Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung des Arbeitslosengeldes nach § 112 Abs 7 AFG bei Akkordlohn
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wie nach § 112 Abs 7 AFG das nach einer tariflichen Regelung erzielbare Arbeitsentgelt einer Beschäftigung zu bestimmen ist, die im Akkord verrichtet wird.
Orientierungssatz
1. Wird eine Beschäftigung, die gemäß § 112 Abs 7 AFG der Bemessung zugrundezulegen ist, im Akkord verrichtet, ist ein über dem tariflichen Akkordrichtsatz liegender Stundensatz für die Arbeitsstunde zugrundezulegen, den nach dem Tarif entlohnte Arbeitnehmer der gleichen Lohngruppe auf dem örtlichen Arbeitsmarkt im Akkord zu erzielen pflegen, wenn keine in der Person des Arbeitslosen liegende Gründe dafür ersichtlich sind, daß er einen solchen Lohn nicht zu erzielen vermag.
2. Wie das ortsübliche Arbeitsentgelt in den Fällen, in denen es an einer tariflichen Regelung mangelt, zieht das Gesetz das am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen bestehende maßgebliche tarifliche Arbeitsentgelt als allgemeingültigen Maßstab für die Bestimmung des erzielbaren Arbeitsentgelts heran; es kommt daher nicht darauf an, ob der Arbeitslose selbst Anspruch auf Einhaltung der tariflichen Regelung hat.
Normenkette
AFG § 112 Abs 7
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 22.02.1985; Aktenzeichen L 4 Ar 63/83) |
SG Berlin (Entscheidung vom 01.07.1983; Aktenzeichen S 59 Ar 2632/82) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).
Der Kläger war von 1976 bis zum 31. August 1982 als Elektrowickler bei der A. tätig. In Erwartung eines sicheren Arbeitsplatzes wechselte er zum 1. September 1982 als Elektromaschinenbauer zu B., wo ihm noch während der Probezeit zum 8. Oktober 1982 gekündigt wurde.
Antragsgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab 9. Oktober 1982 Alg, und zwar in Höhe von 229,20 DM wöchentlich (Bescheid vom 19. Oktober 1982). Das Alg hatte die Beklagte nach der Leistungsgruppe A und einem gerundeten Arbeitsentgelt von 500,-- DM wöchentlich bemessen. Dieses Arbeitsentgelt ist aus den im September 1982 bei der B. in 176 Stunden erzielten 2.200,--DM brutto errechnet worden (2.200,-- DM : 176 x 40 = 500,-- DM). Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Höhe des Alg. Dabei wies er ua darauf hin, daß er bei der A. im Akkord bedeutend mehr verdient habe und bei der B. noch nicht zur Akkordarbeit gekommen sei. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 24. November 1982).
Das Sozialgericht (SG) änderte die genannten Bescheide und verurteilte die Beklagte, das Alg nach einem Bemessungsentgelt von 605,-- DM zu gewähren (Urteil vom 1. Juli 1983). Es nahm an, die von der Beklagten vorgenommene Bemessung nach § 112 Abs 2 bis 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei angesichts der vom Kläger bei der A. erzielten Arbeitsentgelte unbillig hart, so daß das Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG zugrundezulegen sei. Dabei hat das SG, ausgehend von den zwischen dem Arbeitgeberverband der Berliner Metallindustrie und der Industriegewerkschaft Metall vereinbarten Tarifbestimmungen, nicht den Zeitlohn- und Akkordrichtsatz von 10,22 DM/Stunde (Lohngruppe 5) bzw 11,23 DM/Stunde (Lohngruppe 6), sondern einen Stundensatz von 15,08 DM zugrunde gelegt, der in der Lohngruppe 5 von Akkordarbeitern effektiv durchschnittlich in Berlin verdient werde (10,22 DM + 47,6 %). Hierzu hat das SG ausgeführt, dem Kläger werde dieser Durchschnittsbetrag zugemessen, weil die Annahme begründet sei, daß er ihn nach seinem persönlichen Leistungsvermögen erreichen könne. Die Leistungsfähigkeit gehöre zu den in § 112 Abs 7 AFG genannten Merkmalen, und die durch Leistung erzielbare Überschreitung des Akkordrichtsatzes könne die gleiche Beachtung beanspruchen, die eine Leistungszulage beim Zeitlöhner erfahre. Dieser Gesichtspunkt sei in der bisherigen Praxis, die Akkordlöhne am Akkordrichtsatz festzuhalten, nicht hinreichend beachtet worden.
Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 22. Februar 1985 mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Alg nach einem Bemessungsentgelt von 600,-- DM zu gewähren ist. Das LSG teilt die Ansicht des SG, daß das Bemessungsentgelt nach § 112 Abs 7 AFG zugrundezulegen sei, weil der Kläger innerhalb der letzten drei Jahre 683,67 DM und nicht nur 500,-- DM in der Woche verdient habe. Ebenfalls billigte das LSG die Heranziehung des über dem Akkordrichtsatz liegenden durchschnittlichen effektiven Akkordstundenlohns, weil anders das Ziel des § 112 Abs 7 AFG, einen sozialgerechten Lohnersatz zu ermöglichen, verfehlt werde. Da die Höhe eines Leistungslohns bereits tarifvertraglich von der Leistung abhängig sei, ergebe der tarifliche Richtsatz bei Akkordarbeitern nicht schon den tariflichen Lohn. Die Bedenken der Beklagten seien unbegründet, weil nach einer vom LSG eingeholten Auskunft des Arbeitgeberverbandes Zuschläge auf den Akkordrichtsatz weder vorgesehen noch üblich seien. Allerdings betrage das Bemessungsentgelt nicht 605,-- DM, sondern gerundet nur 600,-- DM, denn nach der Auskunft habe der effektive durchschnittliche Akkordstundenlohn nur 15,02 DM betragen (15,02 DM x 40).
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 112 Abs 7 AFG und führt hierzu insbesondere aus: Da zweifelsfrei eine unbillige Härte vorliege, eine Beschäftigung der Bemessung zugrundezulegen sei, die im Akkord verrichtet werde und für die in Betracht kommende Beschäftigung eine tarifvertragliche Regelung bestehe, richte sich die Bemessung nach dem für Akkordarbeiter maßgebenden Lohntarifvertrag vom 1. Februar 1982. Hiernach sei Akkordarbeit eine Arbeit, bei der die zur Ausführung der Arbeit erforderliche Zeit vorher auf der Grundlage der menschlichen Normalleistung festgelegt und dem Arbeitnehmer vorgegeben werde. Vorgabezeiten (Akkorde) seien nach arbeitswissenschaftlichen Grundsätzen so festzusetzen, daß Akkordarbeiten bei normaler Leistung und vorgeschriebener Arbeitsgüte einen Verdienst in der Höhe des Akkordrichtsatzes erreichten, wenn sie die in der Vorgabezeit enthaltenen persönlichen Verteilzeiten und - gegebenenfalls - Erholungszeiten einhielten. Entgegen der Auffassung des LSG könne nur der Akkordrichtsatz von 10,22 DM als tarifliches Arbeitsentgelt im Sinne des § 112 Abs 7 AFG angesehen werden, weil übertarifliches Arbeitsentgelt nach der Vorschrift nicht zu berücksichtigen sei. Wie sich aus der Auskunft des Arbeitgeberverbandes ergebe, setze sich der vom LSG zugrundegelegte Stundenlohn von 15,02 DM aus dem Akkordrichtsatz von 10,22 DM und einem übertariflichen Verdienst von 4,80 DM (= 47 % des Akkordrichtsatzes) zusammen, wobei der Betrag von 4,80 DM ein Durchschnittswert sei und im Einzelfall erheblich darunter oder darüber liegen könne. Da somit objektiv nicht feststellbar sei, ob der Kläger dieses übertarifliche Arbeitsentgelt erhalten hätte, könne ein solches Arbeitsentgelt, das den individuellen Verhältnissen des Arbeitslosen nicht gerecht werde, nach Sinn und Zweck des § 112 Abs 7 AFG niemals Bemessungsgrundlage sein. Bei der Festsetzung des tariflichen Arbeitsentgelts von Akkordlöhnen sei daher vom Normalfall auszugehen, wie ihn der Tarifvertrag vorsehe, dh, es sei der Akkordrichtsatz maßgebend. Da das nach § 112 Abs 7 AFG in Betracht kommende wöchentliche Arbeitsentgelt von gerundet 410,-- DM (= 10,22 DM x 40) niedriger sei als das nach § 112 Abs 2 und 3 AFG maßgebende Arbeitsentgelt von 500,-- DM, sei von letzterem auszugehen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er macht sich die Gründe des LSG zu eigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist, ob dem Kläger ein höheres Alg als das bisher gewährte von 229,20 DM wöchentlich zusteht. Das ist nur dann der Fall, wenn der Leistungsbemessung ein wöchentliches Arbeitsentgelt von mehr als 500,-- DM zugrundezulegen ist; denn daß der Kläger angesichts der für ihn maßgebenden Leistungsgruppe A (verheiratet, Lohnsteuerklasse IV) gemäß § 111 AFG, hier anwendbar in der seit dem 1. Januar 1982 geltenden Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497), § 1 Nr 2 und Anlage 2 der AFG-Leistungsverordnung 1982 vom 30. Dezember 1981 (BGBl I 1704) bei einem Bemessungsentgelt von 500,-- DM nicht mehr als 229,20 DM wöchentlich zu beanspruchen hat, ist nicht zweifelhaft. Im Hinblick darauf, daß der Kläger das Urteil des LSG nicht angefochten hat, kann er allerdings kein Alg nach einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von mehr als 600,-- DM verlangen. Das ist es, was das LSG dem Kläger zugesprochen hat; die weitergehende Klage, der das SG entsprochen hatte (605,-- DM), hat das LSG der Sache nach abgewiesen, indem es insoweit die Berufung der Beklagten für begründet erachtet hat. Daran ist der Kläger gemäß § 141 SGG gebunden.
Nach § 111 Abs 1 AFG beträgt das Alg 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt im Sinne dieser Vorschrift ist gemäß § 112 Abs 2 AFG das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG). Bemessungszeitraum sind die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt zwanzig Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten, die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG). Das war nach den Feststellungen des LSG der September 1982. Nach § 112 Abs 3 Satz 2 AFG treten zwar in bestimmten Fällen an die Stelle der zwanzig Tage sechzig Tage. Das setzt indessen voraus, daß der Arbeitnehmer im Bemessungszeitraum überwiegend mit Leistungslohn (Akkordlohn) auf einem witterungsabhängigen Arbeitsplatz oder in einem Saison- oder Kampagnebetrieb oder gegen ein vom Umsatz abhängiges Arbeitsentgelt beschäftigt war. Diese Voraussetzungen waren hier nicht gegeben. Das während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene 7. Gesetz zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) -7. AFG-ÄndG- hat die Worte "zwanzig Tage" in § 112 Abs 3 Satz 1 AFG zwar durch die Worte "sechzig Tage" ersetzt; aber auch diese Neufassung ermöglicht im vorliegenden Falle nicht die Zugrundelegung der für den Kläger günstigeren Lohnabrechnungen bei der A.; denn für Ansprüche, die vor dem 1. Januar 1986 entstanden sind, ist § 112 Abs 3 AFG weiterhin in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung anzuwenden (§ 242f Abs 5 AFG idF des 7. AFG-ÄndG). Es bleibt somit beim Bemessungszeitraum September 1982, in dem der Kläger in 176 Stunden einen Arbeitslohn von 2.200,-- DM erzielt hat. Aus diesem Arbeitsentgelt errechnet sich bei einer tariflichen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 500,-- DM. Ein höheres Arbeitsentgelt ist der Alg-Bemessung daher nur dann zugrundezulegen, wenn sich ein solches aus einer anderen Vorschrift ergibt, wofür nach Sachlage lediglich § 112 Abs 7 AFG in Betracht kommt.
Nach dieser Vorschrift ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt, wenn es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach § 112 Abs 2 bis 6 AFG auszugehen. Letzteres ist hier der Fall. Der Kläger hat in den letzten drei Jahren überwiegend als Akkordarbeiter gearbeitet. Den niedrigeren Zeitlohn im Bemessungszeitraum hat er nur deshalb in Kauf genommen, weil er hoffte, bei der B. einen sicheren Arbeitsplatz zu bekommen und später auch wieder im Akkord arbeiten zu können. Es wäre daher eine unbillige Härte, wenn dem Alg das im September 1982 als Zeitlöhner erzielte Arbeitsentgelt bei der B. zugrundegelegt würde, das erheblich geringer war, als der Lohn, den der Kläger bis zum 31. August 1982 bei der A. als Akkordarbeiter erzielt hat. Die Revision stellt das nicht in Abrede.
Nach den weder von der Beklagten noch vom Kläger beanstandeten und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG kommt der Kläger nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes als Akkordarbeiter in der Metallindustrie in Betracht. Zu Recht hat das LSG - wie schon die Beklagte und das SG - auf die tarifliche Regelung abgehoben, die zwischen dem Verband der Berliner Metallindustrie e. V. und der Industriegewerkschaft Metall vereinbart worden ist, ohne zu prüfen, ob der Kläger aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung oder als Gewerkschaftsmitglied auf die Einhaltung der tariflichen Regelung dringen kann. Wie das ortsübliche Arbeitsentgelt in den Fällen, in denen es an einer tariflichen Regelung mangelt, zieht das Gesetz das am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen bestehende maßgebliche tarifliche Arbeitsentgelt als allgemeingültigen Maßstab für die Bestimmung des erzielbaren Arbeitsentgelts heran; es kommt daher nicht darauf an, ob der Arbeitslose selbst Anspruch auf Einhaltung der tariflichen Regelung hätte (Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, Rdz 28 zu § 112, Stand August 1972). Nach dem hier maßgebenden Tarifwerk kommt für den Kläger die Lohngruppe 5 in Frage, für die der Lohntarifvertrag seit dem 1. Februar 1982 einen Akkordrichtsatz von 10,22 DM/Stunde vorsieht. Der effektive Stundenverdienst, den Akkordarbeiter in der Lohngruppe 5 aufgrund dieses Lohntarifvertrages 1982 in Berlin erzielt haben, betrug dagegen nach den Feststellungen des LSG durchschnittlich 15,02 DM. Zutreffend hat das LSG nicht den Akkordrichtsatz, sondern diesen darüberliegenden effektiven durchschnittlichen Stundenverdienst der Bemessung zugrunde gelegt und ihn zur Ermittlung des vom Kläger erzielbaren wöchentlichen tariflichen Arbeitsentgelts mit der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden vervielfältigt.
Der Senat hat schon früher darauf hingewiesen, daß der § 112 Abs 7 AFG darauf abzielt, den Berechtigten hinsichtlich der erreichbaren Höhe des Arbeitsentgelts mit den Beschäftigten gleichzustellen, die die Tätigkeit ausüben, für die der Arbeitslose in Betracht kommt. Soll der Arbeitslose hinsichtlich der erreichbaren Höhe des Arbeitsentgelts mit den Beschäftigten gleichgestellt werden, sind bei der Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG alle lohn- oder gehaltsbezogenen Faktoren zugrundezulegen, die dem Arbeitslosen im Falle der Beschäftigung nach dem Inhalt des Tarifvertrages zugestanden hätten. Der Senat hat daher zu einer zum Zeitlohn zu gewährenden tariflichen Leistungszulage entschieden, daß auch im Tarifvertrag vorgesehene leistungsbezogene Lohnbestandteile zu berücksichtigen sind, die nur je nach erbrachter Leistung gewährt werden (BSG SozR 4100 § 112 Nr 2). Nichts anderes kann gelten, wenn die Arbeit nicht nach der Arbeitszeit, sondern ausschließlich nach Leistung, nämlich der erbrachten Arbeitsmenge, vergütet wird, wie das grundsätzlich bei Akkordarbeit geschieht. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses zeigt die einfache Überlegung, daß bei Nichtberücksichtigung leistungsbezogener Lohnbestandteile der erzielbare Akkordlohn gemäß § 112 Abs 7 AFG immer 0,-- DM betrüge, sofern der Tarifvertrag nicht einen Mindestlohn vorsieht. Auch das Verfahren der Beklagten, nach deren Durchführungsanweisung 3.2 (3) zu § 112 Abs 7 AFG (DBl RdErl 48/84 vom 5. März 1984) der festgesetzte Akkordrichtsatz maßgebend ist, berücksichtigt eine erwartete Leistung, nämlich eine solche, die zur Folge hat, daß durchschnittlich der Akkordrichtsatz erreicht wird.
Anders als beim reinen Zeitlohn läßt sich allerdings bei leistungsbezogenen Löhnen die Höhe des tariflichen Arbeitsentgelts, das der Arbeitslose erzielen kann, nicht schon dem Tarifvertrag entnehmen, wie das beim Akkordlohn auf der Hand liegt. Selbst wenn der Tarifvertrag für Akkordarbeiter eine Mindestlohngarantie vorsieht, um zu verhindern, daß die Vergütung bei Zurückbleiben der Leistung gegenüber der tarifvertraglichen Normalleistung unter die garantierte Summe absinkt, wozu ggfs der Akkordrichtsatz dient, kann dem Tarifvertrag nur die Mindestvergütung des Akkordarbeiters entnommen werden. Welcher Lohn aufgrund des Tarifvertrages für den Arbeitslosen tatsächlich erzielbar ist, ist bei leistungsbezogenen Löhnen erst aufgrund der Tarifwirklichkeit zu beurteilen. Dabei rechtfertigt die Orientierung des § 112 Abs 7 AFG an allgemeine Maßstäbe, grundsätzlich das als erzielbares tarifliches Entgelt anzusehen, was Arbeitnehmer der gleichen Lohngruppe im Regelfalle bzw durchschnittlich zu erzielen pflegen. Entsprechend hat der Senat zu der neben dem Zeitlohn zu gewährenden persönlichen Leistungszulage entschieden, daß maßgebend ist, in welchen Fällen und in welcher durchschnittlichen Höhe die Zulage auf dem örtlichen Arbeitsmarkt gewährt wird, für den der Arbeitslose in Betracht kommt (BSG aaO). Es ist kein Grund ersichtlich, bei der Ermittlung des erzielbaren Akkordlohnes die Tarifwirklichkeit nicht in gleicher Weise zu berücksichtigen. Danach kann der Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG der Akkordlohn, den tariflich entlohnte Akkordarbeiter der gleichen Lohngruppe in der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit auf dem örtlichen Arbeitsmarkt durchschnittlich zu erzielen pflegen, für den der Arbeitslose in Betracht kommt, jedenfalls dann zugrunde gelegt werden, wenn keine in der Person des Arbeitslosen liegenden Gründe dafür ersichtlich sind, daß er einen solchen Lohn nicht zu erzielen vermag.
Was die Revision gegen die Berücksichtigung eines über dem tariflichen Akkordrichtsatz liegenden effektiven durchschnittlichen Stundenverdienstes tariflich entlohnter Akkordarbeiter der gleichen Lohngruppe geltend macht, geht fehl. Allerdings sind bei der Bemessung nach § 112 Abs 7 AFG grundsätzlich keine übertariflichen Entgelte zu berücksichtigen, auch wenn auf dem Arbeitsmarkt übertarifliche Entgelte üblich sind. Ist eine tarifliche Regelung vorhanden, gibt allein sie den allgemeinen Maßstab ab, der nach § 112 Abs 7 AFG der Bemessung zugrundezulegen ist. Indessen führt die Vervielfältigung des effektiven durchschnittlichen Stundenverdienstes eines Akkordarbeiters mit der wöchentlichen tariflichen Arbeitszeit nicht schon deshalb zu einem übertariflichen Entgelt, weil der effektive durchschnittliche Stundenverdienst höher als der im Tarif für die Stunde vorgesehene Akkordrichtsatz ist. Akkordarbeit wird nicht nach der für die Arbeit aufgewendeten Zeit, sondern nach der erbrachten Leistung, der Arbeitsmenge, entlohnt. Eine Arbeitsmengeneinheit (zB das Nähen eines Kleides, das Herstellen eines Kilogramm Nägel) wird entweder mit einem Geldbetrag (Geldakkord) oder, wie das nach dem hier angewendeten Tarifvertrag offenbar der Fall gewesen ist, mit einer Zeit als Verrechnungsfaktor (Zeitakkord) vergütet. Beim Zeitakkord erhält der Arbeitnehmer für die Arbeitsmengeneinheit die vorgegebene Zeit (zB 10 Minuten) auch dann vergütet, wenn er die Leistung in kürzerer (oder in längerer) Zeit erbringt. Sieht nun der Tarifvertrag einen Akkordrichtsatz in dem üblichen Sinne vor, daß ein Arbeitnehmer bei normaler Leistung und vorgeschriebener Arbeitsgüte in einer Arbeitsstunde den als Akkordrichtsatz ausgewiesenen Geldbetrag erreicht, entspricht der Akkordrichtsatz nur dem Lohn einer Stunde, in der die Vorgabezeiten eingehalten werden, nicht aber der Vergütung solcher tatsächlicher Arbeitsstunden, in denen die Vorgabezeiten überschritten oder unterschritten werden. Ist die in einer tatsächlichen Arbeitsstunde erzielte Vergütung im erstgenannten Falle nach dem Tarif niedriger als der Akkordrichtsatz, ist sie im letztgenannten Falle höher. Die höhere Vergütung ist daher nicht, wie die Revision meint, ihrer Höhe wegen übertariflich, sondern die tarifliche Vergütung, nämlich der im Tarif vorgesehene Lohn für die höhere Arbeitsmenge (vgl BAGE 6, 204 = AP Nr 7 zu § 611 BGB Akkordlohn; BAGE 6, 215 = AP Nr 6 aaO; BAGE 11, 157 = AP Nr 15 aaO).
Zutreffend weist die Revision daraufhin, daß bei der Akkordarbeit im allgemeinen Vorgabezeiten danach ausgerichtet werden, daß Akkordarbeiter bei normaler Leistung und vorgeschriebener Arbeitsgüte einen Verdienst in der Höhe des Akkordrichtsatzes erreichen, wenn sie die Vorgabezeiten einhalten. Der Akkordrichtsatz gibt aber allein deshalb nicht schon wieder, was Akkordarbeiter im Regelfalle als tarifliches Entgelt zu erzielen pflegen. Der Revision ist einzuräumen, daß die vom Senat gebilligte Zugrundelegung des Betrages, den Akkordarbeiter der gleichen Lohngruppe nach dem Tarifvertrag im Durchschnitt in einer Arbeitsstunde erzielen, die Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen, um dessen Alg es geht, in der Regel nicht berücksichtigt; jedoch ist das Verfahren der Beklagten, nach dem lediglich der festgesetzte Akkordrichtsatz maßgebend ist, diesem Einwand in allen Fällen ausgesetzt. Das Verfahren der Beklagten vernachlässigt zusätzlich aber, was durchschnittlich Akkordarbeiter über den Akkordrichtsatz hinaus in der Arbeitsstunde zu erzielen pflegen. Es wird daher insbesondere dann, wenn der effektive Durchschnittsstundenverdienst den tariflichen Akkordrichtsatz erheblich übersteigt, wie das hier der Fall ist, dem Ziel des § 112 Abs 7 AFG nicht gerecht, das Alg auf der Grundlage eines erzielbaren tariflichen Arbeitsentgelts zu bemessen. Daß die Orientierung an dem, was ein Akkordarbeiter der gleichen Lohngruppe üblicherweise zu erzielen pflegt, nicht systemwidrig ist, zeigen im übrigen die die Bemessung des Kurzarbeitergeldes und des Schlechtwettergeldes von Akkordarbeitern regelnden Vorschriften. In bestimmten Fällen ist nämlich für diese Leistungen in Ermangelung geeigneterer Kriterien das Arbeitsentgelt (ohne Mehrarbeitszuschläge), das Arbeitnehmer des Betriebes im Leistungslohn bei gleichartiger Arbeit in der Arbeitsstunde zu erzielen pflegen (§ 68 Abs 2 Satz 1 Nr 2 AFG) bzw das durchschnittliche Arbeitsentgelt eines gleichartig Beschäftigten (§ 86 Abs 2 Satz 2 AFG) maßgebend. Für den Fall, daß es an einer tariflichen Regelung mangelt, sieht § 112 Abs 7 AFG überdies selbst vor, von dem üblichen, nämlich dem ortsüblichen Arbeitsentgelt auszugehen. Das rechtfertigt es aber, wenn eine Beschäftigung, die gemäß § 112 Abs 7 AFG der Bemessung zugrundezulegen ist, im Akkord verrichtet wird, einen über dem tariflichen Akkordrichtsatz liegenden Stundensatz für die Arbeitsstunde zugrundezulegen, den nach dem Tarif entlohnte Arbeitnehmer der gleichen Lohngruppe auf dem örtlichen Arbeitsmarkt im Akkord zu erzielen pflegen, wenn keine in der Person des Arbeitslosen liegende Gründe dafür ersichtlich sind, daß er einen solchen Lohn nicht zu erzielen vermag.
Hiernach muß die Revision ohne Erfolg bleiben. Nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat ein Akkordarbeiter der Lohngruppe 5 1982 in Berlin in der Arbeitsstunde durchschnittlich 15,02 DM verdient. Ein solcher Stundenverdienst ergibt bei einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden gerundet ein Arbeitsentgelt von 600,-- DM in der Woche. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger einen solchen Wochenlohn nicht erzielen könnte, liegen nicht vor. Da dieses wöchentliche Arbeitsentgelt höher ist als das Arbeitsentgelt von 500,-- DM, das sich nach den §§ 112 Abs 2 bis 6 AFG ergibt, ist die Beklagte verpflichtet, das Alg des Klägers nach einem Bemessungsentgelt von 600,-- DM zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen