Entscheidungsstichwort (Thema)
KVdR. Rahmenfrist. Vorversicherungszeit. ausländische Versicherungszeiten. Auslegung völkerrechtlicher Verträge (hier: Jugoslawien)
Orientierungssatz
1. Das Merkmal "erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" in § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO ist gebietsneutral zu verstehen; es umfaßt mithin jede Aufnahme einer Erwerbstätigkeit davon, ob sie inner- oder außerhalb des Geltungsbereichs der RVO erfolgt ist.
2. Eine Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten im Rahmen des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO kommt nur in Betracht, soweit diese Zeiten - durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellungsregelung - der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind.
3. Auf zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen können die für die Auslegung des innerstaatlichen Gesetzesrechts geltenden Grundsätze nicht ohne weiteres übertragen werden. So kommt insbesondere dem Vertragstext bei völkerrechtlichen Verträgen im allgemeinen eine wesentlich größere Bedeutung zu als dem Wortlaut bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze (Anschluß an BSG vom 1980-06-24 1 RA 55/79 = SozR 6480 Art 22 Nr 1 mwN).
4. Die Partner zwischenstaatlicher Abkommen sind nicht gehalten, ihre Vereinbarungen allen Wandlungen des innerstaatlichen Rechts alsbald anzupassen. Spätere Änderungen der beiderseitigen Interessenlagen können die an einem Abkommen beteiligten Staaten sogar veranlassen, von entsprechenden Anpassungen oder Ergänzungen des Abkommens überhaupt abzusehen.
Normenkette
RVO § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a Fassung: 1977-06-27; SozSichAbk YUG
Verfahrensgang
SG Hamburg (Entscheidung vom 09.03.1982; Aktenzeichen 21 Kr 169/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Mitgliedschaft des Klägers in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der 1943 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er hat am 26. März 1960 in Jugoslawien erstmals eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und war nach seinen Angaben bis zum 1. Februar 1972 in der jugoslawischen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Seit der Aufnahme einer Tätigkeit im Bundesgebiet im Februar 1972 war er pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Am 12. Juni 1981 beantragte er bei der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz die Gewährung von Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeitsrente. Mit Bescheid vom 7. August 1981 wurde ihm Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 17. Juli 1980 bis zum 31. Juli 1982 zuerkannt; bis zum 14. Juli 1981 hatte er Krankengeld bezogen.
Die Beklagte lehnte die Aufnahme des Klägers in die KVdR durch Bescheid vom 29. Juni 1981 ab, weil die nach § 165 Abs 1 Nr. 3 Buchst a Reichsversicherungsordnung (RVO) erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllt sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. September 1981). Die Klage hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 9. März 1982 abgewiesen. Seiner Auffassung nach muß bei der Berechnung der Halbbelegung iS des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO auch eine im Ausland aufgenommene Erwerbstätigkeit berücksichtigt werden. Die Vorschrift enthalte keinen Hinweis, daß nur inländische Erwerbstätigkeiten zu berücksichtigen seien. Dies könne auch nicht aus dem Territorialitätsprinzip abgeleitet werden. Es sei ferner unbestritten, daß nach § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO unter der Mitgliedschaft bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur die bei einem deutschen Träger zu verstehen sei; eine Ausnahme gelte nur, wenn durch zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen die Mitgliedszeiten bei einem ausländischen Träger deutschen gleichgestellt seien. Eine solche Regelung fehle bisher in dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien über Soziale Sicherheit. Nach alledem sei der Kläger innerhalb der für ihn maßgebenden Rahmenfrist (26. März 1960 bis 12. Juni 1981) nur 9 Jahre, 3 Monate und 26 Tage Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen. Da die Rahmenfrist insgesamt 21 Jahre, 2 Monate und 18 Tage betrage, erfülle er die Halbdeckungsvoraussetzung für die Aufnahme in die KVdR nicht.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er ist der Auffassung, daß eine erstmalig im Ausland aufgenommene Erwerbstätigkeit bei der Berechnung der Halbdeckung iS des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO außer Betracht bleiben müsse. Der Begriff Erwerbstätigkeit sei nicht "gebietsneutral" zu verstehen, sondern beziehe sich allein auf den Geltungsbereich der RVO. Der genannte Begriff sei mit demjenigen der Arbeitslosigkeit in § 1248 Abs 2 RVO zu vergleichen, der von der Rechtsprechung des BSG auch auf das Inland beschränkt werde. Wenn aber der Begriff der Erwerbstätigkeit "gebietsneutral" auszulegen sein sollte, so müßte dies auch für die weitere Voraussetzung des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO, nämlich die Mitgliedschaft bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, gelten. Der Gesetzgeber habe durch die Reform der KVdR nur diejenigen Personen von ihr ausschließen wollen, die in ihrem Erwerbsleben nur kurzfristig oder überhaupt nicht bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen seien. Es sei dagegen nicht seine Absicht gewesen, typische Arbeitnehmer als Rentner von der KVdR auszuschließen. Dabei könne es keine Rolle spielen, in welchem Land die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe. Die Gleichbehandlung des Klägers mit Inländern ergebe sich auch aus Sinn und Zweck des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens. Zwar treffe das Abkommen für die KVdR keine Regelung über die Zusammenrechnung der in beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Krankenversicherungszeiten; das hänge jedoch mit dem Zeitpunkt des Abschlusses dieses Abkommens zusammen. Im Jahr 1968 habe es das Erfordernis einer Vorversicherungszeit für die KVdR noch nicht gegeben, so daß die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in das Abkommen nicht notwendig gewesen sei. In der Zwischenzeit seien jedoch mehrere Abkommen mit anderen Staaten entsprechend ergänzt oder es sei in neu abgeschlossenen Abkommen eine Regelung über die Vorversicherungszeit vorgesehen worden. Aus dieser Vereinbarungspraxis werde deutlich, daß die Bundesrepublik sich im Hinblick auf Vorversicherungszeiten bei der KVdR davon leiten lasse, daß die in den Vertragsstaaten zurückgelegten Zeiten einer Mitgliedschaft denen im Bundesgebiet gleichzuachten seien. Es gebe keine Anzeichen dafür, daß die Bundesrepublik Jugoslawien insoweit "diskriminieren" wolle; dies würde im Ergebnis auch zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung jugoslawischer Arbeitnehmer führen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. März 1982 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 1981 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 8. September 1981 aufzuheben und festzustellen, daß der Kläger seit dem 15. Juli 1981 bei der Beklagten der Krankenversicherungs- pflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO unterliegt.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ist er nach Wegfall des Krankengeldes (14. Juli 1981) nicht als Rentenantragsteller versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten geworden, da er die gemäß § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO erforderliche Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfüllt.
Nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO idF des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069), die seit dem 1. Juli 1977 gilt, sind kraft Gesetzes krankenversichert: Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn a) sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 1. Januar 1950 bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung waren oder mit einem Mitglied verheiratet und nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig waren oder b) sie oder die Person, aus deren Versicherung sie ihren Rentenanspruch ableiten, zu den in § 1 oder § 17 Abs 1 des Fremdrentengesetzes Genannten gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Rentenantragstellung in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt haben.
Von diesen Vorschriften kommt für den Kläger nur die in Buchst a in Betracht und von ihr nur der Fall, daß der Rentenantragsteller selbst "seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedoch frühestens seit dem 1. Januar 1950 bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens die Hälfte der Zeit Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung" war.
Die Erfüllung der in Buchst a des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO geforderten Halbbelegung hängt in Fällen, in denen der Versicherte sein Erwerbsleben nicht im Geltungsbereich der RVO begonnen hat, vor allem davon ab, ob für den Beginn der Rahmenfrist erst die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet oder schon eine zuvor im Ausland bzw in der DDR begonnene Tätigkeit maßgebend ist. Bei einer nur auf den Geltungsbereich der RVO abstellenden (gebietsbezogenen) Auslegung des Merkmals "erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" würde der Kläger mit den von ihm im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten die Halbbelegung erfüllen. In Übereinstimmung mit der Beklagten und dem SG ist das genannte Merkmal jedoch gebietsneutral zu verstehen; es umfaßt mithin jede Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, unabhängig davon, ob sie inner- oder außerhalb des Geltungsbereichs der RVO erfolgt ist (so auch: Hessisches LSG, Urteil vom 17. Februar 1982, L 8 Kr 1331/81, und LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Juni 1983, L 16 Kr 77/82; Kierstein/Krückel, Die Krankenversicherung der Rentner, 1982, § 165 Anm 3.4.1.2.; Laufer/Eibs/Ott, Krankenversicherung der Rentner, 1982, § 165 Anm 3.1.; Hungenberg/Steffens, Krankenversicherung der Rentner, 3. Aufl 1983, S 31; anders: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. November 1979, L 5 K 15/79, KVRS A-1500/1, und Bayerisches LSG, Urteil vom 28. April 1982, L 4 Kr 65/81).
Diese Auslegung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO wird schon durch den Gesetzeswortlaut nahegelegt, der die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht auf das Inland beschränkt. Der Begriff "Erwerbstätigkeit" ist im übrigen kein spezifisch sozialversicherungsrechtlicher; er findet sich auch in anderen Regelungen (zB §§ 1356 Abs 2, 1574 BGB) und ist dort nicht auf innerstaatliche Tatbestände festgelegt. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch umfaßt er jede sowohl im Inland wie im Ausland ausgeübte und Erwerbszwecken dienende Tätigkeit. Für eine gebietsneutrale Auslegung sprechen schließlich entscheidend die Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO.
Bei der Neufassung dieser Vorschrift durch das KVKG war zunächst eine feste Vorversicherungszeit von 20 Jahren - mit Ausnahmen für Frührentner und Umsiedler - vorgesehen gewesen (BT-Drucks 8/166, S 4 und S 24). Auf Anregung des Bundesrates (BT-Drucks 8/173, S 2, und 8/338, S 5f und 60) wurde dann das Halbbelegungserfordernis eingeführt, das im späteren Gesetzgebungsverfahren lediglich insofern ergänzt wurde, als die Rahmenfrist für die Halbbelegung "aus verwaltungs- und beweistechnischen Gründen" frühestens am 1. Januar 1950 beginnt (BT-Drucks 8/338, S 60). Der Bundesrat hatte allerdings mit seiner Anregung ursprünglich nur einen weiteren Tatbestand für die Begründung der Versicherungspflicht in der KVdR - neben der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen zwanzigjährigen Vorversicherungszeit - schaffen wollen, um den nach dem Regierungsentwurf zu erwartenden zahlreichen Härtefällen zu begegnen. Bei den Ausschußberatungen ist dann jedoch die Forderung nach einer zwanzigjährigen Vorversicherungszeit gänzlich fallengelassen worden.
Das somit allein maßgebend gebliebene Halbbelegungserfordernis ist nach Ansicht des Bundesrates dahin zu verstehen, daß "der Betreffende oder seine Bezugsperson mindestens die Hälfte seines (ihres) Erwerbslebens bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war" (BT-Drucks 8/173 aa0). Welche Erwägungen dabei den Gesetzgeber bestimmt haben, nur noch Rentner mit einer (zunächst fest, später variabel ausgestalteten) Vorversicherungszeit in die KVdR aufzunehmen, ergibt sich aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung; diese hatte nämlich ihren Entwurf vor allem damit begründet, daß nur die genannten Personen "eine angemessene Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und damit am Solidarausgleich für die Krankenversicherung der Rentner ausreichend beteiligt waren"; es sei nicht vertretbar, auch solche Personen zu versichern, "die als Erwerbstätige nicht am Solidarausgleich teilgenommen" hätten (BT-Drucks 8/166, S 24).
Auszugehen ist hiernach bei der Auslegung des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO von der Absicht des Gesetzgebers, in die KVdR nur Rentner einzubeziehen, die während mindestens der "Hälfte ihres Erwerbslebens" Mitglied eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung waren, wobei die Art der Versicherung - Pflicht- oder freiwillige Versicherung - unerheblich ist. Daß der Gesetzgeber sich entgegen der zunächst vorgesehen gewesenen zwanzigjährigen Vorversicherungszeit allgemein mit einer Halbbelegung begnügt hat, andererseits jedoch - im Unterschied etwa zu der für Ausfallzeiten in der Rentenversicherung vorgesehenen Halbbelegung (§ 1259 Abs 3 RVO) - einen Abzug bestimmter Zeiten von der Rahmenfrist nicht zugelassen hat (vgl § 1259 Abs 3 Satz 2 RVO), zwingt zu dem Schluß, daß die Rahmenfrist des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO in jedem Fall das gesamte "Erwerbsleben" (BT-Drucks 8/173 aa0) umfaßt, soweit es nach dem 31. Dezember 1949 liegt. Bei der Ermittlung der Rahmenfrist dürfen deshalb auch solche Zeiten nicht ausgeklammert werden, in denen der Rentner, wie in der Regel bei einer Erwerbstätigkeit im Ausland, keine Möglichkeit hatte, der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung anzugehören, oder in denen er diese Möglichkeit zwar hatte, von ihr aber - aus vielleicht verständlichen Gründen - keinen Gebrauch gemacht hat. Andernfalls müßte nicht nur eine im Ausland ausgeübte Erwerbstätigkeit unberücksichtigt bleiben; es müßten vielmehr auch diejenigen gesondert behandelt werden, denen bei einer Erwerbstätigkeit im Inland der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt war. Dem Grund für die Nichtzugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung und damit für die Nichterfüllung der Solidarpflicht soll aber nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers grundsätzlich keine Bedeutung zukommen; er spielt nur in den Fällen eine Rolle, die von der Regelung in Buchst b des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO erfaßt werden. Die objektive - rechtliche oder tatsächliche - Unmöglichkeit, während eines Aufenthalts im Ausland Beiträge zur deutschen Krankenversicherung zu entrichten und dadurch einen Solidarbeitrag zur deutschen Krankenversicherung zu leisten, rechtfertigt mithin keine Abkürzung der gesetzlichen Rahmenfrist und der nach ihr zu berechnenden Halbbelegungszeit. Die betreffenden Rentner dürfen nicht besser behandelt werden als Rentner, die stets im Bundesgebiet erwerbstätig waren, wegen der Art ihrer Tätigkeit (zB als Selbständige oder Beamte) jedoch keine Möglichkeit hatten, sich in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern. Härtefälle werden insoweit allein dadurch ausgeglichen, daß nur die Hälfte des Erwerbslebens mit Versicherungszeiten belegt zu sein braucht.
Eine nur auf das Bundesgebiet bezogene Auslegung des Merkmals "erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" folgt auch nicht aus dem Territorialitätsprinzip der deutschen Sozialversicherung. Dieses in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit jeher anerkannte Prinzip (vgl BSGE 7, 257, 263; 17, 173, 177; 27, 129, 132; 30, 244, 246; 32, 174, 175; 43, 255, 257ff und SozR Nr 64 zu § 165 RVO) besagt, daß die Durchsetzbarkeit von sozialversicherungsrechtlichen Normen ihre Schranke grundsätzlich an den Grenzen der inländischen Staatsgewalt findet. Nicht ausgeschlossen wird dadurch, daß das deutsche Recht an Sachverhalte anknüpft, die im Ausland verwirklicht worden sind. Maßgebend ist insoweit der Inhalt und vor allem der Zweck der jeweiligen Sachnorm (BSGE 33, 280, 283f). Die territoriale Tragweite sozialrechtlicher Vorschriften ist demgemäß in den vom BSG entschiedenen Fällen nicht einheitlich bestimmt worden (vgl vor allem BSGE 17, 110, 113; 25, 295, 296f; 31, 288, 289f; 34, 76, 78; 36, 209, 216; 43, 255, 257ff; SozR 2200 § 200a Nr 2 und § 1248 Nr 35 sowie SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 7). Auch für die Auslegung des § 165 Abs 1 Nr 3 RVO idF des KVKG ist deshalb, soweit das Territorialitätsprinzip berührt wird, vor allem der Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen. Daß dieser aber eine gebietsneutrale Auslegung des Begriffs "Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" nahelegt, wurde bereits ausgeführt.
§ 3 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) - steht der vom Senat vertretenen Auffassung nicht entgegen. Diese Vorschrift macht - im Sinne des Territorialitätsprinzips - den Eintritt der deutschen Versicherungspflicht ua davon abhängig, daß die Beschäftigung bzw selbständige Tätigkeit "im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs" ausgeübt wird. Da § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO die Frage der Versicherungspflicht nicht mit der "Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" verknüpft, der Zeitpunkt der "Aufnahme einer Erwerbstätigkeit" vielmehr lediglich den Beginn der Rahmenfrist in § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO bestimmt, betrifft § 3 SGB IV die vorliegende Problematik nicht.
Für die Erfüllung der Halbbelegung können nach § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO nur Vorversicherungszeiten bei einem "Träger der gesetzlichen Krankenversicherung" angerechnet werden. Zu diesen gehören nach § 12 iVm § 21 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I) - nur die auf dem Gebiet der Bundesrepublik und West-Berlins befindlichen Einrichtungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine generelle Einbeziehung ausländischer Vorversicherungszeiten widerspräche zudem dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Neuregelung des in der KVdR pflichtversicherten Personenkreises und der Forderung nach vorangegangener Teilnahme des Rentners am "intertemporalen Solidarausgleich" verfolgt (vgl hierzu Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S 18). Diesem Zweck wird grundsätzlich nur die Mitgliedschaft bei einem innerstaatlichen Krankenversicherungsträger gerecht; denn nur über eine solche Mitgliedschaft kann der Rentner während einer ausreichend langen Zeit seines Erwerbslebens die Defizite der Rentnerkrankenversicherung durch eigene Beitragszahlung mitfinanziert haben (zur Mitbelastung der "aktiven" Krankenkassenmitglieder mit den Defiziten der KVdR das Urteil des erkennenden Senats vom 16. Februar 1983, 12 RK 79/80).
Eine Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten im Rahmen des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO kommt hiernach nur in Betracht, soweit diese Zeiten - durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen, durch überstaatliches Recht oder durch eine besondere innerstaatliche Gleichstellungsregelung - der Mitgliedschaft bei einem bundesdeutschen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind. Eine solche Gleichstellung findet sich für Arbeitnehmer mit ausländischen Versicherungszeiten in einer Reihe von Sozialversicherungsabkommen. Ausländische Versicherungszeiten von Angehörigen der EG-Staaten sind ferner aufgrund der Ergänzung der EWG-VO 1408/71 (Anhang VI, Abschn C-Deutschland, Ziff 13) allgemein deutschen Versicherungszeiten gleichgestellt. Diese zum größten Teil erst nach dem 1. Juli 1977 getroffenen Regelungen zeigen, daß auch der Gesetzgeber davon ausgeht, daß ausländische Versicherungszeiten ohne eine ausdrückliche Gleichstellungsregelung nicht anrechenbar sind, daß andererseits aber auch die Rahmenfrist für die Halbbelegung nicht erst mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Geltungsbereich der RVO beginnen kann. Anderenfalls wären nämlich die (ausdrücklich auf die für die KVdR erforderliche Vorversicherung abstellenden) Gleichstellungsregelungen in zwischenstaatlichen Vereinbarungen weitgehend überflüssig, zumindest in bezug auf den von den Abkommen hauptsächlich betroffenen Personenkreis der früher im Ausland und danach in der Bundesrepublik tätig gewesenen ausländischen Arbeitnehmer.
Die vom Kläger in Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeiten wären hiernach nur dann für die Halbbelegung iS des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO zu berücksichtigen, wenn sie deutschen Versicherungszeiten gleichgestellt wären. Eine solche Gleichstellung ist jedoch bisher nicht erfolgt, insbesondere nicht in dem - dafür allein in Betracht kommenden - deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen. Dieses Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969 S 1438) trifft zwar besondere Regelungen zur Rentnerkrankenversicherung (Art 17); auch ist in der Krankenversicherung eine Zusammenrechnung der in beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten für das Recht auf freiwillige Versicherung, den Leistungsanspruch und die Dauer der Leistungsgewährung vorgesehen (Art 12); eine Vorschrift über die Gleichstellung von Vorversicherungszeiten als Voraussetzung für die Pflichtversicherung in der deutschen KVdR gibt es bisher jedoch nicht. Dies mag - worauf der Kläger hinweist - seinen Grund darin haben, daß zur Zeit des Abschlusses des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens am 12. Oktober 1968 eine Vorversicherungszeit für die Aufnahme in die KVdR nicht erforderlich war. Die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die KVdR vom 12. Juni 1956 (BGBl I S 500) notwendige Vorversicherungszeit von mindestens 52 Wochen während der letzten fünf Jahre vor Stellung des Rentenantrags war durch das Finanzänderungsgesetz vom 21. Dezember 1967 (BGBl I S 1259) mit Wirkung vom 1. Januar 1968 beseitigt worden. Deshalb waren bis zu der hier maßgebenden Neuregelung der KVdR durch das KVKG, die unter Berücksichtigung von Übergangsvorschriften (Art 2 § 1 Abs 1 des KVKG) bei Rentenanträgen nach dem 30. Juni 1978 wirksam wurde, Bestimmungen über die Gleichstellung von Vorversicherungszeiten in der Rentnerkrankenversicherung in Sozialversicherungsabkommen entbehrlich. Gleichwohl ist nach Änderung der Rechtslage durch das KVKG eine Ergänzung des deutsch-jugoslawischen Abkommens iS des Klägers, nach dessen Ansicht eine Gleichstellung der jugoslawischen Versicherungszeiten mit deutschen aus dem Gesamtzusammenhang des Abkommens und seiner Entstehungsgeschichte zu entnehmen ist, im Wege einer "ergänzenden Auslegung" oder richterlichen Lückenfüllung nicht möglich.
Auf zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen können die für die Auslegung des innerstaatlichen Gesetzesrechts geltenden Grundsätze nicht ohne weiteres übertragen werden (vgl Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge, 1963, S 39 ff; Lüdtke, Auslegung von Sozialversicherungsabkommen, DOK 1974, S 625). So kommt insbesondere dem Vertragstext bei völkerrechtlichen Verträgen im allgemeinen eine wesentlich größere Bedeutung zu als dem Wortlaut bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze (BSGE 36, 125, 126 und 39, 284, 287 sowie SozR 6480 Art 22 Nr 1, S 3, mwN). In der Regel ist es auch nicht zulässig, vermeintliche Lücken in einem Abkommen unter Rückgriff auf allgemeine Auslegungsgrundsätze oder durch Rechtsfortbildung zu schließen; dies ist zumindest dann nicht möglich, wenn hierdurch der Anwendungsbereich des Abkommens erweitert würde. Auch für eine dem innerstaatlichen Verfassungsrecht Rechnung tragende, vom Vertragstext nicht mehr gedeckte, sog verfassungskonforme Auslegung, wie der Kläger sie im Hinblick auf den seines Erachtens sonst verletzten Gleichheitssatz für erforderlich hält, ist bei einem Sozialversicherungsabkommen grundsätzlich kein Raum. Das gleiche gilt für eine Vertragsergänzung durch Rückgriff auf andere Sozialversicherungsabkommen (vgl BSGE 39 aaO). Die Tatsache, daß andere Abkommen aus der Zeit von 1968 bis 1977, in der es ein Vorversicherungserfordernis in der KVdR nicht gab, nachträglich iS des Klägers von den Vertragspartnern ergänzt worden sind, ist mithin für die Auslegung des hier allein maßgebenden deutsch-jugoslawischen Abkommens ohne Bedeutung. Zu einer "ergänzenden Auslegung" dieses Abkommens besteht um so weniger Anlaß, als das Abkommen durch ein späteres vom 30. September 1974 geändert worden ist, ohne daß dabei eine Änderung der hier maßgeblichen Bestimmung (Art 17) erfolgt ist (BGBl II 1975 S 390).
Der Senat kann deshalb dem Kläger nicht folgen, soweit er eine Gleichstellung seiner in Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeiten mit deutschen Versicherungszeiten deswegen für erforderlich hält, weil die deutschen Vorschriften über die Rentnerkrankenversicherung zur Zeit des Vertragsabschlusses mit Jugoslawien (1968) eine Vorversicherungszeit nicht kannten und demgemäß eine entsprechende Regelung seinerzeit in das Abkommen nicht aufgenommen zu werden brauchte.
Die Partner zwischenstaatlicher Abkommen sind auch nicht gehalten, ihre Vereinbarungen allen Wandlungen des innerstaatlichen Rechts alsbald anzupassen. Spätere Änderungen der beiderseitigen Interessenlagen, deren Bedeutung der Richter häufig nicht voll übersehen wird, können die an einem Abkommen beteiligten Staaten sogar veranlassen, von entsprechenden Anpassungen oder Ergänzungen des Abkommens überhaupt abzusehen. Ungünstige Auswirkungen, die sich aus Änderungen des innerstaatlichen Rechts für die Angehörigen des anderen Vertragsstaates ergeben, werden diesen gegenüber somit nicht erst - wie die Revision anzunehmen scheint - nach einer entsprechenden Anpassung des Abkommens wirksam. Dies würde auch zu einer unzulässigen Einschränkung der innerstaatlichen Gesetzgebung durch zwischenstaatliche Abkommen führen. Die seit 1977 erschwerten Voraussetzungen für den Eintritt der Rentnerkrankenversicherung (Vorversicherungszeit) sind deshalb gegenüber den vom deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen erfaßten Personen zur selben Zeit wie für die übrigen Rentner wirksam geworden. Daran ändert es nichts, daß es im Verhältnis zu Jugoslawien in der KVdR bisher nicht zu einer Gleichstellung der Vorversicherungszeiten gekommen ist. Dieses "Anpassungsdefizit" rechtfertigt auch nicht, bei Rentnern mit jugoslawischen Vorversicherungszeiten, solange sie deutschen Zeiten nicht gleichgestellt sind, die Rahmenfrist des § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO anders als bei den übrigen Rentnern zu berechnen, bei ihnen etwa von der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet auszugehen.
Dem Kläger können daher - nach den nicht angegriffenen Feststellungen des SG - innerhalb der für ihn maßgebenden Rahmenfrist (26. März 1960 bis zum Rentenantrag am 12. Juni 1981 = 21 Jahre, 2 Monate und 17 Tage) lediglich 9 Jahre, 3 Monate und 26 Tage als Vorversicherungszeit angerechnet werden. Hiermit erfüllt er die nach § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO erforderliche Halbbelegung nicht.
Die nach alledem unbegründete Revision des Klägers mußte zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen