Leitsatz (redaktionell)

Ist durch das BVerfG die Nichtigkeit einer Norm des Versorgungsrechts ausgesprochen worden, weil diese hinsichtlich ihrer materiell-rechtlichen Aussage als verfassungswidrig angesehen werden muß, so wirkt diese Nichtigkeitserklärung grundsätzlich nur für die Zukunft.

 

Normenkette

BVG § 85 Fassung: 1950-12-20, § 89 Fassung: 1964-02-21; BVerfGG § 79 Abs. 2 Fassung: 1951-03-12

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14. Dezember 1967 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Klägerin ist am 23. Oktober 1944 geboren. Ihre Mutter ist im April 1945 bei einem Fliegerangriff umgekommen. Am 1. Dezember 1963 beantragte ihr Vater als gesetzlicher Vertreter die Gewährung der Waisenrente, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Entscheidung vom 24. Juli 1963 die an die Gewährung dieser Rente nach dem Tode der Mutter geknüpften Einschränkungen in § 45 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aF für nichtig erklärt hatte. Das Versorgungsamt (VersorgA) H lehnte den Anspruch mit Bescheid vom 2. Januar 1964 ab, weil die Klägerin das 18. Lebensjahr bereits 1962 vollendet gehabt, sich auch nicht mehr in der Berufsausbildung befunden und vorher keinen Antrag gestellt habe. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 1964). Mit Bescheid vom 27. Oktober 1965 versagte das VersorgA die Gewährung der Waisenrente auch im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 BVG.

Das Sozialgericht (SG) sprach der Klägerin die Waisenrente mit Urteil vom 13. Juni 1967 für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Oktober 1962 (dem Monat der Vollendung des 18. Lebensjahres) zu und wies im übrigen die Klage auf Aufhebung auch des Bescheides vom 27. Oktober 1965 ab. Die Berufung wurde zugelassen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 14. Dezember 1967 das Urteil des SG abgeändert und die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 2. Januar 1964 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1964 abgewiesen. Es hat ausgeführt, obgleich das BVerfG in seiner Entscheidung vom 24. Juli 1963 die an die Gewährung der Waisenrente nach dem Tode der Mutter in § 45 BVG aF geknüpften Einschränkungen für nichtig erklärt habe, könne der Klägerin die Waisenrente dennoch nicht gewährt werden, da der für die Gewährung der Waisenrente erforderliche und auch für deren Beginn maßgebende Antrag erst im Dezember 1963 gestellt worden sei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG blieben aufgrund einer später für nichtig erklärten Norm bereits erlassene, nicht mehr anfechtbare Entscheidungen (mit Ausnahme von Strafurteilen) und Verwaltungsakte unberührt (Urteil des BVerfG vom 10. November 1966 in DVBl 1966, 896). Nicht geregelt seien jedoch die Fälle, in denen eine Entscheidung noch gar nicht ergangen sei. Hierbei handele es sich um Folgen der freiwilligen Beachtung eines später für nichtig erklärten Gesetzes, die als Auswirkungen des Vertrauens in die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ebenso "schutzwürdig" seien wie diejenigen, die erst durch hoheitliche Entscheidungen eingetreten sind. Nach § 79 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) und der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfGE 3, 58; DVBl 1966, 896) müsse aber die durch verfassungswidrige Gesetze erzeugte Rechtswirklichkeit hingenommen werden. Wie die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ohne Wirkung auf bereits abgeschlossene Verfahren sei, könne sie Wirkungen für die Vergangenheit auch dann nicht äußern, wenn im Vertrauen auf die Gültigkeit eines Gesetzes von einem deshalb aussichtlos erscheinenden Antrag abgesehen worden sei. Die mit Gesetzeskraft ausgestattete Entscheidung des BVerfG führe zu einer ähnlichen Rechtslage, wie ein neues Gesetz; sie bedürfe daher wie dieses einer ausdrücklichen Regelung für Übergangsfälle. Die Regelung in § 79 BVerfGG habe aber eine völlige "Wiedergutmachung" und Beseitigung der nachteiligen Folgen auch für die Vergangenheit nicht vorgesehen; sie könne entgegen der Auffassung des SG auch nicht durch die Zulassung eines aus den Grundsätzen von Treu und Glauben und dem Vertrauensschutz hergeleiteten Schadensersatzes herbeigeführt werden, zumal der Umfang solcher Ansprüche nicht zu übersehen wäre. Zutreffend habe das SG dagegen die Anwendung des § 40 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VerwVG) verneint (vgl. BSG in SozR VerwVG § 40 Nr. 7) und den Bescheid über die Ablehnung des Härteausgleichs vom 27. Oktober 1965 nicht gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in das Verfahren einbezogen, weil dieser eine Kann-Leistung betreffe und den Bescheid vom 2. Januar 1964 daher weder abgeändert noch ersetzt habe. Das LSG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassen.

Gegen das am 25. Dezember 1967 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. Januar 1968 Revision eingelegt. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil sowie den Bescheid des VersorgA vom 2. Januar 1964 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1964 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Waisenrente für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Oktober 1960 zu gewähren.

In der Revisionsbegründung vom 26. Januar 1968, die innerhalb der Begründungsfrist am 29. Januar 1968 eingegangen ist, führt die Klägerin aus, der § 79 BVerfGG treffe nur die aufgrund einer für nichtig erklärten Norm bereits erlassenen Entscheidungen und wolle nur diese aufrechterhalten. Er enthalte jedoch keine Regelung für die Fälle, in denen eine Entscheidung noch gar nicht ergangen sei. Diese Lücke müsse durch eine analoge Anwendung der für die Rückwirkung von Gesetzen geltenden Grundsätze geschlossen werden, die auch dann gestattet sei, wenn nachträglich an einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Tatbestand angeknüpft werde (BVerfGE Bd. 7, 92). Auch die Rückwirkung von Abgabengesetzen sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Da eine im Bundesgesetzblatt verkündete Entscheidung des BVerfG Gesetzeskraft habe, erscheine eine analoge Anwendung der Grundsätze für die Rückwirkung von Gesetzen geboten. Dabei müsse berücksichtigt werden, daß das Verfahren wegen der Nichtigkeit der hier anwendbaren Norm schon seit Jahren beim BVerfG anhängig gewesen sei und der Beklagte mit einem für die Klägerin günstigen Ausgang habe rechnen müssen, so daß dieser Vorsorge durch verwaltungstechnische Maßnahmen hätte treffen müssen, aber nicht einfach die Entscheidung des BVerfG hätte abwarten und sich dann auf § 79 BVerfGG hätte berufen dürfen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist somit zulässig; sie ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat in ihrem Revisionsantrag neben der Aufhebung des Urteils des LSG die Gewährung der Waisenrente nicht mehr bis zum 31. Oktober 1962, sondern nur noch bis zum 31. Oktober 1960 beantragt. Hierbei handelt es sich offenbar um einen Schreibfehler. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich, daß sie neben der Beseitigung des Urteils des LSG die Wiederherstellung des Urteils des SG erstrebt, durch das ihr die Waisenrente bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zugesprochen worden war. Ziel der Revision ist, in Verbindung mit der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG die Zurückweisung der Berufung des Beklagten und damit die rückwirkende Gewährung der Waisenrente in dem vom SG zugesprochenen Umfange vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Oktober 1962 - dem Monat der Vollendung des 18. Lebensjahres - zu erreichen. Ein solcher Anspruch kann weder auf die im BVerfGG für den Fall der Nichtigkeitserklärung einer bundesgesetzlichen Norm getroffenen Vorschriften noch auf Vorschriften des BVG oder auf eine analoge Anwendung der für die Rückwirkung von Gesetzes geltenden Grundsätze gestützt werden. Nachdem das BVerfG mit Entscheidung vom 24. Juli 1963 (BVerfGE 17, 38) die Einschränkungen in § 45 Abs. 5 BVG aF, nach denen die Gewährung der Waisenrente nach dem Tode der Mutter nur möglich war, wenn der Vater gestorben war oder die Mutter bis zu ihrem Tod den Unterhalt der Kinder überwiegend bestritten hatte, gemäß § 13 Nr. 11 BVerfGG für nichtig erklärt und diese Entscheidung durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (1963, 694, 771) gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft erlangt hat, ist die entsprechende Vorschrift des BVG von der Entscheidung des BVerfG nur noch ohne die für nichtig erklärten Einschränkungen anzuwenden. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 19. März 1969 - 10 RV 726/67 - (vgl. BSG in SozR BVG § 45 Nr. 12) entschieden hat, wirkt die vom BVerfG ausgesprochene Nichtigkeitserklärung einer Norm des Versorgungsrechts - hier des § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 BVG idF des Ersten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (1. NOG) - grundsätzlich nur für die Zukunft und läßt es nicht zu, die Vorschriften des BVG über den Beginn der Rente (§§ 60 Abs. 1, 61 Abs. 2 BVG) außer Betracht zu lassen und auch ohne früheren Antrag Leistungen rückwirkend zu gewähren. Auch wenn die für die Folgen der Nichtigkeitserklärung allgemein in § 79 BVerfGG getroffene Regelung ausdrücklich nur die Fälle erwähnt, in denen die für nichtig erklärte Norm bereits in der Vergangenheit angewendet worden ist, so läßt der darin zum Ausdruck gebrachte Wille, dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit Vorzug vor der Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit zu gewähren, doch keinen Zweifel daran zu, daß der Gesetzgeber an dem auf der Grundlage der für nichtig erklärten Gesetzesnorm gestalteten Zustand für die Vergangenheit nichts ändern und die Wirkung der Nichtigkeitserklärung außer der gesetzlich zugelassenen Ausnahme nicht auch auf die Vergangenheit ausgedehnt wissen wollte. Hätten die Folgen der verfassungswidrigen Rechtslage auch für die Vergangenheit beseitigt werden sollen, so hätte dies einer ausdrücklichen Regelung bedurft, die sich jedoch wegen der Unvereinbarkeit mit dem in § 79 BVerfGG ausgedrückten Grundsatz dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit Vorzug vor der materiellen Gerechtigkeit einzuräumen verboten hat. Der Verzicht auf eine Regelung, die rückwirkend die Anwendung der für die Gewährung der Waisenrente nach dem Tode der Mutter geltenden Vorschrift ohne die für nichtig erklärten Einschränkungen zugelassen hätte, kann somit nicht als eine Lücke im BVerfGG betrachtet werden. Auch die Übergangsvorschriften des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85 - 2. NOG -) enthalten insoweit keine Lücke. Im Zusammenhang mit der nach der Entscheidung des BVerfG erforderlichen Änderung des § 45 BVG durch das 2. NOG wäre an sich zwar auch eine Regelung, wie sie die Klägerin wünscht, möglich gewesen (vgl. § 79 Abs. 2 BVerfGG; "vorbehaltlich ... einer besonderen gesetzlichen Regelung"). Sie ist aber trotz der an sich gegebenen Möglichkeit bei Änderung des § 45 BVG durch das 2. NOG in dessen Übergangsvorschriften unterblieben und es ist auch nicht anzunehmen, daß diese Unterlassung auf einem Versehen beruht, zumal eine derartige Regelung auch der Grundauffassung über die Regelung von Folgen bei der Nichtigkeitserklärung einer Gesetzesnorm entgegengestanden hätte. Hat aber der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dieser Auffassung sowohl im BVerfGG als auch im 2. NOG bewußt auf eine Regelung, wie sie die Klägerin für wünschenswert hält, verzichtet, so ergeben die Regelungen, die im Zusammenhang mit der Nichtigkeitserklärung der an die Gewährung der Waisenrente nach dem Tode der Mutter geknüpften Einschränkungen getroffen worden sind, auch keine Lücke, die durch eine analoge Anwendung der für die Rückwirkung von Gesetzen geltenden Vorschriften zu schließen wäre. Abgesehen davon müßte eine analoge Anwendung dieser Grundsätze auch daran scheitern, daß der im BVerfGG im Zusammenhang mit der Regelung der Folgen aus der Nichtigkeitserklärung einer Norm eindeutig zum Ausdruck gebrachte Grundsatz die rückwirkende Anwendung einer mit Gesetzeskraft für nichtig erklärten Norm auch für die Vergangenheit überhaupt verbietet.

Fehlt jede Grundlage für eine analoge Anwendung der für die Rückwirkung von Gesetzen geltenden Grundsätze, so ist es auch ohne Bedeutung, ob und in welchem Umfang rechtsstaatliche Grundsätze eine Rückwirkung überhaupt zulassen. Bei der in diesem Zusammenhang von der Klägerin erwähnten Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 7, 89, 92 hat es sich im übrigen nicht um die Ablehnung einer rückwirkenden Regelung, sondern um die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlich rückwirkend festgesetzten Steuererhöhung gehandelt, die das BVerfG verfassungsrechtlich für unbedenklich erachtet hat, weil die finanzielle Belastung voraussehbar, durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt und im einzelnen unbedeutend war. Auch bei dieser Entscheidung hat das BVerfG allgemein dargelegt, zu dem auch für die Beurteilung der Rückwirkung von Gesetzen maßgebenden Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gehöre nicht nur die Voraussehbarkeit, sondern auch die Rechtssicherheit und die materielle Gerechtigkeit, die wegen ihrer Verschiedenheit nicht immer gleichmäßig berücksichtigt werden könnten, und außerdem bedürfe dieser Grundsatz der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten, wobei fundamentale Elemente der Rechtsstaatlichkeit im ganzen gewahrt bleiben müßten. Die Ablehnung einer rückwirkenden Anwendung der durch die Nichtigkeitserklärung einer Norm des BVG herbeigeführten Rechtslage beruht eindeutig auf dem Grundsatz, daß bei der Nichtigkeitserklärung einer gesetzlichen Norm durch das BVerfG der Rechtssicherheit Vorrang vor der materiellen Gerechtigkeit gebührt. Dieser Grundsatz wäre aber nicht mehr gewahrt, wenn entgegen dem unmißverständlichen Willen des Gesetzgebers die Anwendung der für die Gewährung der Waisenrente nach dem Tode der Mutter geltenden Vorschriften in der durch das BVerfG geänderten Fassung auch für die Vergangenheit zugelassen würde. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die mit einer solchen Regelung verbundene finanzielle Belastung auch voraussehbar und unbedeutend wäre.

Der Anspruch auf eine rückwirkende Gewährung der Waisenrente kann auch nicht darauf gestützt werden, daß der Beklagte, wie die Klägerin meint, mit einem für sie günstigen Ausgang des schon seit mehreren Jahren zur Feststellung der Nichtigkeit der hier anwendbaren Norm angestrengten Verfahrens hätte rechnen und für diesen Fall durch geeignete Maßnahmen entsprechende Vorsorge hätte treffen müssen. Die Klägerin scheint damit einen Anspruch aus einer Verletzung der Grundsätze von Treu und Glauben und aus dem Schutz ihres Vertrauens in die Verfassungsmäßigkeit der später für nichtig erklärten Norm herleiten zu wollen. Wie der erkennende Senat bereits in seiner oben erwähnten Entscheidung dargelegt hat, kann auch in der Anwendung eines bei einer späteren Nachprüfung durch das BVerfG für nichtig erklärten Gesetzes durch die Versorgungsverwaltung kein Verstoß gegen Treu und Glauben erblickt werden. Die Versorgungsverwaltung hat sich vielmehr mindestens bis zur Nichtigkeitserklärung durch das BVerfG an die Vorschriften halten müssen, die bis dahin für die Gewährung der Waisenrente nach dem Tode der Mutter gegolten haben. Sie hat auch nach der Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Nichtigkeit dieser Vorschrift nicht unbedingt mit einer Änderung rechnen müssen und ist auf keinen Fall wegen des zur Nachprüfung der Verfassungsmäßigkeit beim BVerfG angestrengten Verfahrens verpflichtet gewesen, durch "verwaltungstechnische Maßnahmen" die Voraussetzungen einer rückwirkenden Gewährung für den Fall einer Nichtigkeitserklärung zu bieten. Eine solche Erwartung hätte es vielmehr der Klägerin selbst nahegelegt, ihre Ansprüche schon früher anzumelden und bis zur Entscheidung des BVerfG weiterzuverfolgen.

Der Anspruch der Klägerin, ihr gemäß § 45 BVG in der durch die Entscheidung des BVerfG vom 24. Juli 1963 geänderten Fassung für die Vergangenheit Waisenrente zuzusprechen, ist nach den Vorschriften des BVerfGG und des 2. NOG ausgeschlossen. Er kann auch nicht aus einer analogen Anwendung der für die Rückwirkung von Gesetzen geltenden Grundsätze hergeleitet werden und ist mit dem Grundgedanken des BVerfGG überhaupt nicht vereinbar.

Die Beachtung der Vorschriften des BVG läßt die Gewährung der Waisenrente an die Klägerin für die Vergangenheit nicht zu. Nach § 61 Abs. 2 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 BVG idF des 1., 2. und 3. NOG könnte die Waisenrente der Klägerin nach dem Tode ihrer Mutter im April 1945 wegen des erst im Dezember 1963 gestellten Antrags frühestens vom 1. Dezember 1963 an beginnen. Damals hat die Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung der Waisenrente aber nicht mehr erfüllt, weil sie nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG das 18. Lebensjahr schon vollendet und sich auch nicht mehr in einer Schul- oder Berufsausbildung befunden hatte.

Der Beklagte hat daher zutreffend den Anspruch der Klägerin auf Waisenrente abgelehnt, weil die Voraussetzungen für deren Gewährung im Dezember 1963 nicht vorhanden waren und die Nichtigkeitserklärung der für die Waisenrente nach dem Tode der Mutter bestimmten Einschränkungen eine rückwirkende Gewährung nicht zuläßt, wenn früher kein Antrag gestellt war. Das LSG hat infolgedessen mit Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284884

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