Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragspflicht des Trägers der Kriegsopferversorgung bei Zahlung von Übergangsgeld. tatsächlicher Bezug von Übergangsgeld. Änderung des Rechtsgrundes. Vorbehalt. vorläufige Leistung. Erstattungsanspruch gegenüber Rentenversicherungsträger

 

Orientierungssatz

Der Träger der Kriegsopferversorgung, der während einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld gezahlt hat, ist zur Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen nach § 1227 Abs 1 Nr 8a Buchst b RVO verpflichtet. Diese Verpflichtung entfällt nicht deswegen wieder, wenn sich später herausstellt, daß die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten nicht durch sein Versorgungsleiden bedingt war. Maßgebend für die Beitragspflicht eines Rehabilitationsträgers ist nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes allein die Tatsache, daß Übergangsgeld (Versorgungskrankengeld) "gezahlt" worden ist; unerheblich ist dagegen, ob für die Zahlung eine ausreichende rechtliche Grundlage bestanden hat.

 

Normenkette

RVO § 1227 Abs 1 S 1 Nr 8a Buchst b Fassung: 1974-08-07, § 1385 Abs 4 Buchst g Fassung: 1974-08-07; SGB 4 § 26 Abs 1 Fassung: 1976-12-23; BVG § 81

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 08.07.1980; Aktenzeichen L 5 J 298/79)

SG Kiel (Entscheidung vom 23.08.1979; Aktenzeichen S 5 Kr 18/79)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen, die er für den Beigeladenen zu 2) wegen des Bezugs von Übergangsgeld nach §§ 16 ff des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in der Zeit vom 1. Juli 1978 bis 31. Dezember 1978 an die Beklagte entrichtet hat.

Der Beigeladene zu 2) ist bei der Beklagten versichert und erhält wegen mehrerer als Schädigungsfolgen iS des § 1 BVG anerkannter Gesundheitsstörungen Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 vH. Im Juni 1978 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Beigeladene zu 2) sei seit dem 11. April 1978 wegen eines Versorgungsleidens arbeitsunfähig erkrankt und erhalte ab 10. Mai 1978 Übergangsgeld. Der Kläger bejahte daraufhin den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit und den anerkannten Schädigungsfolgen und stimmte der Zahlung von Übergangsgeld durch die Beklagte dem Grunde nach zu. Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Januar 1979, die auf vertrauensärztlichen Untersuchungen im Juli und August 1978 beruhte, waren die Versorgungsleiden für die Arbeitsunfähigkeit des Beigeladenen zu 2) im zweiten Halbjahr 1978 nicht ursächlich. Der Kläger widerrief daraufhin die Anerkennung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfähigkeit und anerkannten Schädigungsfolgen und forderte die Beklagte auf, die für den Beigeladenen zu 2) im zweiten Halbjahr 1978 gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von DM 2.561,40 zurückzuzahlen. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung ab und wurde hierin vom Sozialgericht Kiel (SG) bestätigt (Urteil vom 23. August 1979). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) wies die dagegen gerichtete Berufung durch Urteil vom 8. Juli 1980 zurück. Zur Begründung führte es an, der vom Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch sei deshalb unbegründet, weil die für den Beigeladenen zu 2) während des Bezugs von Übergangsgeld entrichteten Rentenversicherungsbeiträge nicht zu Unrecht gezahlt worden seien. Die Beitragspflicht gemäß § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst b Reichsversicherungsordnung (RVO) knüpfe allein an den tatsächlichen Bezug von Übergangsgeld an; es komme dagegen nicht darauf an, ob diese Zahlung zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sei. Da der Beigeladene zu 2) in der streitigen Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1978 tatsächlich Übergangsgeld vom Kläger bezogen habe (die Auszahlung durch die Beklagte sei gemäß § 18c Abs 2 BVG im Auftrag des Klägers erfolgt), sei er in dieser Zeit auch rentenversicherungspflichtig gewesen.

Der Kläger rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 26 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) und des § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst b RVO. Seiner Auffassung nach sind die Rentenversicherungsbeiträge zu Unrecht entrichtet worden, da dem Beigeladenen zu 2) in der zweiten Hälfte des Jahres 1978 ein Anspruch auf Übergangsgeld gegen den Kläger nicht mehr zugestanden habe. Es komme nicht darauf an, ob und inwieweit die Versorgungsverwaltung die zu Unrecht erbrachten Leistungen von dem Versorgungsberechtigten selbst zurückfordern könne. Die tatsächliche Zahlung des Übergangsgeldes dürfe für die Rechtmäßigkeit der Versicherungsbeiträge schon deshalb nicht maßgebend sein, weil dies eine Rückforderung auch bei unter Vorbehalt geleisteten Versicherungsbeiträgen unmöglich mache.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. Juli 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.561,40 DM zu zahlen.

Die Beklagte und die beigeladene Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Der beigeladene Versicherte hat keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat den vom Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruch zu Recht abgewiesen.

Das LSG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß das Erstattungsbegehren des Klägers nicht aus § 81b BVG hergeleitet werden kann. § 81b BVG regelt einen Sonderfall des sogenannten "Abwälzungsanspruchs", der nur dann eingreift, wenn die Versorgungsverwaltung eine Leistung erbracht hat, die nicht von ihr, sondern von einer anderen Stelle zu erbringen war. Da eine Beitragspflicht der Krankenkasse erst nach zwölfmonatiger ununterbrochener Zahlung von Krankengeld entstehen kann (§ 1227 Abs 1 Satz 1 Ziff 8a Buchst a RVO), kam ein "Abwälzungsanspruch" gegen sie schon deshalb nicht in Betracht, weil im streitigen Zeitraum keinesfalls eine Beitragsverpflichtung der Beklagten bestand.

Das LSG hat des weiteren auch einen Erstattungsanspruch des Klägers aus § 26 Abs 1 SGB IV zu Recht verneint. Die vom Kläger entrichteten Rentenversicherungsbeiträge sind nicht ohne Rechtsgrund erbracht worden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat wiederholt entschieden, daß der Rechtsgrund für die Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung im Rahmen der medizinischen Rehabilitation (§ 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a iVm § 1385 Abs 4 Buchst g RVO) im tatsächlichen Bezug von Übergangsgeld zu sehen ist (SozR 2200 § 381 Nr 24, 35, 39, 40 und 43 = BSGE 51, 100 sowie Urteil des erkennenden Senats vom 9. Juli 1980, 12 RK 42/79).

Die Rechtsgrundlage des Bezugs von Übergangsgeld ist demgegenüber unerheblich. Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut des § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst b RVO (in der hier noch anzuwendenden Fassung des Gesetzes vom 7. August 1974) iVm § 22 BVG und § 1385 Abs 4 Buchst g RVO, wo mit dem Begriff des "Bezuges von Übergangsgeld" allein auf die Tatsache der Auszahlung von Übergangsgeld abgestellt wird. Zum anderen ergibt sich dies auch aus dem nur vorläufigen Charakter des Übergangsgeldes als einer Leistung, die während einer Übergangszeit gewährt wird, in der noch nicht feststeht, ob und welche Leistung dem Rehabilitanden nach dem Abschluß von Überprüfungen und evtl. von Rehabilitationsmaßnahmen zu gewähren ist. Stellt sich nachträglich heraus, daß der in Anspruch genommene Rehabilitationsträger nicht leistungspflichtig war, weil die Ursache der Rehabilitationsbedürftigkeit nicht in seinem Verantwortungsbereich lag, so ändert dies an der Tatsache, daß zunächst für eine Übergangszeit bis zur Klärung der dem Rehabilitanden zustehenden Leistungsansprüche Übergangsgeld gezahlt wurde, nichts. Der nachträgliche Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen macht den Bezug des Übergangsgeldes nicht rechtsgrundlos (SozR 2200 § 381 Nr 35 und 43 = BSGE 51, 100). Die vom Gesetz vorgesehene Anknüpfung der Beitragspflicht des Rehabilitationsträgers allein an einen faktischen Zustand wird - worauf das BSG bereits hingewiesen hat - auch durch die Schutzbedürftigkeit des Rehabilitanden gerechtfertigt (BSGE 51, 100 = SozR 2200 § 381 Nr 43). Dieser soll während der Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme darauf vertrauen können, daß seine rentenversicherungsrechtliche Stellung nicht nachträglich entwertet werden kann. Außerdem würde es den Beitragseinzug erschweren, wenn die Einzugstelle prüfen müßte, ob für die Zahlung des Übergangsgeldes ein Rechtsgrund vorgelegen hat oder nicht. Von einem "Bezug von Übergangsgeld" kann allenfalls dann nicht mehr gesprochen werden, wenn eine Rückzahlung des Übergangsgeldes durch den Leistungsempfänger erfolgt (SozR Nr 6 zu § 109 AVAVG und SozR 2200 § 381 Nr 39; vgl auch BSGE 47, 109). Insoweit könnte eine Einschränkung gegenüber § 155 Abs 2 Satz 3 des Arbeitsförderungsgesetzes erwogen werden, der den Fortbestand der Versicherungspflicht und Beitragspflicht auch für den Fall vorschreibt, daß der Leistungsbescheid rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt wird. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; insbesondere ist eine Rückzahlung des Übergangsgeldes durch den Beigeladenen zu 2) nicht erfolgt.

Die vom Kläger behauptete Rückzahlung des Übergangsgeldes durch die Krankenkasse beeinflußt die Rentenversicherungspflicht des Beigeladenen zu 2) in der streitigen Zeit nicht; denn eine Erstattung von Leistungen lediglich im Innenverhältnis zwischen Krankenkasse und Versorgungsverwaltung ändert nachträglich weder etwas an der Tatsache des "Bezuges" der Leistungen durch den Empfänger noch an dem Rechtscharakter der vom Beigeladenen zu 2) empfangenen Leistungen. Es ändert sich auch nichts dadurch, daß der Kläger die Überweisung der Rentenversicherungsbeiträge unter dem Vorbehalt einer endgültigen Überprüfung vornahm und jeweils darauf hinwies, daß "erforderlichenfalls zu Unrecht entrichtete Beiträge zurückgefordert" würden. Zum einen konnte diese Nebenbestimmung nur das Rechtsverhältnis zwischen Kläger und Beklagter berühren und betraf den Beigeladenen zu 2), auf dessen Leistungsbezug es hier ankommt, nicht. Zum anderen hat eine Vorbehaltsklausel des fraglichen Inhalts - gleichviel wem gegenüber der Vorbehalt erklärt wird und ob die Erklärung bei der Beitragsentrichtung oder bei der die Beitragspflicht auslösenden Leistung erfolgt - schon deshalb keine Bedeutung, weil nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst b RVO allein der tatsächliche Bezug von Übergangsgeld entscheidend ist. Das LSG hat daher zu Recht auf die Erörterung der Frage, ob sich der Vorbehalt nur auf die Höhe oder auch auf den Grund der Übergangsgeldzahlung bezog, verzichtet.

Die Revision war nach alledem unbegründet und mußte zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660234

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