Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Vergütungsvereinbarung. Festsetzung der Vergütung für stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe durch die Schiedsstelle. Bemessung. Unternehmerrisiko. Berücksichtigung von Gewinnchancen. Zuschlag. externer Vergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schiedsstelle muss die Vergütung für stationäre Leistungen der Eingliederungshilfe so bemessen, dass bei wirtschaftlicher Betriebsführung auch eine Gewinnchance angemessen berücksichtigt wird.
2. Zur Berücksichtigung von Gewinnchancen kommt auch ein Zuschlag in Betracht, der über den Vergleich mit den Vergütungen anderer Einrichtungen zu bestimmen ist.
Normenkette
SGB XII § 75 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Fassung: 2003-12-27, S. 2 Fassung: 2003-12-27, § 76 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2003-12-27, § 77 Abs. 1 S. 3 Fassung: 2006-12-02, § 80 Fassung: 2006-12-02; SGB XI § 84 Abs. 2 S. 4 Fassung: 2008-05-28
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juni 2019 sowie die Entscheidung der Schiedsstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern nach § 80 SGB XII vom 30. Oktober 2012 aufgehoben.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 22 807,87 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit ist ein Schiedsspruch über die Höhe der Vergütung für stationäre Leistungen der Ein-gliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.8.2012 bis zum 31.7.2013.
Der Kläger, ein eingetragener Verein und Mitglied im Diakonischen Werk Mecklenburg-Vorpommern e.V., betreibt eine im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelegene stationäre Nachsorgeeinrichtung für suchtkranke Menschen, die im streitigen Zeitraum ua 47 Plätze für den Leistungstyp C.2 ("Heime für chronisch mehrfachgeschädigte Alkoholkranke") nach dem Landesrahmenvertrag (LRV) für Mecklenburg-Vorpommern für stationäre und teilstationäre Einrichtungen (vom 1.7.2007) vorhielt. Für den Zeitraum vom 1.7.2010 bis zum 30.6.2012 war mit dem Kommunalen Sozialverband (KSV) Mecklenburg-Vorpommern als damaligem überörtlichen Träger der Sozialhilfe für diese Plätze in einer Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung eine Vergütung von 50,77 Euro pro Platz und Tag bei einer durch den LRV vorgegebenen Auslastungsquote von 98 Prozent vereinbart worden. Der Kläger forderte am 26.4.2012 zu Neuverhandlungen für die Zeit ab dem 1.7.2012 auf. Die Verhandlungen, die wegen des Abschlusses einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung erfolgreich waren, blieben wegen der Höhe der Vergütung ohne Erfolg.
Der Kläger beantragte daraufhin am 29.6.2012 bei der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Mecklenburg-Vorpommern für die Zeit ab 1.8.2012 die Vergütung für den Leistungstyp C.2 auf 60,55 Euro pro Platz und Tag festzusetzen, wobei er ein kalkulatorisches Unternehmerrisiko in Höhe von 5 Prozent der geltend gemachten Bruttolohnsumme auswies. Die Schiedsstelle setzte die Vergütung für die Zeit vom 1.8.2012 bis zum 31.7.2013 auf 54,61 Euro pro Platz und Tag fest (Schiedsspruch vom 30.10.2012). Zur Begründung führte sie aus, sie habe die vom Kläger vorgetragenen Personalkosten entsprechend den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Mecklenburg-Vorpommern (AVR DWM), denen der Kläger unterworfen sei, als plausibel gemacht zugrunde gelegt, ebenso die Jahressonderzahlung 2012 und die Sanierungsbeträge für die Kirchliche Zusatzversorgungskasse (KZVK). Dagegen sei sie dem Kläger bei den geltend gemachten Investitionsbeträgen nicht gefolgt. Ein Unternehmergewinn sei mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zwar im Grundsatz berücksichtigungsfähig. Dies könne jedoch nicht dazu führen, dass dieser Gewinn zusätzlich über die bisherige Vergütung hinaus zu berücksichtigen wäre. Ein solcher Unternehmergewinn sei letztlich für jede Einrichtung, die - wie die des Klägers - über Jahre am Markt existieren könne, unabdingbar gewesen und habe somit auch in den bisherigen Vergütungen bereits enthalten gewesen sein müssen, auch wenn er nicht ausgewiesen gewesen sei. Dies gelte umso mehr, als die Einrichtung des Klägers im Vergleich mit anderen Einrichtungen, die Angebote für den Leistungstyp C.2 machten, deutlich im oberen Bereich der Vergütung liege. Auch Einrichtungen, die nach dem AVR DWM entlohnten, würden - die unterschiedlich hohen Investitionsbeträge außer Betracht gelassen - die Leistungen zu einem durchaus niedrigeren Niveau anbieten. Bedenken gegen die vom KSV hierzu vorgelegte Vergleichsliste bestünden nicht.
Die Klage gegen den Schiedsspruch hat das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg Vorpommern abgewiesen (Urteil vom 20.6.2019). Zur Begründung hat es ua ausgeführt, es könne offenbleiben, ob die Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) zur Vergütung des Unternehmerrisikos in der Pflegeversicherung übertragen werden könne. Jedenfalls bedürfe es keines pauschalen Zuschlags wegen des nicht näher konkretisierten Unternehmerrisikos, was auch der Rechtsprechung des BSG entspreche.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der die Verletzung von §§ 75 ff SGB XII in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung rügt, wobei er die Berücksichtigung höherer Investitionskosten nicht mehr geltend macht. Zu Unrecht habe die Schiedsstelle die gesondert ausgewiesene Vergütung in Höhe von 5 Prozent der Bruttolohnsumme bei der Grund- und Maßnahmepauschale als angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos nicht berücksichtigt. In der gebotenen Schlüssigkeits- und Plausibilitätskontrolle habe sie nicht herausgearbeitet, an welcher Stelle konkret eine Gewinnchance enthalten gewesen sein solle, die für eine wirtschaftliche Betriebsführung aber Voraussetzung sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juni 2019 sowie die Entscheidung der Schiedsstelle des Landes Mecklenburg-Vorpommern nach § 80 SGB XII vom 30. Oktober 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Das Urteil des LSG sowie der Schiedsspruch der Schiedsstelle vom 30.10.2012 waren aufzuheben. Der Schiedsspruch ist formell rechtmäßig ergangen; hinsichtlich der begehrten Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns genügt der Schiedsspruch jedoch nicht den normativen Vorgaben aus §§ 75 ff SGB XII in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung.
Streitgegenstand des Revisions-, aber auch des Gerichtsverfahrens insgesamt, ist die Aufhebung des Schiedsspruchs vom 30.10.2012, gegen den sich der Kläger - erstinstanzlich beim LSG (§ 29 Abs 2 Nr 1 SGG in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444 erhalten hat) - mit einer Anfechtungsklage wendet (vgl hierzu nur BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 2/13 R - BSGE 116, 227 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1). Entgegen der üblichen prozessualen Situation richtet sich die Klage in einem Verfahren sui generis gemäß § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII(in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006, BGBl I 2670 erhalten hat, im Folgenden: alte Fassung ≪aF≫) gegen den Vertragspartner, ohne dass es eines Vorverfahrens bedarf (§ 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII aF).
Dabei ist die Klage auf die Gegenstände beschränkt, über die keine Einigung zwischen den Vertragsparteien erzielt werden konnte (§ 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII aF). Dies ist hier der Schiedsspruch über die Vergütung pro Pflegetag und Platz für 47 Plätze nach dem Leistungstyp C.2 für die Zeit vom 1.8.2012 bis zum 31.7.2013, wobei im Revisionsverfahren lediglich noch Streit über die Höhe der Grundpauschale und der Maßnahmepauschale besteht. Die Entscheidung der Schiedsstelle zum Investitionsbetrag greift der Kläger ausdrücklich nicht mehr an. Eine solche Beschränkung des Streitgegenstands und des Verfahrensgegenstands der Schiedsstellenverfahren ist zulässig (BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R - BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 22).
Richtiger Beklagter ist der Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte, in dessen Gebiet die Einrichtung des Klägers gelegen ist. Der Senat hat das Rubrum vom Amts wegen entsprechend berichtigt. Im Laufe des Verfahrens ist kraft Gesetzes ein Zuständigkeitswechsel auf der Beklagtenseite eingetreten; um eine Klageänderung (§ 99 SGG) handelt es sich insoweit nicht (BSG vom 28.7.2008 - B 1 KR 5/08 R - BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6 RdNr 13; BSG vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSG vom 9.12.1987 - 10 RKg 5/85 - BSGE 62, 269, 270 = SozR 1200 § 48 Nr 14, S 72; BSG vom 5.7.2007 - B 9/9a SB 2/07 R - BSGE 99, 9 = SozR 4-3250 § 69 Nr 6 RdNr 6; für die Fälle der Funktionsnachfolge ebenso BVerwG vom 2.11.1973 - IV C 55.70 - BVerwGE 44, 148, 151; Bieresborn in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 2. Aufl 2021, § 99 RdNr 34).
Zutreffend hat sich die Klage zunächst gegen den KSV gerichtet, dessen Zuständigkeit als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen sich - auf Grundlage der vom LSG bindenden Feststellungen zum Landesrecht - im Zeitraum der hier geführten Vergütungsverhandlungen und des nachfolgenden Schiedsverfahrens sowie im Zeitpunkt der Klageerhebung aus § 75 Abs 3, § 77 Abs 1 Satz 2, § 97 Abs 1, 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Satz 1, § 4 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII (AG-SGB XII M-V vom 20.12.2004, GVOBl M-V 546) ergab. Zum 1.1.2016 ist indes ein Zuständigkeitswechsel eingetreten. Seither sind die Landkreise und kreisfreien Städte in Mecklenburg-Vorpommern örtliche und nunmehr auch überörtliche Träger der Sozialhilfe (§ 2 AG-SGB XII M-V idF vom 21.12.2015, GVOBl M-V 603). Sie sind damit umfassend für die Aufgaben der Sozialhilfe zuständig geworden; eine von § 97 Abs 1 SGB XII abweichende landesrechtliche Zuständigkeitsregelung für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen (dazu BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 3/13 R - BSGE 116, 233 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1, RdNr 20) gibt es nicht mehr. Der KSV als "zentrale Stelle der Sozialhilfeträger" (vgl § 2 Abs 3 AG-SGB XII M-V idF vom 21.12.2015) wird beim Abschluss von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB XII aF nicht mehr im eigenen Namen, sondern lediglich als Vertreter der Sozialhilfeträger tätig (vgl § 4 Abs 2 Nr 1 AG-SGB XII M-V idF vom 21.12.2015; noch deutlicher nunmehr § 2 AG-SGB XII M-V idF vom 16.12.2019 iVm § 4 Abs 2 Nr 1 AG-SGB XII M-V idF vom 11.12.2020, GVOBl M-V 1346). Wegen der örtlichen Zuständigkeit für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen stellt § 77 Abs 1 Satz 2 SGB XII aF auf den Sitz des für die Einrichtung zuständigen Trägers der Sozialhilfe ab (vgl nur BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 3/13 R - BSGE 116, 233 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1, RdNr 20). Der Landrat ist schließlich als Behörde des Landkreises (vgl § 90 Abs 1, § 115 Abs 4 Satz 1 Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern ≪KV M-V≫ vom 13.7.2011, GVOBl M-V 777) auf Grundlage landesrechtlicher Bestimmung beteiligtenfähig iS von § 70 Nr 3 SGG(vgl § 17 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsstrukturgesetzes vom 10.6.1992, GVOBl M-V 314) .
Die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII aF (idF des Gesetzes vom 27.12.2003), die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Interessenvertretern paritätisch zusammengesetzten Gremiums darstellt und deren Entscheidungsspielraum sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien misst, ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff SGB XII aF regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind, der Sachverhalt ermittelt ist und die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (stRspr; vgl nur BSG vom 29.5.2019 - B 8 SO 3/18 R - BSGE 128, 162 = SozR 4-3500 § 76 Nr 3, RdNr 11; BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 19/14 R - SozR 4-3500 § 75 Nr 8 RdNr 12; BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 3/13 R - BSGE 116, 233 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1, RdNr 14).
Der Schiedsspruch ist formell rechtmäßig ergangen; die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts sind eingehalten. Wird die Leistung der Eingliederungshilfe nach dem bis zum 31.12.2019 geltenden 6. Kapitel des SGB XII von einer Einrichtung erbracht, ist der Träger der Sozialhilfe nach § 75 Abs 3 Satz1 Nr 2 SGB XII aF (idF des Gesetzes vom 27.12.2003) zur Übernahme der Vergütung nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der Einrichtung ua eine Vereinbarung über die Vergütung besteht, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung). Kommt eine solche Vereinbarung mit den Mindestinhalten nach § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII aF (hier idF des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15.7.2009, BGBl I 1939) nicht innerhalb von sechs Wochen zustande, nachdem eine Partei schriftlich zu Verhandlungen aufgefordert hat, entscheidet die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII aF auf Antrag einer Partei unverzüglich über die Gegenstände, über die keine Einigung erreicht werden konnte (§ 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII aF). Vorliegend ist - wie bereits ausgeführt - mit dem KSV im Schiedsverfahren der für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen seinerzeit sachlich und örtlich zuständige Träger beteiligt worden. Die Frist von sechs Wochen zwischen schriftlicher Aufforderung zu Verhandlungen und der Anrufung der Schiedsstelle ist eingehalten (dazu BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 6/19 R - BSGE 131, 240 = SozR 4-3500 § 77 Nr 4, RdNr 14).
Der Schiedsspruch leidet nicht an einem Begründungsmangel. Als Verwaltungsakt unterliegt er grundsätzlich dem Begründungserfordernis des § 35 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), wonach in der Begründung die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Schiedsstelle zu ihrer Entscheidung bewogen haben (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB X). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen im Schiedsspruch. In Bezug auf die Darlegungstiefe reicht es insoweit aus, dass die maßgebenden Gründe des Schiedsspruchs erkennbar sind und dass er Sachverhalt, Verfahrensablauf, Anträge und Erwägungen der Schiedsstelle sowie die dafür maßgebenden normativen Kriterien einschließlich ihrer Gewichtung enthält (zum Ganzen bereits BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 6/19 R - BSGE 131, 240 = SozR 4-3500 § 77 Nr 4, RdNr 15; BSG vom 13.7.2017 - B 8 SO 11/15 R - SozR 4-3500 § 75 Nr 10 RdNr 16).
In der Sache verlangen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit für die Festsetzung einer Vergütung durch die Schiedsstelle im Grundsatz einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern (zur Notwendigkeit eines solchen Vergleichs allgemein bereits BVerwG vom 1.12.1998 - 5 C 17.97 - BVerwGE 108, 47, 55 = juris RdNr 25), ohne dass das SGB XII in seiner bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung für diesen Vergleich ausdrückliche Vorgaben enthielt. Dabei ist es nach der Rechtsprechung des Senats nicht zu beanstanden, wenn eine sozialhilferechtliche Schiedsstelle sich im Rahmen des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums an der Rechtsprechung des 3. Senats des BSG zum sog externen Vergleich im Recht der Sozialen Pflegeversicherung orientiert (vgl zusammenfassend BSG vom 13.7.2017 - B 8 SO 11/15 R - SozR 4-3500 § 75 Nr 10 RdNr 17), wie das nunmehr § 124 Abs 1 Satz 3 bis 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) in der seit dem 1.1.2018 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz ≪BTHG≫ vom 23.12.2016, BGBl I 3234) für die Leistungserbringung in der Eingliederungshilfe vorschreibt.
Die Schiedsstelle hat unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zunächst zutreffend hinsichtlich der voraussichtlichen Personal- und Sachkosten im Wege eines internen Abgleichs eine Plausibilitätsprüfung vorgenommen; hierbei steht ihr kein Entscheidungsfreiraum im eigentlichen Sinne zu, sondern mit Rücksicht auf ihre beschränkte Leistungskapazität obliegt ihr (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten, die als solche gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist (stRspr; vgl nur BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 6/19 R - BSGE 131, 240 = SozR 4-3500 § 77 Nr 4, RdNr 16 f; BSG vom 25.4.2018 - B 8 SO 26/16 R - SozR 4-3500 § 75 Nr 11 RdNr 16 f; BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R - BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 18). Wegen der Personalkosten hat die Schiedsstelle die sich aus dem AVR DWM ergebenden Personalkosten einschließlich der Jahressonderzahlung und den Sanierungsbeiträgen an die KZVK als plausibel angesehen, wogegen sich der Beklagte im Verlauf der Verhandlung vor der Schiedsstelle nicht mehr gewandt und sein Angebot zuletzt entsprechend erhöht hat. Hinsichtlich der Sachkosten, soweit sie Einfluss auf die Höhe der Grund- und der Maßnahmepauschale haben - also nicht zu den Kosten für betriebsnotwendige Anlagen und deren Ausstattung gehören, die den Investitionsbetrag bestimmen - war im Schiedsstellenverfahren nur die Position der Verpflegungskosten zwischen den Beteiligten überhaupt streitig. Gegen die Auffassung der Schiedsstelle, die von dem Beklagten für Verpflegung angebotenen Kosten seien plausibel, hat sich der Kläger im Klage- und Revisionsverfahren ebenfalls nicht mehr gewandt. Auch insoweit ist eine Beschränkung des Streitgegenstandes und des Verfahrensgegenstands der Schiedsstellenverfahren im tatsächlichen Bereich zulässig (vgl BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R - BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 22).
Sind die geltend gemachten Kosten nach Prüfung durch die Schiedsstelle plausibel gemacht, schließt sich die eigentliche Festsetzung der Vergütung an. Bei der Prüfung, ob die geltend gemachten Vergütungen unter Berücksichtigung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit im Vergleich mit anderen Einrichtungen marktgerecht sind, steht der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII aF ein Entscheidungsfreiraum zu. Soweit der Kläger die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns begehrt, hat die Schiedsstelle bei ihrer Entscheidung, ein solcher sei nicht zu berücksichtigen, jedoch diesen Freiraum verkannt.
Zutreffend ist die Schiedsstelle davon ausgegangen, dass die Vergütung so bemessen sein muss, dass sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung die voraussichtlichen Kosten einer Einrichtung unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos deckt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des mit der Vergütung von Pflegeeinrichtungen befassten 3. Senats des BSG (BSG vom 16.5.2013 - B 3 P 2/12 R - BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4, RdNr 26; BSG vom 29.1.2009 - B 3 P 7/08 R - BSGE 102, 227 = SozR 4-3300 § 85 Nr 1, RdNr 24; ähnlich bereits zuvor BSG vom 14.12.2000 - B 3 P 19/00 R - BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1, S 5) und gilt auch für Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Eine Regelung, wonach die Vergütung auch des Unternehmerrisikos ausdrücklich im Gesetz vorgegeben ist, wie sie § 84 Abs 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) seit Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestärkungsgesetz - PSG III - vom 23.12.2016, BGBl I 3191) trifft, fehlt zwar in §§ 75, 76 Abs 2 SGB XII aF wie auch in §§ 124, 125 SGB IX idF des BTHG. Schon seit der Umstellung des Vergütungssystems für stationäre Einrichtungen von einem Selbstkostendeckungssystem auf das prospektive Entgeltsystem im Jahr 1994 (mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms ≪2. SKWPG≫ vom 21.12.1993, BGBl I 2374) steht die Berücksichtigung einer kalkulatorischen Gewinnchance aber mit einer leistungsgerechten Vergütung in Einklang (vgl bereits BVerwG vom 1.12.1998 - 5 C 29.97 - BVerwGE 108, 56, 60 ff). Es soll seither dadurch, dass der Einrichtungsträger mit im Voraus bestimmten Finanzmitteln rechnen kann, ein Anreiz zum wirtschaftlichen Handeln und die Möglichkeit zur Erzielung eines Überschusses gegeben werden; ein nachträglicher Ausgleich von Über- oder Unterdeckungen ist dagegen ausgeschlossen (BT-Drucks 12/5510 S 10 f). Damit muss der Einrichtungsträger ein Verlustrisiko tragen, etwa als Folge von unwirtschaftlichem Verhalten oder wegen unternehmerischer Fehlentscheidungen. Umgekehrt muss die Vergütung es aber auch ermöglichen, Gewinne zu erzielen, die als Überschuss verbleiben können.
Bei der Festlegung der dieses Unternehmerrisiko ausgleichenden Gewinnchance dienen wiederum die Vergütungen anderer Einrichtungen als Vergleichsgröße im Rahmen der Angemessenheitskontrolle. Soweit das BVerwG zur Rechtslage im Jahr 1994 noch ausgeführt hat, der Grundsatz der Sparsamkeit schränke die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinns dahin ein, dass das vom gewerblichen Einrichtungsträger verlangte Entgelt nicht höher sein dürfe als die nicht gewerblichen Einrichtungsträgern zugestandenen Vergütungen (vgl BVerwG vom 1.12.1998 - 5 C 29.97 - BVerwGE 108, 56, 60 = juris RdNr 13), ist an diesem Maßstab nicht mehr festzuhalten. Mit dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts (vom 23.7.1996, BGBl I 1088) sind 1996 alle Betreiber von Einrichtungen gleichstellt worden (dazu BT-Drucks 13/2440 S 27, Vorbemerkungen zu §§ 93 - 94 Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫). Aus dem Grundsatz der Sparsamkeit lässt sich damit keine unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze liegende Ebene ableiten, um die eine Prüfung von Gewinnchancen in Vergütungen nach dem SGB XII zu ergänzen wäre (vgl bereits BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R - BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 17).
Zieht die Schiedsstelle - wie hier - ausdrücklich die richterrechtlich entwickelten Grundsätze des sog externen Vergleichs zum SGB XI heran, muss sie diese Maßstäbe entsprechend konsequent anwenden oder ausführen, aus welchen Gründen sie ggf abweichen will. Maßgebend sind die Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen; Ausgangspunkt müssen damit die Kosten von auf gleicher wirtschaftlicher Basis tätigen Einrichtungen sein. An einer entsprechenden Überprüfung fehlt es hier aber. Die Annahme der Schiedsstelle, dass ein "Unternehmergewinn bzw. Risiko-/Wagniszuschlag letztlich für jede Einrichtung, die über Jahre am Markt existieren kann, unabdingbar gewesen ist und somit auch in den in der Vergangenheit gezahlten Vergütungen enthalten gewesen sein muss", ersetzt die notwendige Prüfung nicht. Ein solcher Erfahrungssatz existiert nicht. Denkbar ist auch, dass eine Einrichtung oder auch eine Vielzahl von Einrichtungen über Jahre Verluste hinnehmen mussten, die sie gar nicht oder nur auf andere Weise als über die prospektiv verhandelten Entgelte abfangen konnten.
Die Schiedsstelle muss sich vielmehr zunächst davon überzeugen, woraus sich im Einzelfall in den Vergütungssätzen der Einrichtung Gewinnchancen ergeben können. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass über die geltend gemachten Kosten auch Gewinnchancen abgebildet werden (dazu BSG vom 26.9.2019 - B 3 P 1/18 R - BSGE 129, 116 = SozR 4-3300 § 85 Nr 5, RdNr 30). Auf Grundlage der bisherigen Prüfung der Schiedsstelle ist dafür hier allerdings nichts erkennbar. Da die Schiedsstelle die geltend gemachten Personal- und Sachkosten vollumfänglich als zur Deckung der prospektiven Kosten notwendig angesehen hat, hat sie selbst gerade nicht aufgezeigt, wie hier zusätzlich Gewinnchancen abgebildet sein sollten. In einem solchen Fall bilden die prospektiven Gestehungskosten für sich genommen aber keine abschließende Grundlage für Gewinnchancen, weil das dazu führen könnte, dass langfristig die Leistungen unterhalb der tatsächlichen Gestehungskosten anzubieten wären. Die Realisierung von Gewinnchancen kann auch über die Auslastungsquote der Einrichtung erfolgen (dazu BSG vom 16.5.2013 - B 3 P 2/12 R - BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4, RdNr 26). Ob vorliegend bei einer Auslastungsquote von 98 Prozent, die der Verhandlung ohnehin entzogen, sondern über den Landesrahmenvertrag für alle Einrichtungen vorgegeben war, Gewinnchancen realistisch abgebildet worden sind, muss allerdings bezweifelt werden.
Wenn die Schiedsstelle nach nochmaliger Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass weder über die konkret geltend gemachten Gestehungskosten noch über die Auslastungsquote Risiken bzw Gewinne abgebildet sind, wäre Raum für einen Zuschlag, wie der Kläger ihn hier geltend macht. Wie diese allgemeine Gewinnchance im Einzelnen zu bemessen ist, hat der Gesetzgeber der weiteren Aushandlung der Vertragspartner und im Streitfall der Entscheidung der Schiedsstelle überlassen. Insbesondere die angemessene Höhe eines solchen Zuschlags hat die Schiedsstelle dann über einen Vergleich mit den Vergütungen anderer Einrichtungen zu bestimmen.
Auch einen solchen Vergleich hat die Schiedsstelle bislang nur unzureichend durchgeführt. Sie hat sich zwar auf die Höhe der Vergütung anderer Einrichtungen bezogen; es fehlt jedoch schon an von ihr festgelegten Kriterien für deren Vergleichbarkeit. Es genügt nicht allein als Kriterium, dass diese Einrichtungen nach demselben Tarifwerk (hier AVR DWM) entlohnen. Vielmehr sind daneben die Größe der Einrichtungen und ihr Leistungsangebot miteinander zu vergleichen; zusätzlich können einrichtungsbezogene Besonderheiten aufgrund von Lage oder Ausrichtung der Einrichtung betrachtet und bei der Angemessenheitsbewertung berücksichtigt werden. Da vom Beklagten unter anderem auf Einrichtungen Bezug genommen worden ist, mit denen zuletzt einige Jahre vor 2010 verhandelt worden ist, drängt sich schließlich die Frage auf, ob bei allen bislang in den Vergleich einbezogenen Einrichtungen noch die aktuellen Marktpreise zugrunde liegen. Jedenfalls lässt sich aber erst in Kenntnis dieser Bezugskategorien im Vergleich mit anderen Einrichtungen überhaupt beurteilen, ob und in welcher Höhe ein am Umsatz bemessener Gewinnzuschlag leistungsgerecht sein kann (BSG vom 26.9.2019 - B 3 P 1/18 R - BSGE 129, 116 = SozR 4-3300 § 85 Nr 5, RdNr 32).
Entgegen der Ansicht des LSG ist das Begehren des Klägers nicht darauf gerichtet, zusätzlich zu der dem allgemeinen Unternehmer-/Verlustrisiko geschuldeten Gewinnchance eine weitere pauschale Vergütung zu erhalten. Es kann dahinstehen, ob überhaupt der Einrichtung ein solcher weiterer Zuschlag bei außerordentlichen Risiken des Betriebs zustehen kann (dazu BSG vom 16.5.2013 - B 3 P 2/12 R - BSGE 113, 258 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4, RdNr 27), weil der Kläger hierzu nichts vorgetragen hat. Dementsprechend musste die Schiedsstelle den Sachverhalt in diesem Punkt nicht weiter aufklären (zur nur eingeschränkten Geltung des Amtsermittlungsprinzips im Schiedsstellenverfahren vgl bereits BSG vom 7.10.2015 - B 8 SO 21/14 R - BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 20 - 21).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1, § 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Fundstellen