Entscheidungsstichwort (Thema)
stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Zuständigkeitsklärung. Antragsweiterleitung zwischen zwei Trägern innerhalb eines Sozialversicherungszweigs. erstattungsfähige Aufwendungen des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers. Beiträge zur Rentenversicherung. fingierte Zahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Übermittlung eines Antrags auf medizinische Reha zwischen zwei Trägern innerhalb eines Sozialversicherungszweigs (hier: der gesetzlichen Rentenversicherung) stellt eine Weiterleitung iS von § 14 Abs 1 S 2 SGB 9 dar.
2. Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen des zweitangegangenen Reha-Trägers gehören nicht nur tatsächliche Zahlungen, sondern auch Lasten aus der Eingehung von Verbindlichkeiten.
3. Beiträge zur Rentenversicherung sind auch dann erstattungsfähige Aufwendungen iS des § 14 Abs 4 S 1 SGB 9, wenn ihre Zahlung gemäß § 176 Abs 3 SGB 6 lediglich fingiert wird.
Normenkette
SGB 5 § 40 Abs. 4; SGB 6 § 9; SGB 6 § 12 Abs. 1 Nr. 2; SGB 6 § 28; SGB 6 § 31; SGB 6 § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b; SGB 6 § 176 Abs. 3 Fassung: 2004-12-09; SGB 9 § 6; SGB 9 § 14 Abs. 4 S. 1, Abs. 2 Sätze 1, 3; SGB 9 § 44 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c; SGB 10 § 102 Abs. 2, § 107; BGB §§ 257, 670, 683
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (RV).
Der 1939 geborene, im Verlaufe des Berufungsverfahrens verstorbene M. B. (im Folgenden: Versicherter) war bei der klagenden Deutschen Rentenversicherung Schwaben renten- und bei der beklagten Krankenkasse krankenversichert. Er beantragte am 10.9.2004 Rente wegen Alters im Umfang einer Vollrente und am 28.9.2004 bei der damaligen Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg stationäre medizinische Leistungen zur Rehabilitation (Reha). Die LVA leitete den Reha-Antrag wegen örtlicher Unzuständigkeit an die Klägerin (damalige LVA Schwaben) weiter (Schreiben vom 6.10.2004), die ihm entsprach (Bescheid vom 7.10.2004) und gleichzeitig bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch anmeldete, weil sie dem Versicherten die Reha-Maßnahme als unzuständiger Träger leiste (Schreiben vom 7.10.2004). Der Versicherte erhielt die Reha-Maßnahme vom 14.10. bis 11.11.2004. Ab 1.11.2004 gewährte ihm die Klägerin Rente wegen Alters im Umfang einer Vollrente. Die Beklagte erstattete der Klägerin den geltend gemachten Betrag von 4.732,88 Euro (Pflege- und Fahrkosten, Übergangsgeld, Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung) mit Ausnahme der RV-Beiträge in Höhe von 276,28 Euro für den Zeitraum des Übergangsgeldbezugs des Versicherten vom 14. bis 31.10.2004.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 276,28 Euro zu zahlen (Urteil vom 1.2.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Zahlung in dieser Höhe ergebe sich aus § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX. Die Klägerin habe Aufwendungen in dieser Höhe gehabt, obwohl sie tatsächlich keine RV-Beiträge gezahlt, sondern § 176 Abs 3 SGB VI deren Zahlung lediglich fingiert habe. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung lediglich eine "Zahlung des RV-Trägers an sich selbst" oder an den kontoführenden RV-Träger verhindern, nicht aber Erstattungsansprüche gegen Leistungsträger anderer Sozialleistungsbereiche ausschließen wollen (Urteil vom 15.1.2009).
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX und § 176 Abs 3 SGB VI. Das LSG habe den Begriff der Aufwendungen, der auch in anderen Vorschriften - wie etwa § 91 SGB X - verwendet werde und für das SGB einheitlich auszulegen sei, unzutreffend interpretiert. Maßgeblich sei der in § 670 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, wonach nur tatsächliche, nicht aber ersparte Aufwendungen zu erstatten seien. Abstrakte, fiktive Zahlungen fielen damit nicht unter den Begriff der Aufwendungen. Da bei der Anwendung des § 176 Abs 3 SGB VI eine ex ante-Betrachtung durchzuführen sei, sei die Klägerin als RV-Träger selbst Träger der Reha gewesen und habe demgemäß auch tatsächlich keine Beiträge zur RV abgeführt.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Januar 2009 und des Sozialgerichts Augsburg vom 1. Februar 2007 aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist nicht begründet.
Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen, denn dem klagenden RV-Träger steht ein Anspruch auf Zahlung von 276,28 Euro gegen die Beklagte zu. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX sind erfüllt (dazu 1.). Zu den vom erstattungspflichtigen Leistungsträger zu erstattenden Aufwendungen gehören auch die zugunsten des Versicherten getragenen Beiträge zur RV; § 176 Abs 3 SGB VI steht dem nicht entgegen (dazu 2.).
1. Die Klägerin hat einen Erstattungsanspruch aus § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX. Diese Vorschrift (idF durch Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046 nebst nachfolgenden Änderungen, zuletzt durch Art 1 des Gesetzes vom 23.4.2004, BGBl I 606) bestimmt: "Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften."
§ 14 SGB IX räumt dem zweitangegangenen Träger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Reha-Träger ein. Dieser spezielle Anspruch geht den allgemeinen Erstattungsansprüchen nach dem SGB X vor. Er ist begründet, soweit der Versicherte vom Träger, der ohne die Regelung in § 14 SGB IX zuständig wäre, die gewährte Maßnahme hätte beanspruchen können (vgl zum Ganzen BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, jeweils RdNr 9 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, jeweils RdNr 18 ff, ebenso: BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 2 RdNr 15 f; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 7 RdNr 28 ff, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 21 RdNr 24; Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KR 16/08 R, RdNr 10) . Die Regelung begründet einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene Reha-Träger - bei Vorliegen eines entsprechenden Reha-Bedarfs - die erforderlichen Reha-Leistungen (spätestens nach drei Wochen) selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein. Dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, jeweils RdNr 21 ). Diese in § 14 Abs 2 Satz 1 und 3 SGB IX geregelte Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten auf alle Rechtsgrundlagen, die in dieser Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird dadurch eine eigene gesetzliche Verpflichtung des zweitangegangenen Trägers begründet, die - vergleichbar der Regelung des § 107 SGB X - einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung in diesem Rechtsverhältnis bildet. Im Verhältnis der Reha-Träger untereinander ist jedoch eine Lastenverschiebung ohne Ausgleich nicht bezweckt. Den Ausgleich bewirkt der Anspruch nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX.
Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs 4 Satz 1 SGB X sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin hat die Reha-Maßnahme als zweitangegangener Reha-Träger nach § 14 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB IX bewilligt. Die (damalige) LVA Baden-Württemberg hat als rechtlich selbstständige öffentlich-rechtliche Körperschaft den Antrag an die Klägerin im Sinne dieser Vorschrift weitergeleitet. Die Anwendung des § 14 SGB IX ist nicht etwa ausgeschlossen, weil zwei Träger der RV beteiligt waren (so etwa Benz, SGb 2001, 611, 615).§ 14 SGB IX stellt nach seinem Wortlaut auf den einzelnen Reha-Träger ("der" Reha-Träger) ab; in § 6 SGB IX werden die Reha-Träger aufgezählt, zu denen "die" (einzelnen) Träger der jeweiligen Sozialversicherungszweige gehören. Die Träger eines Sozialversicherungszweiges als einen einheitlichen Träger zu behandeln, widerspräche zudem dem Regelungszweck des § 14 SGB IX, zu einer schnellen Zuständigkeitsklärung gegenüber dem behinderten Menschen zu kommen (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, jeweils RdNr 26) .
Die Beklagte war iS der Norm für die Reha-Maßnahme zuständig. Die "Zuständigkeit" der Beklagten zur Reha-Maßnahme iS des § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX ist gegeben, wenn der Versicherte die Reha-Maßnahme ihrer Art nach von der Beklagten nach ihrem materiellen Recht - der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, jeweils RdNr 19) - hätte beanspruchen können. So lag es hier: Der Versicherte hatte ohne die Regelung in § 14 Abs 2 SGB IX nur gegen die Beklagte Anspruch auf die stationäre Reha-Maßnahme nach § 40 SGB V.
Die Beklagte war für die Reha-Maßnahme zuständig. § 40 Abs 4 SGB V beruft die beklagte Krankenkasse allerdings nur zu Leistungen der medizinischen Reha nach § 40 Abs 1 und 2 SGB V, wenn nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 31 SGB VI solche Leistungen nicht erbracht werden können. Dies war hier der Fall. Grundsätzlich trifft zwar den RV-Träger die Pflicht, medizinische Reha-Maßnahmen zu leisten (§ 9 SGB VI). Die Klägerin durfte hier aber als RV-Träger die Leistung nach § 12 Abs 1 Nr 2 SGB VI nicht mehr erbringen: Nach dieser Regelung werden Leistungen zur Teilhabe (vom RV-Träger) ua nicht für Versicherte erbracht, die - wie hier der Versicherte - eine Rente wegen Alters von wenigstens zwei Dritteln der Vollrente beantragt haben.
Die materiellen Voraussetzungen für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht der Beklagten dem Grunde nach sind gegeben. Die Beklagte zieht dies selbst nicht in Zweifel. Schließlich stimmten der Art nach die von der Klägerin erbrachte und die von der Beklagten zu beanspruchende Reha-Maßnahme überein (sachliche Kongruenz). Die Beteiligten bezweifeln dies zu Recht ebenfalls nicht (zum Erfordernis einer auf eine der Erstattung zugrunde liegende artgleiche Leistung des Anspruchsberechtigten gegen den zuständigen Träger vgl BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, jeweils RdNr 16 ff).
2. Der Erstattungsanspruch umfasst auch die geltend gemachten, fingierten RV-Beiträge in Höhe von 276,28 Euro. Rechtsfolge des § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX ist die Pflicht des ohne § 14 SGB IX zuständigen Trägers, dem zweitangegangenen Träger "dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften" zu erstatten. Bei den fingierten RV-Beiträgen handelt es sich in diesem Rechtssinne um Aufwendungen der Klägerin. Die klagende RV-Trägerin ist durch die Beitragsfiktion so gestellt, als habe sie mit ihren Mitteln und aus ihrem Haushalt die RV-Beiträge zu Gunsten des Versicherten für die Zeit vom 14. bis 31.10.2004 aufgebracht.
Der Begriff der "Aufwendungen" in § 14 Abs 4 SGB IX bestimmt sich nach dem Zweck der Regelung in Einklang mit dem Regelungssystem. § 14 Abs 4 SGB IX trifft im Verhältnis zu § 102 SGB X eine speziellere Regelung, da die Zuständigkeit des zweitangegangenen Reha-Trägers die Vorschriften über vorläufige Leistungspflichten und die Zuständigkeit zur vorläufiger Leistungspflicht ersetzt (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch - ≪SGB IX≫ Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, BT-Drucks 14/5074, S 102, zu § 14 des Entwurfs) . Denn der zweitangegangene Reha-Träger ist im Verhältnis zum behinderten Menschen nicht nur vorläufig, sondern endgültig und umfassend leistungspflichtig. Er erhält im Gegenzug hierfür einen vollständigen Ersatz aller Aufwendungen, wenn er nach der Zuständigkeitsordnung der Reha-Träger (außerhalb von § 14 SGB IX) Leistungen, für die er nicht zuständig war, aufgrund der Zuständigkeit als zweitangegangener Träger (nach § 14 Abs 2 Satz 3 bis 5 SGB IX) erbringen musste. Weil ihn § 14 SGB IX dazu beruft, umfassend nach allen Leistungsvorschriften überhaupt zuständiger Reha-Träger zu leisten, er sich mithin dieser Leistungspflicht nicht entziehen kann, bedarf es eines umfassenden Ausgleichsmechanismus, wie ihn die Rechtsfolge des verdrängten § 102 Abs 2 SGB X ebenfalls vorsähe (vgl zum Ganzen BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, jeweils RdNr 19) .
Der weite Umfang des Erstattungsanspruchs nach § 102 Abs 2 SGB X dient dem Zweck, dass der berechtigte Träger "alle seine erbrachten Leistungen zurückerhalten" soll (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines SGB - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten -, BT-Drucks 9/95 S 24 zu § 108 des Entwurfs). In der Sache geht es um alle Individualkosten des Einzelfalls (vgl dementsprechend zu § 264 Abs 1 SGB V: BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1 RdNr 24). Dazu zählen auch die RV-Beiträge, deren Zahlung § 176 Abs 3 SGB VI fingiert. Sie sind mit dem Zeitpunkt der fingierten Zahlung wirksam (§ 197 Abs 1 SGB VI), sodass der Versicherte aus ihnen Rechte herleiten kann. Die - auch zutreffend von der Klägerin geltend gemachten - Aufwendungen sind im Rechtssinne aber lediglich der Wert der Beiträge, nicht der Wert der an die Beitragsleistungen anknüpfenden Ansprüche des Versicherten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nichts anderes aus der ähnlichen Regelung des Aufwendungsersatzes im Auftragsrecht herzuleiten. Die BSG-Rechtsprechung hat schon früh öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche auf sog Abwälzungsfälle ausgedehnt, gerichtet auf den Ausgleich von Leistungen, den ein Rechtsträger des öffentlichen Rechts anstelle eines anderen erbracht hat (vgl BSGE 16, 151, 156 f und hierzu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band IV, Stand: 1.9.1989, S 966a mwN) . Diebereits vor Inkrafttreten des § 102 SGB X geltenden Regelungen der § 1738 Reichsversicherungsordnung (RVO), § 43 Abs 3 SGB I und § 6 Abs 3 Satz 1 RehaAnglG, an denen sich § 102 Abs 2 SGB I orientiert (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten -, BT-Drucks 9/95 S 24), zielten schon nach ihrem Wortlaut auf die Ersetzung aller Aufwendungen. Ihre Rechtsähnlichkeit zum Anspruch auf Aufwendungsersatz (§§ 670, 683 BGB) betont zutreffend die Literatur (vgl Böttiger in: LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 102 RdNr 8; Kater in: Kasseler Komm, Stand 1.1.2009, § 102 SGB X RdNr 6; Roos in: von Wulffen, SGB X, Kommentar, 6. Aufl 2008, § 102 RdNr 3) . Auch im Auftragsrecht ist indes anerkannt, dass nicht nur tatsächliche Zahlungen zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehören, sondern auch Aufwendungen aus der Eingehung von Verbindlichkeiten (vgl zB BGH NJW 1989, 1920, 1922; RGZ 151, 93, 99 f; Erman/Ehmann, BGB, 11. Aufl 2004, § 670 RdNr 34; MünchKomm-BGB/Seiler, 5. Aufl 2009, § 670 RdNr 13; Soergel/Beuthien, BGB, 12. Aufl, § 670 RdNr 3; Staudinger/Wittmann, BGB, 1995, § 670 RdNr 6, 23, 26). Das ergibt sich aus § 257 BGB, wonach die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz auch die Verpflichtung zur Freistellung von hierfür eingegangenen Verbindlichkeiten umfasst (BGH NJW-RR 2005, 887, 890) . Der Auftraggeber kann sich dabei nicht auf die Lastentragung im Innenverhältnis Auftragnehmer/Dritter berufen, um die Ersatzfähigkeit der aufgewandten Kosten in Frage zu stellen (vgl ebenda). Erst recht muss dann aber die Selbstbelastung eines RV-Trägers durch die Gutschrift von Beiträgen als ersatzfähige Aufwendung genügen.
Auch aus § 176 Abs 3 SGB VI ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten nichts anderes. § 176 Abs 3 SGB VI (idF des Gesetzes vom 9.12.2004, BGBl I 3242) bestimmt: "Ist ein Träger der Rentenversicherung Träger der Rehabilitation, gelten die Beiträge als gezahlt." Sie betrifft lediglich die Zahlung der RV-Beiträge aus dem Übergangsgeld, lässt aber - wie oben dargelegt - die Pflicht des RV-Trägers unberührt, die Beiträge als Beitragsschuldner zu tragen (§ 170 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB VI). Die Beitragsschuld gilt ohne tatsächliche Zahlung als erfüllt (Gürtner in: Kasseler Komm, Stand: 1.1.2009, § 176 SGB VI RdNr 6) . § 176 Abs 3 SGB VI verhindert lediglich, dass der RV-Träger an sich selbst als Reha-Träger zahlt (vgl Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum Gesetz zur Reform der gesetzlichen RV - Rentenreformgesetz 1992 - BT-Drucks 11/4124, S 186 zu § 176 des Entwurfs; bereits zuvor ähnlich für die Zeit vom 1.10.1974 bis zum 31.12.1983: § 1399 Abs 6 RVO und § 121 Abs 6 Angestelltenversicherungsgesetz, eingefügt durch Gesetz über die Angleichung der Rehabilitation vom 7.8.1974, BGBl I 1881, 1903 ≪vgl hierzu BR-Drucks 307/72, S 62≫, aufgehoben durch Haushaltsbegleitgesetz 1984, BGBl I 1983, 1532, 1538 und 1541; Finke in: K. Hauck/Haines, SGB VI, Stand: Januar 2008, K § 176 RdNr 14; Komm zum Recht der gesetzlichen RV, Herausgeber: VdR, Stand: April 2005, § 176 SGB VI RdNr 4). Die Regelung betrifft damit das Verhältnis im Innenbereich desselben RV-Trägers in seiner unterschiedlichen Funktion als Leistungsträger iS von § 12 SGB I und als für die technische Durchführung der Versicherung zuständiger Sozialversicherungsträger iS von § 29 SGB IV (vgl Schmidt in: Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl 2008, § 176 RdNr 6; Wissing in: juris PK-SGB VI, Stand: 1.1.2008, § 176 RdNr 37). Das entspricht nicht nur dem zitierten Wortlaut und der systematischen Stellung der Vorschrift im Vierten Kapitel mit der Überschrift "Zahlung der Beiträge", sondern ihrer dargelegten Entstehungsgeschichte sowie ihrem aufgezeigten Sinn und Zweck.
Die Klägerin hatte auch nach den für sie geltenden Rechtsvorschriften die geltend gemachten Beiträge zur RV zu tragen. Die Leistungen zur Teilhabe werden nach § 28 SGB VI außer durch das Übergangsgeld ergänzt ua durch die Leistungen nach § 44 Abs 1 Nr 2 des SGB IX. Die Leistungen zur medizinischen Reha der RV-Träger (in § 6 Abs 1 Nr 4 SGB IX genannte Reha-Träger) werden nach § 44 Abs 1 Nr 2 Buchst c SGB IX ergänzt durch Beiträge und Beitragszuschüsse zur RV nach Maßgabe des SGB VI. Versicherungspflichtig sind gemäß § 3 Nr 3 SGB VI ua Personen in der Zeit, für die sie von einem Leistungsträger Übergangsgeld beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren. Nach § 170 Abs 1 Nr 2 Buchst b SGB VI werden die Beiträge bei Personen, die Übergangsgeld beziehen, von den Leistungsträgern getragen. Leistungsträger war die Klägerin nach § 20 Nr 1 SGB VI. Danach haben Versicherte Anspruch auf Übergangsgeld, die - wie hier der Versicherte von der Klägerin in der Zeit vom 14. bis 31.10.2004 - von einem Träger der RV Leistungen zur medizinischen Reha erhalten.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung, die Entscheidung über den Streitwert auf § 52 Abs 1 und § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 2265611 |
SGb 2009, 665 |
Breith. 2010, 589 |