Leitsatz (amtlich)
1. Im Knappschaftsrecht ist RVO aF § 1293 Abs 2 nach dem Zusammenbruch nicht wieder in Kraft gesetzt worden.
2. Zur Frage der Rentenentziehung, wenn die Rente mehrmals durch rechtskräftig (bindend) gewordenen Bescheid festgestellt worden ist.
3. Eine Rentenentziehung nach RKG § 86 Abs 2 kommt nur in Betracht, wenn die neuen Kenntnisse und Fertigkeiten nach dem 1956-12-31 erworben sind.
Normenkette
RVO § 1286 Fassung: 1957-02-23; RKG § 86 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1293 Abs. 2 Fassung: 1934-05-17; SVD 13
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Mai 1959 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Nach elfmonatiger knappschaftlich versicherter Tätigkeit erlitt der Kläger am 12. November 1921 als Schlepper im Schichtlohn einen Betriebsunfall mit Unterschenkelbruch rechts. In der Folge bildete sich in der Bruchstelle ein Fehlgelenk. Am 4. April 1923 nahm der Kläger die Bergmannsarbeit, und zwar als Bergeklauber wieder auf. Die Beklagte bewilligte ihm die Invalidenpension, wobei nach Ansicht des Berufungsgerichts, weil die Knappschaftsakten durch Kriegseinwirkung vernichtet sind, nicht festzustellen ist, ob dies bereits in den Jahren vor 1924 oder aber erst im Jahre 1928 geschehen ist. Die Akten der Berufsgenossenschaft enthalten allerdings einen unter dem 14. Dezember 1928 gefertigten Vermerk, nach welchem aus den damals eingesehenen Knappschaftsakten hervorgegangen sei, daß der Kläger wegen des Unfallleidens seit dem 13. November 1921 knappschaftlich invalidisiert worden ist. Diese Akten enthalten auch die Abschrift eines Invalidisierungsgutachtens aus den Verwaltungsakten der Beklagten, erstattet von Dr. U... am 9. Mai 1928, der zu dem Ergebnis kommt, daß der Kläger dauernd berufsunfähig im Sinne des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) seit dem 1. April 1923 sei und daß mit einer Besserung nicht gerechnet werden könne. Die Akten der Beklagten selbst enthalten die Urschrift einer Meldung der Beklagten an die Reichsknappschaft über den Zugang der Invalidenpension des Klägers für den Monat Juli 1928. Als Pensionsbeginn ist in dieser Meldung der 1. Januar 1924 genannt und dazu folgende Anmerkung gemacht: "P. bezieht die Mindestpension als freiwillige Leistung auf Grund eines Vorstandsbeschlusses, weil die Wartezeit nicht erfüllt ist. Die Zahlung vom 1.1.1924 an war versehentlich unterblieben, daher In-Zugangstellung erst 1928."
Seit 1940 ist der Kläger außerhalb des Bergbaus als Hilfsarbeiter tätig; er bedient eine kleine Exzenterpresse.
Am 15. Mai 1953 wurde der Kläger auf Veranlassung der Beklagten von Dr. L... nachuntersucht. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, daß eine wesentliche Besserung im Gesundheitszustand des Klägers nicht eingetreten sei. Die sodann von der Beklagten noch zu Rate gezogenen Sachverständigen Dr. F... und Dr. H... verneinten in ihrem Gutachten vom 2. Juli 1953 ebenfalls eine wesentliche Besserung. Sie nahmen jedoch an, daß der Kläger sich in den vergangenen zwölf Jahren weitgehend an seinen Zustand gewöhnt habe, und hielten ihn für fähig, der Schleppertätigkeit im wesentlichen wirtschaftlich gleichwertige Arbeiten als Kauenwärter, Pförtner, Telefonist oder sonstige sitzende Arbeiten im Bergbau zu verrichten. Der nochmals gehörte Dr. L... führte in einer weiteren Stellungnahme vom 4. September 1953 aus, daß wohl ein Grenzfall vorliege, und sagte u.a.: "Unter Zugrundelegung des Gewöhnungsfaktors wird man dem Versicherten jetzt gleichwertige Arbeiten zumuten können." Daraufhin entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18. September 1953 die Knappschaftsrente wegen Gewöhnung an seinen Zustand.
Gegen den ihm am 29. September 1952 ausgehändigten Bescheid erhob der Kläger am 9. Oktober 1953 Einspruch, den der Geschäftsausschuß am 24. November 1953 zurückwies.
Am 16. Januar 1954 erhob der Kläger Klage. Das Sozialgericht wies diese durch Urteil vom 5. März 1956 ab. Es schloß sich dem Gutachten der Sachverständigen Dr. F... und Dr. H... an und sah die wesentliche Änderung in der eingetretenen Gewöhnung des Klägers an seinen Zustand. Dabei ging es von dem Beruf des Bergeklaubers als Hauptberuf des Klägers aus.
Gegen das ihm am 15. März 1956 zugestellte Urteil legte der Kläger am 3. April 1956 Berufung ein. Sein Hauptberuf sei nicht die Tätigkeit des Bergeklaubers, denn er sei zur Zeit des Betriebsunfalls Schlepper gewesen. Außerdem habe sich sein Gesundheitszustand seit 1928 nicht wesentlich gebessert.
Die Beklagte räumte ein, daß von dem Beruf eines Schleppers im Schichtlohn ausgegangen werden müsse, meinte aber, daß sich dadurch am Ergebnis nichts ändere, weil auch diesem Beruf gegenüber alle knappschaftlich versicherten Tätigkeiten im wesentlichen gleichartig und wirtschaftlich gleichwertig seien. Dem Kläger sei die Invalidenpension zudem schon vor dem 1. Januar 1924 bewilligt worden. Deshalb sei bei Beantwortung der Frage, ob beim Kläger eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten sei, nicht von dem im Jahre 1928 erhobenen, sondern von dem bei Zuerkennung der Invalidenpension vor dem 1. Januar 1924 erhobenen Befund auszugehen.
Der Kläger bestritt, daß ihm die Rente vor dem Jahre 1928 bewilligt worden sei. Er habe im Jahre 1926 den ersten Rentenantrag gestellt und etwa im Juli 1928 sei die Rente erstmalig bewilligt worden.
Das Landessozialgericht verurteilte die Beklagte durch Urteil vom 12. Mai 1959 - unter Abänderung des sozialgerichtlichen Urteils und unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids und Widerspruchsbescheids -, die Knappschaftsrente über den 30. September 1953 hinaus weiterzuzahlen.
Die für eine Rentenentziehung vorauszusetzende Änderung in den Verhältnissen müßte gegenüber den zur Zeit der Rentenbewilligung vorhanden gewesenen Verhältnissen eingetreten sein. Eine solche Feststellung könne aber nur getroffen werden, wenn geklärt sei, wann die Rente bewilligt worden sei und welche Verhältnisse zu der betreffenden Zeit vorgelegen hätten. Ob, wie die Beklagte behaupte, die Invalidenpension bereits im Jahre 1921. bewilligt und danach nicht wieder entzogen worden sei, könne dahinstehen, denn selbst wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte, müßte sie sich im Hinblick auf die für die Rentenentziehung zu fordernden Voraussetzungen zumindest so behandeln lassen, als habe sie die Rente erst im Jahre 1928 bewilligt. Wie die noch im Original vorhandene Zugangsmeldung an die Reichsknappschaft beweise, sei die Rente für den Kläger im Monat Juli 1928 in Zugang gebracht worden. Ein Vermerk auf dieser Zugangsmeldung besage weiter, daß die Zahlung vom 1. Januar 1924 an versehentlich unterblieben und daß deshalb die Inzugangstellung erst im Jahre 1928 erfolgt sei. Der Kläger sei im Jahre 1928 wie ein Rentenantragsteller behandelt worden, wie sich aus dem ärztlichen Gutachten des Dr. U... vom 9. Mai 1928 ergebe. Dieses Gutachten lasse seiner ganzen Anlegung nach vermuten, daß es im Zuge eines Rentenantrages und nicht im Rahmen einer Nachuntersuchung erstellt worden sei. Dem Kläger wäre die Invalidenpension nicht zugesprochen worden, wenn sich der ärztliche Gutachter gegen eine Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. Januar 1927 an ausgesprochen hätte. Die Beklagte habe damals, so ließen die gesamten Umstände vermuten, wie bei einer Rentenneubewilligung vor der Frage gestanden, ob der Kläger berufsunfähig sei oder nicht. Diese Frage aber müsse, was aus der Rentenzahlung auf Grund des Gutachtens zu folgern sei, von der Beklagten bejaht worden sein. Die Beklagte müsse also selbst bei der Unterstellung einer ersten Rentenbewilligung vor dem 1. Januar 1924 im Hinblick auf die Rentenentziehungsvorschriften so behandelt werden, als habe sie die Rente im Jahre 1928 erneut bewilligt.
Aber selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt werde, könne jedenfalls bei Prüfung der Frage, ob eine rechtlich bedeutsame Veränderung in den Verhältnissen des Klägers eingetreten sei, ein vor Juni 1928 liegender Rentenbewilligungszeitpunkt nicht zugrunde gelegt werden, denn ein Nachweis, daß die Rente tatsächlich für das Jahr 1921 bewilligt worden sei, könne nicht geführt werden. Zwar könnten die Vermerke in den Akten der Bergbau-Berufsgenossenschaft vom 14. Dezember 1928 über den Beginn der Invalidisierung - vom 13. November 1921 an - und die Anmerkung auf der erwähnten Zugangsmeldung vom Juli 1928 über das Unterbleiben der Rentenzahlung die Annahme unterstützen, daß schon vor dem 1. Januar 1924 die Invalidenpension bewilligt worden sei. Es lasse sich aber nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, daß die erste Rentenbewilligung doch erst 1928 erfolgt bzw. daß nach einem vorausgegangenen zeitlich begrenzten Rentenbezug eine Neubewilligung erfolgt sei.
Der Vermerk in den Akten der Bergbau-Berufsgenossenschaft könne nicht einschränkungslos in dem Sinne verwertet werden, daß vor dem 1. Januar 1924 ein die Rente bewilligender Bescheid erlassen und eine Rente gezahlt oder nur aus Ruhensgründen nicht gezahlt worden sei; denn über den Zeitpunkt des Erlasses eines etwaigen Rentenbewilligungsbescheides, auf den es bei den hier zur Beantwortung stehenden Fragen ankomme, sage der Vermerk in den Akten der Bergbau-Berufsgenossenschaft nichts. Auffallend sei auch, daß die Unfallrentenakten bis zum Jahre 1928 keine Angaben oder Hinweise für eine Gewährung der Invalidenpension in den Jahren 1921 bis 1927 enthielten und daß Mitteilungen der Knappschaft an die Bergbau-Berufsgenossenschaft in der damaligen Zeit immer nur die Krankenversicherung beträfen. Auch die Eingaben des Klägers an die Bergbau-Berufsgenossenschaft in den Jahren bis 1928 böten keine Anhaltspunkte für den Bezug einer Invalidenpension. Der Nachteil einer bestehenden Ungewißheit träfe aber denjenigen, der ein Recht zu besitzen behaupte, ohne das Entstehen dieses Rechts nachweisen zu können. Dies sei hier die Beklagte, da sie ihr Recht auf Rentenentziehung hierauf stütze. Da die Entziehung von einer Änderung in den Verhältnissen gegenüber dem Zeitpunkt der Rentenbewilligung abhänge, müsse dieser Zeitpunkt jedenfalls annähernd feststellbar sein, um die Frage nach der Änderung gültig beantworten zu können. Die Feststellung, daß vor dem Jahre 1924 eine Bewilligung der Invalidenpension erfolgt und es bei dieser Bewilligung seither geblieben sei, habe sich nicht treffen lassen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, daß die Bewilligung der Rente, um deren Entziehung es nunmehr gehe, im Juni 1928 erfolgt sei.
Gegenüber dem Monat Juni 1928 sei aber eine zur Rentenentziehung berechtigende Änderung in den Verhältnissen des Klägers nicht eingetreten. Die am 2. Juli 1953 von Dr. F... und Dr. H... durchgeführte Untersuchung habe gegenüber dem Zustand des Jahres 1928 keine Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen erbracht. Die Untersuchung habe vielmehr ergeben, daß es sekundär zusätzlich noch zu arthrotischen Veränderungen im rechten Kniegelenk gekommen sei. Wenn die Sachverständigen eine Änderung in den Verhältnissen mit der Begründung bejaht hätten, daß sich der Kläger in den vergangenen zwölf Jahren weitgehend an seinen Zustand gewöhnt habe, so könne sich das Gericht dem nicht anschließen, denn die Unfallakten ließen eindeutig erkennen, daß die entscheidende Gewöhnung und Anpassung bereits in der ersten Zeit nach dem Unfall eingetreten und im Sommer 1928 bereits abgeschlossen gewesen sei. Dies zeigten eindeutig die in der Unfallakte befindlichen Gutachten aus den Jahren 1926 bis 1928. Der Wortlaut dieser Gutachten vermittele die Überzeugung, daß der Kläger sich im Sommer 1928 bereits weitgehend an den Zustand nach Unfallverletzung gewöhnt gehabt habe. Das um so mehr, als der Gang mit dem bereits im Jahre 1922 bewilligten Stützapparat am 1. Dezember 1926 schon bemerkenswert gut gewesen sei. Hinzu komme, daß der Kläger, der als Schlepper im Schichtlohn den Unfall erlitten habe, bereits im März 1922 die Arbeit im Bergbau (als Bergeklauber) wieder aufgenommen und sie nach der Krankenhausbehandlung (Juni 1922 bis März 1923) von April 1923 an bis 1928 ohne nennenswerte Unterbrechungen ausgeführt habe. Nach alledem könne nicht gesagt werden, daß der Gesundheitszustand des Klägers sich seit der im Jahre 1928 erfolgten Rentenbewilligung wesentlich gebessert habe. Auch eine sonstwie rechtlich bedeutsame Änderung in den Verhältnissen des Klägers seit Juni 1928 sei nicht ersichtlich. Daß der Kläger seit dem hier zugrunde zu legenden Zeitpunkt einen Tätigkeitswechsel vorgenommen habe, sei schon deshalb bedeutungslos, weil er die entsprechende körperliche Fähigkeit - er verrichte leichte Arbeiten an einer kleinen Exzenterpresse - auch schon 1928 gehabt haben müsse.
Gegen das ihr. am 14. Oktober 1959 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch Schriftsatz vom 30. Oktober 1959, eingegangen beim Bundessozialgericht am 2. November 1959, - unter Stellung eines Revisionsantrages - Revision eingelegt und diese, nachdem die Frist zur Begründung der Revision bis zum 14. Januar 1960 verlängert worden war, mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1959, eingegangen am 30. Dezember 1959, begründet.
Sie rügt Verletzung des § 54 RKG aF in Verbindung mit § 1293 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF sowie Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und Überschreitung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung (§ 128 SGG) durch das Berufungsgericht. Sie ist entgegen dem Berufungsgericht der Ansicht, daß aus den noch vorhandenen Unterlagen geschlossen werden müsse, daß die Rente bereits im Jahre 1921 bewilligt worden sei. Dafür sprächen einmal ihre statistische Zugangsmeldung an die Ruhrknappschaft und der Umstand, daß anders als nach dem bis zum 31. Dezember 1923 geltenden § 59 Abs. 3 der Satzung des Allgemeinen Knappschaftsvereins zu Bochum nach dem RKG in der im Jahre 1928 geltenden Fassung auch dann, wenn die Berufsunfähigkeit infolge Betriebsunfalls eingetreten sei, die volle Wartezeit erfüllt sein müsse, dem Kläger also im Jahre 1928 die Rente überhaupt nicht habe zugesprochen werden können. Außerdem ergebe sich aus dem in den Unfallakten befindlichen Vermerk, daß der Kläger seit dem 13. November 1921 invalidisiert worden sei. Da somit feststehe, daß die Rente bereits im Jahre 1921 bewilligt worden sei, hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob von diesem Zeitpunkt an eine Gewöhnung des Klägers an die Unfallfolgen eingetreten sei; denn heute könne er noch Arbeiten als Pförtner, Telefonist oder sonstige im Sitzen auszuführende Arbeiten im Bergbau verrichten. Somit sei er nicht mehr berufsunfähig.
Sie beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 12. Mai 1959 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die statistische Zugangsmeldung in Verbindung mit der Rentengewährung im Jahre 1928 und der medizinischen Begutachtung vom 9. Mai 1928 durch Dr. U... sprächen überwiegend dafür, daß zu dieser Zeit ein Rentenfeststellungsverfahren stattgefunden habe. Selbst wenn vorher bereits eine Rentenfeststellung erfolgt sein sollte, so könne dies heute nicht mehr nachgewiesen werden. Dies aber gehe zu Lasten der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist auch statthaft, da das Berufungsgericht sie zugelassen hat. Bedenken gegen ihre Zulässigkeit bestehen somit nicht. Es mußte ihr jedoch der Erfolg versagt bleiben.
Zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, daß der Rentenentziehungsbescheid der Beklagten vom 18. September 1953 sowie der Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 1953 rechtswidrig sind. Es hat bei dieser Entscheidung auch beachtet, daß in der knappschaftlichen Rentenversicherung, abweichend von den übrigen Rentenversicherungszweigen, die Entziehung der Rente ohne Nachweis einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen des Versicherten (§ 1293 Abs. 2 RVO aF) nur von 1934 bis 1937 und nicht erneut wieder nach dem Zusammenbruch bis zum 31. Dezember 1956 möglich war, so daß diese erleichterte Art der Rentenentziehung für den hier zu entscheidenden Fall ohne Bedeutung ist. Nach dem Zusammenbruch ist § 1293 Abs. 2 RVO zwar für die sonstigen Zweige der Rentenversicherung, nicht aber für die Knappschaftsversicherung wieder in Kraft gesetzt worden. Die für das Knappschaftsrecht maßgebende Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 13 (ArbBlBrZ 1947, 12) enthält nämlich, abweichend von der für das übrige Rentenversicherungsrecht maßgebenden SVD Nr. 3 (ArbBlBrZ 1947, 16), keine entsprechende Vorschrift. Ausschlaggebend ist also, ob nach dem Erlaß des Rentenfeststellungsbescheides eine Änderung, und zwar, da § 1286 RVO hier noch keine Anwendung finden kann, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Klägers eingetreten ist.
Da nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Anpassung und Gewöhnung des Klägers an die Unfallfolgen, welche das Berufungsgericht bedenkenfrei als eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Klägers gewertet hat, im Jahre 1928 bereits abgeschlossen war, hängt die Berechtigung der Rentenentziehung davon ab, ob der Rentenfeststellungsbescheid, wie der Kläger behauptet, erst im Jahre 1928 erlassen worden ist. Infolge des Verlustes der Knappschaftsakten ist dies zweifelhaft. Es ist der Beklagten zuzugeben, daß vieles dafür spricht, daß die Rente bereits durch einen in den Jahren von 1921 bis 1923 erlassenen Bescheid gewährt worden ist. Vor allem lassen der auf Bl. 67 R. der Unfallakten der Bergbau-Berufsgenossenschaft befindliche Vermerk und die noch im Original vorhandene Zugangsmeldung der Beklagten an die Reichsknappschaft vom 21. Juni 1928 hierauf schließen. Darüber hinaus spricht auch vieles für die weitere Annahme der Beklagten, daß vor dem Jahre 1928 kein Bescheid ergangen ist, durch den diese Rente wieder entzogen worden oder ihr Ruhen festgestellt worden ist; denn sonst wäre der Vermerk auf der Zugangsmeldung vom 21. Juni 1928 nicht zu verstehen, daß die Invalidenpension seit dem 1. Januar 1924 versehentlich nicht ausgezahlt worden sei. Einer Entscheidung dieser Fragen bedurfte es jedoch nicht; denn bedingt durch die besonderen Umstände dieses Falles ist die Rente im Jahre 1928 zumindest erneut durch rechtskräftig gewordenen Bescheid zugesprochen worden. Normalerweise würde zwar alles gegen die Annahme sprechen, daß eine bereits rechtskräftig festgestellte Rente erneut durch Bescheid anerkannt worden ist, hier liegen aber eine Reihe von Gründen vor, die eine solche außerordentliche Annahme rechtfertigen. Schon der Umstand, daß inzwischen eine Währungsumstellung erfolgt war und daß am 1. Januar 1924 ein neues Recht in Kraft getreten war, deutet darauf hin, daß die Beklagte einen neuen Feststellungsbescheid erlassen hat. Auch spricht für diese Annahme, daß inzwischen offensichtlich Unklarheiten über diesen Anspruch entstanden waren, da die Rente nach dem o.a. Aktenvermerk seit dem 1. Januar 1924 irrtümlicherweise nicht mehr ausgezahlt worden war; es ist daher verständlich, daß die Beklagte durch Erlaß eines neuen Bescheides eine Klärung herbeiführen, insbesondere sicherstellen wollte, daß eine Nachzahlung nicht mehr verlangt werden konnte. Bestätigt wird diese Annahme durch das noch vorhandene Original der Zugangsmeldung der Beklagten an die Reichsknappschaft vom 21. Juni 1928, in welcher die Rente erst mit dem Monat Juli 1928 in Zugang gebracht worden ist. Würde die Rente nicht im Jahre 1928 neu bewilligt worden sein, so würde sie bereits mit dem 1. Januar 1924, dem Tag des Inkrafttretens des RKG, für die Reichsknappschaft in Zugang gebracht worden sein. Entscheidend aber spricht für eine neue Rentenbewilligung im Jahre 1928 der Umstand, daß die Beklagte den Kläger im Jahre 1928 ärztlich hat untersuchen lassen und daß sie hierbei nicht etwa ein Nachuntersuchungsformular, sondern ein Formular für die Erstattung eines Invalidisierungsgutachtens verwandt hat. Daraus muß geschlossen werden, daß sie nicht etwa prüfen wollte, ob eine bereits gewährte Rente entzogen werden könne, sondern ob eine Rente, die der Kläger nach seinen glaubhaften Behauptungen im Jahre 1926 beantragt hatte, neu zu gewähren sei. Hinzu kommt, daß für den Kläger im Jahre 1928 eine neue Rentenkarte ausgestellt worden ist. Dies wäre nicht notwendig gewesen, wenn lediglich die alte Rente weitergewährt worden wäre. Die Beklagte wendet ein, daß nach dem im Jahre 1928 geltenden Recht eine Rente überhaupt nicht hätte bewilligt werden können, da dies die Erfüllung der vollen Wartezeit vorausgesetzt habe. Sie verkennt hierbei jedoch, daß sich ein Rentenanspruch auch bei Änderung der Gesetzeslage grundsätzlich nach dem zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles geltenden Recht, hier also nach dem im Jahre 1921 geltenden Recht, richtet. Dem Berufungsgericht ist also darin zuzustimmen, daß die Beklagte im Jahre 1928 einen neuen - rechtskräftig gewordenen - Rentenbewilligungsbescheid erlassen hat, durch den insbesondere die inzwischen eingetretene Unklarheit in den zwischen ihr und dem Versicherten bestehenden Rechtsverhältnissen bindend geklärt werden sollte. Ob dieser Bescheid überhaupt erlassen werden durfte, wenn bereits ein rechtskräftig gewordener Bescheid vorlag, bedarf keiner Prüfung; denn hierbei kommt es allein auf die Tatsache an, daß er erlassen worden ist.
Gleichgültig ob nun im Jahre 1928 erstmalig ein Rentenfeststellungsbescheid ergangen ist oder ob diese Rente in den Jahren von 1921 bis 1923 schon einmal durch einen rechtskräftig gewordenen Rentenbewilligungsbescheid festgestellt worden ist, hätte sie nur entzogen werden dürfen, wenn seit der Rentenbewilligung im Jahre 1928 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Klägers eingetreten wäre. Denn eine Rente kann nur entzogen werden, d.h. die Rechtskraft (Bindungswirkung) eines Rentenfeststellungsbescheides kann nur durchbrochen werden, wenn seit seinem Erlaß, also auch seit Erlaß dieses Bescheides, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Versicherten eingetreten ist. Dabei ist es gleichgültig, ob außerdem auch noch die Rechtskraft eines etwa früher bereits erlassenen Bescheides der Rentenentziehung entgegensteht. Dann würden nicht nur eine, sondern zwei der Rentenentziehung entgegenstehende Sperren bestehen, die beide überwunden werden müßten, wenn die Rente entzogen werden soll. Kann schon, wie hier, die letzte Sperre nicht durchbrochen werden, so ist die Rentenentziehung nicht möglich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie im vorliegenden Falle, der zweite Bescheid nicht nur eine - unnötige - Bestätigung des ersten Bescheides darstellt, sondern durch ihn bewußt eine Neuregelung wegen geänderter oder unklarer Rechtsverhältnisse erfolgt ist.
Das Berufungsgericht hätte allerdings, zumal der Kläger weiterhin beruflich tätig ist, noch prüfen müssen, ob die Rente nach dem 31. Dezember 1956 nicht auf Grund des inzwischen in Kraft getretenen, einen zusätzlichen Entziehungstatbestand einführenden § 86 Abs. 2 RKG entzogen werden könnte. Die Prüfung durch den erkennenden Senat hat jedoch ergeben, daß die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine umgestellte Knappschaftsrente alten Rechts überhaupt nach dieser Vorschrift entzogen werden kann, jedenfalls wäre dies nur möglich, wenn die neuen Kenntnisse und Fähigkeiten unter der Herrschaft des neuen Rechts, also nach dem 31. Dezember 1956, erworben worden wären. Dies aber ist hier nicht der Fall.
Richtig ist, daß die Beklagte im Jahre 1928 die Rente offenbar zu Unrecht bewilligt hat, weil sie vergessen hat zu prüfen, ob nicht inzwischen eine Anpassung und Gewöhnung eingetreten war. Wie der Senat jedoch bereits anderweitig entschieden hat, rechtfertigt der Umstand, daß eine Rente zu Unrecht gewährt worden ist, grundsätzlich nicht eine Rentenentziehung, wenn nicht die Voraussetzungen des § 1744 RVO vorliegen (vgl. dazu BSG 8, 241). Dies ist hier aber nicht der Fall.
Da das angefochtene Urteil somit im Ergebnis zutreffend ist, mußte die Revision der Beklagten zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen