Entscheidungsstichwort (Thema)
ärztliche Auskunft gegenüber Versorgungsverwaltung. Vergütung für „Negativauskunft” als (sachverständiger) Zeuge
Leitsatz (amtlich)
1. Teilt ein niedergelassener Arzt auf die Anforderung eines Befundsberichts mit, der Patient sei unbekannt, steht ihm die nach dem ZuSEG für Zeugen bei fehlendem Verdienstausfall vorgesehene Mindestentschädigung zu.
2. Hat der Arzt sein Personal eingesetzt, um diese Auskunft erteilen zu können, hat er außerdem Anspruch auf pauschalierten Aufwendungsersatz.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
SGB X § 21 Abs. 3 S. 4; SchwbG § 4 Abs. 1 S. 2; ZuSEG § 2 Abs. 1 F: 1990-12-17, § 5 Abs. 1 F: 1986-12-09, § 8 Abs. 1 S. 2 Buchst. a.F.: 1990-12-17, § 11 Fassung: 1969-10-01, § 17a Fassung: 1992-07-15; GG Art. 12 Abs. 1; ZuSEG § 2 Abs. 3 S. 1; KOVVfG § 12 Abs. 1, § 31 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Februar 1996 geändert. Die erstinstanzliche Entscheidung wird wiederhergestellt, soweit das Sozialgericht den Beklagten verurteilt hat, 6 DM an den Kläger zu zahlen. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, wie die vom Kläger dem Beklagten schriftlich erteilte Auskunft, ein Patient P. H. (P.H.) sei ihm unbekannt, zu entschädigen ist.
Das Versorgungsamt Soest (VA) forderte von dem als Augenarzt praktizierenden Kläger in der Schwerbehindertenangelegenheit des P.H. im Mai 1993 mit einem Formblatt einen Befundbericht an. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1993 teilte der Kläger dem VA mit, der Patient sei in seiner Praxis unbekannt. Für diese Auskunft stellte er dem VA 10 DM, Schreibauslagen von 4 DM und Portokosten von 1 DM in Rechnung. Mit Bescheid vom 9. Dezember 1993 setzte das VA die zu erstattenden Kosten lediglich auf 2 DM (Portokosten) fest. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. April 1994).
Auf die Klage, mit der der Kläger insbesondere geltend gemacht hat, auch eine Negativauskunft führe zu einem nicht unbedeutenden Zeit- und Arbeitsaufwand, verurteilte das Sozialgericht Dortmund (SG) den Beklagten, dem Kläger für die erteilte Auskunft eine Entschädigung von 10 DM zuzüglich Schreibauslagen in Höhe von 4 DM zu gewähren (Urteil vom 29. März 1995).
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen, soweit das SG dem Kläger eine über 3 DM hinausreichende Entschädigung und Ersatz von Schreibauslagen zuerkannt hatte. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 14. Februar 1996). In den Entscheidungsgründen wird im wesentlichen ausgeführt: Maßgeblich für die Entschädigung sachverständiger Zeugen, denen der Auftrag zur Abgabe eines Befundberichts oder einer schriftlichen ärztlichen Auskunft vor dem 1. Juli 1994 erteilt worden sei, sei § 5 Abs 1 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) iVm Nr 3 oder 4 der Anlage zu dieser Bestimmung in der bis zum 30. Juni 1994 gültigen Fassung. Da der Kläger hier nicht als sachverständiger Zeuge iS dieser Bestimmung tätig geworden sei, habe er keine Verrichtung erbracht, die von Nr 3 der Anlage zu § 5 Abs 1 ZuSEG erfaßt werde. Für seine Mitteilung, P.H. sei ihm unbekannt, habe es keiner berufsspezifischen Kenntnisse bedurft. Der Kläger sei in Anwendung des § 2 Abs 1 und Abs 3 Satz 1 ZuSEG iVm § 21 Abs 3 Satz 4 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) wie ein (einfacher) Zeuge zu entschädigen, der eine schriftliche Auskunft erteile. Weil mit der Auskunftserteilung kein Verdienstausfall verbunden gewesen sei, könne nur der Mindestsatz von 3 DM zugebilligt werden. Ein Anspruch auf Schreibauslagen gemäß § 8 Abs 1 Nr 2 Buchst a ZuSEG bestehe nicht, denn diese Vorschrift gelte nur für Sachverständige und finde keine Anwendung auf (sachverständige) Zeugen. Zeugen könnten lediglich gemäß § 11 ZuSEG notwendige Schreibauslagen erhalten. Beschränke sich die schriftliche Auskunft – wie hier – auf den für ihre Abfassung erbrachten Zeitaufwand, so könne der Zeuge keinen Schreibaufwand verlangen, weil dieser bereits mit dem Entschädigungssatz nach § 2 ZuSEG abgegolten sei. Außerdem seien im vorliegenden Fall besondere Schreibkosten nicht notwendig gewesen, denn ein mit der Unterschrift verbundener handschriftlicher Hinweis des Klägers auf dem Antragsformular „Patient unbekannt”) hätte ausgereicht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 5 und 8 Abs 1 Satz 2 Buchst a ZuSEG sowie des Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) und macht ua geltend: Das LSG hätte die anzuwendenden Vorschriften verfassungskonform auslegen müssen. § 21 Abs 3 Satz 1 SGB X iVm § 12 Abs 2 des Gesetzes für das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) enthalte eine Berufsausübungsregelung, die den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG tangiere. Die Regelung sei nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn Kosten für Aufwendungen aufgrund von Tätigkeitsverpflichtungen wenigstens mit einem Minimalbetrag entschädigt würden. Er habe die Auskunft nicht als einfacher Staatsbürger erteilt, sondern sei als Arzt zur Mitwirkung verpflichtet gewesen und müsse dementsprechend entschädigt werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG zu ändern und die Berufung in vollem Umfang zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Berufsfreiheit des Klägers durch die hier angewandten Vorschriften des ZuSEG für nicht berührt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Der Kläger hat neben der Mindestentschädigung für Zeugen ohne Verdienstausfall (§ 2 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 ZuSEG) Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 3 DM.
Von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernisse, die einer Sachentscheidung entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Die Berufung war aufgrund ihrer Zulassung im Urteil des SG statthaft (§ 143, 144 Abs 1 SGG) und auch im übrigen zulässig. Da der Beklagte über den geltend gemachten Anspruch durch Verwaltungsakt entschieden (vgl dazu BSG SozR 1300 § 21 Nr 2) und diesen abgelehnt hat, ist die erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage die richtige Klageart.
Der Kläger verlangt für die schriftlich erteilte Auskunft, ein Patient P. H. sei ihm unbekannt, von dem Beklagten die Zahlung eines höheren Betrages, als das LSG ihm bisher zuerkannt hat. Rechtsgrundlage hierfür sind § 21 Abs 3 Satz 4 SGB X (vgl BSG SozR 1300 § 21 Nr 2; BSG, Urteil vom 4. Juli 1989 – 9 RVs 5/88 –, ArztuR 1990, Nr 7, S 13f) und das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen – ZuSEG in der Fassung vom 1. Oktober 1969 (BGBl I, 1757), die bis zum 30. Juni 1994 gegolten hat und zuletzt durch Art 9 des Gesetzes vom 15. Juli 1992 (BGBl I, 1302) geändert worden ist. Denn die Höhe der Entschädigung und des Aufwendungsersatzes richten sich nach dem Recht, das zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs, hier also im Mai 1993, gegolten hat.
1. Dadurch, daß das Versorgungsamt (VA) im Mai 1993 um einen Befundbericht über den Patienten P.H. bat, wollte es den Kläger als sachverständigen Zeugen heranziehen. Wird aufgrund eines solchen Auftrages ein Befundbericht erstellt, so wird der Arzt als sachverständiger Zeuge tätig und hat Anspruch auf Entschädigung nach Anlage 3 zu § 5 Abs 1 ZuSEG (vgl BSG SozR 1925 § 5 Nr 1 und § 8 Nr 1 sowie Senatsurteil vom 26. November 1991 – 9a RV 25/90 in Medizin im Sozialrecht – MeSo B 20b/58). Die Vorschrift sieht nach ihrem Wortlaut und Zweck eine Leistungsentschädigung vor, die dem Arzt jedoch nur zusteht, wenn er für die Leistung seine medizinisch-ärztliche Sachkunde benötigt. Bei anderen Auskünften, auch solchen, die seine Praxis oder Patienten betreffen, ist der Entschädigungsanspruch nicht gegeben. Hierunter fällt auch die vom Kläger erteilte Auskunft, der Patient P.H. sei ihm unbekannt. Denn diese Mitteilung erforderte keine besondere Sachkunde (vgl dazu BSG SozR 1925 § 8 Nr 1).
2. Der Kläger hat statt dessen nicht etwa einen Anspruch auf Auslagenerstattung nach §§ 31 Abs 2, 12 Abs 2 KOVVfG iVm § 4 Abs 1 Satz 2 Schwerbehindertengesetz 1986 – SchwbG – (BGBl I, 1421, 1550). Das KOVVfG soll nach § 4 Abs 1 Satz 2 SchwbG lediglich subsidiär für das Feststellungsverfahren gelten (vgl Schimanski in GK-Schwerbehindertengesetz ≪1992≫, § 4 RdNr 9), nicht aber die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen regeln. Wird – wie hier – nur ein Anspruch auf Entschädigung für eine sog „Negativauskunft” geltend gemacht, sind gemäß § 21 Abs 3 Satz 4 SGB X die Bestimmungen des ZuSEG entsprechend anzuwenden (vgl BSG SozR 1300 § 21 Nr 2; BSG, Urteil vom 4. Juli 1989 – 9 RVs 5/88 – ArztuR 1990, Nr 7, S 13f).
Nach § 2 Abs 1 bis 3 ZuSEG werden Zeugen für ihren Verdienstausfall entschädigt. Zwar hat der Kläger hier nicht über Wahrnehmungen von vergangenen Tatsachen oder Zuständen (vgl § 414 Zivilprozeßordnung – ZPO) Auskunft erteilt. Dennoch ist er wie ein Zeuge zu entschädigen. Denn der Beklagte hat ihn im Verwaltungsverfahren als (sachverständigen) Zeugen herangezogen (vgl zur Abgrenzung einer Arbeitgeberauskunft BSG SozR 3-4100 § 144 Nr 1). Dem steht nicht entgegen, daß er nicht den erbetenen Befundbericht erstatten, sondern nur eine „Negativauskunft” erteilen konnte. Er darf nämlich nicht anders behandelt werden als ein vor Gericht geladener Zeuge, der zur Sache nichts aussagen kann. § 2 ZuSEG soll die durch die Heranziehung als Zeuge versäumte Arbeitszeit pauschal abgelten. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Zeuge etwas zur Sache aussagen kann. Nichts anderes kann für den im ZuSEG nicht ausdrücklich geregelten Fall der „Negativauskunft” gelten. Das LSG hat zu Recht angenommen, daß der Kläger nach § 21 Abs 3 Satz 4 SGB X iVm § 2 ZuSEG nur die Mindestentschädigung von 3 DM verlangen kann. Sie ist in § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 3 Satz 1 ZuSEG vorgesehen, wenn kein Verdienstausfall eingetreten ist. Die Regelung soll denjenigen, der als Zeuge herangezogen wird, für die Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflicht honorieren und – eventuell damit verbundene – immaterielle Nachteile ausgleichen (vgl dazu BR-Drucks 71/74, S 114 zu § 2 ZuSEG). Nach den unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG führten die Ermittlungen in der Praxis des Klägers und die von ihm erteilte „Negativauskunft” nicht zu einem Verdienstausfall, so daß er insoweit wie jeder vom Gericht herangezogene Zeuge, bei dem durch die Heranziehung kein Verdienstausfall eintritt, zu entschädigen ist.
3. Der Kläger hat aber darüber hinaus – und das hat das LSG verkannt – Anspruch auf einen Aufwendungsersatz. Denn der Beklagte hat den Kläger hier nicht nur als beliebigen Zeugen, sondern zugleich in seiner Eigenschaft als freiberuflich tätigen Arzt „in Dienst genommen”. Durch die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 21 Abs 3 und § 100 SGB X wird das Recht der Ärzte auf freie Berufsausübung berührt (vgl Jarras/Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl 1995, Art 12 RdNr 10 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Erfüllung dieser Pflicht ist – jedenfalls soweit dem Arzt dadurch ein Arbeits- und Zeitaufwand entsteht – nicht allein mit der Entschädigung nach § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Abs 3 Satz 1 ZuSEG abgegolten.
Als Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Aufwendungsersatz kommen die Vorschriften der §§ 11 und 2 Abs 3 ZuSEG in Betracht. Nach § 11 Satz 1 ZuSEG sind Sachverständigen und Zeugen notwendige bare Auslagen zu erstatten (vgl Senatsurteil vom 26. November 1991, aaO). Eine Entschädigung für den Sach- und Zeitaufwand sieht das Gesetz nicht vor. Insoweit besteht eine Gesetzeslücke. Sie muß durch die entsprechende Anwendung des § 11 ZuSEG geschlossen werden. Eine analoge Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfaßte Sachverhalte ist geboten, wenn die Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zugrunde liegenden Interessenlage auch den nicht geregelten Fall hätte einbeziehen müssen; die Analogie ist jedoch ausgeschlossen, wenn durch sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers vereitelt würde. Da dem gesetzgeberischen Willen gegenüber der richterlichen Rechtsetzung Vorrang zukommt, bedeutet dies: Für eine Analogie ist schon dann kein Raum, wenn zweifelhaft ist, ob die verglichenen Sachverhalte nicht derart unterschiedlich sind, daß durch eine Gleichstellung die gesetzliche Wertung in Frage gestellt werden könnte (vgl BSGE 57, 195, 197 mwN; 61, 146, 147). Ob dem Zeugen bare Auslagen entstehen oder ob zur Erfüllung seiner Pflichten anderweitige Aufwendungen notwendig werden, macht keinen so erheblichen Unterschied, daß der Gesetzgeber in einem Falle eine Entschädigung vorsehen, im anderen Falle aber versagen durfte. Es gibt keine sachlichen Gründe, die eine derartige Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Vielmehr ist die Interessenlage gleich, so daß der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) dazu zwingt, beide Fälle gleich zu behandeln.
Dem steht auch nicht die Regelungsabsicht des Gesetzgebers entgegen. Aus dem Wortlaut des § 11 ZuSEG allein kann nicht geschlossen werden, daß der Ersatz – etwa aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität – bewußt auf bare Auslagen beschränkt worden ist. Bei dem Ersatz barer Auslagen handelt es sich lediglich um den in der Praxis am häufigsten auftretenden, also den typischen Fall des Aufwendungsersatzes. Deshalb widerspricht es nicht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, auch im atypischen Fall, in dem dem Zeugen nur ein Sach- und Zeitaufwand entsteht, die Aufwendungen zu ersetzen. Für diese Auffassung des Senats spricht auch, daß § 11 ZuSEG die Funktion einer Auffangvorschrift hat (Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl 1997, § 11 ZuSEG RdNr 1). Denn durch die Einfügung des Satzes 1 in § 11 ZuSEG durch das Gesetz vom 15.9.1969 (BGBl I 1629) sollte klargestellt werden, daß Zeugen und Sachverständigen alle für die jeweilige Verrichtung notwendigen baren Auslagen zu erstatten sind, soweit dies nicht bereits durch § 8 bis 10 ZuSEG geregelt ist (vgl BR-Drucks 719/68 S 6, Begründung zu Nr 5 des Regierungsentwurfs). Nach der Rechtsprechung des Senats gilt § 8 ZuSEG nur für Sachverständige, nicht aber für (sachverständige) Zeugen (vgl Senatsurteil vom 26. November 1991, aaO). Deshalb sind die zusätzlichen Aufwendungen von Zeugen nach § 11 ZuSEG zu ersetzen (vgl Senatsurteil vom 26. November 1991, aaO).
Der Aufwand, dessen Ersatz verlangt wird, muß allerdings notwendig gewesen sein. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn sich im Einzelfall die Höhe des Aufwands nicht betriebswirtschaftlich exakt nachweisen läßt, aber feststeht, daß ein Aufwand entstanden ist. So liegt es hier. Nach den bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger die „Negativauskunft” nach Durchsicht seiner Patientenkarteien erteilt. Dazu war ein „gewisser Arbeits- und Zeitaufwand” (deutlich unter einer Stunde) notwendig. Der in diesem Zusammenhang gegebene Hinweis des LSG, der Kläger habe „dies” einleuchtend dargetan, ist in Verbindung mit der entsprechenden Schilderung im Tatbestand des Urteils nach Auffassung des Senats dahin zu verstehen, daß der Kläger zur Erledigung des Auftrags sein Personal eingesetzt hat. Seine Angestellten haben hierzu mehrere Karteien überprüft, so daß andere Arbeiten – wenn auch nur für kurze Zeit – zurückgestellt werden mußten. Der damit verbundene Aufwand ist in entsprechender Anwendung des § 11 ZuSEG zu ersetzen (ebenso BFHE 132, 385, 389 mwN aus der Rechtsprechung; Hartmann, aaO, 25. Aufl 1993, § 11 ZuSEG RdNr 9; Bleutge, ZuSEG-Kommentar, 2. Aufl 1992, § 11 RdNr 6).
Die Höhe des Aufwendungsersatzes ergibt sich allerdings nicht aus dieser Vorschrift. Hierzu ist auf die schon in anderem Zusammenhang angewendeten Bestimmungen des § 2 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 ZuSEG zurückzugreifen. Nach den Feststellungen des LSG hat der Senat davon auszugehen, daß die Erledigung des Auskunftsersuchens zwar mit einem „gewissen Arbeits- und Zeitaufwand”, jedoch nicht mit nachweisbaren Kosten für den Kläger verbunden war. In derartigen Fällen entspricht es dem Zweck des ZuSEG am besten, den Aufwendungsersatz als „pauschalierte Auslage” für die in dieser Weise erfüllte staatsbürgerliche Mitwirkungspflicht in Form einer weiteren Mindestentschädigung zu gewähren, also dafür – nach der hier anwendbaren Fassung des § 2 ZuSEG, die bis zum 30. Juni 1994 gegolten hat – 3 DM festzusetzen. Ob bei größerem Arbeits- und Zeitaufwand ohne nachweisbare Kostenfolgen bzw Verdienstausfall die entsprechende Anwendung des § 2 Abs 2 und Abs 3 Satz 1 ZuSEG zur Zuerkennung eines über der Mindestentschädigung liegenden Aufwendungsersatzes führt, kann der Senat unentschieden lassen.
Mit dem Aufwendungsersatz in entsprechender Anwendung der §§ 11 und 2 ZuSEG ist dem – auch von der Revision hervorgehobenen – Gebot einer „verfassungskonformen Entschädigung” Genüge getan. Wird nämlich für die „Indienstnahme” eines Arztes neben der Mindestentschädigung für Zeugen, die keinen Verdienstausfall hinnehmen müssen, ein pauschalierter Aufwendungsersatz gewährt, kann von einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit des Arztes (vgl dazu BVerfGE 85, 329 ff; 33, 240 ff) nicht mehr die Rede sein. Denn der im Wege der Lückenfüllung zugesprochene Aufwendungsersatz liegt, wie zB die Regelung des § 17a Abs 1 und 3 ZuSEG (Aufwendungsersatz für die Erledigung eines Auskunftsersuchens der Strafverfolgungsbehörde) zeigt, im Rahmen des weiten Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber hätte, wenn er die Entschädigung für die „Indienstnahme” eines Arztes selbst geregelt hätte.
4. Eine höhere Entschädigung aus anderem Rechtsgrund steht dem Kläger nicht zu. Das LSG hat zu Recht erkannt, daß der Kläger, der nicht als sachverständiger Zeuge tätig geworden ist, keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für Hilfskräfte und Ersatz von Schreibauslagen nach § 8 ZuSEG hat. Diese Vorschrift gilt, wie der Senat bereits entschieden hat, nur für Sachverständige, nicht aber für Zeugen (BSG, Urteil vom 26. November 1991, aaO). Anspruch auf Ersatz von Schreibauslagen hat der Kläger aber auch nicht nach einer anderen Bestimmung des ZuSEG. Ob § 11 ZuSEG überhaupt als Rechtsgrundlage für den Ersatz von Schreibauslagen in Betracht kommt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Denn nach dieser Vorschrift könnten allenfalls notwendige Schreibkosten ersetzt werden. Das LSG hat jedoch zu Recht ausgeführt, daß eine maschinenschriftliche Abfassung der Auskunft nicht erforderlich war. Der Kläger hätte das Antragsformular mit dem handschriftlichen Hinweis „Patient unbekannt” zurücksenden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten nicht zu quoteln, sondern sie im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Er-folgs des Klägers für die Frage der Entschädigung auf der einen Seite und die erfolglose Geltendmachung des Ersatzes von Schreibauslagen auf der anderen Seite zu teilen.
Fundstellen
BSGE 80, 171 |
BSGE, 171 |
NJW 1998, 2766 |
SozR 3-1925 § 2, Nr.1 |
SozSi 1997, 438 |