Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld, Höhe des. Unterhaltsgeld, Höhe des. Bemessungsentgelt unbillige Härte. berufliche Tätigkeit, überwiegend ausgeübte. Dreijahreszeitraum. Regelbemessung. DDR. Löhne, Gehalter, Umstellung der. Umrechnung. Folgebescheid. Klagebeschränkung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung, ob die Regelbemessung des Arbeitslosengeldes bzw des Unterhaltsgeldes im Hinblick auf den Verdienst aus einer überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit unbillig hart wäre, ist der vor dem 1.7.1990 in Mark der DDR erzielte Verdienst zu einem Kurs von 1:1 in DM umzurechnen.
2. Zum Begriff der „überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit” in § 112 Abs. 7 AFG.
3. Zum Begriff der „unbilligen Härte” in § 44 Abs. 3 AFG.
Normenkette
AFG § 44 Abs. 2, 2c, 3, 7 (Fassung: 20.12.1991 und 27.7.1992), § 111 Abs. 1, 2 Fassung: 1988-12-20, § 112 Abs. 7, 1, 3 Fassung: 1990-09-23, § 112a (Fassung: 6.10.1989 und 18.12.1989), § 113 Fassung: 1990-06-28, § 249c Abs. 13 Fassung: 1991-12-20; SGG § 96
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von höherem Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 14. März bis 27. April 1992 sowie von höherem Unterhaltsgeld (Uhg) für die Zeit vom 28. April bis 31. Dezember 1992.
Der 1937 geborene Kläger war ab 1. Januar 1988 im früheren Berlin-Ost bei der „C. B. GmbH” beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 29. Februar 1992 beendet. Als Abteilungsleiter verdiente der Kläger bis 30. Juni 1990 monatlich 1.860,– Mark brutto, vom 1. Juli bis 31. Dezember 1990 monatlich 2.441,– DM brutto, im Januar 1991 2.365,– DM brutto sowie im Februar und März 1991 jeweils 2.370,– DM brutto. Danach erzielte er als Marketingverantwortlicher monatlich einen Verdienst in Höhe von 2.204,– DM brutto bei einer tariflichen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich. Ab August 1991 bezog er Krankengeld (Krg).
Die Beklagte gewährte dem Kläger, auf dessen Lohnsteuerkarte 1992 die Steuerklasse 1 – bei einem Kind – eingetragen war, ab 14. März 1992 nach einem (dynamisierten) Verdienst von 2.204,– DM Alg (Leistungsgruppe A; 68 vH; 580,– DM Bemessungsentgelt) in Höhe von 268,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 31. März 1992; Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 1992). Während des anschließenden Klageverfahrens bewilligte sie ab 28. April 1992 statt des Alg wegen Teilnahme des Klägers an einer Bildungsmaßnahme unter Zugrundelegung derselben Leistungsgruppe, desselben Bemessungsentgelts und eines Leistungssatzes von 73 vH Uhg in Höhe von 287,40 DM wöchentlich (Bescheid vom 27. Juli 1992) bzw nach Dynamisierung ab 1. August 1992 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 660,– DM in Höhe von 318,60 DM. Während des Berufungsverfahrens gestand die Beklagte dem Kläger dann ab 1. Januar 1993 statt des Uhg Altersübergangsgeld (Alüg) zu.
Klagen und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 11. November 1992; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 26. Oktober 1993). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Beklagte habe bei der Bemessung des Alg und des Uhg zu Recht den Monatsverdienst von 2.204,– DM zugrunde gelegt; ausgehend hiervon stünden dem Kläger höhere Leistungen nicht zu. Insbesondere komme § 112 Abs. 7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) weder für das Alg noch über § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AFG für das Uhg zur Anwendung. Es sei nämlich mit Rücksicht auf die in den letzten drei Jahren vor Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten Tätigkeiten nicht unbillig hart, vom Regelbemessungsentgelt auszugehen. Nur in neun Monaten, von Juli 1990 bis März 1991, habe der Kläger mehr als 2.204,– DM monatlich verdient.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 112 Abs. 7 AFG. Er trägt vor, in dem für diese Vorschrift maßgeblichen Dreijahreszeitraum (14. März 1989 bis 13. März 1992) überwiegend (24,5 Monate) die Tätigkeit als Abteilungsleiter ausgeübt zu haben. Obwohl er tatsächlich nur vom 1. Juli 1990 bis 31. März 1991 mehr verdient habe als zuletzt, müsse für die vor 1. Juli 1990, dem Zeitpunkt der Währungsumstellung, liegende Ziet schon fiktiv von einem Wert der Arbeit in Höhe von 2.441,– DM ausgegangen werden. Mithin habe er in 24,5 Monaten ein Dürchschnittsgehalt von 2.432,10 DM brutto bezogen, dem ein Durchschnittsgehalt im Bemessungszeitraum von 2.204,– DM gegenüberstehe. Wegen des Minderverdienstes von mehr als 10 vH begründe dies nach der von der Beklagten geübten Praxis eine unbillige Härte iS des § 112 Abs. 7 AFG.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 31. März 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 1992 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 27. Juli 1992 und des Bescheides über die Dynamisierung des Uhg zu verurteilen, für die Zeit vom 14. März bis 27. April 1992 höheres Alg sowie für die Zeit vom 28. April bis 31. Dezember 1992 höheres Uhg zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen des § 112 Abs. 7 AFG lägen nicht vor. Entscheidend sei, daß der Kläger im maßgeblichen Dreijahreszeitraum nur neun Monate lang ein höheres Entgelt als das Bemessungsentgelt erzielt habe. Für die Zeit vor 1. Juli 1990 dürfe selbst unter Berücksichtigung der mit der deutschen Wiedervereinigung verbundenen Situation nicht abweichend vom üblichen Beurteilungskriterium des tatsächlichen Verdienstes ein fiktiver Vergleichsmaßstab gewählt werden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet (§ 170 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Im Revisionsverfahren sind zu prüfen erstens der Bescheid vom 31. März 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 1992 über die Bewilligung von Alg, zweitens der gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene (vgl: BSGE 45, 49, 51 ff = SozR 1500 § 96 Nr. 6; BSG, Urteil vom 12. Mai 1982 – 7 RAr 1/81 –, USK 8284) Bescheid vom 27. Juli 1992 über die Bewilligung von Uhg (ab 28. April 1992) und drittens der ebenfalls über § 96 SGG streitbefangene Bescheid, mit dem die Höhe des Uhg ab 1. August 1992 dynamisiert wurde; zeitlich ergibt sich indes eine Beschränkung auf die Leistungsgewährung bis 31. Dezember 1992.
Daß das LSG den Bescheid über die Dynamisierung des Uhg im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich erwähnt und der Kläger nicht gerügt hat, das Berufungsgericht habe gegen § 96 SGG verstoßen (vgl zur Rügepflicht allgemein: BSGE 65, 272, 275 = SozR 4100 § 78 Nr. 8; BSG SozR 1500 § 53 Nr. 2; BSG, Urteil vom 15. September 1994 – 11 RAr 97/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom 25. Oktober 1994 – 3/1 RK 51/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen), ist ohne Bedeutung. Das LSG hat die im Dynamisierungsbescheid von der Beklagten getroffene Verfügung jedenfalls der Sache nach in seine Entscheidung einbezogen. In einem derartigen Fall hat das Revisionsgericht von Amts wegen über das rechtliche Schicksal des Folgebescheides zu befinden (vgl das Urteil des 3. Senats vom 25. Oktober 1994, a.a.O.). Wegen zulässiger Klagebeschränkung – auch in Fällen des § 96 SGG (vgl: BSGE 18, 31, 33 = SozR Nr. 15 zu § 96 SGG; BSGE 45, 49, 51 ff = SozR 1500 § 96 Nr. 6; BSGE 47, 168, 171 = SozR 1500 § 96 Nr. 13 – Wahlrecht zur Einbeziehung bei analoger Anwendung; BSG SozR 1500 § 144 Nr. 6) – ist weder ein möglicher Bescheid der Beklagten über die Aufhebung von Alg mit Wirkung ab 28. April 1992 noch ein solcher über die Aufhebung von Uhg ab 1. Januar 1993 Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Das Revisionsverfahren betrifft schließlich wegen der entsprechenden Erklärungen beider Beteiligten im Berufungsverfahren ebensowenig den Bescheid vom 16. Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 1993 über die Gewährung von Alüg ab 1. Januar 1993. Prozessual hat damit der Senat nur über eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) zu befinden, soweit die Beklagte höhere als die zugebilligten Leistungen für den Zeitraum vom 14. März bis 31. Dezember 1992 abgelehnt hat.
Die Klagen sind jedoch unbegründet; dem Kläger steht weder höheres Alg noch höheres Uhg zu. Dabei kann offenbleiben, ob die Anspruchsvoraussetzungen für diese Leistungen überhaupt vorlagen bzw Ruhenstatbestände eingreifen und ob die Feststellungen des LSG für eine Entscheidung hierüber genügten. Die Vorschriften über die Leistungshöhe rechtfertigen nämlich allenfalls die von der Beklagten bewilligten Beträge.
Für das Alg ergibt sich dies aus § 111 AFG (idF des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen – Gesundheits-Reformgesetz – ≪GRG≫ vom 20. Dezember 1988 – BGBl I 2477), § 112 AFG (idF des Gesetzes vom 23. September 1990 zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands ≪EinigVtr≫ – Einigungsvertragsgesetz – und der Vereinbarung vom 18. September 1990 – BGBl II 885), § 112a AFG (idF des Gesetzes zur Einführung eines Sozialversicherungsausweises und zur Änderung anderer Sozialgesetze vom 6. Oktober 1989 – BGBl I 1822), § 113 AFG (idF des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28. Juni 1990 – BGBl I 1221) und § 249c AFG (idF des Gesetzes zur Regelung von Vermögensfragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet und zur Änderung von Gesetzen vom 20. Dezember 1991 – BGBl I 2313).
Für die Zeit vom 14. März bis 27. April 1992 resultiert aus diesen Vorschriften kein höheres Alg als 268,20 DM wöchentlich.
Die Höhe des Alg bestimmt sich anhand der Verordnung über die Leistungssätze des Uhg, des Alg, der Arbeitslosenhilfe, des Kurzarbeitergeldes und des Schlechtwettergeldes für das Jahr 1992 (AFG-LeistungsVO 1992) – § 111 Abs. 2 Satz 1 AFG – mittels dreier Kriterien:
- des innerhalb des Bemessungszeitraums erzielten, eventuell zu dynamisierenden (§§ 112a, 249c Abs. 13 AFG) Arbeitsentgelts
- Bemessungsentgelts – (§ 111 Abs. 1 Nr. 2 AFG iVm § 112 AFG),
- des den prozentualen Leistungssatz bestimmenden Familienstatus (§ 111 Abs. 1 Nr. 1 AFG) und
- der Steuerklasse, die wegen der Höhe der gewöhnlich anfallenden (in der AFG-LeistungsVO pauschal berücksichtigten) gesetzlichen Abzüge die Einteilung in verschiedene Leistungsgruppen bedingt (§ 111 Abs. 1 und 2 iVm § 113 AFG).
Für den Kläger gilt wegen der im gesamten Jahr 1992 auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse 1 die Leistungsgruppe A; mit 68 vH ist ihm der günstigste prozentuale Leistungssatz zugestanden worden. Bei Zugrundelegung eines gerundeten (§ 112 Abs. 10 AFG; vgl zur Methode der Rundung BSGE 72, 177, 185 = SozR 3-4100 § 112 Nr. 13, insoweit nicht abgedruckt) Bemessungsentgelts von 580,– DM ergibt dies nach der AFG-LeistungsVO 1992 nur den von der Beklagten bewilligten Betrag von 268,20 DM. Der Ansatz eines höheren Bemessungsentgelts ist nicht gerechtfertigt.
Bemessungsentgelt ist das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat (§ 112 Abs. 1 AFG), wobei bestimmte im Gesetz näher bezeichnete Zuschläge, Entgelte und Zuwendungen außer Betracht bleiben. Der Bemessungszeitraum umfaßt regelmäßig – von § 112 Abs. 2 Sätze 2 und 4 bis 6 AFG einmal abgesehen – die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in dem der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat (§ 112 Abs. 2 Satz 1 AFG). Enthalten die Lohnabrechnungszeiträume dieser drei Monate weniger als 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt, so verlängert sich der Bemessungszeitraum um weitere Lohnabrechnungszeiträume, bis 60 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erreicht sind (§ 112 Abs. 2 Satz 3 AFG).
Greifen keine Sonderregelungen ein (§ 112 Abs. 5, 6 und 9 AFG), ist für die Berechnung des in der Woche durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts das im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt mit der Zahl der Arbeitsstunden zu vervielfachen, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs. 3 Satz 1 AFG). Arbeitsentgelt, das nach Monaten bemessen ist, gilt als in der Zahl von Arbeitsstunden erzielt, die sich ergibt, wenn die Zahl der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden mit 13 vervielfacht und durch 3 geteilt wird (§ 112 Abs. 3 Satz 2 AFG).
Das Bemessungsentgelt wird mithin über drei Zwischenschritte errechnet:
- Ermittlung des Bemessungszeitraums,
- Ermittlung des Lohnfaktors und
- Ermittlung des Zeitfaktors.
Für die Ermittlung des Bemessungszeitraums sind die im Gesetz genannten, zeitlich, nicht kalendermäßig, zu bestimmenden (Gagel, AFG, Stand Mai 1993, § 112 RdNrn 44 ff) Monate der letzten die Beitragspflicht begründenden – nicht zwingend zusammenhängenden – Beschäftigungen maßgebend, allerdings beschränkt auf vor Entstehung des Anspruchs iS eines Stammrechts liegende Zeiten (vgl BSGE 72, 177, 179 f = SozR 3-4100 § 112 Nr. 13), in denen Abrechnungen für volle Lohnabrechnungszeiträume erfolgt sind (Gagel, a.a.O., § 112 RdNrn 51 ff) und Arbeitsentgelt erzielt worden ist (sog Zuflußtheorie: vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 10 mwN; BSG, Urteil vom 23. Juli 1992 – 7 RAr 2/92 –, NZA 1993, 621 ff; kritisch zur Zuflußtheorie etwa Valgolio, NZS 1993, 16 ff). Der so ermittelte Zeitraum ist ggf um (volle) Lohnabrechnungszeiträume zu verlängern, bis die gesetzlich vorgesehene Mindestanzahl von Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt erfaßt ist.
Das im Bemessungszeitraum erzielte wöchentliche Bemessungsentgelt ist dann das Ergebnis einer Multiplikation des „tatsächlichen” durchschnittlichen Stundenverdienstes im gesamten Bemessungszeitraum mit der „üblichen” Wochenstundenzahl. Insoweit spiegelt der Lohnfaktor den um nicht zu berücksichtigende Entgeltbestandteile bereinigten (zugeflossenen) durchschnittlichen Verdienst der tatsächlichen Arbeitsstunde bzw – wie hier – bei Monatslohn der vereinbarten Stundenzahl wider. Der Zeitfaktor entspricht der Zahl der durchschnittlichen tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden im ermittelten Bemessungszeitraum; ergänzend enthält § 112 Abs. 4 AFG Regelungen zur Bestimmung des Durchschnitts bei unterschiedlichen regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeiten (Nr. 1), für den Fall, daß eine tarifliche Arbeitszeit nicht bestand (Nr. 2), und für den Fall einer individuell vereinbarten kürzeren Arbeitszeit (Nr. 3). Modifikationen kann der Zeitfaktor schließlich bei Einschränkung von Arbeitsmöglichkeiten wegen tatsächlicher oder rechtlicher Bindungen erleiden (§ 112 Abs. 8 iVm Abs. 11 AFG).
Ausgehend von den unangegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ergibt sich unter Berücksichtigung der dargestellten Berechnungsmethode aus den letzten drei abgerechneten Monatsverdiensten für Mai, Juni und Juli 1992 bei einer (durchgehenden) tariflichen und vereinbarten Wochenstundenzahl von 40 ein gerundetes Bemessungsentgelt von 510,– DM, das nach §§ 112a, 249c Abs. 13 AFG aufgrund eines Dynamisierungsfaktors von 13,9881 (§ 1 der Zweiten AFG-Anpassungsverordnung vom 19. Dezember 1991 – BGBl I 2342) auf 580,– DM zu erhöhen war.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist das für das Alg maßgebliche Arbeitsentgelt nicht abweichend von der Regelbemessung nach § 112 Abs. 7 AFG zu ermitteln.
Nach dieser Vorschrift ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt. Voraussetzung ist aber, daß es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 1 bis 6 auszugehen (Alt 1), oder daß der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurückliegt (Alt 2). Keiner dieser Tatbestände ist vorliegend erfüllt. Weder liegt der zeitlich letzte Tag des Bemessungszeitraums (vgl zu dieser Voraussetzung BSGE 66, 11, 18 = SozR 4100 § 112 Nr. 52; BSGE 72, 177, 186 = SozR 3-4100 § 112 Nr. 13) länger als drei Jahre zurück, noch kann eine unbillige Härte bejaht werden.
Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung mehrfach betont hat, besteht der Grundgedanke des § 112 Abs. 7 Alt 1 AFG darin, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum, dessen Lohnbedingungen die Faktoren des Bemessungsentgelts iS der Regelbemessung nach § 112 Abs. 1 bis 6 AFG zu entnehmen sind, ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es den beitragspflichtigen Tätigkeiten entspricht, die der Arbeitslose überwiegend ausgeübt hat (BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn 2 und 17 mwN; BSG, Urteil vom 15. September 1994 – 11 RAr 13/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei ist allerdings nicht das Arbeitsentgelt im Bemessungszeitraum, sondern das Regelbemessungsentgelt dem Arbeitsentgelt der überwiegend ausgeübten Tätigkeit gegenüberzustellen (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 47 mwN; SozR 3-4100 § 112 Nr. 2).
Eine Tätigkeit ist iS des § 112 Abs. 7 AFG nicht erst dann überwiegend ausgeübt, wenn sie mehr als die Hälfte der drei Jahre umfaßt; es genügt vielmehr ein längerer Zeitraum als für die anderen in den drei Jahren verrichteten Tätigkeiten (BSGE 63, 153, 161 = SozR 4100 § 112 Nr. 39; BSG SozR 4100 § 112 Nr. 47). Diese Voraussetzung ist andererseits bei mehr als zwei beruflichen Tätigkeiten erst dann erfüllt, wenn die Dauer der besser bezahlten Tätigkeit die Dauer der anderen Tätigkeiten (absolut) übersteigt (angedeutet in BSG SozR 4100 § 112 Nrn 44 und 47). Eine andere Auslegung (Überwiegen im relativen Sinn gegenüber jeder einzelnen anderen Tätigkeit) ergäbe unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 112 Abs. 7 AFG keinen geeigneten Maßstab. Allerdings können mehrere Tätigkeiten iS einer einheitlichen Betrachtung zusammengerechnet werden (BSGE 45, 49, 54 f = SozR 4100 § 112 Nr. 6: Zusammenrechnung zweier früherer, besser dotierter Tätigkeiten gegenüber einer Tätigkeit im Bemessungszeitraum mit Minderverdienst; BSG SozR 4100 § 112 Nr. 44 mwN: Zusammenrechnung einer Zeit der Berufsausbildung und einer Zeit als Zivildienstleistender). Darüber hinaus sind durch die Rechtsprechung weitere Zeiten (Bezug von Mutterschaftsgeld, Zeiten der beruflichen Bildung) als Zeiten beruflicher Tätigkeit gewertet und diesen „Einbeziehungszeiten” losgelöst vom tatsächlichen Verdienst bestimmte „Verdienstwerte” zugeteilt worden. Über den Wortlaut des § 112 Abs. 7 AFG hinaus hat der Senat schließlich zur Bejahung einer unbilligen Härte nicht zwingend einen Tätigkeitswechsel für erforderlich gehalten, sondern im Einzelfall einen auf Krankheit oder schwankenden Einnahmen beruhenden Minderverdienst ausreichen lassen (BSG SozR Nr. 3 zu § 90 AVAVG; SozR 4100 § 112 Nr. 19).
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung läßt sich hier die Anwendung des § 112 Abs. 7 AFG unter keinem Aspekt rechtfertigen. Der Kläger hat im Dreijahreszeitraum vor der Arbeitslosmeldung (vom 14. März 1989 bis 13. März 1992) 24,5 Monate als Abteilungsleiter gearbeitet. Im Durchschnitt hat er indes in diesem gesamten Zeitraum (zu dieser Voraussetzung: BSGE 45, 49, 54 f = SozR 4100 § 112 Nr. 6) mit etwa 2.064,– DM brutto monatlich weniger verdient, als die Beklagte für die Bemessung des Alg aus der Tätigkeit als Marketingverantwortlicher zugrunde gelegt hat.
Der Durchschnittsverdienst erhöht sich auch nicht durch die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes für die vor dem 1. Juli 1990 liegende Zeit; insbesondere kann dafür kein Wert von 2.441,– DM brutto zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist das in Mark der DDR tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt im Rahmen der Vorschrift so zu behandeln, als ob es in DM erzielt worden wäre. Dies hat bereits der 11. Senat in seinem Urteil vom 15. September 1994 (11 RAr 13/94, zur Veröffentlichung vorgesehen) ausführlich dargelegt.
Für eine Umrechnung 1:1 spricht, daß sowohl bei Abschluß des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR (Staatsvertrag) vom 18. Mai 1990 (BGBl II 537), dem Erlaß des AFG-DDR vom 22. Juni 1990 (GBl I 403) und bei Abschluß des EinigVtr als auch bei Novellierungen des AFG Übergangsprobleme der vorliegenden Art bekannt waren, gleichwohl jedoch eine Regelung unterblieben ist. Eine planwidrige und ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke besteht somit nicht. Vielmehr wurden nach Art. 2 und 7 § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Anlage I zum Staatsvertrag Löhne und Gehälter in der DDR generell im Verhältnis 1:1 in DM umgestellt. Es ist deshalb systemkonform, Vorschriften, in denen diese Umstellung eine Rolle spielt, entsprechend auszulegen (Urteil des 11. Senats vom 15. September 1994). Der EinigVtr hat an dieser Rechtslage mangels anderer Regelung nichts geändert. Vor allem entsprach dies aber den Zielvorstellungen der Vertragspartner nach möglichst nahtlosem Übergang von Leistungen und Leistungsvoraussetzungen in das Rechtssystem des AFG (vgl das Urteil des 11. Senats). Bei der Bemessung dieser Leistungen kann mithin, soweit Entgelt in Mark der DDR zu berücksichtigen ist, ohne gesetzliche Regelung keine besondere Umrechnung stattfinden.
Die Anwendung des § 112 Abs. 7 AFG läßt sich selbst dann nicht begründen, wenn man die Gesamtzeit der Tätigkeit als Abteilungsleiter wegen der Zäsur am 1. Juli 1990 – entgegen den Andeutungen des 11. Senats in seinem Urteil vom 15. September 1994 – nicht einheitlich beurteilen wollte, sondern wegen der besonderen politischen Umbruchsituation und der damit verbundenen wesentlich unterschiedlichen Verdiensthöhe in zwei Zeiträume aufteilen wollte und rechtlich drei getrennte Tätigkeitsphasen annähme. Auch dann hätte der Kläger die Tätigkeit als Abteilungsleiter mit dem höheren Verdienst im Dreijahreszeitraum nur neun Monate, also nicht länger als alle sonstigen beruflichen Tätigkeiten verrichtet. Die Tätigkeit mit dem besseren Verdienst überwog also nicht im absoluten Sinne.
Ließe man ausnahmsweise für die Anwendung des § 112 Abs. 7 AFG ein relatives zeitliches Übergewicht zu jeder der übrigen Tätigkeiten genügen, ergäbe sich für den Kläger noch immer kein günstigeres Ergebnis. Vor dem 1. Juli 1990 lagen bereits 15,5 Monate, während auf die nur neunmonatige berufliche Tätigkeit als Abteilungsleiter mit dem höheren Verdienst wiederum eine berufliche Tätigkeit als Marketingverantwortlicher von 11,5 Monaten folgte. Daß der Kläger in dieser Zeit wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit ab August 1991 Krg bezogen und davor wohl Lohnfortzahlung erhalten hat, ändert hieran nichts. Die Zeit der Lohnfortzahlung ist nämlich als Zeit einer beitragspflichtigen Beschäftigung der davor liegenden beruflichen Tätigkeit zuzurechnen (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 47); dies gilt auch für die Zeit eines beitragspflichtigen (§ 186 AFG) Krg-Bezugs bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis (Gagel, a.a.O., § 112 RdNr. 340; Gemeinschaftskomm zum AFG, Stand Juni 1994, § 112 RdNr. 66; angedeutet in BSG SozR 4100 § 112 Nr. 35 mwN), weil sie einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt ist (§ 107 Nr. 5 Buchst a AFG) und anwartschaftsbegründend wirkt. Zudem baute das Krg des Klägers auf seinen Verdienst als Marketingverantwortlicher auf (§ 47 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung). Der Kläger hat nur in einem verhältnismäßig kurzen Zwischenzeitraum von neun Monaten mehr verdient als in dem folgenden, länger andauernden Zeitraum und in dem davor liegenden, ebenfalls länger andauernden Zeitraum. Es fehlt unter diesen Umständen an der für § 112 Abs. 7 Alt 1 AFG maßgeblichen Ausgangslage, daß vom aktuellen Verdienst wegen der Kürze des Bezugszeitraums keine indizielle Wirkung für den künftig erzielbaren Verdienst ausgeht und jener Verdienst deshalb als Grundlage des Lohnersatzes ausscheidet (vgl BSG SozR 3-4100 § 112 Nr. 17 mwN).
Dem Kläger steht auch kein höheres Uhg nach § 44 AFG (idF des Gesetzes zur Aufhebung des Gesetzes über die Errichtung und das Verfahren der Schiedsstellen für Arbeitsrecht und zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1991 – BGBl I 2321 – und des Gesetzes zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs ≪Schwangeren- und Familienhilfegesetz ≫ vom 27. Juli 1992 – BGBl I 1398) zu.
Die Beklagte hat mit 73 vH den höchsten Leistungssatz (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AFG), auf Grund der Steuerklasse 1 die Leistungsgruppe A (§ 44 Abs. 2c AFG iVm § 111 Abs. 2 Satz 2 AFG) und ein nach § 112 AFG berechnetes Bemessungsentgelt von 580,– DM angenommen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 AFG), das ab 1. August 1992 gemäß § 44 Abs. 7 AFG iVm § 112a AFG (idF des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung – Rentenreformgesetz 1992 – vom 18. Dezember 1989 – BGBl I 2261) und § 249c Abs. 13 AFG mit dem Faktor 13,9060 (§ 1 der Dritten AFG-AnpassungsVO vom 23. Juni 1992 – BGBl I 1169) auf 660,– DM dynamisiert wurde. Hieraus resultiert nach der AFG – LeistungsVO 1992 ab 28. April 1992 ein Uhg in Höhe von 287,40 DM wöchentlich und ab 1. August 1992 in Höhe von 318,60 DM wöchentlich. Der Dynamisierungsstichtag ergibt sich daraus, daß nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG die letzten drei abgerechneten Monate mit erzieltem Arbeitsentgelt und mindestens 60 Arbeitstagen die Monate Mai bis Juli 1991 waren. Ob diese tatsächlichen Feststellungen des LSG richtig sind, unterliegt wegen § 163 SGG nicht der Beurteilung des Senats.
Ein höheres Bemessungsentgelt läßt sich nicht über § 44 Abs. 3 AFG begründen. Den Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AFG ist genügt; das bewilligte Uhg richtet sich nach dem Arbeitsentgelt, das dem Alg zuletzt zugrunde lag. Mangels unbilliger Härte ist auch nicht gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AFG wie in einem Fall des § 112 Abs. 7 AFG vorzugehen. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AFG nur eine Rechtsfolgenverweisung auf § 112 Abs. 7 AFG enthält (BSG, Urteil vom 12. Mai 1982 – 7 RAr 17/81 –, DienstblRspr Nr. 2786a zu § 44 AFG) und die Auslegung der Vorschrift, für die die gesetzgeberischen Motive (vgl BT-Drucks 7/1237) keine näheren Hinweise bieten, jedenfalls nach ihrem Wortlaut nicht an die zeitliche Bestimmung („überwiegend”) des § 112 Abs. 7 Satz 1 Alt 1 AFG gebunden ist. Anders ausgedrückt: Eine unbillige Härte iS des § 44 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AFG ist nach dem Wortlaut der Vorschrift (schon) denkbar, wenn die Voraussetzungen einer Unbilligkeit nach § 112 Abs. 7 AFG (noch) nicht zu bejahen sind (Gagel, a.a.O., § 44 RdNr. 93; Gemeinschaftskomm zum AFG, a.a.O., § 44 RdNr. 58; wohl auch Hoppe/Berlinger, Förderung der beruflichen Bildung, Stand Mai 1994, § 44 Anm 9).
Ob dies in der Sache zutrifft, bedarf bei vorliegender Konstellation keiner Entscheidung. Jedenfalls läßt sich, ohne den Rechtsbegriff abschließend definieren zu müssen, die Aussage treffen, daß eine Unbilligkeit dann ausscheidet, wenn – wie hier – ein höherer Verdienst als der der Bemessung zugrunde gelegte innerhalb von drei Jahren nur in neun Monaten erzielt worden ist, vor diesen neun Monaten 15,5 Monate ein erheblich niedrigerer Verdienst und danach 11,5 Monate ein noch erheblich über jenem Verdienst liegender erzielt bzw Krg auf dieser Verdienstbasis bezogen worden ist. Der Lebensstandard des Klägers wurde also nur für einen verhältnismäßig kurzen Zwischenzeitraum durch höhere Bezüge beeinflußt. Weder kann dann die indizielle Wirkung widerlegt werden, daß der Verdienst als Marketingverantwortlicher auch der künftig erzielbare ist, noch lassen sich Gründe dafür anführen, daß entgegen dieser für die unmittelbare Anwendung des § 112 Abs. 7 AFG maßgeblichen Überlegung bei der Bemessung des Uhg aus anderen Gründen – etwa im Hinblick auf eine präventive und pädagogische Funktion des Uhg (vgl Gagel, a.a.O., § 44 RdNr. 75 f) – eine unbillige Härte anzunehmen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen