Verfahrensgang
SG Stuttgart (Urteil vom 23.07.1991) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 23. Juli 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die Klägerin anläßlich der Geburt ihres Kindes Madiha (M.) am 19. Oktober 1989 Anspruch auf Erziehungsgeld (ErzG) für die Zeit von der Geburt bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 4. April 1990 hat.
Die Klägerin ist pakistanische Staatsangehörige und rechtskräftig anerkannte Asylantin. Von Mai 1984 bis zum 3. April 1990 war sie im Besitz einer mehrmals verlängerten Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Dem Antrag der Klägerin auf ErzG hat die Beklagte erst im Widerspruchsverfahren mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 1990 teilweise stattgegeben und ihr ab dem Tag der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ErzG bewilligt. Im übrigen hat sie den Widerspruch zurückgewiesen, da die Klägerin in dem davorliegenden Zeitraum nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gewesen sei. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Juli 1991).
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs 1 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG), der Art 3 und 6 Grundgesetz (GG), des in den Art 20 und 28 GG zum Ausdruck kommenden Rechts- und Sozialstaatsprinzips sowie des Art 24 Nr 1 Buchst b der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FlüAbk). Nach ihrer Auffassung darf es ihr nicht zum Nachteil gereichen, wenn ihre Asylberechtigung erst nach jahrelangen Gerichtsverfahren festgestellt und die entsprechende Aufenthaltserlaubnis erst im Anschluß daran erteilt werde. Zumindest sei die Leistung nach pflichtgemäßem Ermessen zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihr ErzG für das Kind Madiha auch für die Zeit vom 19. Oktober 1989 bis zum 3. April 1990 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die vom SG zugelassene Sprungrevision ist zulässig (§ 161 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), aber unbegründet. Das SG hat die Klage auf ErzG für die noch streitige Zeit vom 19. Oktober 1989 bis zum 3. April 1990 zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin nicht die erforderliche Aufenthaltserlaubnis gehabt habe.
Der Anspruch beurteilt sich nach § 1 Abs 1 BErzGG idF durch das Gesetz zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften (BErzGGÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I S 1297), die mit Wirkung vom 1. Juli 1989 anzuwenden ist (Art 8 Abs 1 BErzGGÄndG). Der Anspruch eines Ausländers auf ErzG setzt nach dieser Vorschrift neben dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes voraus ua, daß er „im Besitz einer Aufenhaltsberechtigung oder Aufenhaltserlaubnis ist, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist”. Art 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBl I S 1354) hat den Satz 2 zur Anpassung an die Neuregelung der Aufenthaltsgenehmigung (§§ 28 bis 35 AuslRNG) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 (Art 15 Abs 2 AuslRNG) wie folgt geändert: „Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist.” Die letztgenannte Änderung erfaßt nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich den streitigen Anspruchszeitraum nicht.
Während in der Zeit bis zum Inkrafttreten des BErzGGÄndG am 1. Juli 1989 eine nachträgliche Anerkennung als Asylberechtigter dazu führen konnte, den Anspruch auf ErzG rückwirkend zu begründen (vgl BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr 7), gilt das seit diesem Zeitpunkt nicht mehr. § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG hat insofern eine Änderung gebracht, als seit dem 1. Juli 1989 Ausländer generell nur Anspruch auf ErzG haben, wenn sie im fraglichen Leistungszeitraum eine Aufenthaltsberechtigung oder eine nicht zweckgebundene Aufenthaltserlaubnis in Form eines Verwaltungsaktes besitzen. Das hat der erkennende Senat mit Urteil vom 24. März 1992 – 14b/4 REg 23/91 – zur Veröffentlichung bestimmt -bereits entschieden. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Der Anspruch der Klägerin scheitert somit daran, daß sie während des streitigen Leistungszeitraums nur eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens und damit nur eine zweckgebundene Aufenthaltserlaubnis hatte.
Der Senat hat in dem angeführten Urteil im einzelnen ausgeführt, daß der Gesetzgeber mit der vorgenommenen Gesetzesänderung als Anspruchsvoraussetzung für ErzG bei Ausländern einen gesicherten Aufenthaltsstatus vorgeschrieben hat, der in Form einer nicht nur vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis nachgewiesen werden muß. Die ausländerbehördliche Entscheidung über das Aufenthaltsrecht hat insoweit Tatbestandswirkung für den Anspruch auf ErzG. Das gilt auch für Asylbewerber, die wie die Klägerin während des Asylverfahrens regelmäßig nur eine Aufenthaltsgestattung gemäß § 20 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) zum Zwecke der Durchführung des Asylverfahrens erhalten. Für später anerkannte Asylbewerber macht das Gesetz keine Ausnahme. Der Gesetzgeber durfte auch für anerkannte Asylbewerber die Gewährung von ErzG an den Besitz einer nicht nur vorübergehenden Aufenthaltserlaubnis binden, ohne gegen Verfassungsrecht oder internationale Abkommen zu verstoßen. Im einzelnen gelten auch hier folgende Ausführungen des genannten Urteils:
„Der Gesetzgeber hat der dem Asylanten nach seiner Anerkennung zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis keine generelle Rückwirkung beigemessen, die für Folgeansprüche zu beachten wären. § 29 Abs 1 AsylVfG schreibt nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung lediglich die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vor. Dem § 19 Abs 3 AsylVfG, der durch das AuslRNG nicht geändert wurde, ist zwar im Umkehrschluß zu entnehmen, daß die Zeit eines Aufenthalts zur Durchführung des Asylverfahrens in Fällen, in denen der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes abhängig ist, dann anzurechnen ist, wenn der Ausländer unanfechtbar anerkannt worden ist. Der Anspruch auf ErzG hängt jedoch nicht von der bisherigen Dauer des Aufenthalts, sondern allein von der Aufenthaltserlaubnis ab.
Dem AsylVfG kann auch im Hinblick auf die Verbürgung des Asylrechts in Art 16 Abs 2 Satz 2 GG nicht entnommen werden, daß später anerkannte Asylanten allgemein rückwirkend anerkannt werden. Deklaratorische Bedeutung und eine damit verbunde Rückwirkung hat die Anerkennungsentscheidung nur hinsichtlich der anerkannten Asylberechtigung selbst. Die Rückwirkung betrifft nur die Rechtmäßigkeit des früheren Aufenthalts, nicht aber die Rechtmäßigkeit früher verfügter Einschränkungen der Freizügigkeit.
Demgemäß wird die Rückwirkung in § 19 Abs 3 AsylVfG auf den Aspekt der Dauer des Aufenthalts beschränkt. Soweit der später anerkannte Asylant während des vorangegangenen Verfahrens im Vergleich zu sofort anerkannten Asylanten Einschränkungen hinnehmen mußte, zB in seiner Freizügigkeit oder hinsichtlich einer Arbeitserlaubnis, ist ein Ausgleich nicht vorgesehen. Derartige Einschränkungen sind nicht nur für die später abgelehnten Asylbewerber rechtmäßig, sondern für alle. Die Aufenthaltsbeschränkung des Asylbewerbers auf den Bezirk der für ihn zuständigen Ausländerbehörde (BVerfG vom 7. Juli 1983, NVwZ 1983, 603) und die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften (BVerfG vom 20. September 1983, NJW 1984, 558) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Gestattung nach § 20 AsylVfG ist dem aus Art 16 Abs 2 Satz 2 GG folgenden einstweiligen Bleiberecht in diesem Stadium des Verfahrens Genüge getan (BVerfG vom 7. Juli 1983, NVwZ 1983, 603, 604). Anerkannte Asylanten können eine Nachzahlung von Sozialleistungen, die ihnen bei einer sofortigen Anerkennung zugestanden hätten, nur verlangen, soweit das in dem jeweils maßgebenden Leistungsgesetz vorgesehen ist. Das ist im BErzGG 1989 nicht der Fall.
Der § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG 1989 enthält keine Gesetzeslücke. Er gilt auch für Asylbewerber, deren Asylrecht später anerkannt wird. Auch deren Anspruch auf ErzG entsteht erst mit dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die Vorschrift betrifft nach ihrem Wortlaut uneingeschränkt alle „Ausländer”, also auch Asylbewerber. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhalt, daß Asylbewerber, die später anerkannt werden, ausgenommen werden sollten.
Nach § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG idF durch das AuslRNG begründet die Aufenthaltsgestattung des Asylbewerbers (§ 20 AsylVfG) keinen Anspruch auf ErzG. Die Aufenthaltsgestattung bescheinigt einen legalen Aufenthalt, ist aber keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern ein kraft Gesetzes bestehender legaler Aufenthaltsstatus (BT-Drucks 11/6321 Seite 55). Auch in den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift fehlt jeder Anhalt, daß der Ausschluß vom ErzG im Falle später anerkannter Bewerber nicht gelten soll.
Die Einfügung der Vorschrift in das BErzGGÄndG ist erst in der Ausschußberatung erfolgt. Nach ihrer Begründung soll die Festlegung, daß die Aufenthaltserlaubnis, die nur für einen vorübergehenden Zweck erteilt worden ist, nicht ausreicht, insbesondere Studenten und Werkvertragsarbeitnehmer erfassen; für Angehörige von Mitgliedstaaten der EG gelte diese Einschränkung nicht (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1). Der Einwand, wenn das Gesetz auch später anerkannte Asylanten habe treffen sollen, wäre dies in der Begründung ausgesprochen worden, überzeugt schon deswegen nicht, weil auch die weit größere Gruppe der später abgelehnten Asylanten nicht genannt wird. Die für die Leistungseinschränkung gegebene Begründung, daß Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis haben, so daß der Zweck des ErzG, die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden könne (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr 1), trifft auf Asylbewerber unabhängig davon zu, ob diese später anerkannt werden oder nicht. Das spricht dafür, daß der Gesetzgeber Asylbewerber unabhängig von einer späteren Anerkennung ausschließen wollte.
Nach dem vor dem BErzGG 1989 geltenden Recht konnte bei Asylbewerbern erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über das Asylrecht über den gewöhnlichen Aufenthalt und damit über den Anspruch auf ErzG entschieden werden. Das hatte zur Folge, daß die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bis zur abschließenden Entscheidung über das Asylrecht auszusetzen waren (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 6). Die Neuregelung knüpft auch im Interesse einer einfachen Verwaltungsabwicklung an die Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung an. Der erstrebten einfachen Verwaltungsabwicklung würde es zuwiderlaufen, wenn für Asylbewerber weiterhin ein Zwang zur Verfahrensaussetzung bestünde.
Eine Ausnahme vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis für später anerkannte Asylanten oder eine Rückwirkung der diesen aufgrund ihrer Anerkennung erteilten Aufenthaltserlaubnis kann auch nicht auf § 3 Abs 1 AsylVfG iVm Art 24 der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FlüAbk) vom 28. Juli 1951 (BGBl 1953 II 559) gestützt werden. Nach § 3 Abs 1 AsylVfG genießt der Asylberechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechtsstellung nach dem FlüAbk. Betroffen sind nur Flüchtlinge, die dem Flüchtlingsbegriff des Art 1 FlüAbk unterfallen und die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Konventionsstaates befinden. Das ist bei einem in das Bundesgebiet eingereisten Asylbewerber in aller Regel erst dann der Fall, wenn er als politisch Verfolgter unanfechtbar anerkannt worden ist (BVerfGE 60, 253, 290); zuvor kann er sich lediglich auf „das mit dem Antrag auf Asyl gesetzlich eintretende vorläufige Bleiberecht” (BVerfGE 67, 43, 59) berufen, das ihm zwar Sicherheit vor dem befürchteten Zugriff des angeblichen Verfolgerstaates gewährt, aber keine Freizügigkeit begründet (BVerfGE 80, 182, 187 f), und auch die sonstigen Rechte nach dem FlüAbk nicht auslöst. Im übrigen wird der Anspruch auf ErzG durch das FlüAbk nicht gewährleistet. Art 24 Abs 1 Buchst a FlüAbk betrifft nur diejenigen Familienbeihilfen, die als Teil des Arbeitslohnes gezahlt werden. Ob das ErzG zur Sozialen Sicherheit iS von Art 24 Abs 1 Buchst b FlüAbk gehört, kann offenbleiben. Denn diese Regelung läßt besondere Bestimmungen unberührt, die nach dem im Aufenthaltsland geltenden Recht vorgeschrieben sind und die Leistungen betreffen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden (aaO unter ii), wie das beim ErzG der Fall ist. Die Rechtsprechung hat aus diesen Erwägungen den Ausschluß der später anerkannten Asylanten von dem in Baden-Württemberg gewährten Familiengeld (BVerwG Buchholz 402.22 Art 23 GK Nr 1) und dem niedersächsischen Babygeld (BVerwG vom 13. Juni 1988 – 7 B 207/87 –) nicht als abkommenswidrig angesehen.
Die nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für Ausländer geltende Regelung kann zur Klärung nicht beitragen. Sie ist zeitgleich durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des BKGG (12. BKGG-ÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1294) in § 1 Abs 3 BKGG erfolgt. Danach haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, einen Kindergeldanspruch nur, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig ist oder wenn sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden. Der Anspruch ist frühestens für die Zeit ab einem Jahr nach dem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt des Ausländers gegeben. § 1 Abs 3 BKGG knüpft anders als § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG 1989 nicht an die Entscheidung der Ausländerbehörde an, sondern ist als Prognosevorschrift ausgestaltet …”
„… Der Senat verkennt nicht, daß die Dauer des Asylverfahrens und des anschließenden Aufenthaltserlaubnisverfahrens in Anbetracht der Beschränkung des ErzG auf die erste Lebensphase des Kindes zu Härten führen kann. Das hat der Gesetzgeber indes bei der Regelung berücksichtigt, wie der Vergleich mit der im Kindergeld getroffenen Regelung zeigt. Die Möglichkeit, die mit der Verfahrensdauer verbundenen Härten dadurch zu mildern, daß nicht auf die Aufenthaltserlaubnis, sondern auf die zeitlich früher liegenden Tatbestände entweder der rechtskräftigen Anerkennung des Asylrechts oder schon der Anerkennung durch das Urteil erster Instanz abgestellt wird, war dem Sozialgesetzgeber geläufig. So endet etwa die Wartezeit für eine Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs 1c des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylbewerber als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Das schließt die Annahme einer Gesetzeslücke aus. An die gesetzliche Wertung sind die Gerichte in den Grenzen der Verfassung gebunden.
Die auf die Tatbestandswirkung der Aufenthaltserlaubnis abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig.
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 des GG), daß der Gesetzgeber die jeweils geforderte Verfestigung des Aufenthalts für die verschiedenen Ansprüche unterschiedlich umschreibt. Der in der Gesetzesbegründung gegebene Hinweis, daß Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis haben, so daß der Zweck des ErzG, die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden könne (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr 1), mag es auch zulassen, wie in § 19 Abs 1c AFG auf einen früheren Zeitpunkt abzuheben. Verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende ErzG-Bewilligung vorzusehen, zumal eine nachträgliche Leistung dem Zweck des ErzG nicht entspricht.
Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig. Sie macht zwar den Anspruch auf ErzG auch von Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs abhängig (Bode, Streit 1990, 26). Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, daß ein Sozialleistungsanspruch von der Tatbestandswirkung einer anderweit getroffenen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat das auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl zB zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs: BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr 1). Der Gefahr einer rechtsmißbräuchlichen Verzögerung kann anderweit ausreichend begegnet werden. Der Beteiligte, der durch eine frühzeitige Entscheidung begünstigt wird, kann im vorgreifenden Verfahren sein Recht auf eine zeitgerechte Entscheidung verfolgen. In den vorgreifenden Verfahren, hier in den Verfahren über die Anerkennung des Asylrechts und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, ist eine im Hinblick auf das nachgehende Verfahren begründete Eilbedürftigkeit zu berücksichtigen. Hierauf kann der Beteiligte grundsätzlich verwiesen werden.”
Diesen Ausführungen ist im Hinblick auf das Revisionsvorbringen ergänzend hinzuzufügen, daß auch aus § 6 Abs 1 GG kein Anspruch herzuleiten ist, bei der nachträglichen Anerkennung des Asylrechts ErzG rückwirkend zu gewähren. Diese Grundgesetznorm verpflichtet den Gesetzgeber zwar, die Familie auch in ihrem wirtschaftlichen Zusammenhalt durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Wie die Förderung konkret erfolgt, bleibt aber der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassen (vgl BVerfGE 39, 316, 326 = SozR 2600 § 60 Nr 1; BVerfGE 82, 60, 81 mwN = SozR 3-5870 § 10 Nr 1; neuerdings BVerfG, Beschluß vom 7. Juli 1992 – 1 BvL 51/86 –). Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Familie war im übrigen auch schon nach dem vor dem 1. Juli 1989 geltenden Recht bei der Entscheidung über den Aufenthalt zu berücksichtigen (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 3 mit Hinweis auf BVerfG DÖV 1990, 570).”
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ihr beim Fehlen der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen ErzG auch nicht als Ermessensleistung zuerkannt werden. Dafür bietet das BErzGG keine gesetzliche Grundlage. Sozialleistungen wie das ErzG dürfen aber nur auf einer gesetzlichen Grundlage gewährt werden (§§ 31, 38, 39 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil ≪SGB I≫).
Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, daß die Formulierung des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG „für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, …” es zuläßt, beim Fehlen dieser Voraussetzung ErzG zumindest als Ermessensleistung zu gewähren. Auch für Ermessensleistungen bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Das gilt auch dann, wenn es sich – was die Klägerin für sich in Anspruch nimmt – um einen Härtefall handelt. Die Verwaltung darf auch in Fällen besonderer Härte Leistungen nur dann erbringen, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Das BErzGG enthält in § 1 Abs 7 (idF durch das Erste und Zweite Gesetz zur Änderung des BErzGG vom 17. Dezember 1990 und 6. Dezember 1991 ≪BGBl I 1990, S 2823 und 1991, S 2142≫) eine Regelung von Härtefällen, die es der Verwaltung erlaubt, beim Vorliegen bestimmter Gründe auf seiten eines Elternteils von dem Erfordernis der persönlichen Kindesbetreuung, der Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit oder dem Recht der Personensorge abzusehen. Darunter fällt die Klägerin nicht. Diese Härtefallregelung gilt abschließend. Der Gesetzgeber hat – im Gegensatz etwa zu § 89 Bundesversorgungsgesetz (BVG) – keine Veranlassung gesehen, eine allgemeine Härteklausel einzuführen, um allen erdenklichen Härten im Zusammenhang mit der Gewährung von ErzG Rechnung tragen zu können. Er hat auch keine Veranlassung gesehen, zumindest für später anerkannte Asylbewerber eine besondere Härteklausel einzuführen, obwohl ihm die lange Dauer von Asylverfahren bekannt ist und seit vielen Jahren beschäftigt. Der Hinweis der Klägerin auf Ermessensleistungen für Ausländer in anderen Teilen des Sozialgesetzbuchs hilft nicht weiter. Soweit die Klägerin § 120 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erwähnt, sieht das Gesetz dort ausdrücklich in Abs 2 vor, daß für Ausländer, soweit kein Rechtsanspruch auf Sozialhilfe besteht, Sozialhilfe als Ermessensleistung gewährt werden kann. Die erforderliche gesetzliche Ermächtigung auch für Ermessensleistungen liegt dort vor. Der Grundsatz, daß Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen ohne gesetzliche Grundlage nicht erbracht werden dürfen, wird auch durch den Hinweis der Klägerin auf § 6 Abs 2 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) – Sozialgesetzbuch – Achtes Buch -SGB VIII) und die dazu im Schrifttum vertretene Auslegung nicht in Frage gestellt. Nach der genannten Vorschrift können Ausländer Leistungen nach dem SGB VIII nur beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Schellhorn/Wienand (Kommentar zum KJHG, § 6 RdNrn 9 und 15) und Mrozynski (Das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz, § 6 Anm 2 d) vertreten dazu zwar die Auffassung, daß der Träger der Jugendhilfe beim Fehlen eines Rechtsanspruchs des Ausländers auf Leistungen nicht gehindert sei, nach Ermessensgesichtspunkten solche Leistungen an Ausländer zu gewähren. Dies entspricht einer Rechtsauslegung, wie sie zum früheren Gesetz für Jugendwohlfahrt (JWG), dem Vorläufer des KJHG, für ausländische Kinder vertreten wurde (vgl Friedeberg/Polligkeit/Giese, Das Gesetz für Jugendwohlfahrt, 3. Aufl 1972, § 1 Anm 4 b mit Rechtsprechungsnachweisen). Es ist allerdings zweifelhaft, ob diese Rechtsauslegung auch für das KJHG zutrifft, das erstmals subjektive Rechte ausdrücklich eingeräumt hat (vgl dazu Mainberger in Hauck/Haines, SGB VIII, K § 6 RdNr 2). Der Senat muß dies nicht abschließend entscheiden. Denn selbst wenn aus der Systematik des KJHG gefolgert werden müßte, daß Leistungen der Jugendhilfe an Ausländer beim Fehlen eines Rechtsanspruchs auch nach pflichtgemäßem Ermessen erbracht werden dürfen, so würde dies sich auf den Bereich des SGB VIII beschränken und dort die erforderliche Ermächtigungsgrundlage bilden. Ohne eine solche Ermächtigungsgrundlage kann von dem Grundsatz des § 31 SGB I, daß Sozialleistungen nur aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erbracht werden dürfen, im SGB VIII ebensowenig abgewichen werden, wie im Bereich des BErzGG, das gemäß Art II § 1 Nr 20 SGB I als besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs gilt;
§ 37 Satz 3 SGB I macht § 31 SGB I für alle Teile des Sozialgesetzbuchs verbindlich. Soweit die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Gewährung von Leistungen auch ohne gesetzliche Ermächtigung zugelassen hat, sofern die dafür erforderlichen Mittel durch Haushaltsgesetz bereitgestellt worden sind (vgl BSGE 54, 286 = SozR 3870 § 8 Nr 1; SozR 1200 § 31 Nr 1), handelte es sich um die Durchführung zeitlich und der Höhe der Mittel nach begrenzter, dringlicher Maßnahmen im Bereich der Wirtschafts- und Arbeitsförderung und nicht – wie bei Sozialleistungen im allgemeinen und dem ErzG im besonderen – um Daueraufgaben der Verwaltung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen