Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Heilbehandlung nach dem Versorgungsrecht. Lieferung von Hilfsmitteln iS der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Versorgungsverwaltung. Telefonlichtglocke
Leitsatz (amtlich)
1. Der Umfang der Heilbehandlung nach dem Versorgungsrecht ist auch hinsichtlich der Versorgung mit Hilfsmitteln nicht geringer als derjenige der Krankenbehandlung nach den für die gesetzlichen Krankenkassen geltenden Vorschriften; abweichende Bestimmungen der OrthV sind durch die Ermächtigungsnorm des § 24a Buchst a BVG nicht gedeckt.
2. Die Versorgungsverwaltung hat Gegenstände, die Hilfsmittel iS der gesetzlichen Krankenversicherung sind, auch dann als Hilfsmittel iS des Versorgungsrechts zu liefern, wenn die OrthV für sie (nur) Ersatzleistungen vorsieht.
3. Eine Telefonlichtglocke kann für einen Gehörlosen ein Hilfsmittel iS des BVG und der OrthV sein.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
BVG § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8, §§ 13, 24a Buchst. a; OrthV § 16 S. 1 Nr. 5, §§ 20, 37; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2; OrthV § 18 Abs. 1 S. 1, § 16 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Februar 1995 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene haben der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die Instandsetzung einer Telefonlichtglocke zu übernehmen.
Der am 24. Oktober 1994 verstorbene Ehemann der Klägerin C war Schwerbeschädigter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 vH. Als Schädigungsfolge waren unter anderem anerkannt: Verlust des rechten Auges und praktische Taubheit beiderseits. Im Juni 1985 ließ C für 259,50 DM in seiner Wohnung eine Telefonlichtglocke anbringen. Der Beklagte übernahm als „ergänzende Leistung” 80 vH dieser Kosten. Außerdem übernahm er die vollen Kosten für eine im Juni 1987 erforderlich gewordene Reparatur. Im Mai 1992 beantragte der Kläger die Übernahme der Kosten für eine weitere Reparatur in Höhe von 78,00 DM. Mit Bescheid vom 25. Mai 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 1992 lehnte der Beklagte diesen Antrag ab.
Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten mit Urteil vom 15. April 1994 zur Übernahme der Reparaturkosten verurteilt. Die zugelassene Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen vom 24. Februar 1995). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ausgeführt: die Telefonlichtglocke stelle – einerlei, ob für sie auch eine Ersatzleistung nach Abschnitt 2 der Orthopädieverordnung (OrthV) vorgesehen sei – jedenfalls ein Hilfsmittel iS des § 18 Abs 1 OrthV dar. Für Hilfsmittel seien nach § 20 Abs 1 OrthV Instandsetzungskosten vom Beklagten zu übernehmen. Ob auch die Reparaturkosten von Gegenständen zu übernehmen seien, für die lediglich Anspruch auf Ersatzleistungen iS der §§ 22 ff OrthV bestehe, könne offenbleiben.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Das LSG habe § 11 Abs 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) iVm den §§ 22 bis 39 der OrthV verletzt. Die Telefonlichtglocke gehöre zu den Kommunikationsgeräten des häuslichen Bereichs iS des § 37 Abs 1 OrthV. Zu ihrer Beschaffung könne die Versorgungsverwaltung lediglich einen Zuschuß in Höhe von 80 vH gewähren. Da auf die Lieferung einer Telefonlichtglocke als Hilfsmittel kein Anspruch bestehe, seien nach § 20 Abs 1 OrthV auch die für ein solches Gerät anfallenden Reparaturkosten nicht erstattungsfähig.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 15. April 1994 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Februar 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Februar 1995 zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Zutreffend hat das LSG entschieden, daß die Klägerin als Rechtsnachfolgerin (Alleinerbin) des C Erstattung der von diesem aufgewendeten Reparaturkosten für die Telefonlichtglocke verlangen kann.
Wegen der anerkannten Schädigungsfolge „praktische Taubheit beiderseits” hatte C zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten (1992) Anspruch auf Heilbehandlung (§ 10 Abs 1 BVG). Diese umfaßte gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 8 BVG die Versorgung mit Hilfsmitteln. Dazu gehörten gemäß § 13 Abs 1 und 4 BVG und § 20 Abs 1 der OrthV vom 4. Oktober 1989 (BGBl I S 1834) auch die Instandhaltung und der Ersatz von Hilfsmitteln.
Für den Anspruch auf Instandhaltung kommt es nicht darauf an, daß das Hilfsmittel als solches vom Versorgungsträger geliefert war. Es genügt, daß der Berechtigte – wie hier – zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag auf Erstattung der Reparaturkosten gegen den Träger der orthopädischen Versorgung einen Anspruch auf Lieferung des Hilfsmittels gehabt haben würde, wenn er das entsprechende – freilich reparaturbedürftige – Gerät nicht bereits innegehabt hätte (§ 20 Abs 1 OrthV). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Wie das LSG zutreffend erkannt hat, stellt die Telefonlichtglocke ein „sonstiges Hilfsgerät für Behinderte” (§ 16 Satz 1 Nr 5 und § 18 Abs 1 Satz 1 OrthV) und damit ein „anderes Hilfsmittel” iS der §§ 1 Abs 1 Satz 1 und 16 Satz 1 OrthV dar. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 18 Abs 1 Satz 1 OrthV für die Lieferung eines solchen Hilfsmittels sind erfüllt, so daß hier nicht geprüft zu werden braucht, ob in § 18 Abs 1 Satz 1 OrthV strengere Anspruchsvoraussetzungen aufgestellt werden durften, als sie für die Versorgung der Mitglieder von Krankenkassen mit Hilfsmitteln maßgebend sind (vgl § 11 Abs 1 Satz 2 BVG). Denn C war für nichtberufliche Verrichtungen des täglichen Lebens (Telefonieren) dringend auf die Telefonlichtglocke angewiesen, um die Folgen der Behinderung (hier der anerkannten Schädigungsfolge „praktische Taubheit beiderseits”) auszugleichen. Ohne die Telefonlichtglocke hätte C bei ihm eingehende Telefonanrufe – für den Fall der Abwesenheit sonstiger Hausgenossen – nicht wahrnehmen können.
Dem Anspruch des C auf Ausstattung mit der Telefonlichtglocke steht es nicht entgegen, daß dieses Hilfsmittel möglicherweise (auch) ein Gerät der häuslichen Kommunikation darstellt, für dessen Beschaffung die Versorgungsverwaltung nach § 37 Abs 1 OrthV einen Zuschuß zahlen kann. Denn weder schließt die Einbeziehung bestimmter Hilfsmittel in die bezuschussungsfähigen Gegenstände iS des 2. Abschnitts der OrthV (§§ 22 bis 38 OrthV) deren Eigenschaft als „Hilfsmittel” iS des BVG und der §§ 1 bis 21 OrthV aus, noch steht die Einräumung von Ansprüchen auf Zuschüsse oder Kostenübernahme nach §§ 22 bis 38 OrthV weitergehenden Ansprüchen aufgrund der Hilfsmitteleigenschaft der bezuschußten oder kostenmäßig übernommenen Gegenstände entgegen.
Das hat der Verordnungsgeber durch die mit Änderungsverordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl I S 3009) geschaffene Vorschrift des § 16 Satz 2 OrthV anscheinend in einem anderen Sinn klarstellen wollen. Da es sich um eine nachträgliche, aber authentische Interpretation der OrthV durch den Verordnungsgeber handelt, ist § 16 Satz 2 OrthV nF von Bedeutung auch schon für die Zeit vor Inkrafttreten dieser Bestimmung am 1. Januar 1995, also auch für den vorliegenden Fall. Nach der genannten Vorschrift werden als andere Hilfsmittel „auch” Hilfsmittel geliefert, deren Lieferung nicht durch andere Vorschriften der OrthV geregelt ist oder für die nicht Ersatzleistungen zustehen, zu deren Lieferung jedoch die Krankenkasse ihren Mitgliedern verpflichtet ist (§ 11 Abs 1 Satz 2 BVG). Diese Regelung legt die Auslegung nahe, daß die Lieferung von Hilfsmitteln dann ausgeschlossen sein soll, wenn für sie in den §§ 22 bis 38 der OrthV „Ersatzleistungen” iS des § 11 Abs 3 BVG vorgesehen sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Krankenkasse ihren Mitgliedern gegenüber zur Lieferung des Hilfsmittels verpflichtet wäre. Diese Rechtsfolge ergibt sich zwar aus § 16 Satz 2 OrthV nicht unmittelbar, weil diese Vorschrift nicht bestimmt, was der Träger der orthopädischen Versorgung nicht zu leisten, sondern was er zu leisten hat. Da der Verordnungsgeber aber in der Vorschrift Leistungen in Anlehnung an krankenversicherungsrechtliche Vorschriften nur für den Fall vorgesehen hat, daß die OrthV insoweit keine Sonderregelungen enthält, bietet sich die Auslegung an, daß er im anderen Fall, insbesondere wenn Ersatzleistungen vorgesehen sind, die Versorgung mit entsprechenden Hilfsmitteln schlechthin ausschließen wollte, auch wenn der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sie seinen Mitgliedern leisten müßte. Mit dieser Auslegung des § 16 Satz 2 oder der Ableitung eines entsprechenden Regelungsinhalts aus der Systematik der OrthV vor Einführung dieser Bestimmung würde die OrthV aber von ihrer Ermächtigungsgrundlage (§ 24a Buchst a BVG) nicht gedeckt. Der Verordnungsgeber war nämlich aufgrund der maßgeblichen Ermächtigungsvorschrift (§ 24a Buchst a BVG) nicht befugt, eine hinter dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung zurückbleibende Versorgung mit Hilfsmitteln vorzusehen.
Der Senat legt § 24a Buchst a BVG dahingehend aus, daß diese Bestimmung den Verordnungsgeber lediglich zu einer Ausweitung des bereits durch die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung über die Lieferung von Hilfsmitteln vorgegebenen Leistungsrahmens ermächtigt. Dabei stützt sich der Senat auf folgende Überlegungen: Beschädigte sollen nach der das BVG erkennbar beherrschenden Grundvorstellung des Gesetzgebers im Rahmen der Heilbehandlung wegen Schädigungsfolgen mehr, zumindest aber nicht weniger Leistungen erhalten, als die Krankenkasse ihren Mitgliedern im Rahmen der Krankenbehandlung (vgl § 11 Abs 1 Nr 4, §§ 27 ff Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – ≪SGB V≫) schuldet. Das gilt auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 11 Abs 1 Satz 1 Nr 8, § 13 BVG). Der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung als Untergrenze für den Leistungsumfang der orthopädischen Versorgung nach dem BVG ergibt sich schon aus § 11 Abs 3 BVG, wonach den Heilbehandlungsberechtigten nicht nur die Versorgung mit Hilfsmitteln (§ 11 Abs 1 Satz 1 Nr 8 BVG), sondern „als Ergänzung” dazu noch Anspruch auf Ersatzleistungen zustehen soll. Das ergibt sich ferner aus § 11 Abs 1 Satz 2 BVG, wonach die Vorschriften für die Leistungen, zu denen die Krankenkasse (§ 18c Abs 2 Satz 1 BVG) ihren Mitgliedern verpflichtet ist, für die Leistungen nach § 11 Abs 1 Satz 1 BVG (also auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln) entsprechend gelten, soweit das BVG nichts anderes bestimmt. Das muß um so mehr gelten, als § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 8 und § 11 Abs 1 Satz 2 – und § 24a – BVG durch Art 37 Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) in der Absicht neu gefaßt wurden, den Versorgungsberechtigten (und ihren Angehörigen) Leistungsverbesserungen (gemeint: der gesetzlichen Krankenversicherung) auch dann zugute kommen zu lassen, wenn sie nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehören, gleichzeitig aber den Leistungsumfang der Heil- und Krankenbehandlung der Versorgungsberechtigten aufrechtzuerhalten (BR-Drucks 200/88 S 261 ff). § 11 Abs 1 Satz 2 BVG gilt nicht etwa nur insoweit, wie die Durchführung der Heilbehandlung den Krankenkassen übertragen ist (§ 18c Abs 1 Satz 3 BVG), sondern auch in dem Fall, daß der Versorgungsträger die Leistungen – wie hier – selbst zu erbringen hat (vgl für die orthopädische Versorgung § 18c Abs 1 Satz 1 und 2 BVG; Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl 1992, § 11 BVG RdNr 3; Schulin in Sozialrechtshandbuch, 2. Aufl 1996, B 25 RdNrn 83 und 84; Urteil des Senats SozR 3100 § 11 Nr 13 S 10). Zwar enthält § 11 Abs 1 Satz 2 BVG den Vorbehalt: „soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt”. Dieser Gesetzesvorbehalt wird aber im BVG selbst nirgends in der Weise ausgefüllt, daß eine Einschränkung der orthopädischen Versorgung mit Hilfsmitteln gegenüber dem entsprechenden Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erkennbar würde. § 13 BVG enthält zwar in Abs 2 Satz 2 und Abs 3 gewisse allgemeine Einschränkungen, die sich aber weitgehend mit denen der gesetzlichen Krankenversicherung decken (vgl § 33 Abs 5 SGB V). Die im BVG gemachten Einschränkungen weisen somit nicht darauf hin, daß der Gesetzgeber die Absicht verfolgte, bei der Versorgung mit Hilfsmitteln den entsprechenden Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterschreiten. Daher ist auch die Ermächtigungsvorschrift des § 24a Buchst a BVG in diesem Sinn auszulegen, zumal sie den Verordnungsgeber zwar ermächtigt, „Art, Umfang und besondere Voraussetzungen der Versorgung mit Hilfsmitteln einschließlich Zubehör” näher zu bestimmen, aber – anders als etwa § 34 SGB V – keinerlei Hinweis darauf enthält, daß sie die Schaffung von Vorschriften bezweckt, welche den bereits in den vorausgegangenen Vorschriften eingeräumten Leistungsrahmen (vgl § 11 Abs 1 Satz 2 und § 13 BVG) wieder einschränken sollen. Die Ermächtigungsvorschrift findet sich im Gegenteil im Regelungszusammenhang mit einer Ermächtigung, die offensichtlich auf eine Ausweitung der Versorgungsleistungen gegenüber den Ansprüchen aus der gesetzlichen Krankenversicherung abzielt, weil sie dem Verordnungsgeber den Erlaß von Vorschriften über „ergänzende” Leistungen (Ersatzleistungen) neben der ohnehin schon eingeräumten Versorgung mit Hilfsmitteln gestattet.
Die Ermächtigung des Verordnungsgebers in § 24a Buchst a BVG enthält auch deswegen keine Befugnis des Verordnungsgebers (mehr), den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Versorgung mit Hilfsmitteln zu unterschreiten, weil der Gesetzgeber die auf das Dritte Neuordnungsgesetz (3. NOG) vom 28. Dezember 1966 (BGBl I S 750) zurückgehende Ermächtigung des § 24a Buchst b BVG aF in Art 37 GRG seit 1. Januar 1989 nicht beibehalten hat. In der weggefallenen Vorschrift wurde der Verordnungsgeber über den in § 24a Buchst a BVG gezogenen Rahmen hinaus ermächtigt, „näher zu bestimmen, was als Hilfsmittel … iS des § 13 Abs 1 (BVG) gilt”. Aufgrund dieser Ermächtigung hatte der Verordnungsgeber der alten OrthV vom 18. Dezember 1967 (BGBl I S 1285) das Enumerationsprinzip zugrunde gelegt (vgl Vorberg/van Nuis, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen 4. Aufl 1984 § 13 Anm 10 auf S 78). Spätestens seit der Streichung des § 24a Buchst b BVG fehlt aber für eine Regelung nach dem Enumerationsprinzip die Ermächtigungsnorm. Denn angesichts der im Hinblick auf die Generalklausel des § 11 Abs 1 Satz 2 BVG erfolgten Verkürzung des § 24a BVG um den Buchst b war auch der verbliebene Buchst a „enumerationsfeindlich” zu interpretieren: Mit der Abkehr vom Enumerationsprinzip bei gleichzeitiger Neufassung des § 11 Abs 1 Satz 2 BVG vertrug es sich nicht, die auf Buchst a zurückgeführte Ermächtigung in § 24a BVG noch dahin zu verstehen, daß der Verordnungsgeber befugt bleiben sollte, weiterhin durch beliebige Einschränkungen der Generalverweisung (§ 11 Abs 1 Satz 2 BVG) eine faktische „Enumeration durch Subtraktion” herbeizuführen.
Für die hier § 24a Buchst a BVG gegebene Auslegung spricht auch, jedenfalls soweit (wie hier) die Versorgung von Beschädigten wegen Schädigungsfolgen in Rede steht, folgende weitere Überlegung: Grundsätzlich hat jeder Beschädigte – auch der gesetzlich krankenversicherte (vgl § 10 Abs 7 BVG, wo auch für Buchst d auf § 10 Abs 1 BVG nicht verwiesen wird) – wegen seiner Schädigungsfolgen einen umfassenden Anspruch auf Heilbehandlung (§ 1 Abs 1, § 10 Abs 1 BVG), der letztlich auf Kosten des Bundes als des endgültigen Trägers der Versorgungslast (vgl dazu Art 120 Abs 1 Grundgesetz; BVerfGE 9, 305, 323 ff; § 1 Abs 1 Nr 8 und § 21 Abs 1 Satz 1 des 1. Überleitungsgesetzes idF vom 28. April 1955 ≪BGBl I S 193≫) zu erfüllen ist. Diesem Grundgedanken entspricht es, daß das BVG vorsieht, daß die in diesem Gesetz vorgesehenen Heilmaßnahmen auf Kosten des Trägers der Versorgungslast durchgeführt werden. Bei denjenigen Leistungen, welche die Versorgungsbehörden selbst erbringen (§ 18c Abs 1 Sätze 1 und 2 BVG), ergibt sich das schon aus der Natur der Sache. Bei den Leistungen, die kraft gesetzlichen Auftrages (§ 18c Abs 1 Satz 3 BVG) von den Krankenkassen zu erbringen sind, ist – jedenfalls grundsätzlich – ein Anspruch auf Kostenerstattung (vgl §§ 19, 20 BVG) gegeben. Dagegen hätten die Krankenkassen keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten, die durch eine – nach ihrem Leistungsrecht zu erbringende – Behandlung von schädigungsbedingten Leiden verursacht werden, wenn diese nach dem BVG nicht zu leisten ist. Dem Grundsatz der umfassenden Heilbehandlung auf Kosten des Trägers der Versorgungslast widerspräche es aber, wenn die Krankenkasse für bei ihr versicherte Heilbehandlungsberechtigte in diesen Fällen die Behandlungskosten endgültig tragen müßte.
Im übrigen hat der Senat bereits in einer früheren Entscheidung zur OrthV ausgesprochen, daß Hilfsmittel in der Krankenversicherung nach einem engeren Maßstab als in der Kriegsopferversorgung zu gewähren sind (vgl SozR 3614 § 4 Nr 3 auf S 7 oben; ähnlich BSG SozR 3614 § 1 Nr 4 ≪insoweit nicht abgedruckt≫ = Breithaupt 1982, 792, 793). Damit wird nicht das vom Senat aaO ebenfalls erwähnte Prinzip der „begrenzten sozialen Entschädigung” aufgegeben. Die Grenzen der sozialen Entschädigung dürfen aber bei der Heilbehandlung von Kriegsbeschädigten, wie dargelegt, die Leistungsgrenzen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht unterschreiten. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 5. März 1981 (Az 9 RV 47/80 = VersorgBl 1981, 119; USK 81216) beiläufig geäußert hat, der Verordnungsgeber dürfe den Personenkreis der Leistungsberechtigten gegenüber den vom Gesetz (BVG) gezogenen Grenzen einengen, so ist daran jedenfalls insoweit nicht festzuhalten, als sich daraus eine Verschlechterung der Leistungen von Hilfsmitteln an Beschädigte gegenüber der von den Krankenkassen ihren Mitgliedern zu leistenden Hilfsmittelversorgung ergeben würde.
Wegen der iS der vorgenannten Ausführungen eingeschränkten Ermächtigungsgrundlage in § 24a Buchst a BVG durfte der Gesetzgeber in die OrthV keine Regelung aufnehmen, welche für die Versorgung mit Hilfsmitteln geringere Ansprüche der Heilbehandlungsberechtigten vorsah, als sie den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen gegen ihren Leistungsträger zustehen. Der Verordnungsgeber der OrthV durfte den Anspruch auf ein Hilfsmittel also auch nicht davon abhängig machen, daß für den in Betracht kommenden Gegenstand keine Ersatzleistungen gewährt werden (vgl dazu § 16 Satz 2 OrthV). Er durfte in dieser Bestimmung die Versorgung mit Hilfsmitteln lediglich für solche Gegenstände teilweise ausschließen, die der Versorgungsträger nach dem 1. Abschnitt der OrthV über den Leistungsrahmen der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus zu leisten hatte, zB bestimmte Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens (vgl § 18 Abs 1 Sätze 2 und 3 OrthV), die grundsätzlich nicht in die Leistungspflicht der Krankenkasse fallen (vgl § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Daher ist die Vorschrift des § 16 Satz 2 OrthV dahingehend auszulegen, daß sie die Lieferung von Hilfsmitteln nur insoweit ausschließt, als der Verordnungsgeber in der OrthV Leistungen in bezug auf Gegenstände vorsieht, die vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht geleistet werden müßten.
Daß das Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung unterschritten würde, wenn Leistungen für bestimmte Hilfsmittel bereits deshalb entfallen, weil die OrthV in ihrem 2. Abschnitt Ersatzleistungen vorsieht, ergibt sich aus § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm §§ 33 ff SGB V. Danach umfaßt in der gesetzlichen Krankenversicherung der Anspruch auf Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Hilfsmitteln und diese – von Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens oder den in § 34 Abs 4 SGB V genannten Gegenständen abgesehen – die Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. In diesem Umfang hat der Berechtigte einen (Sach-)Leistungsanspruch als „Rechtsanspruch” iS des § 38 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) gegen die Krankenkasse. Wegen „Ersatzleistungen” iS des § 11 Abs 3 BVG und der §§ 22 ff OrthV besteht dagegen grundsätzlich nur ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung von Ermessen iS des § 39 Abs 1 SGB I, weil es sich bei ihnen um Kannleistungen handelt (vgl § 11 Abs 3 BVG und §§ 22 ff OrthV; Fehl in Wilke, aaO, § 11 RdNr 51 BVG). Außerdem sehen die Vorschriften der §§ 22 ff OrthV vielfach – und auch im vorliegenden Fall (§ 37 OrthV) – nur Zuschüsse in bestimmter Höhe zu den dem Leistungsberechtigten entstandenen Kosten vor, was ebenfalls hinter dem Anspruchsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung zurückbleibt. Schließlich würde dem Heilbehandlungsberechtigten, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, anders als den Krankenversicherten (§ 33 Abs 1 Satz 2 SGB V), im Regelfall der Anspruch auf Reparaturkosten für ein Hilfsmittel vorenthalten, für das die OrthV nur Ansprüche auf Ersatzleistungen iS des § 11 Abs 3 BVG einräumt.
Ohne die vom Senat für notwendig erachtete Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 16 Satz 2 OrthV würde sich zudem die Frage stellen, ob und wann ggf Krankenbehandlungsberechtigten iS des § 10 Abs 4 und 5 BVG ein Leistungsanspruch auf solche Hilfsmittel zustehen soll, für die in den §§ 22 ff OrthV Ersatzleistungen vorgesehen sind (vgl dazu § 12 Abs 1 Satz 1 BVG, der auch auf § 11 Abs 1 Satz 2 BVG verweist). Dieser Personenkreis hat nämlich keinen Anspruch auf „Ersatzleistungen” iS des § 11 Abs 3 BVG, weil diese den Beschädigten vorbehalten sind. Schlösse bereits der Umstand, daß in §§ 22 ff OrthV Ersatzleistungen für bestimmte Gegenstände vorgesehen sind, den Anspruch der Krankenbehandlungsberechtigten auf Hilfsmittel nach dem BVG und der OrthV aus (wie das nach Auffassung des Beklagten bei den Heilbehandlungsberechtigten der Fall ist), so hätten die Krankenbehandlungsberechtigten in diesen Fällen Anspruch weder auf Lieferung des Hilfsmittels noch auf Ersatzleistungen. Betrachtet man die Aufnahme bestimmter Hilfsmittel in den Leistungskatalog der §§ 22 ff OrthV als für den Personenkreis der Krankenbehandlungsberechtigten unbeachtlich, weil diesen (nach § 11 Abs 3 BVG) ohnehin kein Anspruch auf Ersatzleistungen zusteht, so werden sie auch von dem in § 16 Satz 2 OrthV vorgesehenen Leistungsausschluß nicht betroffen und müßten insoweit mit Hilfsmitteln versorgt werden. In diesem Fall würden sie bessergestellt als die Heilbehandlungsberechtigten iS des § 10 Abs 1 BVG, die nur Anspruch auf Ersatzleistungen hätten. Beide Ergebnisse wären ungereimt.
Nach allem konnten Vorschriften der OrthV, insbesondere § 16 Satz 2 OrthV, der Ausstattung des C mit einer Telefonlichtglocke, und damit seinem Anspruch auf Übernahme der Reparaturkosten nur dann entgegenstehen, wenn schon die Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung die Lieferung der Telefonlichtglocke als Hilfsmittel ausgeschlossen hätten. Das ist aber nicht der Fall. Die Telefonlichtglocke wäre vielmehr zum entscheidenden Zeitpunkt nach §§ 33 ff SGB V einem gesetzlich Krankenversicherten von seiner Krankenkasse als Hilfsmittel zu leisten gewesen. Denn sie war geeignet, Taubheit oder hochgradige Schwerhörigkeit auszugleichen, indem sie die ausgefallene Körperfunktion des Aufnehmens akustischer Informationen ersetzte. Ihrer Eignung für den Ausgleich der Behinderung stand nicht entgegen, daß anstelle des akustischen Signals ein optisches trat und die Information den Behinderten statt über das geschädigte Ohr über die Augen erreichte (vgl BSG SozR 2200 § 182b Nr 26 ≪Schreibtelefon≫ und Nr 33 ≪Klingelleuchte≫). Dem Anspruch eines Kassenmitglieds in C's Lage gegen seine Krankenkasse hätte es auch nicht entgegengestanden, daß die Telefonlichtglocke im Haus fest installiert war (vgl Höfler KasselerKomm RdNr 28 zu § 33 SGB V; BSG SozR 2200 § 182b Nr 23). Denn sie stellte – wie eine Klingelleuchte – schon deswegen gleichwohl ein Hilfsmittel dar, weil sie ausgebaut werden und in einer anderen Wohnung Verwendung finden konnte (vgl BSG SozR 2200 § 182b Nr 33).
Der ursprünglich C zustehende Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten, bei dem es sich um keinen Anspruch auf laufende Leistungen iS des § 56 SGB I handelt, ist gemäß § 59 Satz 2 SGB I iVm § 1922 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch auf die Klägerin als Alleinerbin übergegangen, so daß nunmehr ihr Erstattung zu leisten ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE 80, 164 |
BSGE, 164 |
SozR 3-3100 § 13, Nr.3 |
SozSi 1998, 279 |