieser Vorschrift, dass der dort genannte Schaden kausal durch die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen verursacht worden sein muss. An einer solchen Kausalität fehlt es zumindest dann, wenn erst weitere, völlig ungewisse Bedingungen eintreten müssen, um den beschriebenen Erfolg hervorzurufen.
- Hätte die Klägerin ohne die Flucht - d.h. bei Verbleib im Herkunftsgebiet, in dem weiterhin für sie die polnischen Sozialversicherungsgesetze galten – mangels Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis keine nach § 17a FRG in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten zurücklegen können und behauptet sie erstmals in der Revisionsinstanz eine “nicht fern liegende Möglichkeit” einer Auswanderung nach Deutschland mit nachfolgender Beschäftigung, ist ein Schaden durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen nicht anzunehmen.
Normenkette
SGB VI § 250 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; BEG § 1; FRG § 17a
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Regelaltersrente. Deren Gewährung hängt insbesondere von der Frage ab, ob die Zeit von Juni 1942 bis Mai 1945 als verfolgungsbedingte Ersatzzeit anzurechnen und damit die Wartezeit für die Rente erfüllt ist.
Die Klägerin, die am 10. Juni 1928 in Bilgoray, Distrikt Lublin, Polen, geboren ist, ist Jüdin und lebt seit 1948 in Israel. Zwischen Juni 1941 und Mai 1945 befand sie sich mit ihren Eltern auf der Flucht in das Innere der Sowjetunion. Für Zeiten zwischen April 1946 und Juli 1948 hat die Beklagte für sie wegen einer Tätigkeit als Schneiderin im Lager für “Displaced Persons” (DP-Lager) Ulm insgesamt 28 Monate Beitragszeiten anerkannt.
Den Rentenantrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. September 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. August 1998 mangels Wartezeiterfüllung ab. Das Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Beklagte durch Urteil vom 3. Dezember 2002 zur Gewährung von Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit vom 10. Juni 1942 (Vollendung des 14. Lebensjahrs) bis Mai 1945 gemäß § 250 Abs 1 Nr 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) verurteilt, weil die Klägerin als rassisch Verfolgte aus Furcht vor der durch deutsche Besatzungstruppen drohenden Judenverfolgung gemeinsam mit ihrer Familie in die Sowjetunion – und später weiter in deren Landesinnere – geflüchtet sei.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) das erstinstanzliche Urteil “geändert” und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Auf die Wartezeit von 60 Kalendermonaten für die Gewährung der begehrten Altersrente nach § 35 SGB VI sei die Zeit zwischen Juni 1942 und Mai 1945 als Ersatzzeit nicht anrechenbar; denn die Klägerin gehöre – entgegen der Ansicht des SG – nicht zum Personenkreis der Verfolgten iS des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Zwar sei sie Verfolgte aus Gründen der Rasse, jedoch habe sie keinen in der Rentenversicherung maßgeblichen Schaden durch nationalsozialistische Verfolgung erlitten. Offen bleiben könne, ob die Klägerin vom Gebiet des damaligen Deutschen Reichs ins Ausland geflohen sei, also ein Auslandsaufenthalt iS der maßgeblichen Vorschriften vorliege, der voraussetze, dass das Inland wegen drohender Verfolgungsmaßnahmen verlassen worden sei. Denn jedenfalls habe die Klägerin durch eine etwaige verfolgungsbedingte Flucht keine rentenrechtlichen Nachteile wegen nicht zurückgelegter (weiterer) Beitragszeiten erlitten.
In ihrem Heimatort Bilgoray, der zum sog Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete gehört habe und damit zwar dem Deutschen Reich an-, nicht aber eingegliedert gewesen sei, hätten weiterhin die polnischen Sozialversicherungsgesetze gegolten, so dass für die Klägerin nur die Möglichkeit bestanden habe, Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten iS des Fremdrentengesetzes (FRG) zu erwerben. Da sie aber nicht zu dem nach § 1 FRG begünstigten Personenkreis gehöre, insbesondere keine anerkannte Vertriebene iS des § 1 BEG sei, könnten ihr die Vorschriften der §§ 15, 16 FRG nur über § 17a FRG bzw § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) zu gute kommen. Dies setze wiederum voraus, dass sie dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehöre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei indes die Zugehörigkeit zum dSK nicht glaubhaft iS des § 4 Abs 1 Satz 1 FRG. Da sie im persönlichen Bereich in Polen überwiegend die polnische Sprache benutzt habe, mit dem Vater sowie den Schulfreunden sogar ausschließlich Polnisch gesprochen und zudem eine polnische Volksschule besucht habe, sei nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Klägerin im Bereich der sprachlich-kulturellen Erziehung und Bildung überwiegend der deutschen Sprache bedient habe. Damit habe sie keine Möglichkeit gehabt, Versicherungszeiten nach Maßgabe der Vorschriften des WGSVG oder des FRG herzuleiten. Da auch keine Versicherungszeiten aufgrund zwischen- oder überstaatlichen Rechts zurückgelegt worden seien, sei die Wartezeit von 60 Kalendermonaten für die Regelaltersrente nicht erfüllt.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Gerügt werde die Verletzung des § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI; das LSG habe sie, die Klägerin, zu Unrecht nicht dem Personenkreis des § 1 BEG zugerechnet. Nach der “Modifikation der Prüfung” eines maßgeblichen Schadens iS des § 1 BEG auf dem Gebiet der Rentenversicherung sei allein ein rentenrechtlicher Nachteil für infolge einer verfolgungsbedingten Flucht nicht zurückgelegte Beitragszeiten auszugleichen, wie das Bundessozialgericht im Urteil vom 14. August 2003 (B 13 RJ 27/02 R – BSGE 91, 198 = SozR 4-2200 § 1251 Nr 1) entschieden habe. Das LSG verkenne, dass dieser Schaden bei ihr, der Klägerin, darin gelegen habe, dass sie durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen daran gehindert worden sei, nach Deutschland auszuwandern und dort eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Durch eine solche restriktive Handhabung des Merkmals “Schaden in der Sozialversicherung” werde der Personenkreis des § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI unangemessen eingeschränkt. Wäre sie, die Klägerin, nicht vor den deutschen Truppen aus Bilgoray nach Osten – zunächst nach Vinitza und anschließend nach Sibirien – geflüchtet, hätte für sie die “nicht fern liegende Möglichkeit” bestanden, nach Deutschland auszuwandern und dort einer Beschäftigung nachzugehen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. März 2005 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 2002 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. September 2005 entscheiden, weil ihr Prozessbevollmächtigter ordnungsgemäß zum Termin geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente; denn die streitige Zeit vom 10. Juni 1942 bis Mai 1945 findet keine Anrechnung als verfolgungsbedingte Ersatzzeit auf die Wartezeit. Das LSG hat die entgegenstehende Entscheidung des SG zu Recht “geändert” (aufgehoben).
Voraussetzung für die Gewährung von Regelaltersrente ist gemäß § 35 SGB VI neben der Vollendung des 65. Lebensjahrs die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit. Die allgemeine Wartezeit beläuft sich gemäß § 50 Abs 1 SGB VI auf fünf Jahre (60 Kalendermonate). Auf die allgemeine Wartezeit werden gemäß § 51 Abs 1 und 4 SGB VI neben Beitragszeiten auch Kalendermonate mit Ersatzzeiten angerechnet. Da für die Klägerin lediglich 28 Kalendermonate mit Beitragszeiten belegt sind, hängt die Erfüllung der Wartezeit von fünf Jahren bei ihr davon ab, ob die streitige Zeit von Juni 1942 bis Mai 1945 (36 Kalendermonate) als Ersatzzeit Anrechnung findet.
Ersatzzeiten sind nach dem hier allein in Betracht kommenden § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI ua Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 BEG) oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen sind oder infolge Verfolgungsmaßnahmen
a) arbeitslos gewesen sind, auch wenn sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1946, oder
b) bis zum 30. Juni 1945 ihren Aufenthalt in Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach in Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze nach dem Stand vom 30. Juni 1945 genommen oder einen solchen beibehalten haben, längstens aber die Zeit bis zum 31. Dezember 1949,
wenn sie zum Personenkreis des § 1 BEG gehören (Verfolgungszeit).
Die Klägerin gehört – wie das LSG zutreffend ausgeführt hat – nicht zum Personenkreis des § 1 BEG. Zwar scheitert diese Zugehörigkeit nicht daran, dass eine formelle Anerkennung durch die zuständigen Entschädigungsbehörden nicht vorliegt. Denn die Feststellung der Verfolgteneigenschaft im Rahmen des § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI ist von den Rentenversicherungsträgern bzw den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in eigener Zuständigkeit zu treffen (vgl Senatsurteil vom 14. August 2003 – B 13 RJ 27/02 R – BSGE 91, 198 = SozR 4-2200 § 1251 Nr 1). Nach § 1 Abs 1 BEG ist Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen bzw in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter).
Die Klägerin ist – wovon die Vorinstanzen zutreffend ausgegangen sind – Verfolgte aus Gründen der Rasse. Als Jude zählte jeder Versicherte zur Gruppe der Verfolgten, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft aus Gründen der Rasse “ausgemerzt” werden sollten (vgl BSG SozR 3-2200 § 1251 Nr 7). Dass der Hinweis in § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI, der Versicherte müsse “Verfolgter” iS des § 1 BEG sein, nicht so zu verstehen ist, dass es sich ausschließlich um nach dem BEG entschädigungsberechtigte Verfolgte handeln muss, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14. August 2003 (aaO) unter Hinweis auch auf einschlägige Kommentarliteratur entschieden. Die Klägerin hat jedoch aufgrund der Verfolgung keinen nach § 1 BEG maßgeblichen Schaden erlitten.
Wie der Senat ebenfalls in der vorzitierten Entscheidung vom 14. August 2003 entschieden hat, ist für die Entschädigungsberechtigung im Rentenrecht maßgeblich darauf abzustellen, ob der Betroffene einen Schaden in der Rentenversicherung erlitten hat (vgl auch BSGE 44, 236 = SozR 2200 § 1251 Nr 35; zum Entschädigungscharakter des § 1251 RVO: BSG SozR 3-2200 § 1251 Nr 7), für die die Rentenversicherungsgesetze einen Ausgleich vorsehen. Im Rahmen der Anerkennung einer verfolgungsbedingten Ersatzzeit geht es gerade um den Ausgleich rentenversicherungsrechtlicher Nachteile für die infolge einer verfolgungsbedingten Flucht nicht zurückgelegten (weiteren) Beitragszeiten.
Die von § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI geforderte Tatsache, dass jemand “zum Personenkreis des § 1 BEG gehören” muss, belegt nach dem Wortlaut dieser Vorschrift, dass der dort genannte Schaden (hier: Schaden in der Rentenversicherung) kausal durch die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen verursacht worden sein muss. An einer solchen Kausalität fehlt es jedoch zumindest dann, wenn erst weitere, völlig ungewisse Bedingungen eintreten müssten, um den beschriebenen Erfolg hervorzurufen.
Sinn und Zweck des § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI ist aber – worauf bereits das SG im erstinstanzlichen Urteil hingewiesen hat –, durch die Anerkennung einer Verfolgungsersatzzeit einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung Beitragszeiten “im Herkunftsort” nicht zurückgelegt werden konnten. § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI schützt mithin die Situation, die zu Beginn der Verfolgungszeit bestand und die ohne die Verfolgungsmaßnahmen fortgedauert hätte.
§ 1 BEG schützt nur den Verfolgten, der – kausal – durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen einen Schaden erlitten hat. Ursächlich (kausal) ist nach der im Sozialversicherungsrecht anzuwendenden Kausalitätslehre der “wesentlichen Ursache” jede – aber auch nur diejenige – Bedingung, die nach der Auffassung des praktischen Lebens wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg für dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat (BSGE 13, 175). Ursache im Rechtssinne ist nach der sozialrechtlichen Kausalitätslehre unter Abwägung ihres verschiedenen Werts nur die Bedingung, die wegen ihrer besonders engen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Ursachen an der Entstehung eines Schadens mitgewirkt, ist vergleichend zu bewerten, welche von ihnen gleichwertig und welche wegen ihrer geringen Wirkung für den eingetretenen Schaden derart unbedeutend sind, dass sie praktisch außer Betracht bleiben müssen. Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung der rechtlichen Wesentlichkeit ist der Schutzzweck des Gesetzes (vgl Erlenkämper in Erlenkämper/Fichte, Sozialrecht, 5. Aufl 2003, S 61 f mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Gemessen an dem oben dargelegten Schutzzweck des § 250 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI ist auf die Situation des Versicherten zum Zeitpunkt seiner Flucht abzustellen.
Die Klägerin hätte jedoch ohne die Flucht – dh bei einem Verbleib im Herkunftsgebiet – keine (weiteren) in der deutschen Rentenversicherung anrechenbaren Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten zurücklegen können. Der Heimatort der Klägerin Bilgoray gehörte zum sog Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete, in welchem das bis dahin geltende Rentenrecht grundsätzlich in Kraft blieb, so dass jedenfalls für die nichtdeutschen Staatsangehörigen weiterhin die polnischen Sozialversicherungsgesetze galten (vgl Senatsurteil vom 23. August 2001 – B 13 RJ 59/00 R – SozR 3-2200 § 1248 Nr 17 mwN). Damit hätte für die Klägerin die Möglichkeit zum Erwerb weiterer Beitrags- bzw Beschäftigungszeiten nur nach den Grundsätzen des FRG bestanden. Dies war – da die Klägerin nicht zu dem nach § 1 FRG begünstigten Personenkreis gehört, sie insbesondere keine anerkannte Vertriebene iS des § 1 des Bundesvertriebenengesetzes ist – nur nach Maßgabe des § 17a FRG bzw § 20 iVm § 19 WGSVG (vgl hierzu BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 7) möglich, wenn sie dem dSK nicht nur gemäß § 17a Buchst a Nr 1 FRG zu irgendeinem Zeitpunkt angehört hätte, sondern im Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebiets (§ 17a Buchst a Nr 2 FRG), weil sie im Zeitpunkt, in dem sich dessen Einflussbereich auf ihr Heimatgebiet erstreckte, das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (vgl auch BSG SozR 3-5070 § 20 Nr 2).
Soweit die Klägerin unter Hinweis auf ein vermeintliches obiter dictum im Senatsurteil vom 14. August 2003 (B 13 RJ 27/02 R – BSGE 91, 198 = SozR 4-2200 § 1251 Nr 1) behauptet, die Feststellung eines Schadens in der Rentenversicherung iS des § 1 BEG hänge allein vom Erleiden rentenrechtlicher Nachteile dadurch ab, dass infolge verfolgungsbedingter Flucht keine (weiteren) Beitragszeiten hätten zurückgelegt werden können, verkennt sie, dass die Zugehörigkeit des Versicherten zum dSK im vorgenannten Verfahren nicht streitig war, dieser vielmehr bereits Zeiten in Anwendung des § 17a FRG angerechnet erhalten hatte. Nach den Feststellungen des LSG, die die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen hat und die für den Senat daher bindend sind (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), gehörte sie selbst jedoch zu keinem Zeitpunkt dem dSK an.
Die Revision stützt sich vielmehr darauf, dass die Klägerin – hätte sie vor drohenden Verfolgungsmaßnahmen nicht in das Innere der Sowjetunion flüchten müssen – nach Deutschland ausgewandert wäre; es hätte die “nicht fern liegende Möglichkeit” der Auswanderung bestanden, um dort einer Beschäftigung nachzugehen.
Der – erstmals in der Revisionsinstanz – erfolgte Vortrag einer “nicht fern liegenden Möglichkeit” einer Auswanderung nach Deutschland mit nachfolgender Beschäftigung dort verhilft der Revision indes nicht zum Erfolg. Damit ist vorliegend völlig ungewiss – und während der Rechtshängigkeit bis zum Abschluss der Tatsacheninstanzen nie behauptet worden –, dass die Klägerin ohne die nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen spätestens im Juni 1942 nach Deutschland ausgewandert – oder zumindest zeitweise übergesiedelt – wäre, um dort eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufzunehmen. Zwar handelt es sich insoweit nicht um eine neue Tatsache, die das Revisionsgericht von vornherein nicht berücksichtigen darf (vgl Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Komm, 8. Aufl 2005, RdNr 4 zu § 163). Durch das Aufzeigen der reinen Möglichkeit (Hypothese) einer Auswanderung – oder zeitweiligen Übersiedelung – nach Deutschland (im Alter von – zum Zeitpunkt der Flucht – im übrigen 13 Jahren bzw – zum Zeitpunkt des Beginns der begehrten Ersatzzeit – gerade 14 Jahren) will die Klägerin vielmehr die im Berufungsurteil erfolgte Beweiswürdigung dahingehend widerlegen, dass für sie ohne die Flucht in die Sowjetunion keine Möglichkeit zum Erwerb reichsdeutscher Beitragszeiten bestanden hätte.
Das LSG hat seine Würdigung auf die Auswertung der historischen Tatsachen und des Vortrags der Klägerin im Einzelfall gestützt. An diese Tatsachenwürdigung ist der Senat nach § 163 SGG gebunden; sie lässt im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler, insbesondere Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze (vgl hierzu: BFHE 208, 447 = NJW 2005, 2176), nicht erkennen. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich darin, an die Stelle der durch das LSG vorgenommenen Würdigung eine andere Würdigung setzen zu wollen, ohne jedoch die Voraussetzungen der aus § 163 SGG folgenden Bindungswirkung in Frage zu stellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen