Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 10.05.1985)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 10. Mai 1985 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um Leistungen nach den Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin (RL).

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, übte seit 1966 mit Unterbrechungen verschiedene beitragspflichtige Beschäftigungen im Bundesgebiet aus. Vor dem Umzug mit seiner Familie nach Berlin im September 1981 war er ua als Maurer und Stukkateur tätig. Einen Facharbeiterbrief besitzt er nicht. Zum Zeitpunkt der Übersiedlung verfügte er über eine befristete Arbeitserlaubnis ohne örtliche Beschränkung, die am 1. Januar 1982 durch eine unbefristete Arbeitserlaubnis ersetzt wurde. Am 7. September 1981 nahm der Kläger eine Beschäftigung in Berlin bei der Firma K. R. (Fa. R.) als Putzer auf. Dieses Arbeitsverhältnis endete wegen Arbeitsmangels am 12. Januar 1982. Vom 29. März 1982 bis zum 4. November 1982 war er als Weißputzer bei der Firma N. (Fa. N.) tätig. Zwischenzeitlich hatte er Arbeitslosengeld (Alg) bezogen.

Am 9. Oktober 1981 beantragte der Kläger die Erstattung von Anreisekosten und die Gewährung von Überbrückungsgeld. Durch Bescheid vom 26. November 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 1982 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger gehöre nicht zu dem durch die RL begünstigten Personenkreis, da sie an der Arbeitsaufnahme nicht mitgewirkt habe. Eine nach den internen Durchführungsanweisungen zulässige ausnahmsweise Gewährung der Leistungen komme nicht in Betracht, weil ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse an der Arbeitsaufnahme des nichtdeutschen Arbeitnehmers nicht bestehe. Im betroffenen Berufsbereich seien erheblich mehr Arbeitnehmer arbeitslos gemeldet gewesen, als offene Stellen zur Verfügung gestanden hätten.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 26. Oktober 1982 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 10. Mai 1985 die Berufung des Klägers insoweit als unzulässig verworfen, als sie den Klageanspruch auf Erstattung von Anreisekosten betraf, da es sich hierbei um eine einmalige Leistung handele. Im übrigen, dh hinsichtlich des Anspruchs auf Überbrückungsgeld, hat das LSG der Berufung stattgegeben, nämlich das SG-Urteil und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger zum Antrag auf Gewährung von Überbrückungsgeld einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Zur Begründung hat es ua ausgeführt:

Rechtsgrundlage für die Entscheidung seien die Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme im Land Berlin vom 31. Januar 1962 (BAnz Nr. 26 vom 7. Februar 1962) idF vom 14. August 1978 (BAnz Nr. 153 vom 17. August 1978). In den RL selbst seien keine speziellen Regelungen für ausländische Arbeitnehmer enthalten. In ihren Durchführungsanweisungen habe die Beklagte hingegen die Förderungsvoraussetzungen für diesen Personenkreis eingeschränkt.

Danach müsse der Arbeitsplatz, den der ausländische arbeitserlaubnispflichtige Arbeitnehmer in Berlin anstrebe, von der Bundesanstalt für Arbeit vermittelt sein. Bei einem deutschen Arbeitnehmer hingegen komme es hierauf nicht an. Vielmehr reiche es aus, daß das zuständige Arbeitsamt in Berlin bestätige, daß die Arbeitsaufnahme aus arbeitsmarktpolitischen Gründen erwünscht sei. Eine weitere Einschränkung bestehe darin, daß im Falle der Nichtvermittlung der Arbeitsstelle durch die Beklagte eine Förderung für nichtdeutsche arbeitserlaubnispflichtige Arbeitnehmer nur dann erfolge, wenn ein besonderes Interesse an der Arbeitsaufnahme in Berlin bestehe. Diese Einschränkungen seien mit Sinn und Zweck der RL nicht vereinbar. Maßgebend sei vielmehr der Kräftebedarf der Berliner Wirtschaft und nicht die Staatsangehörigkeit des Anspruchstellers.

Die Einschränkung der Förderungsfähigkeit falle nicht in das Ermessen der Beklagten. Die generelle Bestimmung des begünstigten Personenkreises stelle eine Rechtsfrage dar und sei deshalb von den Gerichten voll überprüfbar. Aus dem Inhalt der RL lasse sich nicht eine Befugnis der Beklagten zur Regelung des Zustroms ausländischer Arbeitskräfte nach Berlin herleiten. Derartige Kontrollrechte ständen ihr nur nach dem Arbeitserlaubnisrecht zu. Für die Aufnahme seiner Erstbeschäftigung habe der Kläger keine neue Arbeitserlaubnis benötigt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei keine zwingende Notwendigkeit erkennbar, die den Inhalt der einschränkenden Durchführungsanweisungen rechtfertigen könne.

Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 der RL. Er sei als Arbeitnehmer iS dieser Vorschrift anzusehen. Die Förderungsfähigkeit des Klägers sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er keinen Facharbeiterbrief oder sonstige Nachweise über eine Ausbildung zu einem qualifizierten Beruf vorlegen könne. Der begünstigte Personenkreis sei nicht auf Facharbeiter beschränkt, Bei der Beurteilung der Frage, ob die Berliner Wirtschaft den betroffenen Arbeitnehmer benötige, sei auf die Tätigkeit abzustellen, die der Betreffende bei dem jeweiligen Arbeitgeber zur Zeit der Arbeitsaufnahme im Land Berlin tatsächlich ausübe. In Berlin sei der Kläger von der Fa. R. als gelernter Putzer eingestellt worden. Nach Auskunft dieses Arbeitgebers habe seine Arbeitsleistung und die Entlohnung der eines ausgebildeten Putzers entsprochen. Der Beruf des Putzers/Weißputzers sei im Gegensatz zu dem des Stukkateurs im Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe nicht enthalten. Nach dem maßgeblichen Tarifvertrag seien in die Berufsgruppe V (Baufacharbeiter) Arbeitnehmer einzuordnen, die ihre Berufsausbildung in Form einer dreijährigen Stufenausbildung abgeschlossen haben und solche, die eine angelernte Spezialtätigkeit ausüben (Berufsgruppe V 2), Hierzu seien die Putzer zu zählen. Ein Putzer ohne Ausbildung als Hochbau-, Ausbau- oder Tiefbaufacharbeiter bzw Maurer müsse eine zweijährige Einarbeitungszeit im Putzbau absolvieren.

Bei dem in der Vorschrift des § 1 Abs. 1 der RL verwendeten Begriff „Erhaltung oder Stärkung der Leistungsfähigkeit der Berliner Wirtschaft” handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum. Die Beklagte habe diesen Beurteilungsspielraum ausgeschöpft, indem sie eine Liste mit Berufen aufgestellt habe, die von der Berliner Wirtschaft nicht benötigt würden. Soweit die Tätigkeit eines Anspruchstellers von dieser Negativliste erfaßt werde, sei seine Förderung im vereinfachten Verfahren ausgeschlossen. In diesem Verfahren mache die Beklagte die Förderung lediglich davon abhängig, ob der Beruf des Antragstellers in der Negativliste eingetragen sei oder nicht. Dieses vereinfachte Verfahren finde auch bei deutschen Arbeitnehmern Anwendung, die ihre Tätigkeit ohne Mitwirkung der Beklagten aufnehmen würden. Mit allen diesen Regelungen habe die Beklagte ihren Beurteilungsspielraum begrenzt. Nur innerhalb dieser Grenzen obliege ihr das Recht zur Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen. Der vom Kläger ausgeübte Beruf des Putzers sei in der Negativliste nicht aufgeführt. Die Prüfung, ob zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme auf dem Berliner Arbeitsmarkt mehr arbeitsuchende Putzer als offene Stellen vorhanden waren, sei unzulässig. Für diese sog Einzelfallprüfung bestehe nach den Durchführungsanweisungen nur Veranlassung, wenn der Beruf des Antragstellers in der Negativliste enthalten sei. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der RL sei es ua erforderlich, daß der Arbeitnehmer eine Beschäftigung im Land Berlin für die Dauer mindestens eines Jahres ausübe. Diese Rechtsbedingung habe der Kläger erfüllt. Weder die Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses noch der anschließende Bezug von Alg sei ein schädlicher Unterbrechungstatbestand, da er nicht auf ein vorwerfbares Verhalten des Klägers zurückzuführen sei. Bei der anschließenden Tätigkeit als Weißputzer handele es sich um einen Arbeitsplatz, der die Zweckbestimmung des § 1 Abs. 1 der RL erfülle. Die fehlende Mitwirkung der Beklagten hieran sei unschädlich. Im übrigen wäre die Entscheidung der Beklagten auch aus den oa Gründen zu beanstanden, soweit der Kläger als Weißputzer angesehen werden müsse. Der Beruf des Weißputzers sei ebenfalls in der Negativliste nicht enthalten.

Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 1 der RL und führt hierzu insbesondere aus: Aufgrund der ungünstigen Arbeitsmarktlage in Berlin sei bei der Prüfung des Qualifikationsmerkmals Facharbeiter ein strenger Maßstab zugrundezulegen. Der Kläger müsse den Verputzerhelfern zugeordnet werden, da er eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht durch geeignete Urkunden nachweisen könne. Ein Verzicht auf den rechtsverkehrsüblichen Urkundenbeweis habe eine unvertretbare Erschwerung des erforderlichen rationellen Verwaltungshandelns zur Folge. Die Tätigkeit eines Verputzerhelfers werde von der Negativliste erfaßt, so daß eine Förderung des Klägers durch den Leistungszweck des § 1 der RL ausgeschlossen sei. Darüber hinaus gehöre der Kläger nicht dem förderungsfähigen Personenkreis des § 2 Abs. 1 Nr. 1 der RL an, da die Beklagte an der Aufnahme der Beschäftigung des Klägers nicht mitgewirkt habe. Die unterschiedliche Gestaltung der Förderungsvoraussetzung für deutsche und ausländische Arbeitnehmer ergebe sich unmittelbar aus dem Förderungsrecht. Die Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel und vor dem Hintergrund der bekannten arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Probleme Berlins.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als der Berufung des Klägers stattgegeben wurde und die Berufung des Klägers in vollem Umfang zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Beklagte habe den Kläger noch im Verwaltungsverfahren als Putzer angesehen. Im angefochtenen Bescheid lehne sie eine Förderung des Klägers ab, weil an seiner Tätigkeit als Putzer kein arbeitsmarktpolitisches Interesse bestehe. Für die Förderungsfähigkeit des Klägers komme es nicht auf das Vorliegen von Urkunden an, sondern auf die tatsächliche, materielle Qualifikation, die der Kläger nach den Feststellungen des LSG als Putzer besitze. Diese Auslegung stimme mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Begriff des Berufsschutzes überein. Danach sei es für die Einstufung als Facharbeiter ausreichend, daß der Betroffene über eine entsprechende Qualifikation verfüge und entsprechend tariflich eingruppiert und beschäftigt werde.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Frage, ob die Beklagte den Anspruch auf Überbrückungsgeld ablehnen durfte; denn hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattung der Anreisekosten ist die die Berufung des Klägers insoweit verwerfende Entscheidung des LSG rechtskräftig geworden, da der Kläger hiergegen Revision nicht eingelegt hat. Hinsichtlich des Anspruchs auf Überbrückungsgeld hat das LSG den angefochtenen Verwaltungsakt zu Recht aufgehoben. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Zahlung dieser Leistung mit der Begründung zu verweigern, der Kläger sei von ihr nicht vermittelt worden und verfüge über keinen Facharbeiterbrief.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Leistung sind die auf § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) beruhende 14. DVO zum AVAVG und die dazu ergangenen RL. Zwar ist das AVAVG mit Wirkung vom 1. Juli 1969 durch das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 25. Juni 1969 (BGBl I S 582) weitgehend außer Kraft getreten. Nach der Übergangsregelung des § 242 Abs. 3 AFG ist die 14. DVO zum AVAVG aber ausdrücklich – bis zur Aufhebung durch eine Rechtsverordnung nach § 3 Abs. 5 AFG – vorläufig in Kraft geblieben; eine aufhebende Rechtsverordnung ist bisher nicht ergangen. Den von der Bundesregierung im Benehmen mit dem Senat von Berlin erstmals am 31. Januar 1962 (BAnz Nr. 26 vom 7. Februar 1962) erlassenen, mehrfach – zuletzt am 14. August 1978 (BAnz Nr. 153 vom 17. August 1978) – geänderten RL kommt Rechtsnormqualität zu (BSGE 34, 115, 117).

Die Voraussetzungen, unter denen dem Kläger vorbehaltlich der Ermessensausübung Überbrückungsgeld zu gewähren ist, liegen vor. Der Kläger erfüllt den von § 1 RL umschriebenen Leistungszweck. Nach § 1 Abs. 1 RL dienen die darin vorgesehenen Leistungen der Förderung der Arbeitsaufnahme von Arbeitnehmern, insbesondere von Facharbeitern, die von der Berliner Wirtschaft zur Erhaltung oder Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit benötigt werden. Der Senat hat bereits entschieden (BSGE 45, 142, 147 = SozR 4720 Nr. 3), daß es sich bei dem Begriff „Erhaltung oder Stärkung der Leistungsfähigkeit der Berliner Wirtschaft” um einen unbestimmten Rechtsbegriff mit Beurteilungsspielraum handelt. Die Leistungsgewährung nach den RL ist danach von zusätzlichen Einschätzungsprärogativen abhängig. Die Beklagte hat diesen Beurteilungsspielraum unter anderem in der Weise ausgefüllt, daß sie in Zusammenarbeit mit der Berliner Wirtschaft Listen aufgestellt hat, die einerseits die Berufe oder Tätigkeiten enthalten, die als dringend benötigt gelten (sog Positivliste) und andererseits die Berufe bezeichnen, die nicht benötigt werden (sog Negativliste), (vgl. Runderlaß des Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit –BA– Nr. 160/78). Nach ihren Durchführungsanweisungen zu den RL macht die Beklagte die Förderung davon abhängig, ob der Beruf des Antragstellers in der Negativliste aufgeführt ist oder nicht (Runderlaß Nr. 10/79 S 7, Ziff 1.02). Abgesehen von diesem vereinfachten Verfahren nimmt sie für den Fall, daß der Beruf in der Negativliste aufgeführt ist, eine Einzelfallprüfung vor, ob die Arbeitsaufnahme des Anspruchstellers von der Berliner Wirtschaft benötigt wird. Mit diesen Regelungen hat die Beklagte den ihr eröffneten Beurteilungsspielraum in einer dem Regelungszweck des § 1 Abs. 1 RL entsprechenden Weise begrenzt.

Die Einordnung bzw Nichteinordnung in die entsprechende Liste ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht von einem formellen Nachweis über die berufliche Qualifikation des Anspruchstellers abhängig. Eine solche Verfahrensweise im vereinfachten Verfahren ist vom Regelungsinhalt des § 1 Abs. 1 der RL nicht gedeckt. Aus dem Wortlaut „Arbeitnehmer, die von der Berliner Wirtschaft benötigt werden”, ergibt sich, daß die zukünftige Tätigkeit das alleinige Abgrenzungskriterium darstellt. Der Anspruchsteller muß geeignet sein, die fachlichen Anforderungen der aufzunehmenden Tätigkeit zu erfüllen. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß es dabei auf eine formelle Qualifikation nicht ankommt. Es reicht aus, daß der Betroffene ungeachtet des Fehlens der dafür erforderlichen Ausbildung und Prüfung die Tätigkeit vollwertig ausüben kann. Davon ist auszugehen, wenn der Anspruchsteller über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten verfügt, welche in seiner Berufsgruppe gemeinhin erwartet werden. Dem entspricht es, daß § 1 Abs. 1 der RL Facharbeiter nur beispielhaft als eine zu fördernde Zielgruppe nennt. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG entsprechen die Leistungen des Klägers denen eines ausgebildeten Putzers. Diese Feststellung reicht für die Beurteilung des Förderungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt der beruflichen Leistungsfähigkeit aus.

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte demgegenüber darauf, daß der Verzicht auf den Nachweis einer formellen Qualifikation ein rationelles Verwaltungshandeln unmöglich mache. Sie verkennt dabei zunächst, daß die Ausfüllung des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums nach Maßgabe der zugrundeliegenden Rechtsvorschrift zu erfolgen hat. Der § 1 Abs. 1 der RL bezweckt aber die Erhaltung und Stärkung der Leistungsfähigkeit der Berliner Wirtschaft und dient nicht der Erleichterung des Verwaltungsverfahrens. Darüber hinaus besteht nach Auffassung des Senats durchaus die Möglichkeit, in sachgerechter Weise die berufliche Qualifikation eines Anspruchstellers ohne Berufszeugnisse festzustellen. So könnte die Beklagte die Einordnung in die von der Liste aufgeführten Berufe hier zB davon abhängig machen, ob der Anspruchsteller in seiner neuen Tätigkeit entsprechend dem Ausbildungsberuf entlohnt wird. Die tarifliche Entlohnung erscheint als ein relativ zuverlässiges Indiz für den qualitativen Wert der entlohnten Tätigkeit. Ferner, ggfs zusätzlich kann die Beklagte den neuen Arbeitgeber über die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitnehmers hören. Zwar soll das Überbrückungsgeld nach § 11 Abs. 4 RL für den ersten Monat bereits bei der Arbeitsaufnahme gezahlt werden. Im gegebenen Fall kann jedoch die Beklagte, wenn der Anspruchsteller nicht in der Lage ist, Nachweise über seine formelle Qualifikation vorzulegen, ihre Entscheidung von dem Ergebnis der Anhörung des Arbeitgebers abhängig machen. Im vorliegenden Falle folgt jedenfalls aus den Feststellungen des LSG, daß der Kläger zu den Arbeitnehmern gehört, die iS von § 1 Abs. 1 RL von der Berliner Wirtschaft benötigt wurden. Der Kläger ist als Putzer anzusehen, und nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG ist diese Tätigkeit in der Negativliste nicht enthalten. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit eines Verputzerhelfers von der Negativliste aufgeführt wird. Die maßgebliche Negativliste führt unter Nr. 470 lediglich den Bauhilfsarbeiter auf, den die Beklagte offenbar mit einem Verputzerhelfer gleichsetzt (vgl. Runderlaß Nr. 160/78).

Der Kläger gehört auch dem durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 RL begünstigten Personenkreis an. Nach dieser Vorschrift ist es unter anderem erforderlich, daß die Arbeitsaufnahme unter Mitwirkung der BA durchgeführt wird. Soweit die Durchführungsanweisungen bei der Arbeitsaufnahme von Ausländern eine konkrete Vermittlung des Arbeitsplatzes durch die Beklagte erfordern, sind sie unbeachtlich. Der Senat hat bereits entschieden, daß es nicht darauf ankommt, daß die Beklagte dem Arbeitnehmer die Beschäftigung vermittelt hat (Urteil des BSG vom 1. August 1978 – 7 RAr 25/77 –). Dem Leistungszweck des § 1 Abs. 1 RL ist zu entnehmen, daß eine ausreichende Mitwirkung iS des § 2 Abs. 1 Nr. 1 RL gegeben ist, wenn das zuständige Arbeitsamt in sachgerechter Weise feststellt, ob der Beruf des Antragstellers von der Berliner Wirtschaft benötigt wird. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt auch bei der Arbeitsaufnahme ausländischer Arbeitnehmer. Dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 1 RL, wonach die Leistungen an „Arbeitnehmer aus dem Bundesgebiet” gewährt werden, ist nicht zu entnehmen, daß der förderungsfähige Personenkreis auf deutsche Arbeitnehmer beschränkt ist. Der § 1 der 14. DVO zum AVAVG umschreibt und begrenzt den begünstigten Personenkreis ebenso wie § 2 Abs. 1 der RL eindeutig. Aufgrund dieser Bestimmung ist die Beklagte berechtigt. Förderungsleistungen auf Personen zu beschränken, die zuvor ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatten. Damit ist aber der von der 14. DVO zum AVAVG erfaßte Personenkreis erschöpfend rechtlich eingegrenzt. Sowenig die Beklagte befugt ist, andere und weitergehende Leistungen, als in den RL normiert, zu erbringen, ist sie berechtigt, den begünstigten Personenkreis einzuschränken. Auch arbeitsmarktpolitische Gesichtspunkte rechtfertigen dies nicht. Zwar hat die Beklagte bei Erfüllung ihrer Aufgaben die arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen der §§ 1, 2 AFG zu beachten. Welche Rechte und Pflichten der Beklagten bei der Ausführung der Richtlinien obliegen, ist jedoch abschließend der 14. DVO zum AVAVG und den sie ergänzenden Richtlinien zu entnehmen. Diese Regelungen sehen keine unterschiedliche Behandlung der Arbeitsaufnahme deutscher und ausländischer Arbeitnehmer vor. Aus diesen Gründen ist auch das Argument der Beklagten unbeachtlich, wonach die Ungleichbehandlung wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel gerechtfertigt sei.

Die Mitwirkung der Beklagten ist als erfolgt anzusehen. Dafür kommt es hier nicht darauf an, daß die Beklagte dabei zu einem für den Kläger negativen Ergebnis gelangt ist. Sie hat im Verwaltungsverfahren eine Einzelfallüberprüfung vorgenommen und festgestellt, daß ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse nicht vorliege. Diese Verfahrensweise war jedoch nicht sachgerecht. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß die Beklagte die Gewährung von Überbrückungsgeld nicht mit der Begründung ablehnen darf, die Beschäftigung des Anspruchstellers sei arbeitsmarktpolitisch nicht zweckmäßig (BSGE 45, 142, 151 f = SozR 4720 Nr. 3; Urteil des BSG vom 1. August 1978 – 7 RAr 25/77 S 13); denn der Begriff des arbeitsmarktpolitischen Interesses in dem von der Beklagten verwendeten Sinne entspricht nicht der nach § 1 Abs. 1 RL vorgegebenen Zweckbestimmung, wonach es lediglich auf die Frage der Erhaltung oder Stärkung der Berliner Wirtschaft ankommt. Zwar hat die Beklagte in der hier geltenden Fassung ihrer Durchführungsanweisungen (Runderlaß Nr. 10/79 S 8) den früher verwendeten Begriff des „besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses” (vgl. Runderlaß Nr. 104/76) ersetzt durch die Umschreibung „besonderes Interesse”. Gleichwohl wendet sie jenes Abgrenzungskriterium, wie sich aus dem Bescheid der Beklagten vom 26. November 1981 ergibt, unverändert weiter an. Das ist rechtswidrig. Eine sachgerechte Mitwirkung der Beklagten an der Arbeitsaufnahme hätte die Prüfung der Förderungsfähigkeit des Klägers im vereinfachten Verfahren erfordert. Dazu war sie aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet. Die ständige Anwendung von Verwaltungsvorschriften kann die Beachtung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebieten und eine Selbstbindung der Verwaltung hervorrufen (BSG SozR 2200 § 611 Nr. 2 mwN; Urteil des BSG vom 9. September 1986 – 7 RAr 39/85 ebenfalls mwN). Eine für die Selbstbindung zu fordernde gesetzmäßige ständige Anwendung von Verwaltungsvorschriften ist vorliegend gegeben. Nach den Feststellungen des LSG entspricht es der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten, in gleichgelagerten Fällen bei deutschen Arbeitnehmern im Wege des vereinfachten Verfahrens die Förderungsfähigkeit nach § 1 Abs. 1 RL festzustellen. Dieses vereinfachte Verfahren entspricht den gesetzlichen Voraussetzungen (BSGE 45, 142, 148 = SozR 4720 Nr. 3). Aus den förderungsrechtlichen Bestimmungen ergibt sich – wie bereits ausgeführt – kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Verfahrensweise bei ausländischen Arbeitnehmern. Da die Beklagte somit eine sachgerechte Mitwirkung pflichtwidrig unterlassen hat, ist es ihr verwehrt, sich auf die fehlende Mitwirkung zu berufen.

Der Kläger erfüllt auch die weiteren Förderungsvoraussetzungen nach § 2 RL. Er hat eine Beschäftigung im Land Berlin als Arbeitnehmer für die Dauer mindestens eines Jahres aufgenommen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 RL). Der erkennende Senat hat ausgeführt, daß es sich hierbei um eine Rechtsbedingung handelt, die bei der Arbeitsaufnahme oder einer davor liegenden Antragstellung als ernsthafte Absicht der Arbeitsvertragsparteien feststellbar sein muß. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der RL ist erforderlich, aber auch ausreichend, daß in diesem Zeitpunkt nach den Planungen der Beteiligten eine zumindest einjährige Beschäftigung beabsichtigt wird (BSGE 45, 142, 144 = SozR 4720 Nr. 3; Urteil des BSG vom 1. August 1978 – 7 RAr 25/77 – und vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 43/82 –). Diese Voraussetzung war hier gegeben, denn aus den Feststellungen des LSG folgt, daß das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zur Fa. R. unbefristet eingegangen worden ist. Für das Entstehen des Anspruchs ist es unschädlich, daß der Kläger nach vier Monaten wegen Arbeitsmangels entlassen wurde und er auch einschließlich der Zeiten seines zweiten Beschäftigungsverhältnisses tatsächlich nicht für die Dauer eines Jahres beschäftigt worden ist. Maßgebend für den Förderungsanspruch ist allein der Ablauf, wie er sich bei der Arbeitsaufnahme prognostisch darstellt (Urteil des BSG vom 17. Mai 1983 – 7 RAr 43/82 –). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung kann daher nur die Frage sein, ob die von den Beteiligten getroffene Prognose den an sie zu stellenden Anforderungen genügt, nicht aber, ob die Prognose durch die spätere tatsächliche Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist. Eine ernsthafte Absicht der Arbeitsvertragsparteien, ein Beschäftigungsverhältnis über die Dauer von mindestens einem Jahr zu führen, ist deshalb dann nicht mehr gegeben, wenn schon bei der Arbeitsaufnahme in Berlin zuverlässig abzusehen ist, daß das Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf des Jahres enden wird. Insbesondere gesundheitliche Einschränkungen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen oder die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers können Gesichtspunkte darstellen, die im konkreten Falle eine längere Beschäftigung als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Für eine derartige Sachlage besteht im vorliegenden Falle jedoch kein Anhalt.

Der Anspruch des Klägers ist nicht durch seine vom 13. Januar bis 28. März 1982 andauernde Arbeitslosigkeit und durch die Beendigung des zweiten Beschäftigungsverhältnisses am 4. November 1982 weggefallen. Zwar ist die tatsächliche Entwicklung des Beschäftigungsverhältnisses für das Entstehen des Anspruchs ohne Bedeutung. Gleichwohl können in Fällen, in denen infolge einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, die wirkliche Entwicklung von der zutreffend aufgestellten Prognose wesentlich abweicht, die Leistungsvoraussetzungen in bestimmten Fällen nachträglich entfallen. Dies ergibt sich aus § 4 der RL. Danach sind Leistungen zurückzuzahlen, wenn sie entweder aufgrund falscher Angaben zu Unrecht gewährt worden sind oder der mit der Leistung bezweckte Erfolg durch ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers nicht erreicht worden ist. Der Senat hat bereits entschieden, daß kurzfristige Unterbrechungen bei einem Arbeitsplatzwechsel unvermeidbar sind und sich auf die einjährige Beschäftigungsdauer nicht auswirken (BSGE 45, 142, 145 = SozR 4720 Nr. 3). Hier handelt es sich zwar nicht um kurzfristige Unterbrechungen in diesem Sinne, gleichwohl sind sie unschädlich, denn der Kläger hat sie nicht schuldhaft verursacht. Seine Arbeitslosigkeit ist durch die arbeitgeberseitige Kündigung wegen Arbeitsmangels hervorgerufen worden. Die Arbeitslosigkeit des Klägers hat daher zu keinem Wegfall des Anspruchs geführt. Auch während der Arbeitslosigkeit besteht ein Anspruch des Klägers auf die Zahlung des Überbrückungsgeldes. Mit dem Überbrückungsgeld werden in pauschalierter Form die nicht im einzelnen geregelten Mehraufwendungen abgegolten, und zwar Mehraufwendungen (zB für Verpflegung, Unterkunft und die tägliche Fahrt zur Arbeitsstelle, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 RL), die in den ersten Monaten durch die Anpassung an die neue Umgebung entstehen (BSG SozR 4720 Nr. 2). Aus der beispielhaften Aufzählung des § 11 Abs. 1 Satz 2 RL ergibt sich, daß der Aufwendungsersatz nicht nur wegen der Ausgaben gewährt werden soll, die unmittelbar durch eine konkrete Arbeitstätigkeit anfallen. Vielmehr sind danach allgemein die Mehraufwendungen, die in Unkenntnis der jeweiligen Lebensverhältnisse bei der Arbeitsaufnahme in Berlin unvermeidbar anfallen, pauschal zu ersetzen. Mit Ausnahme der Fahrkosten zur Arbeitsstelle fallen diese Mehraufwendungen auch während der Arbeitslosigkeit an. Sofern die Arbeitslosigkeit nicht schuldhaft hervorgerufen worden ist, sind daher die Leistungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RL zu gewähren. Von einer Fortdauer des Anspruches in diesen Fällen geht offenbar auch die Beklagte aus. Nach ihrer Durchführungsanweisung im Runderlaß Nr. 10/79 (Ziff 2.06) können die Leistungen weitergewährt werden, wenn der Arbeitnehmer die geförderte Tätigkeit unverschuldet verloren hat und arbeitslos gemeldet ist. Diese Voraussetzungen hat der Kläger erfüllt.

Auch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Fa. N. am 4. November 1982 führte nicht zum Wegfall des Anspruchs. Zwar hat dieser Arbeitgeber ausweislich der Arbeitsbescheinigung den Kläger wegen „ungenügender Arbeitsleistung” entlassen; ob der Kläger diesen Arbeitsplatz schuldhaft verloren hat, kann dahinstehen. Zum Zeitpunkt dieser Kündigung war der Kläger bereits mehr als ein Jahr in Berlin als anspruchsbegründend beschäftigt anzusehen. Die Zeiten seiner unverschuldeten Arbeitslosigkeit waren – wie ausgeführt – keine anspruchschädigende Unterbrechung dieser Zeit. Ihre Berücksichtigung insgesamt für die Beschäftigungsdauer steht dem mit den einzelnen Leistungen bezweckten Erfolg nicht entgegen. Unterbrechungen dieser Art. spielen für den Fortbestand des Leistungsanspruchs keine Rolle, solange daraus nicht auf eine endgültige Lösung von der Beschäftigung in Berlin zu schließen ist. Dies war jedoch beim Kläger gerade nicht der Fall, da er nach Beendigung seiner Arbeitslosigkeit nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG eine förderungsfähige Arbeitsstelle angenommen hatte.

Nach allem ist die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI921562

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