Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 26.02.1993) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Februar 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA), dem Rentenversicherungsträger eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 27. März 1985 bis 27. August 1990 zu melden.
Die Klägerin bezog bis zum 14. März 1984 Arbeitslosengeld (Alg). Arbeitslosenhilfe (Alhi) beantragte sie aufgrund der Einkommenssituation ihres Ehemannes nicht. Sie bat indes das Arbeitsamt (ArbA), sie weiterhin als arbeitssuchend zu führen. Dies geschah bis zum 26. März 1985. Laut einer Beendigungsmitteilung wurde die Klägerin ab 27. März 1985 als nicht mehr verfügbar geführt. Die Zeit vom 15. März 1984 bis 26. März 1985 wurde der zuständigen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als beitragslose Zeit gemeldet.
Im Januar 1990 beantragte die Klägerin beim ArbA, sie „rückwirkend zum 26. März 1985 wieder in den Zustand der gemeldeten Arbeitslosigkeit zu versetzen” und die entsprechenden Zeiten der BfA nachzumelden. Sie machte geltend, einer Streichung aus der Kartei habe sie seinerzeit nur zugestimmt, weil ihr auf entsprechende Frage vom ArbA versichert worden sei, daß sich dies nicht in irgendeiner Form nachteilig für die Rentenversicherung auswirken könne. Diese Auskunft habe sich nun im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens bei der BfA als falsch erwiesen.
Das ArbA teilte der Klägerin mit Schreiben vom 24. Januar 1990 mit, die Zeit vom 25. März 1984 bis 26. März 1985 sei der BfA als beitragslose Zeit mitgeteilt worden. Eine Durchschrift der Meldung sei ihr zugeleitet worden, wogegen sie seinerzeit auch keine Einwendungen erhoben habe. Nachdem sie ihr Arbeitsgesuch nicht mehr erneuert habe, sei es nicht möglich, dem Rentenversicherungsträger rückwirkend eine weitere Zeit der Arbeitslosigkeit zu melden.
Der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 1990 als unzulässig verworfen, da das Schreiben vom 24. Januar 1990 keinen Verwaltungsakt darstelle. Über die Berücksichtigung von Ausfallzeiten wie auch über einen eventuellen Herstellungsanspruch habe der Rentenversicherungsträger zu befinden.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 31. Oktober 1991 die Klage als unbegründet abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Wie vom Landessozialgericht (LSG) festgestellt, hat die Klägerin in einem zweiten vor dem SG anhängigen Verfahren gegen die BfA (S 5 An 6/91) deren Verurteilung zur Vormerkung der streitigen Zeit als Ausfallzeit nach § 36 Abs 3 Satz 1 Nr 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) begehrt. Die BfA hatte mit Bescheid vom 26. September 1990 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1990 die Vormerkung dieser Zeit als Ausfallzeit mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei nicht arbeitssuchend bei einem deutschen Arbeitsamt gemeldet gewesen. Das SG hatte dieses Verfahren gegen die BfA mit Beschluß vom 17. Mai 1991 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das vorliegende Verfahren gegen die BA ausgesetzt.
Mit Urteil vom 26. Februar 1993 hat das LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hat im Unterschied zum SG bereits die Zulässigkeit der Klage verneint, da es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse fehle. Die Meldung der Beklagten nach § 13 Abs 3 der Zweiten Datenerfassungs-Verordnung (2. DEVO) iVm § 193 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) weise nicht die Merkmale eines (einklagbaren) Verwaltungsaktes iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Ihr komme lediglich im Innenverhältnis zum Rentenversicherungsträger Bedeutung zu. Solche Mitwirkungshandlungen einer anderen Behörde seien einer gerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich. Die Klägerin könne ihre Rechtsstellung durch die beantragte Verurteilung der BA nicht verbessern, weil die erstrebte Meldung für den Rentenversicherungsträger nicht bindend sei und auch keine anderweitigen rechtlichen Auswirkungen entfalten könne. Die Klägerin könne ihr eigentliches Ziel – die Vormerkung der Zeit vom 27. März 1985 bis 27. August 1990 als Anrechnungszeit – auf einem anderen und einfacheren Weg erreichen, nämlich durch die Aufnahme des vom SG ausgesetzten Verfahrens gegen die BfA (S 5 An 6/91).
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) sowie von § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und § 193 SGB VI iVm § 13 Abs 3 2. DEVO. Die BfA habe zum Rechtsstreit notwendig beigeladen werden müssen. Denn Feststellungen über die Zeitdauer der Meldung eines Rentenversicherten bei einem deutschen ArbA könnten nur einheitlich erfolgen, weil eine entsprechende Entscheidung auch für und gegen den zuständigen Rentenversicherungsträger wirke. Wenn schon vom LSG die Meinung vertreten werde, es sei für sie der einfachere und leichtere Weg gewesen, das Verfahren gegen die BfA fortzuführen, so hätte sich deren Beiladung auch aus Gründen der Prozeßökonomie aufgedrängt. – Zu Unrecht habe das LSG auch die Meldung als bloße Wissensauskunft, statt als Verwaltungsakt qualifiziert. Die BA treffe im Rahmen ihrer Pflichtaufgaben eine Einzelfallentscheidung, die eine unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem einzelnen Versicherten entfalte. Wäre dieser Verwaltungsvorgang nicht überprüfbar, läge ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie des Art 19 Abs 4 GG vor. Die von dem ArbA vorgenommene Meldung sei sachlich unzutreffend.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des SG vom 31. Oktober 1991 und des LSG vom 26. Februar 1993 sowie des Bescheids vom 24. Januar 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. April 1990 die Beklagte zu verurteilen, an den Rentenversicherungsträger eine Meldung über das Bestehen von Arbeitslosigkeit für die Zeit vom 27. März 1985 bis 27. August 1990 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze liegen nicht vor. Die Rüge der Klägerin, das LSG habe die BfA gemäß § 75 Abs 2 SGG beiladen müssen, greift nicht durch. Nach der hier allein in Betracht kommenden 1. Alternative des § 75 Abs 2 SGG sind Dritte zu einem Sozialgerichtsverfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Hierfür maßgebend ist das zunächst als begründet unterstellte Klagebegehren, also die erstrebte Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis (BSG SozR 1500 § 75 Nr 68 mwN). Die Entscheidung muß aus Rechtsgründen nur einheitlich ergehen können; es genügt weder, daß die Entscheidung logisch notwendig einheitlich ergehen muß, noch daß die tatsächlichen Verhältnisse eine einheitliche Entscheidung erfordern (BSG SozR 1500 § 75 Nr 71). Die Beiladung ist aus Rechtsgründen notwendig, wenn die vom Kläger begehrte Sachentscheidung nicht getroffen werden kann, ohne daß dadurch gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte des Beizuladenden gestaltet, bestätigt oder festgestellt, verändert oder aufgehoben werden (BSG aaO).
Hier begehrt die Klägerin im Streitverfahren die Verurteilung der BA. Das streitige Rechtsverhältnis iS des § 75 Abs 2 1. Alternative SGG beschränkt sich auf die Meldung eines Anrechnungszeiten-Tatbestandes (§ 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI) an die BfA. Von diesem Rechtsverhältnis, das auf die Erbringung einer einzelnen behördlichen Handlung gerichtet ist, ist das Rechtsverhältnis, das zwischen dem Versicherten, hier der Klägerin, und dem Rentenversicherungsträger besteht, zu unterscheiden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seiner – bereits vom LSG zitierten – Rechtsprechung ausgeführt hat, entfaltet die Meldung der Arbeitslosigkeit allein noch keine Rechtswirkungen, sondern dient nur dazu, Tatsachenmaterial für die spätere Entscheidung über die Anerkennung einer Anrechnungszeit (früher Ausfallzeit) an den Rentenversicherungsträger weiterzuleiten, der dann aber eigenverantwortlich entscheidet (vgl BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 1). Damit steht im Einklang, daß die Bescheinigung des ArbA über die Zeiten, in denen ein Versicherter dort als arbeitslos gemeldet war, nach der Rechtsprechung des BSG eine öffentliche Urkunde iS von § 418 Zivilprozeßordnung (ZPO) darstellt (BSGE 68, 163, 166 = SozR 3-2200 § 1259 Nr 4). Da die begehrte Meldung den Rentenversicherungsträger nicht bindet, greift sie nicht unmittelbar und zwangsläufig in dessen Rechtssphäre ein. Bei dieser Sachlage war daher eine Beiladung der BfA im Berufungsverfahren nach § 75 Abs 2 1. Alternative SGG nicht geboten.
Soweit die Klägerin weiter beanstandet, eine Beiladung der BfA wäre jedenfalls aus Gründen der Prozeßökonomie geboten gewesen, so vermag dies einen revisiblen Verfahrensfehler nicht zu begründen. Gesichtspunkte der Prozeßökonomie können allenfalls eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG rechtfertigen. Eine solche steht jedoch – anders als die notwendige Beiladung – im Ermessen des Gerichts.
Das LSG hat auch im Ergebnis zu Recht die Zulässigkeit der Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses verneint.
Voraussetzung der Zulässigkeit jeder Klage ist grundsätzlich, daß der Kläger ein schutzwürdiges Interesse (Rechtsschutzinteresse) an der begehrten Entscheidung des Gerichts hat und das Gericht nicht für unnütze Zwecke in Anspruch nimmt (BSG SozR 2200 § 1251 Nr 8 mwN; Kopp, Kommentar zur VwGO, 7. Aufl, Vorbemerkung 31 zu § 40 mwN). Dabei ist zwar kein strenger Maßstab anzulegen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt jedoch, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei nennenswerte Vorteile bringen kann oder wenn der Kläger das mit der Klage verfolgte Ziel auf andere, einfachere Weise erreichen kann (BSG SozR 2200 § 1251 Nr 8 S 26; BFH NJW 1977, 1256; BGHZ 55, 201, 206; BGH NJW 1990, 2060, 2061; Kopp aaO). Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Für das von der Klägerin verfolgte Klageziel läßt sich ein Rechtsschutzbedürfnis allerdings nicht schon deshalb verneinen, weil die von ihr begehrte Meldung der Beklagten für den Rentenversicherungsträger – wie bereits dargelegt – nicht bindend wäre. In diesem Zusammenhang muß nämlich weiter berücksichtigt werden, daß der begehrten Meldung der Beklagten wiederum Beweiskraft im Rahmen der Bestimmungen des § 418 ZPO zukommen könnte (vgl BSGE 68, 163, 166). Denn es ist nicht auszuschließen, daß ein Versicherungsträger, ohne rechtlich gebunden zu sein, von weiteren (eigenen) Ermittlungen absieht, wenn ihm eine öffentliche Urkunde eines anderen Versicherungsträgers vorgelegt wird, in der mit entsprechender Beweiskraft Aussagen über bestimmte tatsächliche Umstände enthalten sind (BSG aaO). Von daher kann durchaus ein nach Lage des Falles anzuerkennendes schutzwürdiges Interesse an der beantragten Leistung gegeben sein. So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Rechtsschutzinteresse für Fälle anerkannt worden, in denen während des Rechtsstreits eine Kompetenz auf eine andere Behörde übergeht und unabhängig von einer rechtlichen Bindung zu erwarten ist, daß die Behörde der Entscheidung des Gerichts folgt (Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr 6; Beschluß vom 27. September 1991 – 1 B 73.93 –).
Ein solches schutzwürdiges Interesse kann jedoch keinesfalls dann bejaht werden, wenn – wie vom LSG festgestellt – die Klägerin bereits ein weiteres Gerichtsverfahren gegen die BfA als Rentenversicherungsträger betreibt, in dem sie ihr eigentliches Rechtsschutzziel, nämlich die Anerkennung bzw Vormerkung der Zeit vom 27. März 1985 bis zum 27. August 1990 als Anrechnungszeit verfolgt. In diesem Fall ist ein Rechtsschutzinteresse für ein klageweises Vorgehen gegen die BA zu verneinen, weil der Weg über diesen Rechtsstreit – wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat – schneller und weniger aufwendig ist. Hier können ggf durch Vernehmung der zuständigen Sachbearbeiter des ArbA die für das Vorliegen einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Abs 2 SGB VI erforderlichen Tatsachen geklärt werden. Dies gilt auch hinsichtlich eines eventuellen Herstellungsanspruchs aufgrund einer Verletzung der Beratungspflicht seitens der BA, die sich der Rentenversicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen zurechnen lassen muß (vgl BSGE 58, 283, 284 = SozR 1200 § 14 Nr 20; BSGE 63, 112, 115 = SozR 1200 § 14 Nr 28; BSG-Urteil vom 25. August 1993 – 13 RJ 27/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Bei der Gefahr, daß ein Beweismittel verlorengeht oder seine Benutzung erschwert wird, besteht nach § 76 SGG auch die Möglichkeit, ein Beweissicherungsverfahren zu betreiben. Für ein zusätzliches prozessuales Vorgehen gegen die BA ist daher kein Raum.
Die Revision der Klägerin war somit zurückzuweisen. Das LSG hat zutreffend die Berufung zurückgewiesen und die Klage als unzulässig abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen