Leitsatz (amtlich)
Besoldungspolitische Maßnahmen im öffentlichen Dienst, wie etwa der "Bewährungsaufstieg" oder die "Regelbeförderung" von Beamten, rechtfertigen nicht, von den für die selbständigen Berufe nach DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 5 maßgeblichen Besoldungsgruppen abzugehen. Ein selbständig Tätiger mit abgelegter Meisterprüfung kann aus diesem Grund nicht von der Besoldungsgruppe A 9 in eine höhere Besoldungsgruppe eingestuft werden.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 DV § 5 Abs 1 Fassung: 1968-02-28
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. April 1969 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der am 31. Dezember 1906 geborene Kläger erhält wegen des Verlustes des linken Oberarmes nach Schußbruch Versorgungsbezüge nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v. H. Er ist von Beruf Meister im Dreherhandwerk und arbeitet heute als Verwaltungsangestellter in der Vergütungsgruppe VIII des BAT bei der Kreisverwaltung der Landkreises B.
Das Versorgungsamt bewilligte ihm mit Bescheid vom 8. März 1965 Berufsschadensausgleich unter Berücksichtigung des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 9 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG). Der Antrag des Klägers vom 22. März 1967 auf Gewährung eines günstigeren Berufsschadensausgleichs hatte keinen Erfolg (Bescheid vom 10. Juni 1967, Widerspruchsbescheid vom 13. September 1967).
Das Sozialgericht (SG) Köln hat mit Urteil vom 25. April 1968 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 18. April 1969 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger würde ohne die Schädigung heute wahrscheinlich als Eisendrehermeister selbständig tätig sein. Seinem Berufsschadensausgleich sei bei dieser Sachlage zu Recht die Besoldungsgruppe A 9 des BBesG zugrunde gelegt worden. Wenn auch nach den besoldungsrechtlichen Vorschriften nahezu alle Beamte, die als Inspektoren oder in vergleichbaren Dienststellungen der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG angehörten, im Laufe des Dienstes in die Besoldungsgruppe A 10 des BBesG überführt würden, so sei damit die Heranziehung des Endgrundgehalts der höheren Besoldungsgruppe A 10 nicht zu rechtfertigen. Entgegen der Auffassung des Klägers seien Schwerbeschädigte den Angehörigen der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG keineswegs gleichgestellt. § 5 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) verleihe dem Schwerbeschädigten keine dem Status eines Beamten nachgebildete Rechtsposition, sondern lege lediglich in abstrakter Form den Geldbetrag fest, der für bestimmte Berufe als Durchschnittseinkommen angesetzt werden solle. Deshalb verweise auch § 5 DVO jeweils auf das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe. Durch diese Anlehnung der Schadensberechnung an Schlüsselwerte des Besoldungsgefüges im öffentlichen Dienst werde nicht über die soziale Wertigkeit selbständiger Tätigkeiten entschieden.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine unzutreffende Anwendung des § 5 DVO; die an sich rechtmäßige Einstufung in die Besoldungsgruppe A 9 des BBesG hindere den Beklagten nicht, im Rahmen dieser Einstufung ein höheres Vergleichsgehalt entsprechend der Besoldungsgruppe A 10 des BBesG zu berücksichtigen. Die Anhebung der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG nach Besoldungsgruppe A 10 des BBesG im Wege der Regelbeförderung stelle nur eine Gehaltserhöhung dar. Da die normale prozentuale Gehaltserhöhung und die Regelbeförderung demselben Leistungsverhältnis entstammten, dürfe die Gehaltserhöhung durch Regelbeförderung nicht anders als eine prozentuale Gehaltserhöhung behandelt werden.
Er beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. April 1969 und des Urteils des SG Köln vom 25. April 1968 den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 10. und 21. Juni 1967 sowie des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1967 zu verurteilen, den Berufsschadensausgleich des Klägers für die Zeit ab 1. März 1967 neu zu berechnen und bei der Feststellung des Einkommensverlustes die Besoldungsgruppe A 10 des BBesG zugrunde zu legen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und vom Kläger form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Sie ist daher zulässig. Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Nach den Feststellungen des LSG wäre der Kläger ohne die Schädigungsfolgen heute als selbständiger Drehermeister tätig. Das Durchschnittseinkommen für die Berechnung seines Berufsschadensausgleichs seit 1. März 1967 ist deshalb dem § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 28. Februar 1968 (BGBl I 194) - gemäß § 15 Abs. 1 in Kraft seit dem 1. Januar 1967 - zu entnehmen. Nach § 5 Abs. 1 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG ist das Durchschnittseinkommen bei selbständig Tätigen mit Volksschulbildung und abgelegter Meisterprüfung das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG. Das Berufungsgericht hat somit nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG das Durchschnittseinkommen für den Berufsschadensausgleich des Klägers mit der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG zutreffend ermittelt.
Auch aus dem Inhalt dieser Vorschrift ergibt sich kein für den Kläger günstigeres Ergebnis. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. Oktober 1967 - 8 RV 851/66 - (SozR DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG - 1964 - Nr. 2) ausgeführt hat, hat der Verordnungsgeber in § 5 DVO zur Feststellung der in Frage kommenden Berufsgruppe nicht die Art der Erwerbstätigkeit und auch nicht unmittelbar den wirtschaftlichen Erfolg einer Arbeitstätigkeit zum Berechnungsmaßstab für das Durchschnittseinkommen erklärt, sondern allgemeine Befähigungsnachweise wie Schulbildung, Berufsausbildung, abgelegte Meisterprüfung, abgeschlossene Hochschulbildung. Diese Vorbildungsnachweise sind ein entscheidender Anhaltspunkt für den mutmaßlichen Erfolg im Berufsleben eines selbständig Tätigen; denn eine qualifizierte Ausbildung führt regelmäßig zu höherem wirtschaftlichen Erfolg. Demzufolge hat der Verordnungsgeber aus der Erfahrung, daß ein geprüfter Handwerksmeister auf Grund seiner beruflichen und fachlichen Ausbildung in seinem Berufserfolg aus dem Kreise der selbständig Tätigen mit Volksschulbildung herausragt und einen höheren Berufserfolg hat, für diesen Personenkreis die Besoldungsgruppe A 9 des BBesG als Einkommensanhalt vorgesehen. Der Verordnungsgeber hat hierbei, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, nur deshalb auf das Besoldungsrecht zurückgegriffen, weil die Durchschnittsverdienste von Angehörigen selbständiger Berufe sich im Gegensatz zu denen von Personen, die in abhängiger Stellung tätig sind, nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten feststellen lassen. Keineswegs wollte der Verordnungsgeber damit die selbständig Tätigen mit der Zuordnung von Besoldungsgruppen des BBesG den nach diesen Besoldungsgruppen bezahlten Beamten gleichstellen. Eine derartige Gleichstellung kann, wie das LSG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, schon deshalb nicht beabsichtigt sein, weil als Durchschnittseinkommen immer das Endgrundgehalt der jeweiligen Besoldungsgruppe heranzuziehen ist, nicht jedoch der Betrag, den der Beschädigte als Beamter in der betreffenden Besoldungsgruppe erhalten würde. Dieses fiktive Durchschnittseinkommen eines Beschädigten richtet sich, wie oben dargelegt, im Einzelfall nach seiner Schul- und Berufsausbildung, nicht aber nach der Vorbildung, die für die jeweils herangezogene Besoldungsgruppe vorgeschrieben ist. Gemäß § 5 Abs. 2 des BBesG idF vom 14. Dezember 1969 (BGBl I 2201) ist die Besoldungsgruppe A 9 das Eingangsgehalt des gehobenen Dienstes mit dem Gehalt des Inspektors (§ 5 Abs. 3 des BBesG). Nach § 22 Abs. 1 der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamten (Bundeslaufbahnverordnung - BLV -) vom 27. April 1970 (BGBl I 422) kann in den Vorbereitungsdienst einer Laufbahn des gehobenen Dienstes eingestellt werden, wer mindestens das Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Realschule oder eine gleichwertige Schulbildung oder das Zeugnis des Aufbaulehrgangs der Bundeswehrfachschule oder der Grenzschutzfachschule besitzt. § 22 Abs. 3 BLV verlangt für den gehobenen technischen oder nautischen Dienst das Ingenieurzeugnis einer vom Bundesminister des Innern anerkannten Ingenieurakademie der betreffenden Fachrichtung oder das Abschlußzeugnis einer vom Bundesminister des Innern anerkannten Seefahrtakademie. Selbständige Beschädigte, die lediglich die Volksschule besucht und eine handwerkliche Ausbildung mit abgelegter Meisterprüfung aufzuweisen haben, würden diesen Anforderungen, insbesondere denen für den gehobenen technischen Dienst, nicht genügen. Ihr Schadensausgleich könnte daher, falls die Auffassung der Revision zutrifft, nicht nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 berechnet werden. Der Verordnungsgeber hat somit in § 5 Abs. 1 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG die Beschädigten nach ihrer Schul- und Berufsausbildung nicht bestimmten Gruppen des öffentlichen Dienstes gleichstellen wollen und ihre Schul- und Berufsausbildung nicht in jedem Falle in gleicher Weise wie die Vorbildung des Beamten bewertet. Er hat vielmehr, wie bereits oben dargelegt, die Besoldungsgruppen des öffentlichen Dienstes zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens der selbständig Tätigen nur deshalb herangezogen, weil das Durchschnittseinkommen der selbständig Tätigen nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen weder nach Vorbildung noch nach Tätigkeitsmerkmalen überzeugend zu ermitteln ist. Diese in der Regelung des § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG gefundene Lösung ist gerecht und zugleich praktikabel. Mit der Einordnung in Besoldungsgruppen des öffentlichen Dienstes soll die zahlenmäßige Angabe des Durchschnittseinkommens ersetzt werden; zugleich hat die Regelung des § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG den Vorteil, daß die Beschädigten an der Erhöhung des Einkommensniveaus, soweit sich dieses auf die Beamtengehälter auf Grund der jeweiligen Besoldungserhöhungen auswirkt, selbstregelnd teilhaben, weil der Berufsschadensausgleich bei jeder Veränderung des Besoldungseinkommens der einzelnen Besoldungsgruppen neu berechnet werden muß.
Beabsichtigte also der Verordnungsgeber bei Schaffung des § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nicht die Gleichstellung von selbständig Tätigen mit bestimmten Beamtengruppen, kann der Berechnung des Berufsschadensausgleichs kein höheres Vergleichseinkommen als das nach § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG ermittelte zugrunde gelegt werden, zumal die Besoldungsgruppe A 10 des BBesG in § 5 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG als Durchschnittseinkommen überhaupt nicht vorgesehen ist. Die im Bereich des öffentlichen Dienstes durchgeführten besoldungspolitischen Maßnahmen, wie etwa der "Bewährungsaufstieg" oder die "Regelbeförderung", können auf den Anwendungsbereich des § 5 DVO nicht übertragen werden. Darin liegt, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, weder eine dem Plan des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers widersprechende Lücke noch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Somit hat der Beklagte das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, welcher der Kläger ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich angehören würde, mit der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG zutreffend festgestellt. Das angefochtene Urteil ist hiernach frei von Rechtsirrtum; die Revision mußte als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen