Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammentreffen von Leistungen nach dem LAG und dem BVG

 

Orientierungssatz

Zum Zusammentreffen von Leistungen nach dem LAG und dem BVG:

1. Der in § 36 Abs 4 BVG verwendete Ausdruck "auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften" bedarf einer einschränkenden und grundsätzlich auf öffentlich-rechtliche Leistungspflichten begrenzten Auslegung.

2. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes sind weiterhin anrechnungsfrei, Leistungen, die zwar auf Grund gesetzlicher Vorschrift erfolgen, aber eine das Rechtsverhältnis erst begründende Entschließung des Berechtigten voraussetzen, mit der aus freien Stücken die Verpflichtung zu einem Opfer, besonders zur Aufbringung von Beiträgen übernommen wird.

3. Das Sterbegeld nach § 277 LAG kann nicht auf das Bestattungsgeld nach dem BVG angerechnet werden, da es zwar auf Gesetz beruht, aber als Voraussetzung der Leistung einen fristgerecht gestellten und auf die freiwillige Entschließung des Unterhaltshilfeempfängers gegründeten Antrag, der mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrages verbunden ist, verlangt.

 

Normenkette

BVG § 36 Abs. 4 Fassung: 1960-06-27; LAG § 277

 

Verfahrensgang

SG Hannover (Entscheidung vom 07.11.1962)

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. November 1962 aufgehoben. Unter Aufhebung der Bescheide vom 13. Dezember 1961 und 4. April 1 1962 wird der Beklagte verurteilt, der Klägerin 250,-- DM Bestattungsgeld zu zahlen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Klage- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die Mutter der Klägerin bezog Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Am 20. November 1961 verstarb sie. Die Klägerin bezahlte die Bestattungskosten (879,-- DM einschließlich Überführung), erhielt vom Ausgleichsamt nach den Lastenausgleichsgesetz (LAG) ein Sterbegeld von 300, -- DM und beantragte am 30. November 1961 Bestattungsgeld nach den BVG. Im Bescheid vom 13. Dezember 1961 bewilligte ihr das Versorgungsamt ein Bestattungsgeld von 250,-- DM, rechnete darauf jedoch das vom Ausgleichsamt nach § 277 LAG gezahlte Sterbegeld von 300,-- DM an, so daß eine Auszahlung unterblieb. Der Widerspruch der Klägerin war erfolglos. Das Sozialgericht (SG) wies ihre Klage durch Urteil vom 7. November 1962 ab und ließ die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Das Sterbegeld nach § 277 LAG diene dem gleichen Zweck wie das Bestattungsgeld nach § 36 BVG. Es werde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift gewährt und beruhe nicht auf einem gegenseitigen Vertrag; der gleichbleibende Beitrag von 1,-- DM berücksichtige das Versicherungsrisiko richt. Demgegenüber richte sich der Krankenkassenbeitrag gemäß § 385 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nach den Ausgaben der Kasse. Auch sei das Sterbegeld nach § 202 RVO der Höhe des Grundlohnes abhängig. Im Gegensatz zum Sterbegeld der freiwilligen Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung sei daher das Sterbegeld nach § 277 LAG auf das Bestattungsgeld nach dem BVG gemäß § 36 Abs., 4 BVG anzurechnen.

Die Sprungrevision der Klägerin, der die schriftliche Einwilligung des Beklagten nach § 161 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigefügt ist, rügt Verletzung des § 36 Abs. 4 BVG i.V. mit § 277 LAG. Bei dem Sterbegeld nach § 277 LAG handle eo sich um eine freiwillige Sterbevorsorge, deren Einführung ausschließlich zum Ziel gehabt habe, in höheren Alter stehenden Anspruchsberechtigten nach den LAG, die regelmäßig nicht mehr von einer privaten Sterbegeldversicherung aufgenommen würden, die Wohltat einer Sterbevorsorge zu erhalten. Deshalb seien die Leistungen nach § 277 LAG den Leistungen einer privaten Sterbegeldversicherung gleichzusetzen, zumal bei ihrer Anrechnung auf das Bestattungsgeld nach den BVG eine gerechtfertigte zusätzliche soziale Maßnahme in ihr Gegenteil verkehrt würde. Die Klägerin hat sich später für ihre Rechtsauffassung auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Schleswig vom 29.1.1963 (Az L 5 V 226/62) sowie auf einen Erlaß des Bundesausgleichsamts vom 28.1.1963 (Az II/4 - La 3245 - I/63) bezogen.

Sie beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen. Der Beklagte beantragt, die Sprungrevision zurückzuweisen. § 36 Abs. 4 BVG wolle, ebenso wie die §§ 54, 55 und 65 BVG, Doppelzahlungen aus öffentlichen Mitteln verhindern. Die überwiegenden Kosten des Sterbegeldes nach § 277 LAG würden aus öffentlichen Mitteln bestritten, wahrend die Leistungen der Berechtigten im Verhältnis sehr gering seien. Deshalb könne das Sterbegeld nach § 277 LAG nicht einer privaten Sterbegeldversicherung gleichgesetzt werden. Daß diese Leistung nach § 36 Abs. 4 BVG auf das versorgungsrechtliche Bestattungsgeld anzurechnen sei, werde auch durch Ziff. 6 der Verwaltungsvorschriften (W) zu § 36 BVG verdeutlicht.

Mit Einverständnis der Beteiligten ergeht das Urteil gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Die durch Zulassung der Berufung und schriftliche Einwilligung des Rechtsmittelgegners statthafte Sprungrevision (§ 161 Abs. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig; sie ist auch sachlich begründet.

Streitig ist, ob das Sterbegeld nach § 277 des LAG von 14. August 1952 (BGBl I, 446) auf das Bestattungsgeld anzurechnen ist, das als Versorgungsleistung nach § 36 BVG beim Tode eines Beschädigten und nach § 55 BVG beim Tode von versorgungsberechtigten Hinterbliebenen gewährt wird. Nach § 36 Abs. 4 BVG in der seit dem Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (EGBl I, 453) geltenden Fassung, die der Vorschrift des § 36 Abs. 3 BVG alter Fassung (aF) entspricht, ist eine auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften für den gleichen Zweck zu gewährende Leistung auf das Bestattungsgeld anzurechnen. Diese Vorschrift ist auslegungsbedürftig. Eindeutig ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut, daß das auf Grund eines Versicherungsvertrages zu zahlende Sterbegeld nach § 36 Abs. 4 BVG nicht angerechnet werden kann, weil das Gebot der Anrechnung nur gesetzliche Leistungen betrifft. Zweifel ergeben sich, ob die Unterscheidung zwischen vertraglicher und gesetzlicher Leistung bereits eine auch dem Zweck des Gesetzes entsprechende erschöpfende Abgrenzung zwischen anrechnungspflichtigen und anrechnungsfreien. Leistungen ermöglicht. Ob mit der Bezeichnung "auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften" der Gedanke des Gesetzes einen hinreichend bestimmten zutreffenden Ausdruck gefunden hat, hängt von den Wertvorstellungen ab, die erkennbar dem Gesetz zugrunde liegen. Aus ihnen müssen die rechtlichen Wirkungen abgeleitet werden, die das Gesetz erzielen will. Die Formulierung kann unvollkommen, zu eng oder zu weit geraten sein. Das Gesetz will in einen näher bestimmten Umfang jedenfalls Doppelleistungen ausschließen. Geht man den Gründen nach, die zu der Unterscheidung von gesetzlichen und anderen Leistungen geführt haben, so ergibt sich zunächst, daß keineswegs alle gesetzlichen Leistungen von der Anrechnung auf das Bestattungsgeld nach den BVG erfaßt werden. Nicht darunter fallen zB gesetzliche Verpflichtungen aus dem Privatrecht, wie die Verpflichtung des Erben nach § 1968 BGB, die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers zu tragen oder die entsprechende subsidiäre Belastung des zum Unterhalt Verpflichteten nach § 1615 Abs. 2 BGB. Insoweit wird das öffentliche Interesse, das das Gesetz mit dem Ausschluß von Doppelleistungen verfolgt, nicht berührt. Schon die Begründung zum Reichsversorgungsgesetz (RVG) vom 12. Mai 1920 (RGBl I, 989), das in § 34 Abs. 4 bereits die Anrechnung eines auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zu zahlenden Sterbegeldes bestimmte, läßt erkennen, daß nur Leistungen aus öffentlichen Mitteln - allerdings im weitesten Sinne - gemeint waren (Drucksachen der Deutschen Nationalversammlung 1920, Ed. 10 Nr. 2663 S. 42 zu § 34 und RVG 10, 35, 37). Daß nach § 36 Abs. 4 BVG eine Anrechnung der sich aus den §§ 1968, 1615 Abs. 2 BGB ergebenden Leistungen nicht gewollt sein kann, ergibt sich auch daraus, daß nach § 36 Abs. 2 BVG vom Bestattungsgeld zunächst die Kosten der Bestattung bestritten und an den gezahlt werden, der die Bestattung besorgt hat. Wäre nach § 36 Abs. 4 BVG auch die gesetzliche Leistungspflicht des Erben oder Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, so würde in der Mehrzahl der Fälle ein Anspruch auf das Bestattungsgold nach dieser Vorschrift gar nicht erst entstehen können; dem Gesetzgeber hat es somit fern gelegen, die Anrechnungspflicht auf Ansprüche dieser Art auszudehnen. Der in § 36 Abs. 4 BVG verwendete Ausdruck "auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften" bedarf daher einer einschränkenden und grundsätzlich auf öffentlich-rechtliche Leistungspflichten begrenzten Auslegung. Eine weitere Einschränkung für die Abgrenzung anrechenbarer und anrechnungsfreier Leistungen ergibt sich aus einen in Gesetz vorausgesetzten Merkmal, das allen anrechnungsfreien Leistungen gemeinsam ist. Es ist dies die Eigenvorsorge, die der Versorgungsberechtigte für den Todesfall getroffen hat, in Gegensatz zur staatlichen Vorsorge oder Fürsorge, die die Eigenvorsorge entbehrlich macht. Weil die staatliche Hilfe kraft Gesetzes eingreift und an die Stelle der dem schutzbedürftigen Berechtigten nicht zugetrauten oder nicht zugemuteten Vorsorge tritt, erscheint es billig, diese Hilfe, aber nur sie, anzurechnen. So sind Sterbegeldleistungen auf Grund eines Versicherungsvertrages weder wegen ihrer privatrechtlichen Grundlage noch weil sie ausschließlich aus Mitteln der Versicherungs- und Beitragsgemeinschaft herrühren, von der Anrechnung ausgeschlossen. Wäre es dem Gesetzgeber entscheidend auf den letztgenannten Gesichtspunkt angekommen, hätte er das Sterbegeld, das an die in der gesetzlichen Sozialversicherung zu einer Zwangsgemeinschaft zusammengeschlossenen Berechtigten gezahlt wird, jedenfalls in den Fällen anrechnungsfrei lassen müssen, in deren diese Leistung ebenso wie bei der privatrechtlichen Versicherung - jedenfalls in wesentlichen - auf den Beiträgen der Gemeinschaft beruht, wie zB in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 365 Abs. 1 RVO); denn das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung ist grundsätzlich auf Beiträge abgestellt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II S. 360 g, 378 a). Die in § 36 Abs. 4 RVG getroffene Unterscheidung zwischen gesetzlichen und anderen Leistungen muß somit darauf zurückgeführt werden, daß der Abschluß eines Versicherungsvertrages vornehmlich (aber nicht ausschließlich) als Ausdruck für die ohne gesetzlichen Zwang getroffene Vorsorge des Berechtigten gelten kann, die darum auch zugunsten des Berechtigten Berücksichtigung finden soll. Nach diesem Merkmal ist daher auch abzugrenzen, in welchen Fällen eine Leistung, die zwar auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften gewährt wird, dennoch anrechnungsfrei bleibt. Dies trifft nach dem Leitgedanken des Gesetzes zu, soweit Leistungen überwiegend oder doch wesentlich auf diese Eigenvorsorge zurückgeführt werden können und hiervon ihr besonderes Gepräge erhalten. Das gilt grundsätzlich für Leistungen, die zwar auf Grund gesetzlicher Vorschrift erfolgen, aber eine das Rechtsverhältnis erst begründende Entschließung des Berechtigten voraussetzen, mit der aus freien Stücken die Verpflichtung zu einem Opfer, besonders zur Aufbringung von Beiträgen übernommen wird. Eine solche einschränkende Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht auch den Anschauungen, auf die im sozialen Rechtsstaat das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern gegründet ist. Soweit fier Wille zur Verwirklichung dieser Grundsätze in den Gesetzen vorausgesetzt werden muß, ist er auch bei ihrer Auslegung zu beachten, selbst dann, wenn der Wortlaut diesen Willen nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck bringt (Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., 1. Halbband, § 56, I 4 und III nebst weiteren Angaben). Je mehr der Staat gezwungen ist, dem gestiegenen Sicherungsbedürfnis der Bevölkerung nachzugeben, der durch Krieg und Inflation entstandenen Not und Existenzbedrohung der Bürger durch unmittelbare gesetzliche Maßnahmen zu steuern und den Einzelnen die Sorge für bestimmte Lebenslagen abzunehmen, um so weniger kann er darauf verzichten, das Bewußtsein für die Unentbehrlichkeit selbstverantwortlicher Daseinsgestaltung und Selbstbehauptung zu erhalten und zu ermutigen. Darum ist eine Hilfe, die der Staat nur solchen Personen gewähren will, die bereit sind, auch selbst ein Opfer zu bringen, in Zweifel nur als eine die Initiative des Einzelnen unterstützende Maßnahme anzusehen; die nach gesetzlicher Vorschrift zu gewährende Leistung ist dann in diesen Sinne überwiegend der Vorsorge des Berechtigten zuzuschreiben. Einer Auslegung, die diesen sozialpolitischen Erfordernissen gerecht wird, entspricht bereits Nr. 5 der VV zu § 36 BVG in der Fassung von 1. März 1951 (BAnz Nr. 61 vom 30.3.1951); denn dort ist bestimmt, daß das von einer Krankenkasse der Reichsversicherung aus einer Pflichtversicherung zu zahlende Sterbegeld, ferner das Sterbegeld der gesetzlichen Unfallversicherung anzurechnen ist. Daß das auf Grund eines freiwilligen Beitritts gewährte Sterbegeld von der Anrechnung ausgeschlossen sein soll, folgt aus der ergänzenden Bestimmung der VV zu § 36 BVG von 3. September 1958 (BVBl 1950, 102), wonach ein auf Grund freiwilliger Mitgliedschaft von den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gewährtes Sterbegeld (nur) anzurechnen ist, wenn ein Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag nach § 381 Abs. 4 RVO gezahlt worden ist. Die VV gehen also davon aus, daß in den übrigen Fällen freiwilliger Mitgliedschaft das Sterbegeld anrechnungsfrei bleibt. Insoweit ergeben auch die VV vom 14. August 1961 (BAnz Nr. 161 von 23.2.1961) keine Abweichung. Damit wird in zutreffender Auslegung des Gesetzes eine Leistung, die sich zwar aus den Gesetz ergibt, die aber der Eigenvorsorge des Berechtigten entspringt, als anrechnungsfrei behandelt.

Einer solchen einschränkenden Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG steht auch nicht entgegen, daß die entsprechende Vorschrift des § 34 RVG in der Praxis der Verwaltung und in der Rechtsprechung des früheren Reichsversorgungsgerichts eine andere Auslegung gefunden hat. So ist in den Ausführungsbestimmungen (AB) zu § 34 RVG ausgeführt, "ob der Verstorbene einer reichsgesetzlichen Krankenkasse als Pflichtmitglied oder freiwillig angehört hat, ist für die Anrechnung des von dieser Kasse gezahlten Sterbegeldes ohne Bedeutung" (Handbuch der Reichsversorgung Bd. I, S. 128 Nr. 7 zu § 34 RVG). Dieser Auslegung hat sich das Reichsversorgungsgericht in der Entscheidung von 18. März 1931 (RVG 10, 35, 37 f) unter Hinweis auf die amtliche Begründung zun RVG angeschlossen, weil das Gesetz eine Doppelversorgung der unter besonderer, gesetzlichen Schutz gestellten Personen habe vermeiden wollen. Dazu gehörten auch die freiwilligen Mitglieder der Krankenkasse, denn ohne den besonderen Schutz den Gesetzes wären diese Personen auf den Abschluß eines Versicherungsvertrages mit einem privaten Versicherungsträger angewiesen. Zu demselben Ergebnis gelange man auch, wenn man den anderen in der Begründung zum RVG zu § 34 ausgesprochenen Gedanken, das Sterbegeld solle nicht aus öffentlichen Mitteln gezahlt werden, verfolge. Auch die Mittel der Krankenkassen seien öffentliche Mittel in Sinne des Gesetzes. - Abgesehen davon, daß nach der Auffassung des Senats schon die Fassung des § 34 RVG nicht zwingend zu dieser Auslegung nötigt, läßt diese Entscheidung die Bewertung eigenverantwortlicher Vorsorge des Berechtigten noch ganz hinter einer auf den Wortlaut abgestellten Interpretation zurücktreten. Ihr kann schon deshalb für das BVG nicht gefolgt werden.

Allerdings ließe sich gegen die hier grundsätzlich vertretene einschränkende Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG noch einwenden, wenn das Gesetz von der durch die Verwaltungspraxis der Versorgungsbehörden und die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts gefestigten Auslegung des § 34 RVG abweichen wollte, hätte dies deutlich zum Ausdruck kommen müssen; der Gesetzgeber hätte nicht den Wortlaut des § 34 RVG im wesentlichen übernehmen dürfen, wenn er etwas anderes gemeint habe als nach der Rechtstradition aus der Vorschrift zu folgern sei. § 34 Abs. 4 RVG ist jedoch bereits auf Grund eines Erlasses des Oberkommandos der Wehrnacht vom 16. Januar 1941 für alle nach den 31. Dezember 1940 eingetretenen Todesfälle nicht mehr angewendet worden (RVBl 1941 Nr. 2 S. 21). In den Erlaß, der diese Anordnung enthalt, heißt es: "Es ist beabsichtigt, WFVG § 102 Abs. 4 und RVG § 34 Abs. 4, betr. Anrechnung der nach anderen Gesetzen für Zwecke der Beerdigung gewährten Bezüge auf das Bestattungs-(Sterbe-)geld zu streichen". Daraus muß entnommen werden, daß die Vorschrift, jedenfalls mit der Auslegung, die sie in der Praxis der Verwaltung gefunden hatte, bereite 1541 als unbillig oder unzeitgemäß empfunden wurde. Auch hatte das Reichsversicherungsamt der ähnlich gefaßten Vorschrift des § 205 b RVO bereits die Auslegung gegeben, daß das auf Grund einer freiwilligen Mitgliedschaft bei der gesetzlichen Krankenversicherung gezahlte Sterbegeld nicht auf das Familiensterbegeld anzurechnen sei (vgl. die von der Revision zitierte Entscheidung des RVA in Eull 21, 461). Wenn auch regelmäßig die unveränderte Übernahme einer Vorschrift in ein Gesetz als eine Erneuerung des vorangegangenen Rechtszustandes und als eine Bestätigung der früheren Auslegungsergebnisse gelten kann (vgl. zB BFH, Urteil vom 1. August 1958 - BStBl III 390, 391; RGZ Bd. 42, 233, 237), so würden hier durch eine solche Unterstellung wesentliche Auslegungsgrundsätze verletzt werden, denn bereits 1941 hatten sich die Bedenken gegen die 1920 erlassene Vorschrift durchgesetzt. Für den Gesetzgeber des BVG konnte es sich, wenn er von einer Anrechnung anderer gesetzlicher Leistungen nicht absehen wollte, nur darum handeln, den Gedanken der Anrechnung mit neuen Geist zu erfüllen, nicht aber darum, mit der Vorschrift eine schon lange als zu weitgehend erkannte Auslegung zu erneuern. Für ihn konnte nur maßgebend sein, daß das Grundgesetz aus der Erfahrung der jüngsten Vergangenheit auch zu einer Neubesinnung über das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft, zwischen den sozialen Pflichten des Staates, ihren Grenzen und Beweggründen sowie der sozialen, persönlichen und sittlichen Verantwortung des Einzelnen geführt hatte. Nur auf dem Boden dieser Anschauungen, die der Persönlichkeit wieder zu voller Entfaltung verhelfen und sie in diesem Bemühen unterstützen wollen - vgl. Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG - kann eine Vorschrift wie die des § 36 Abs. 4 BVG trotz der aus einem früheren Gesetz übernommenen Fassung sachgerecht ausgelegt werden. Mit Rücksicht hierauf ist es auch unerheblich, daß die Verhandlungen des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen des Deutschen Bundestages oder die amtliche Begründung zum BVG (Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 1333 S. 58 zu § 85 - Bestattungsgeld -) nähere Ausführungen darüber vermissen lassen, ob § 36 BVG in einen engeren oder weiteren Sinn zu verstehen ist. Im übrigen ergibt sich aus den Erlaß des BMA von 31. Januar 1957 (BVBl 1957 S. 34), daß die Behandlung des Sterbegeldes bei freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung immerhin Gegenstand der Erörterungen bei den Beratungen zum BVG war, und zwar in den Sinn, "nur das aus einer Pflichtversicherung zu gewährende Sterbegeld auf das Bestattungsgeld anzurechnen (Nr. 5 zu § 36 BVG), weil die Auffassung vertreten wurde, daß das auf einer freiwilligen Leistung beruhende Sterbegeld nicht berücksichtigt werden dürfe". Diese Auffassung ist dann auch der Auslegung des Gesetzes in den VV zugrunde gelegt worden. Wenn der wirkliche Wille des Gesetzgebers dennoch in Wortlaut der Gesetzesbestimmung selbst nicht deutlicher zum Ausdruck gekommen ist, so bleibt zu berücksichtigen, daß die Gesetzgebung des mit Arbeit überhäuften Bundestags auch sonst vielfach zu einer unausgereiften Fassung geführt hat. Es ist in diesen Fällen Aufgabe der Rechtsprechung, auch dem nur undeutlich zum Ausdruck gekommenen Gesetzeswillen Geltung zu verschaffen.

Ist hiernach die auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zu gewährende Leistung überwiegend der privaten Vorsorge des Berechtigten zuzuschreiben, d.h. seiner freiwilligen, mit der Zahlung von Beiträgen verbundenen Entscheidung, so kann sie hinsichtlich der Anrechnung auf das Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 4 BVG nicht einer Leistung gleichgestellt werden, die allein und unmittelbar auf Grund des Gesetzes, insbesondere des in ihm angeordneten Beitritts im Bahnen eines Versicherungszwangs erfolgt. Mit diesen Ergebnis stimmt die im Urteil des 8. Senats von 27. Februar 1963 (ESG SozR BVG § 36 Ca 3 Nr. 5) vertretene Auffassung überein, wonach das auf Grund freiwilliger Versicherung in der Rentner-Krankenversicherung von einer Ortskrankenkasse gewährte satzungsmäßig erhöhte Sterbegeld (§ 204 RVO) dann auf das Bestattungsgeld nach dem BVG anzurechnen ist, wenn der Träger der Rentenversicherung einen Ausgleichsbetrag gemäß § 381 Abc. 4 RVO geleistet hat. Denn dieser Ausgleichsbetrag hat in wesentlichen die Funktion der Übernahme einer Beitragslast für die Krankenversicherung, so daß die Beiträge des Berechtigten infolgedessen nicht mehr ins Gewicht fallen. Hier hat somit die freiwillige Versicherung nicht die Bedeutung, daß die Leistung wesentlich auf der mit Opfern verbundenen eigenen Versorge des Berechtigten beruht.

Nach § 277 LAG können die Empfänger von Unterhaltshilfe beantragen, daß im Falle ihres Todes oder des Todes ihres Ehegatten ein Sterbegeld von 300,-- DM gezahlt wird. Sie tragen zu den entstehenden Kosten monatlich 1,-- DM, für den Ehegatten 0,50 DM bei. Nach § 277 Abs. 3 LAG kann der Antrag nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des Bescheides über die Gewährung von Unterhaltshilfe gestellt werden. Das Sterbegeld wird an diejenige Person ausgezahlt, die der Unterhaltshilfeempfänger als empfangsberechtigt erklärt hat, in Zweifel an diejenige Person, die nachweislich die Bestattungskosten getragen hat (§ 277 Abs. 4 LAG). Die Zahlung des Sterbegeldes nach § 277 LAG beruht somit auf den Gesetz. Es verlangt aber als Voraussetzung der Leistung einen fristgerecht gestellten und auf die freiwillige Entschließung des Unterhaltshilfeempfängers gegründeten Antrag, der mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrages verbunden ist. Die Regelung enthält somit zwar ein Element der Fürsorge für einen durch die Folgen des Krieges besonders betroffenen Kreis von Personen. Der Staat gewährt die Hilfe aber nur, wenn der Berechtigte bereit ist, ein seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßtes Opfer zu bringen. Der Antrag des Berechtigten hat mit dem privatrechtlichen Vertrag die Freiheit der Entschließung und die Übernahme der sich daraus ergebenden Verpflichtung gemeinsam. Da der Gesetzgeber die Gewährung des Sterbegeldes nicht schon an den Bezug von Unterhaltshilfe geknüpft hat, sondern einen Antrag verlangt, kann die Fürsorge des Staates nur den Zweck haben, den Berechtigten, der sich aus eigener Verantwortung zur Vorsorge für den Todesfall entschließt, unterstützend zur Seite zu treten. Ob der Gesetzgeber sich deshalb zu dieser Unterstützung veranlaßt sah, weil die in höheren Alter stehenden Anspruchsberechtigten, wie die Revision meint, regelmäßig nicht mehr von einer privaten Sterbegeldversicherung aufgenommen würden, kann dahinstehen. Denn auch ohne Rücksicht hierauf erlangt das nach § 277 LAG zustande gekommene Rechtsverhältnis jedenfalls den ihm eigentümlichen Charakter durch die mit Opfern verbundene Vorsorge des Berechtigten, zu der erst ergänzend die staatliche Förderung hinzutritt. Damit sind aber die Merkmale erfüllt, die bei einer einschränkenden Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG zur Anrechnungsfreiheit des Sterbegeldes nach § 277 LAG auf das Bestattungsgeld nach dem BVG führen. Wenn die Auffassung vertreten worden ist (Düsseldorf in BVBl 1963, S. 48), das Sterbegeld nach § 277 LAG könne nicht nach § 36 Abs. 4 BVG anrechnungsfrei bleiben, weil hier - anders als bei der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung - der Beitrag nicht "risikogerecht" sei, so kommt es nach der Meinung des Senats nicht auf diesen Gesichtspunkt, sondern darauf an, daß das Gesetz in § 36 Abs" 4 BVG die eigenverantwortliche Vorsorge des Berechtigten auch dann schützen will, wenn sich wegen der Schutzbedürftigkeit des Berechtigten eine Unterstützung dieser Vorsorge als notwendig erweist. In übrigen entspricht auch der Beitrag, den in der gesetzlichen Krankenversicherung der freiwillig Versicherte zahlt, keineswegs den von dem Träger der Versicherung übernommenen individuellen Risiko. Zum Wesen der Sozialversicherung gehört das Prinzip des sozialen Ausgleichs; es knüpft nicht, wie die privatrechtlichen Versicherungsbedingungen, an die individuellen Verhältnisse an, sondern bemißt in der Krankenversicherung den Beitrag nach den Grundlohn (§ 385 Abs. 1 RVO), also unabhängig von den Gesundheitszustand, den Lebensalter, dem Beginn der Versicherung oder den Familienstand; eine solche typische Regelung ist darum auch nicht in der Lage, den Beitragssatz an den Wert der im Versicherungsfall zu gewahrenden Leistungen anzupassen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 1, 80, 80 a).

Da sonach das Sterbegeld nach § 277 LAG nicht auf das Bestattungsgeld nach dem BVG anzurechnen ist, kann der in Nr. 6 der VV zu § 36 BVG in der Fassung vom 14. August 1961 (BAnz Nr. 161) zum Ausdruck gebrachten gegenteiligen Auslegung des Gesetzes nicht zugestimmt werden. Hier handelt es sich um die freiwillige Übernahme eines bestimmten Opfers für eine einzelne gezielte Leistung, nicht, wie etwa bei der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung um die Übernahme der Beitragspflicht für eine Vielzahl von Leistungen, von denen das Sterbegeld nur eine Nebenleistung ist. Darum erscheint die Herausnahme des Sterbegeldes nach § 277 LAG aus den anrechnungspflichtigen Leistungen noch eher gerechtfertigt als in den Fällen der freiwilligen Mitgliedschaft zur gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist ferner zu bedenken: Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis der Anrechnungsbestimmung des § 36 AbS. 4 BVG auch den Beschädigten nach den BVG und den versorgungsberechtigten Hinterbliebenen den Bezug des Sterbegeldes nach § 277 LAG ermöglicht hat, so wollte er ihnen damit nicht eine für sie wertlose Rechtswohltat erweisen. § 277 LAG würde aber die Berechtigten nur zu sinnlosen Kosten verleiten, wenn das nach dieser Vorschrift zu gewährende Sterbegeld anzurechnen wäre, so daß die Wohltat sich in Plage verwandeln würde. § 277 LAG ist daher als eine Bestätigung für die Richtigkeit einer einschränkenden Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG anzusehen. Ein Vergleich mit § 276 LAG, der die Krankenversorgung der Empfänger von Unterhaltshilfe regelt, läßt den Zweck des Gesetzes noch deutlicher hervortreten; denn in § 276 Abs. 1 Satz 3 LAG ist bestirnt, daß die Krankenversorgung entfällt, wenn nach dem BVG ein Anspruch auf entsprechende Leistungen besteht; sie wird nur subsidiär gewährt. Ein entsprechender Hinweis in § 277 LAG fehlt, woraus zu entnehmen ist, daß das Sterbegeld als eine eigenständige, von anderen Bezügen unabhängige Leistung gewährt Werden sollte. Das entspricht auch dem in § 2 Buchst. d) der Verordnung (VO) zu § 33 BVG vom 2. August 1958 (BGBl I, 657) und in § 2 Abs. 1 Nr. 4 der VO vom 11. Januar 1961 (BGBl I, 19) aufgestellten allgemeinen Grundsatz, wonach - allerdings mit Beschränkung auf die Feststellung der Ausgleichsrente - Leistungen nach dem LAG schlechthin unberücksichtigt bleiben.

Nach alledem ist die Anrechnung des Sterbegeldes aus § 277 LAG auf das Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 4 BVG nicht gerechtfertigt.

Da das SG somit die Klage unter Verletzung des § 36 Abs. 4 BVG abgewiesen hat, unterliegt sein Urteil der Aufhebung. Gleichzeitig müßten die angefochtenen Bescheide aufgehoben und der Beklagte zur Zahlung des Bestattungsgeldes von 250,-- DM an die Klägerin verurteilt werden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3082329

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