Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.05.1986) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 1986 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Rechtsstreit wird um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU-Rente) und speziell um die Frage geführt, ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung erfüllt sind.
Der im Jahre 1930 geborene Kläger war von 1944 bis zum 30. November 1955 bei der Deutschen Reichsbahn bzw der Deutschen Bundesbahn angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. Dezember 1955 wurde er mit der Folge der Versicherungsfreiheit in das Beamtenverhältnis übernommen.
Ab 20. August 1984 wurde der Kläger stationär behandelt und nach bahnärztlicher Feststellung dauernder Dienstunfähigkeit mit Ablauf des 31. März 1985 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Am 30. November 1984 überwies er der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zwölf freiwillige Beiträge für das Jahr 1984. Sie wurden am 13. Dezember 1984 mit Wertstellung zum 5. Dezember 1984 verbucht.
Ebenfalls am 5. Dezember 1984 beantragte der Kläger die Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder Erwerbsunfähigkeit (EU). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9. April 1985 ab, weil der Kläger zwar seit dem 20. August 1984 erwerbsunfähig sei und die Wartezeit erfüllt habe, entgegen § 23 Abs 1 und Abs 2a Satz 1 Nr 1 bzw § 24 Abs 1 und 2a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF des Art 2 Nrn 9 und 10 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S 1532; im folgenden: HBeglG 1984) aber nicht in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der EU mindestens 36 Pflichtbeiträge entrichtet habe. Auch die Voraussetzungen des Art 2 § 7b Abs 1 Sätze 1 und 3 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) idF des Art 5 Nr 5 HBeglG 1984 seien nicht erfüllt, weil die freiwilligen Beiträge für das Jahr 1984 erst am 5. Dezember 1984 und somit nach Eintritt des Versicherungsfalles der EU eingegangen seien.
Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat den Bescheid vom 9. April 1985 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger EU-Rente unter Zugrundelegung eines am 20. August 1984 eingetretenen Versicherungsfalles nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren (Urteil vom 2. September 1985). Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Mai 1986). Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Dem Kläger stehe die begehrte EU-Rente nicht zu. Zwar sei er seit dem 20. August 1984 erwerbsunfähig und habe die erforderliche Wartezeit erfüllt. Nicht erfüllt sei hingegen die zum 1. Januar 1984 eingeführte zusätzliche versicherungsrechtliche Voraussetzung einer pflichtversicherten Erwerbstätigkeit von mindestens 36 Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalles. Das gelte auch unter Berücksichtigung der Übergangsregelung in Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG. Sie erfordere für zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 1984 eintretende Versicherungsfälle neben der Zurücklegung einer Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten vor dem 1. Januar 1984 eine Belegung der Monate Januar bis Juni 1984 mit Beiträgen oder anrechnungsfähigen Zeiten. Der Kläger habe diese Monate im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch nicht mit freiwilligen Beiträgen belegt, sondern den gesamten Jahresbetrag erst im Dezember 1984 überwiesen. Durch diese Nachentrichtung habe er seine Anwartschaft in bezug auf eine EU-Rente für den davor liegenden Zeitraum nicht aufrechterhalten können. Die Auswirkung nachentrichteter Beiträge auf die Bewilligung einer EU-Rente für einen bereits vorher eingetretenen Versicherungsfall sei in Art 2 § 7b AnVNG selbst nicht geregelt. Deswegen seien die allgemeinen Vorschriften über die Zulässigkeit der Beitragsnachentrichtung heranzuziehen. Einschlägig sei § 141 Abs 1 AVG. Die Vorschrift enthalte zwar kein absolutes Verbot, freiwillige Beiträge für die Zeit vor Eintritt der BU oder EU nachzuentrichten. Diese Beiträge könnten sich dann jedoch nur für einen in der Abstufung nachfolgenden Versicherungsfall auswirken. Um hingegen für den Versicherungsfall der BU oder EU wirksam zu sein, müßten sie vor Eintritt des entsprechenden Versicherungsfalles entrichtet worden sein. Der Übergangsregelung des Art 2 § 7b AnVNG sei nicht zu entnehmen, daß über ihren allgemeinen Regelungsgehalt hinaus eine Abweichung von der allgemeinen Bestimmung des § 141 Abs 1 AVG gewollt sein solle, wie dies etwa in Art 2 § 44a Abs 6 AnVNG geregelt worden sei. Zugunsten des Klägers greife auch nicht § 141 Abs 2 AVG ein, weil die in der Beitragsüberweisung am 5. Dezember 1984 schlüssig erklärte Bereiterklärung zur Beitragsnachentrichtung ebenfalls erst nach Eintritt des Versicherungsfalles erfolgt sei. Schließlich könne die Fiktion fristgerechter Beitragsentrichtung gemäß § 142 Abs 1 Nr 2 AVG dem Kläger nicht zum Erfolg verhelfen. Hierdurch werde lediglich die Frist des § 140 AVG gewahrt. Nicht hingegen könne die Anwendung des § 142 Abs 1 Nr 2 AVG zu einer Umgehung des Tatbestandsmerkmals „vor Eintritt der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit” in § 141 Abs 1 AVG führen. Damit seien die vom Kläger im Dezember 1984 entrichteten Beiträge zwar im Hinblick auf eine spätere Anrechnung auf das Altersruhegeld in Ansehung der Fristen des § 140 Abs 1 AVG wirksam geworden; die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentenbewilligung blieben hingegen davon unberührt. Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Nachentrichtung. Dieser zufolge komme die Zulassung einer wirksamen nachträglichen Beitragsentrichtung für das erste Halbjahr 1984 zwecks Erhaltung des Versicherungsschutzes für das zweite Halbjahr 1984 nur für den Ausnahmefall eines bereits schwebenden Rentenverfahrens in Betracht, weil freiwillige Beiträge nach Eintritt der BU bzw EU zu einer Zeit, in der ein Verfahren über einen Rentenanspruch schwebe, noch wirksam entrichtet werden dürften, wenn der Versicherte bei Stellung des Rentenantrages noch nicht berufsunfähig oder erwerbsunfähig gewesen sei. Das gelte aber nicht für den Kläger, weil er im Zeitpunkt der Antragstellung bereits erwerbsunfähig gewesen sei. Darin, daß die Beklagte den Jahresbeitrag für 1984 angenommen und verbucht habe, könne keine schlüssige Bereiterklärung zur Berücksichtigung dieser Beiträge bei der Prüfung des Anspruchs auf EU-Rente gesehen werden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Übergangsregelung des Art 2 § 7b AnVNG bestünden nicht. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 des Grundgesetzes -GG-) scheide aus, weil die unterschiedliche Behandlung von freiwilligen und Pflichtbeiträgen auf sachlichen Gründen beruhe. Auch die Eigentumsgarantie des Art 14 GG sei nicht verletzt. Die mit der Übergangsregelung des Art 2 § 7b AnVNG einhergehende Verschärfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sei als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu werten und als solche dem Gesetzgeber anheimgegeben. Die Übergangsregelung im AnVNG sei bei einer an der Eigentumsgarantie orientierten Betrachtungsweise nicht unbillig, sondern in ihrer leistungsausschließenden Wirkung durch das in der gesetzlichen Rentenversicherung maßgebliche Lohnersatzprinzip gedeckt. Die Tatbestände der BU- bzw EU-Rente hätten durch die zusätzlichen Voraussetzungen lediglich eine Anpassung an die Einkommensersatzfunktion dieser Renten erfahren, nachdem sie zuvor in sozialpolitisch unerwünschter Weise weitgehend Versorgungscharakter angenommen hätten. Die mit der Neuregelung einhergehende nachteilige Veränderung der Rechtslage für einen Großteil ehemals Pflichtversicherter sei auch verhältnismäßig, weil ein Rentenanspruch nach längerer Zeit ohne die über die Zahlung von Beiträgen vermittelte Bindung an die Versichertengemeinschaft und ohne Lohnwegfall nicht in dem nach altem Recht geschützten Maße schutzwürdig sei und weil die Anwartschaft auf Rente nicht gänzlich entzogen werde, sondern der betroffene Personenkreis sich aufgrund eigener Entscheidung durch Zahlung freiwilliger Mindestbeiträge weiterversichern könne.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzungen der §§ 23, 24 AVG sowie der Art 3 und 14 GG. Entgegen der Ansicht des LSG seien die Voraussetzungen für die Gewährung einer EU-Rente erfüllt. Für ihn (Kläger) gelte die Übergangsregelung des Art 2 § 7b AnVNG. Er habe gemäß § 142 AVG rechtzeitig Beiträge iS des § 140 AVG geleistet, weil er sich durch Übersendung entsprechender Zahlungsbelege anläßlich der Rentenantragstellung und damit durch schlüssiges Handeln gegenüber der Beklagten zur Nachentrichtung von Beiträgen bereiterklärt habe. Die Beiträge seien auf jeden Fall rechtzeitig geleistet worden, weil sie erst bis spätestens zum Ablauf desjenigen Kalenderjahres entrichtet werden müßten, für das sie gelten sollten. Sinn und Zweck des Art 2 § 7b AnVNG geböten eine solche Auslegung. Der Gesetzgeber habe dem betroffenen Personenkreis die Möglichkeit eröffnet, durch Entrichtung freiwilliger Beiträge, und zwar entweder durch tatsächliche Entrichtung oder durch entsprechende Bereiterklärung, die erworbene Anwartschaft auf eine Rente wegen BU oder EU aufrechtzuerhalten. Hiervon habe er (Kläger) Gebrauch gemacht. Der allgemeine Gleichheitssatz werde dadurch verletzt, daß dann, wenn eine Person unter bestimmten Voraussetzungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausscheide, ihr jedoch gleichzeitig die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der erworbenen Anwartschaften durch Entrichtung freiwilliger Beiträge eingeräumt werde, kein vernünftiger Grund für eine ungleiche Behandlung gegenüber denjenigen Versicherten ersichtlich sei, die monatlich ihren Beitrag leisteten. Art 14 GG sei verletzt, weil vorliegend erworbene Eigentumsrechte nicht nur verändert oder eingeschränkt, sondern völlig entzogen würden. Zwar werde dem Versicherten nicht die Möglichkeit genommen, sich durch Zahlung freiwilliger Mindestbeiträge weiter zu versichern und damit künftigen Invaliditätsschutz zu erhalten. Die konkrete Position „EU-Rente” bei Eintritt des Versicherungsfalles werde jedoch entzogen. Das sei nicht eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Aus der Sozialversicherungspflicht ergebe sich, daß der Bürger darauf vertrauen müsse, von dem etwas zurückzubekommen, was der Gesetzgeber vorher zu seiner Absicherung von ihm verlangt habe, und daß nicht das zur Absicherung des Bürgers Gezahlte aufgrund eingetretener Umstände verloren gehe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Mai 1986 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 2. September 1985 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das LSG habe zu Recht die Anwendbarkeit des Art 2 § 7b AnVNG auf den Fall des Klägers verneint, weil dieser die Beiträge für das Jahr 1984 erst nach Eintritt des Versicherungsfalles entrichtet habe. §§ 141, 142 AVG könnten nicht in dem vom Kläger gewünschten Sinne ausgelegt werden. Hierfür sei Voraussetzung, daß wenigstens die Bereiterklärung zur Nachentrichtung zeitlich vor dem Eintritt des Versicherungsfalles liege. Die vom Kläger gerügten Grundrechtsverletzungen lägen nicht vor. Weder sei eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG gegeben noch unter Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG ein Anwartschaftsrecht des Klägers verletzt worden.
Die Beteiligen haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen des am 20. August 1984 eingetretenen Versicherungsfalles der EU.
Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 24 AVG in der ab 1. Januar 1984 geltenden Fassung des Art 2 Nr 10 HBeglG 1984. Hiernach erhält Rente wegen EU der Versicherte, der erwerbsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der EU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 24 Abs 1 AVG). Zuletzt vor Eintritt der EU ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ua ausgeübt worden, wenn von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der EU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (§ 24 Abs 2a iVm § 23 Abs 2a Satz 1 Nr 1 AVG).
Der Kläger ist seit dem 20. August 1984 erwerbsunfähig und hat mit den bis zum 30. November 1955 entrichteten Pflichtbeiträgen die Wartezeit für die EU-Rente (vgl § 24 Abs 3 AVG) erfüllt. Das ist unter den Beteiligten nicht streitig. Ebenfalls unstreitig hat der Kläger nicht von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der EU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. Damit steht ihm allein aufgrund des § 24 AVG ein Anspruch auf EU-Rente nicht zu.
Dieser Anspruch läßt sich auch nicht aus Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG (= Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -ArVNG- idF des Art 4 Nr 4 HBeglG 1984) herleiten. Hiernach gilt § 24 Abs 1 AVG in der am 31. Dezember 1983 geltenden Fassung auch für Versicherungsfälle nach diesem Zeitpunkt, wenn der Versicherte (1.) vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat und (2.) jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 23 Abs 2a AVG nicht mitzuzählenden Zeiten belegt hat (Satz 1). Satz 1 gilt für Versicherungsfälle bis zum 30. Juni 1984 auch, ohne daß die Voraussetzungen der Nr 2 vorliegen (Satz 2). Für Versicherungsfälle in der Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1984 gilt Satz 1 auch, wenn die Voraussetzungen der Nr 2 im ersten Kalenderhalbjahr 1984 vorliegen (Satz 3).
Auf den vorliegenden Sachverhalt ist allein Art 2 § 7b Abs 1 Satz 3 AnVNG anzuwenden. Der Versicherungsfall der EU ist beim Kläger am 20. August 1984 und damit einerseits zwar noch im Jahr 1984, andererseits aber erst in dessen zweitem Halbjahr eingetreten. Die Voraussetzungen des Art 2 § 7b Abs 1 Satz 3 AnVNG sind indes nicht erfüllt. Zwar hat der Kläger vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von (mehr als) 60 Kalendermonaten zurückgelegt. Er hat jedoch nicht jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1984 vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen belegt. Laufende Beitragszahlungen für diese Monate in der dafür vorgeschriebenen Weise (vgl § 4 Abs 2, § 5 der Verordnung über das Entrichten von Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten – RV-Beitragsentrichtungsverordnung – RV-BEVO – in der hier maßgeblichen Fassung vor ihrer Änderung durch die Sechste Verordnung zur Änderung der RV-BEVO vom 16. Juli 1986, BGBl I S 1060) hat er nicht geleistet. Die am 30. November 1984 erfolgte Einzahlung von Beiträgen für das Jahr 1984, bei der es sich hinsichtlich der Monate Januar bis November 1984 um eine Beitragsnachentrichtung gehandelt hat, vermag die Voraussetzungen des Art 2 § 7b Abs 1 Satz 1 Nr 2 AnVNG für das erste Kalenderhalbjahr 1984 (Satz 3 aaO) nicht zu erfüllen.
Die freiwilligen Beiträge für den hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1984 sind wirksam nachentrichtet worden. Die hierfür primär erforderliche Voraussetzung, daß nach dem in demjenigen Zeitraum, für den die Beiträge nachentrichtet worden sind, geltenden Recht (vgl insoweit BSGE 56, 180, 181 = SozR 2200 § 1407 Nr 6 S 10 mwN) die Berechtigung zur freiwilligen Versicherung bestanden hat (BSGE 33, 41, 45 = SozR Nr 5 zu § 1419 der Reichsversicherungsordnung -RVO-), ist erfüllt. Der Kläger ist in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1984 zur freiwilligen Versicherung berechtigt gewesen (§ 10 Abs 1 Satz 1 AVG idF des Art 2 § 2 Nr 2 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975; BGBl I S 1061). Zwar ist er während jenes Zeitraumes noch Beamter der Deutschen Bundesbahn und als solcher versicherungsfrei gewesen (§ 6 Abs 1 Nr 3 AVG). Das hat indes seiner Berechtigung zur freiwilligen Versicherung nicht entgegengestanden, denn er hat bereits vor seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis für mehr als 60 Kalendermonate Beiträge entrichtet (§ 10 Abs 1 a AVG).
Auch die zweite Voraussetzung für die Wirksamkeit der für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1984 nachentrichteten Beiträge ist erfüllt. Sie sind innerhalb der Frist des § 140 Abs 1 AVG nachentrichtet worden. Nach dieser Vorschrift sind freiwillige Beiträge unwirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden. Der vorliegende Rechtsstreit erfordert keine Auseinandersetzung mit der vereinzelt vertretenen Auffassung, § 1418 Abs 1 RVO (= § 140 Abs 1 AVG) erfordere eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend, daß freiwillige Beiträge ebenso wie Pflichtbeiträge bis Ablauf eines Jahres nach Schluß des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, wirksam entrichtet werden können, wenn sie zur Aufrechterhaltung einer schon erworbenen Anwartschaft auf Gewährung einer Rente wegen BU oder EU gemäß Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG (= Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG) idF des HBeglG 1984 gezahlt worden sind (so LSG Nordrhein-Westfalen NZA 1988, 183). Der Kläger hat die freiwilligen Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1984 im November 1984 und somit entsprechend § 140 Abs 1 AVG noch vor Ablauf des Kalenderjahres entrichtet, für das sie gelten sollen.
Die nachentrichteten Beiträge dürfen jedoch für den am 20. August 1984 eingetretenen Versicherungsfall der EU nicht berücksichtigt werden. Dabei läßt der Senat offen, ob sich dies bereits aus § 10 Abs 2 AVG ergibt. Hiernach kann eine nach § 10 Abs 1 AVG zulässige freiwillige Versicherung während einer BU oder EU nur zur Anrechnung für einen späteren Versicherungsfall erfolgen. In Fällen der wirksamen Nachentrichtung freiwilliger Beiträge (§ 140 Abs 1 AVG) ist zweifelhaft, ob entsprechend dem sogen „In-Prinzip” (vgl dazu zuletzt bezüglich des Beginns einer Rente aus nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG nachentrichteten Beiträgen das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 18. Mai 1988 – 1 RA 45/87 – mwN) erst mit dem Zeitpunkt der Beitragsentrichtung (§ 6 RV-BEVO) oder entsprechend dem sogen „Für-Prinzip” (dazu ua BSGE 23, 37, 40 = SozR Nr 1 zu § 27 GAL; BSG SozR Nr 11 zu Art 2 § 42 ArVNG) schon mit Beginn des Zeitraums, für den nach der vom freiwillig Versicherten vorgenommenen Bestimmung der eingezahlte Betrag zu verwenden ist (vgl § 7 Abs 1 RV-BEVO), eine freiwillige Versicherung iS des § 10 Abs 2 AVG „erfolgt”. Im letzteren Falle stünde allein § 10 Abs 2 AVG einer Erfüllung der Voraussetzungen des Art 2 § 7b Abs 1 Satz 1 Nr 2 AnVNG für das erste Halbjahr 1984 (Satz 3 aaO) nicht entgegen, weil dann die freiwillige Versicherung schon für die Zeit ab 1. Januar 1984 und somit vor Eintritt des Versicherungsfalles der EU am 20. August 1984 „erfolgt” wäre.
Das braucht nicht vertieft zu werden. Der Kläger hat jedenfalls aus einem anderen Grunde mit der Beitragsnachentrichtung im November 1984 die Voraussetzungen des Art 2 § 7b Abs 1 Satz 3 iVm Satz 1 Nr 2 AnVNG nicht erfüllt. Das folgt aus § 141 Abs 1 AVG. Nach dieser Vorschrift – soweit sie für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreit erheblich ist – dürfen freiwillige Beiträge nach Eintritt der EU für Zeiten vorher nicht mehr entrichtet werden.
§ 141 Abs 1 AVG enthält nicht ein Verbot der Beitragsnachentrichtung nach einem der dort genannten Versicherungsfälle überhaupt, sondern lediglich eine Sperrwirkung hinsichtlich der Leistungen aus einem dieser Versicherungsfälle (BSGE SozR 5070 § 10 Nr 12 S 28; 2200 § 1419 Nr 10 S 19). Diese Sperrwirkung stellt einen allgemeinen Grundsatz des Rechtes der gesetzlichen Rentenversicherung dar, der nach ständiger Rechtsprechung des BSG auch in den Fällen heranzuziehen ist, in denen das Gesetz über § 140 Abs 1 AVG hinaus besondere Möglichkeiten der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge vorsieht (vgl BSG SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 29 S 44 mit eingehenden Nachweisen). Er gilt nur dann nicht, wenn in einer Ausnahmeregelung ausdrücklich vorgesehen ist, daß anders als nach § 141 Abs 1 AVG auch nach Eintritt der BU, der EU oder des Todes freiwillige Beiträge für Zeiten vorher entrichtet werden dürfen (vgl BSGE 40, 251, 252 = SozR 5070 § 10 Nr 2 S 6; BSG SozR aaO Nr 12 S 28).
Das Anrechnungsverbot des § 141 Abs 1 AVG in seiner Ausgestaltung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung muß auch in Fällen der vorliegenden Art gelten. Allerdings sind diese Fälle dadurch gekennzeichnet, daß Beiträge nicht zwecks Erfüllung der Wartezeit und damit zur Begründung eines Rentenanspruchs oder zwecks Erhöhung einer nach Eintritt des Versicherungsfalles zu gewährenden Leistung nachentrichtet worden sind, sondern zum Zwecke der Erhaltung einer bis zum 31. Dezember 1983 bereits erworbenen Anwartschaft auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach Eintritt des Versicherungsfalles in der Zeit nach dem 30. Juni 1984. Insofern besteht eine gewisse Parallele zu der Übergangsregelung des Art 2 § 41 AnVNG (= Art 2 § 42 ArVNG), wonach die dort für in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1961 eintretende Versicherungsfälle vorgesehene Vergleichsberechnung ua davon abhängig gewesen ist, daß ab 1. Januar 1957 für jedes Kalenderjahr vor dem Kalenderjahr des Versicherungsfalles für mindestens neun Monate Beiträge entrichtet worden sind. Zu dieser Übergangsregelung hat das BSG entschieden, die erforderlichen mindestens neun Monatsbeiträge ab 1. Januar 1957 für jedes Kalenderjahr vor dem Kalenderjahr des Versicherungsfalles könnten in Abweichung von § 141 Abs 1 AVG (= § 1419 Abs 1 RVO) während eines schwebenden Rentenverfahrens auch nach Eintritt des Versicherungsfalles für die Zeit vorher im Wege freiwilliger Beitragszahlung noch wirksam entrichtet werden, wenn der Versicherte bei Stellung des Rentenantrages noch nicht berufs- oder erwerbsunfähig gewesen sei und die Zulässigkeit der Vergleichsberechnung von der wirksamen Nachentrichtung abhänge (BSG SozR Nrn 11 und 12 zu Art 2 § 42 ArVNG). Ob diese Erwägungen auch im Rahmen des Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG gelten können, braucht umfassend nicht beantwortet zu werden. Im vorliegenden Fall ist dies jedenfalls zu verneinen. Für die seinerzeitigen Entscheidungen des BSG ist die Erwägung maßgebend gewesen, daß entsprechend der ausdrücklichen Regelung in § 1444 RVO in der bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Fassung diejenigen Versicherten geschützt werden sollten, die zwar bei Stellung des Rentenantrages noch nicht berufs- oder erwerbsunfähig gewesen sind, jedoch in der Überzeugung, die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch zu erfüllen, diesen Anspruch erhoben und während des Rentenverfahrens keine Beiträge mehr entrichtet haben, weil sie das aufgrund ihrer Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht mehr für erforderlich gehalten haben. Der vorliegende Sachverhalt ist anders gelagert. Der Kläger ist bereits vor der Stellung seines Rentenantrages erwerbsunfähig gewesen und hat die freiwilligen Beiträge für das Jahr 1984 nicht erst während des schwebenden Rentenverfahrens, sondern schon vorher nachentrichtet. Deswegen besteht kein Anlaß und keine rechtliche Handhabe, § 141 Abs 1 AVG als Ausdruck eines Grundprinzips der Beitragsnachentrichtung im vorliegenden Rechtsstreit außer Betracht zu lassen (zur Anwendbarkeit des § 1419 Abs 1 RVO im Rahmen des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG vgl auch SG Frankfurt ZfS 1988, 147, 149; Sachs Mitt der LVA Ofr 1985, 53, 65).
Dies verbietet sich aus einem weiteren Grunde. Nach Art 2 § 7b Abs 1 Satz 3 AnVNG müssen die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr 2 der Vorschrift im ersten Kalenderhalbjahr 1984 vorliegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört, daß die anwartschaftserhaltenden Beiträge vor Eintritt des Versicherungsfalles entrichtet werden. Das gilt gleichermaßen im Rahmen des Satzes 3 der Vorschrift. Zur Erhaltung der Anwartschaft auf Gewährung einer BU- oder EU-Rente wegen eines im zweiten Halbjahr 1984 eintretenden Versicherungsfalles haben somit vor dessen Eintritt die Monate Januar bis Juni 1984 mit Beiträgen belegt werden müssen. Das kann aber nicht nur für laufend entrichtete, sondern muß in gleicher Weise für nachentrichtete Beiträge gelten, wobei allenfalls zu fragen ist, ob sich dies nicht bereits unmittelbar aus Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG ergibt und es deswegen einer Heranziehung des § 141 Abs 1 AVG überhaupt bedarf. Jedenfalls darf eine solche Heranziehung nicht mit dem Ergebnis unterbleiben, daß im Rahmen des Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG eine Nachentrichtung von Beiträgen auch noch nach Eintritt des Versicherungsfalles der BU oder EU für diesen Versicherungsfall wirksam hat vorgenommen werden können. Darin läge eine sachlich nicht gerechtfertigte und mit Art 3 Abs 1 GG nicht verträgliche Privilegierung derjenigen Versicherten, die freiwillige Beiträge nachentrichtet haben, gegenüber denjenigen Versicherten, welche die Beiträge laufend entrichtet haben. Für eine solche Privilegierung besteht umso weniger Anlaß, als auch freiwillige Beiträge grundsätzlich laufend zu entrichten sind, vor allem um zu vermeiden, daß durch Abwarten eines günstigen Zeitpunktes Risikoverschiebungen zu Lasten des Versicherungsträgers eintreten (BSG SozR 2200 § 1418 Nr 9 S 24).
Der Kläger hat nach alledem mit den im November 1984 eingezahlten freiwilligen Beiträgen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen des am 20. August 1984 eingetretenen Versicherungsfalles der EU nicht erfüllt. Die sich daraus ergebende Versagung einer EU-Rente widerspricht nicht dem GG.
Dem erkennenden Senat ist insoweit eine Prüfung der Frage, ob die Verschärfung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Renten wegen geminderter Erwerbsfähigkeit durch das HBeglG 1984 und die dazu durch dieses Gesetz eingefügten Übergangsvorschriften (Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG) mit der Verfassung vereinbar sind, verwehrt. Das ergibt sich aus § 31 Abs 1 und Abs 2 Satz 2 iVm § 13 Nr 8 a des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG). Hiernach binden die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ua alle Gerichte; darüber hinaus haben auf Verfassungsbeschwerden hin ergangene Entscheidungen Gesetzeskraft, wenn das BVerfG ein Gesetz als mit dem GG vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Eine solche Entscheidung liegt vor. Das BVerfG hat mit Beschluß vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr 142) unter Zurückweisung dagegen erhobener Verfassungsbeschwerden die Regelungen des HBeglG 1984, welche die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der BU- und EU-Rente erschweren, als mit Art 14 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG vereinbar erklärt, soweit danach Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hatten, ihre Anwartschaften nur durch Weiterzahlung von Beiträgen aufrechterhalten können. Durch diesen Beschluß ist den verfassungsrechtlichen Einwendungen der Revision und der Möglichkeit ihrer Überprüfung durch den Senat die Grundlage entzogen. Allerdings ist das BVerfG nicht auf die im vorliegenden Rechtsstreit zusätzlich entscheidungserhebliche Frage eingegangen, ob das Erfordernis der Entrichtung anwartschaftserhaltender Beiträge vor Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 141 Abs 1 AVG auch im Falle einer Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gilt und gelten darf. Indes bestehen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Bedenken, diese Frage zu bejahen. Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, daß es anderenfalls zu einer sachlich nicht gerechtfertigten und dem Art 3 Abs 1 GG widersprechenden Privilegierung derjenigen freiwillig Versicherten käme, die anstelle der an sich gebotenen laufenden Beitragsleistung Beiträge nachentrichten.
Die Revision des Klägers ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen