Leitsatz (amtlich)

Das einer Versicherten bei Gewährung von Wöchnerinnenheimpflege zu zahlende Hausgeld (RVO § 196 Abs 2, RVO § 196 Abs 1 Nr 1 und RVO § 186) gehört nicht zu dem nach AVAVG § 109 Abs 2 von der BfArb der Krankenkasse zu erstattenden Hausgeld.

 

Normenkette

ArVNG § 109 Abs. 2 Fassung: 1957-04-03; RVO § 196 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1926-07-19, Abs. 2 Fassung: 1926-07-19, § 186 Fassung: 1961-07-12

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16. April 1964 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Chemotechnikerin Agnes B hatte vom Arbeitsamt Hamburg vom 12. Januar bis 28. März 1961 Arbeitslosengeld bezogen. Vom 29. März 1961 an wurde diese Leistung eingestellt, weil die beklagte Ersatzkasse Wochengeld zahlte. In der Zeit vom 17. Mai bis zum 25. Mai 1961 erhielt die Versicherte Wöchnerinnenheimpflege nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Beklagte zahlte ihr in dieser Zeit ein Hausgeld von 2,13 DM täglich (§§ 196 Abs. 2, 186 RVO), insgesamt 19,17 DM. Diesen Betrag stellte die Beklagte laut ihrer Abrechnung vom August 1961 der klagenden Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (BfArb) in Rechnung und behielt ihn von den abzuführenden Beiträgen ein.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg. Durch Urteil vom 16. April 1964 wurde die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 19,17 DM verurteilt. Das SG war der Auffassung, das von der Beklagten anläßlich der Gewährung von Wöchnerinnenheimpflege gezahlte Hausgeld sei nicht nach § 109 Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) von der Klägerin an die Beklagte zu erstatten. Danach habe die BfArb der Krankenkasse nur die Aufwendungen an Kranken-, Haus- und Taschengeld zu erstatten. Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, insbesondere aus der Wortverbindung "Kranken-, Haus- und Taschengeld", sei zu entnehmen, daß es sich hier nur um im Rahmen der Krankenhilfe gewährte Barleistungen (§§ 182 bis 194 RVO) handeln könne. Anderenfalls hätte es heißen müssen, daß die BfArb der Krankenkasse "die Aufwendungen an Krankengeld und an Haus- und Taschengeld gemäß § 186 RVO und gemäß §§ 196 Abs. 2, 186 RVO" zu erstatten habe. Da aber § 109 Abs. 2 AVAVG eine Erstattung von Wochengeld nicht vorschreibe, sei auch für eine Erstattung des nach §§ 196 Abs. 2, 186 RVO an seiner Stelle gewährten Hausgeldes kein Raum.

Das SG hat in seinem Urteil die Berufung zugelassen. Die beklagte Ersatzkasse hat mit Einwilligung der Klägerin Sprungrevision eingelegt mit dem Antrage,

das Urteil des SG Nürnberg vom 16. April 1964 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Gesetz gehe erkennbar davon aus, daß in der Krankenversicherung der Arbeitslosen das Hausgeld ganz allgemein erstattet werden solle. An keiner Stelle sei die Absicht erkennbar, daß das anläßlich eines Wochenhilfefalles gezahlte Hausgeld nicht unter § 109 Abs. 2 AVAVG fallen solle. Eine Differenzierung des Hausgeldes nach Hausgeld der Krankenhilfe und Hausgeld der Wochenhilfe sei im Gesetz nicht vorgesehen. Das Hausgeld für die Zeit der Wöchnerinnenheimpflege sei zudem entgegen der Auffassung des SG schon deswegen keine Leistung der Wochenhilfe, weil es sich nach dem Krankengeld bemesse (§ 196 Abs. 2 RVO i. V. m. § 186 RVO). Außerdem hätten nur solche Versicherte im Falle des § 196 Abs. 1 Nr. 1 RVO einen Anspruch auf Hausgeld, denen auch Hausgeld nach § 186 RVO neben einer Krankenhauspflege gewährt werden müßte.

Die BfArb beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Das Wochengeld zähle nicht zu den erstattungspflichtigen Leistungen im Sinne des § 109 Abs. 2 AVAVG. Daraus habe das SG zutreffend gefolgert, daß Leistungen, die anstelle des Wochengeldes gewährt werden, ebenfalls nicht erstattungsfähig sein könnten.

II

Die form- und fristgerecht eingelegte und nach den §§ 161, 149, 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist nicht begründet.

Nach § 109 Abs. 2 AVAVG erstattet die Bundesanstalt in der Krankenversicherung der Arbeitslosen der Krankenkasse die Aufwendungen an Kranken-, Haus- und Taschengeld.

Hiernach ist - nachdem das Taschengeld nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 26. Juni 1957 (BGBl I 649) weggefallen ist - die Erstattung der Aufwendungen der Krankenkasse durch die BfArb auf das Kranken- und das Hausgeld beschränkt. Die Fassung des § 109 Abs. 2 AVAVG ist eindeutig enumerativ. Somit werden andere Leistungen der Krankenkassen aus der Krankenversicherung der Arbeitslosen nicht erstattet, insbesondere also nicht das Wochengeld bei der Wochenhilfe. Gehört aber das Wochengeld nicht zu den erstattungspflichtigen Barleistungen im Sinne des § 109 Abs. 2 AVAVG, so können dazu auch nicht diejenigen Leistungen zählen, die anstelle des Wochengeldes gewährt werden, insbesondere also nicht das einen Teil dieser Ersatzleistung darstellende Wöchnerinnenhausgeld nach § 196 Abs. 2 RVO. Dieser bereits früher vom Präsidenten der BfArb vertretenen Auffassung (vgl. den Erlaß vom 2. Oktober 1959, abgedruckt bei Fangmeyer/ Ueberall , Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, § 109 S. 681) hat sich der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) angeschlossen (s. den Erlaß vom 27. Juli 1959, BABl 1959, 558; BKK 1959, Sp 669). Sie wird auch im Schrifttum gebilligt, vgl. Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, § 109 Note 117 und Krebs, AVAVG, § 109 Note 20.

Die von der beklagten Ersatzkasse vertretene, rein am Wortlaut der Vorschrift des § 109 Abs. 2 AVAVG haftende Auslegung wird dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht gerecht. Eine Unterscheidung des Hausgeldes nach (erstattungspflichtigem) Hausgeld der Krankenhilfe und (nicht erstattungspflichtigem) Hausgeld der Wochenhilfe ist deshalb gerechtfertigt, weil Leistungen der Wochenhilfe, anders als die der Krankenhilfe, grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß das Hausgeld sich nach dem Krankengeld bemißt. Dadurch wird jenes nicht zu einer Leistung der Krankenhilfe, vielmehr bleibt es eine Leistung der Wochenhilfe. Das Urteil des SG ist deshalb nicht zu beanstanden.

Damit mußte die Sprungrevision als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380056

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