Leitsatz (amtlich)
Das Sterbegeld nach LAG § 277 ist keine iS des BVG § 36 Abs 4 auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften für den gleichen Zweck zu gewährende Leistung und darum nicht auf das Bestattungsgeld nach dem BVG anzurechnen.
Normenkette
LAG § 277 Fassung: 1952-08-14; BVG § 36 Abs. 4 Fassung: 1956-06-06, § 53 Fassung: 1956-06-06
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Oktober 1962 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 8. Mai 1962 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Schwiegervater des Klägers bezog Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er verstarb am 8. Juli 1961. Der Kläger bezahlte die Beerdigungskosten und beantragte Bestattungsgeld nach dem BVG. Das Versorgungsamt ermittelte, daß dem Kläger anläßlich des Todes seines Schwiegervaters nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG) ein Sterbegeld von 300,- DM gezahlt worden war. Dieses rechnete es im Bescheid vom 1. September 1961 nach § 36 BVG auf das nach dem BVG zustehende Bestattungsgeld von 250,- DM an, so daß eine Auszahlung unterblieb. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos. Das Sozialgericht (SG) hob mit Urteil vom 8. Mai 1962 den angefochtenen Bescheid auf, verurteilte den Beklagten, an den Kläger ein Bestattungsgeld von 250,- DM zu zahlen und ließ die Berufung zu. Durch seinen Antrag und die Beitragszahlung nach § 277 LAG habe der Verstorbene ein Rechtsverhältnis geschaffen, das einer privaten Sterbegeldversicherung gleichzusetzen sei; das nach § 277 LAG zu zahlende Sterbegeld sei daher nicht nach § 36 Abs. 4 BVG auf das Bestattungsgeld anrechenbar. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 29. Oktober 1962 das Urteil des SG auf, wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Aus dem Sinn des § 36 Abs. 4 BVG, Doppelzahlungen zu vermeiden, wenn auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften eine Leistung gewährt werde, deren Finanzierung ganz oder zum erheblichen Teil aus öffentlichen Mitteln erfolge, ergebe sich, daß das Sterbegeld nach § 277 LAG auf das Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 4 BVG anzurechnen sei. Denn wenn auch nach § 277 LAG eigene Leistungen der Unterhaltshilfeempfänger vorgesehen seien, so würden doch die überwiegenden Kosten für das Sterbegeld aus dem Lastenausgleichsfonds und damit aus öffentlichen Mitteln gezahlt.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 36 Abs. 4 BVG und 277 LAG. § 277 LAG eröffne den in höherem Alter stehenden Anspruchsberechtigten nach dem LAG, die regelmäßig nicht mehr von einer privaten Sterbegeldversicherung aufgenommen würden, die Wohltat einer freiwilligen Sterbevorsorge. Deshalb seien die Leistungen nach § 277 LAG den Leistungen einer privaten Sterbegeldversicherung gleichzusetzen. Bei Anrechnung auf das Bestattungsgeld nach dem BVG würde eine gerechtfertigte soziale Maßnahme in ihr Gegenteil verkehrt. Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie erweist sich sachlich als begründet.
Streitig ist, ob das Sterbegeld nach § 277 LAG vom 14. August 1952 (BGBl I, 446) auf das Bestattungsgeld anzurechnen ist, das als Versorgungsleistung nach § 36 BVG beim Tode eines Beschädigten und nach § 53 BVG beim Tode von versorgungsberechtigten Hinterbliebenen gewährt wird. Nach § 36 Abs. 4 BVG in der seit dem Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) geltenden Fassung, die der Vorschrift des § 36 Abs. 3 BVG aF entspricht, ist eine auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften für den gleichen Zweck zu gewährende Leistung auf das Bestattungsgeld anzurechnen. Diese Vorschrift ist auslegungsbedürftig. Eindeutig ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut, daß das auf Grund eines Versicherungs vertrages zu zahlende Sterbegeld nach § 36 Abs. 4 BVG nicht angerechnet werden kann, weil das Gebot der Anrechnung nur gesetzliche Leistungen betrifft. Zweifel ergeben sich, ob die Unterscheidung zwischen vertraglicher und gesetzlicher Leistung bereits eine auch dem Zweck des Gesetzes entsprechende erschöpfende Abgrenzung zwischen anrechnungspflichtigen und anrechnungsfreien Leistungen ermöglicht. Ob mit der Bezeichnung "auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften" der Gedanke des Gesetzes einen hinreichend bestimmten zutreffenden Ausdruck gefunden hat, hängt von den Wertvorstellungen ab, die erkennbar dem Gesetz zugrunde liegen. Aus ihnen müssen die rechtlichen Wirkungen abgeleitet werden, die das Gesetz erzielen will. Die Formulierung kann unvollkommen, zu eng oder zu weit geraten sein. Das Gesetz will in einem näher bestimmten Umfang jedenfalls Doppelleistungen ausschließen. Geht man den Gründen nach, die zu der Unterscheidung von gesetzlichen und anderen Leistungen geführt haben, so ergibt sich zunächst, daß keineswegs alle gesetzlichen Leistungen von der Anrechnung auf das Bestattungsgeld nach dem BVG erfaßt werden. Nicht darunter fallen zum Beispiel gesetzliche Verpflichtungen aus dem Privatrecht, wie die Verpflichtung des Erben nach § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers zu tragen oder die entsprechende subsidiäre Belastung des zum Unterhalt Verpflichteten nach § 1615 Abs. 2 BGB. Insoweit wird das öffentliche Interesse, das das Gesetz mit dem Ausschluß von Doppelleistungen verfolgt, nicht berührt. Schon die Begründung zum Reichsversorgungsgesetz (RVG) vom 12. Mai 1920 (RGBl I 989), das in § 34 Abs. 4 bereits die Anrechnung eines auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zu zahlenden Sterbegeldes bestimmte, läßt erkennen, daß nur Leistungen aus öffentlichen Mitteln - allerdings im weitesten Sinne - gemeint waren (Drucksachen der Deutschen Nationalversammlung 1920, Bd. 10 Nr. 2663 S. 42 zu § 34 und RVG 10, 35, 37). Daß nach § 36 Abs. 4 BVG eine Anrechnung der sich aus den §§ 1968, 1615 Abs. 2 BGB ergebenden Leistungen nicht gewollt sein kann, ergibt sich auch daraus, daß nach § 36 Abs. 2 BVG vom Bestattungsgeld zunächst die Kosten der Bestattung bestritten und an den gezahlt werden, der die Bestattung besorgt hat. Wäre nach § 36 Abs. 4 BVG auch die gesetzliche Leistungspflicht des Erben oder Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen, so würde in der Mehrzahl der Fälle ein Anspruch auf das Bestattungsgeld nach dieser Vorschrift gar nicht erst entstehen können; dem Gesetzgeber hat es somit ferngelegen, die Anrechnungspflicht auf Ansprüche dieser Art auszudehnen. Der in § 36 Abs. 4 BVG verwendete Ausdruck "auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften" bedarf daher einer einschränkenden und grundsätzlich auf öffentlich-rechtliche Leistungspflichten begrenzten Auslegung. Eine weitere Einschränkung für die Abgrenzung anrechenbarer und anrechnungsfreier Leistungen ergibt sich aus einem im Gesetz vorausgesetzten Merkmal, das allen anrechnungsfreien Leistungen gemeinsam ist. Es ist dies die Eigenvorsorge, die der Versorgungsberechtigte für den Todesfall getroffen hat, im Gegensatz zur staatlichen Vorsorge oder Fürsorge, die die Eigenvorsorge entbehrlich macht. Weil die staatliche Hilfe kraft Gesetzes eingreift und an die Stelle der dem schutzbedürftigen Berechtigten nicht zugetrauten oder nicht zugemuteten Vorsorge tritt, erscheint es billig, diese Hilfe, aber nur sie, anzurechnen. So sind Sterbegeldleistungen auf Grund eines Versicherungsvertrages weder wegen ihrer privatrechtlichen Grundlage noch weil sie ausschließlich aus Mitteln der Versicherungs- und Beitragsgemeinschaft herrühren, von der Anrechnung ausgeschlossen. Wäre es dem Gesetzgeber entscheidend auf den letztgenannten Gesichtspunkt angekommen, hätte er das Sterbegeld, das an die in der gesetzlichen Sozialversicherung zu einer Zwangsgemeinschaft zusammengeschlossenen Berechtigten gezahlt wird, jedenfalls in den Fällen anrechnungsfrei lassen müssen, in denen diese Leistung ebenso wie bei der privatrechtlichen Versicherung - jedenfalls im wesentlichen - auf den Beiträgen der Gemeinschaft beruht, wie zum Beispiel in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 385 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -); denn das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung ist grundsätzlich auf Beiträge abgestellt (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II S. 360 g, 378 a). Die in § 36 Abs. 4 RVG getroffene Unterscheidung zwischen gesetzlichen und anderen Leistungen muß somit darauf zurückgeführt werden, daß der Abschluß eines Versicherungsvertrages vornehmlich (aber nicht ausschließlich) als Ausdruck für die ohne gesetzlichen Zwang getroffene Vorsorge des Berechtigten gelten kann, die darum auch zugunsten des Berechtigten Berücksichtigung finden soll. Nach diesem Merkmal ist deshalb auch abzugrenzen, in welchen Fällen eine Leistung, die zwar auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften gewährt wird, dennoch anrechnungsfrei bleibt. Dies trifft nach dem Leitgedanken des Gesetzes zu, soweit Leistungen überwiegend oder doch wesentlich auf diese Eigenvorsorge zurückgeführt werden können und hiervon ihr besonderes Gepräge erhalten. Das gilt grundsätzlich für Leistungen, die zwar auf Grund gesetzlicher Vorschrift erfolgen, aber eine das Rechtsverhältnis erst begründen de Entschließung des Berechtigten voraussetzen, mit der aus freien Stücken die Verpflichtung zu einem Opfer, besonders zur Aufbringung von Beiträgen übernommen wird. Eine solche einschränkende Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes entspricht auch den Anschauungen, auf die im sozialen Rechtsstaat das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern gegründet ist. Soweit der Wille zur Verwirklichung dieser Grundsätze in den Gesetzen vorausgesetzt werden muß, ist er auch bei ihrer Auslegung zu beachten, selbst dann, wenn der Wortlaut diesen Willen nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck bringt (Enneccerus-Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., 1. Halbband, § 56, I 4 und III nebst weiteren Angaben). Je mehr der Staat gezwungen ist, dem gestiegenen Sicherungsbedürfnis der Bevölkerung nachzugeben, der durch Krieg und Inflation entstandenen Not und Existenzbedrohung der Bürger durch unmittelbare gesetzliche Maßnahmen zu steuern und dem Einzelnen die Sorge für bestimmte Lebenslagen abzunehmen, um so weniger kann er darauf verzichten, das Bewußtsein für die Unentbehrlichkeit selbstverantwortlicher Daseinsgestaltung und Selbstbehauptung zu erhalten und zu ermutigen. Darum ist eine Hilfe, die der Staat nur solchen Personen gewähren will, die bereit sind, auch selbst ein Opfer zu bringen, im Zweifel nur als eine die Initiative des Einzelnen unterstützende Maßnahme anzusehen; die nach gesetzlicher Vorschrift zu gewährende Leistung ist dann in diesem Sinne überwiegend der Vorsorge des Berechtigten zuzuschreiben. Einer Auslegung, die diesen sozialpolitischen Erfordernissen gerecht wird, entspricht bereits Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 36 BVG in der Fassung vom 1. März 1951 (BAnz. N. 61 vom 30. März 1951); denn dort ist bestimmt, daß das von einer Krankenkasse der Reichsversicherung aus einer Pflichtversicherung zu zahlende Sterbegeld, ferner das Sterbegeld der gesetzlichen Unfallversicherung anzurechnen ist. Daß das auf Grund eines freiwilligen Beitritts gewährte Sterbegeld von der Anrechnung ausgeschlossen sein soll, folgt aus der ergänzenden Bestimmung der VV zu § 36 BVG vom 3. September 1958 (BVBl 1958, 102), wonach ein auf Grund freiwilliger Mitgliedschaft von dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gewährtes Sterbegeld (nur) anzurechnen ist, wenn ein Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag nach § 381 Abs. 4 RVO gezahlt worden ist. Die VV gehen also davon aus, daß in den übrigen Fällen freiwilliger Mitgliedschaft das Sterbegeld anrechnungsfrei bleibt. Insoweit ergeben auch die VV vom 14. August 1961 (BAnz. N. 161 vom 23. August 1961) keine Abweichung. Damit wird in zutreffender Auslegung des Gesetzes eine Leistung, die sich zwar aus dem Gesetz ergibt, die aber der Eigenvorsorge des Berechtigten entspringt, als anrechnungsfrei behandelt.
Einer solchen einschränkenden Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG steht auch nicht entgegen, daß die entsprechende Vorschrift des § 34 RVG in der Praxis der Verwaltung und in der Rechtsprechung des früheren Reichsversorgungsgerichts eine andere Auslegung gefunden hat. So ist in den Ausführungsbestimmungen zu § 34 RVG ausgeführt, "ob der Verstorbene einer reichsgesetzlichen Krankenkasse als Pflichtmitglied oder freiwillig angehört hat, ist für die Anrechnung des von dieser Kasse gezahlten Sterbegeldes ohne Bedeutung" (Handbuch der Reichsversorgung Bd. I S. 128 Nr. 7 zu § 34 RVG). Dieser Auslegung hat sich das Reichsversorgungsgericht in der Entscheidung vom 18. März 1931 (RVG 10, 35, 37 f) unter Hinweis auf die amtliche Begründung zum RVG angeschlossen, weil das Gesetz eine Doppelversorgung der unter besonderen gesetzlichen Schutz gestellten Personen habe vermeiden wollen. Dazu gehörten auch die freiwilligen Mitglieder der Krankenkasse, denn ohne den besonderen Schutz des Gesetzes wären diese Personen auf den Abschluß eines Versicherungsvertrages mit einem privaten Versicherungsträger angewiesen. Zu demselben Ergebnis gelange man auch, wenn man den anderen in der Begründung zum RVG zu § 34 ausgesprochenen Gedanken, das Sterbegeld solle nicht zweimal aus öffentlichen Mitteln gezahlt werden, verfolge. Auch die Mittel der Krankenkassen seien öffentliche Mittel im Sinne des Gesetzes. - Abgesehen davon, daß nach der Auffassung des Senats schon die Fassung des § 34 RVG nicht zwingend zu dieser Auslegung nötigt, läßt diese Entscheidung die Bewertung eigenverantwortlicher Vorsorge des Berechtigten noch ganz hinter einer auf den Wortlaut abgestellten Interpretation zurücktreten. Ihr kann schon deshalb für das BVG nicht gefolgt werden.
Allerdings ließe sich gegen die hier grundsätzlich vertretene einschränkende Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG noch einwenden, wenn das Gesetz von der durch die Verwaltungspraxis der Versorgungsbehörden und die Rechtsprechung des Reichsversorgungsgerichts gefestigten Auslegung des § 34 RVG abweichen wollte, hätte dies deutlich zum Ausdruck kommen müssen; der Gesetzgeber hätte nicht den Wortlaut des § 34 RVG im wesentlichen übernehmen dürfen, wenn er etwas anderes gemeint habe als nach der Rechtstradition aus der Vorschrift zu folgern sei. § 34 Abs. 4 RVG ist jedoch bereits auf Grund eines Erlasses des Oberkommandos der Wehrmacht vom 16. Januar 1941 für alle nach dem 31. Dezember 1940 eingetretenen Todesfälle nicht mehr angewendet worden (RVBl 1941 Nr. 2 S. 21). In dem Erlaß, der diese Anordnung enthält, heißt es: "Es ist beabsichtigt, WFVG § 102 Abs. 4 und RVG § 34 Abs. 4 betr. Anrechnung der nach anderen Gesetzen für Zwecke der Beerdigung gewährten Bezüge auf das Bestattungs- (Sterbe-)geld zu streichen". Daraus muß entnommen werden, daß die Vorschrift, jedenfalls mit der Auslegung, die sie in der Praxis der Verwaltung gefunden hatte, bereits 1941 als unbillig oder unzeitgemäß empfunden wurde. Auch hatte das Reichsversicherungsamt der ähnlich gefaßten Vorschrift des § 205 b RVO bereits die Auslegung gegeben, daß das auf Grund einer freiwilligen Mitgliedschaft bei der gesetzlichen Krankenversicherung gezahlte Sterbegeld nicht auf das Familiensterbegeld anzurechnen sei (EuM 21, 461). Wenn auch regelmäßig die unveränderte Übernahme einer Vorschrift in ein Gesetz als eine Erneuerung des vorangegangenen Rechtszustandes und als eine Bestätigung der früheren Auslegungsergebnisse gelten kann (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 1. August 1958 - BStBl III 390, 391; RGZ Bd. 42, 233, 237), so würden hier durch eine solche Unterstellung wesentliche Auslegungsgrundsätze verletzt werden, denn bereits 1941 hatten sich die Bedenken gegen die 1920 erlassene Vorschrift durchgesetzt. Für den Gesetzgeber des BVG konnte es sich, wenn er von einer Anrechnung anderer gesetzlicher Leistungen nicht absehen wollte, nur darum handeln, den Gedanken der Anrechnung mit neuem Geist zu erfüllen, nicht aber darum, mit der Vorschrift eine schon lange als zu weitgehend erkannte Auslegung zu erneuern. Für ihn konnte nur maßgebend sein, daß das Grundgesetz aus der Erfahrung der jüngsten Vergangenheit auch zu einer Neubesinnung über das Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft, zwischen den sozialen Pflichten des Staates, ihren Grenzen und Beweggründen sowie der sozialen, persönlichen und sittlichen Verantwortung des Einzelnen geführt hatte. Nur auf dem Boden dieser Anschauungen, die der Persönlichkeit wieder zu voller Entfaltung verhelfen und sie in diesem Bemühen unterstützen wollen - vgl. Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 des Grundgesetzes -, kann eine Vorschrift wie die des § 36 Abs. 4 BVG trotz der aus einem früheren Gesetz übernommenen Fassung sachgerecht ausgelegt werden. Mit Rücksicht hierauf ist es auch unerheblich, daß die Verhandlungen des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen des Deutschen Bundestages oder die amtliche Begründung zum BVG (Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 1333 S. 58 zu § 35 - Bestattungsgeld -) nähere Ausführungen darüber vermissen lassen, ob § 36 BVG in einem engeren oder weiteren Sinn zu verstehen ist. Im übrigen ergibt sich aus dem Erlaß des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 31. Januar 1957 (BVBl 1957 S. 34), daß die Behandlung des Sterbegeldes bei freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung immerhin Gegenstand der Erörterungen bei den Beratungen zum BVG war, und zwar in dem Sinn, "nur das aus einer Pflichtversicherung zu gewährende Sterbegeld auf das Bestattungsgeld anzurechnen (Nr. 5 zu § 36 BVG), weil die Auffassung vertreten wurde, daß das auf einer freiwilligen Leistung beruhende Sterbegeld nicht berücksichtigt werden dürfe". Diese Auffassung ist dann auch der Auslegung des Gesetzes in den VV zugrunde gelegt worden. Wenn der wirkliche Wille des Gesetzgebers dennoch im Wortlaut der Gesetzesbestimmung selbst nicht deutlicher zum Ausdruck gekommen ist, so bleibt zu berücksichtigen, daß die Gesetzgebung des mit Arbeit überhäuften Bundestags auch sonst vielfach zu einer unausgereiften Fassung geführt hat. Es ist in diesen Fällen Aufgabe der Rechtsprechung, auch dem nur undeutlich zum Ausdruck gekommenen Gesetzeswillen Geltung zu verschaffen.
Ist hiernach die auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften zu gewährende Leistung überwiegend der privaten Vorsorge des Berechtigten zuzuschreiben, d. h. seiner freiwilligen, mit der Zahlung von Beiträgen verbundenen Entscheidung, so kann sie hinsichtlich der Anrechnung auf das Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 4 BVG nicht einer Leistung gleichgestellt werden, die allein und unmittelbar auf Grund des Gesetzes, insbesondere des in ihm angeordneten Beitritts im Rahmen eines Versicherungszwangs erfolgt. Mit diesem Ergebnis stimmt die im Urteil des 8. Senats vom 27. Februar 1963 (BSG SozR BVG § 36 Ca 3 Nr. 5) vertretene Auffassung überein, wonach das auf Grund freiwilliger Versicherung in der Rentner-Krankenversicherung von einer Ortskrankenkasse gewährte satzungsmäßig erhöhte Sterbegeld (§ 204 RVO) dann auf das Bestattungsgeld nach dem BVG anzurechnen ist, wenn der Träger der Rentenversicherung einen Ausgleichsbetrag gemäß § 381 Abs. 4 RVO geleistet hat. Denn dieser Ausgleichsbetrag hat im wesentlichen die Funktion der Übernahme einer Beitragslast für die Krankenversicherung, so daß die Beiträge des Berechtigten infolgedessen nicht mehr ins Gewicht fallen. Hier hat somit die freiwillige Versicherung nicht die Bedeutung, daß die Leistung wesentlich auf der mit Opfern verbundenen eigenen Vorsorge des Berechtigten beruht.
Nach § 277 LAG können die Empfänger von Unterhaltshilfe beantragen, daß im Falle ihres Todes oder des Todes ihres Ehegatten ein Sterbegeld von 300,- DM gezahlt wird. Sie tragen zu den entstehenden Kosten monatlich 1,- DM, für den Ehegatten 0,50 DM bei. Nach § 277 Abs. 3 LAG kann der Antrag nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des Bescheides über die Gewährung von Unterhaltshilfe gestellt werden. Das Sterbegeld wird an diejenige Person ausgezahlt, die der Unterhaltshilfeempfänger als empfangsberechtigt erklärt hat, im Zweifel an diejenige Person, die nachweislich die Bestattungskosten getragen hat (§ 277 Abs. 4 LAG). Die Zahlung des Sterbegeldes nach § 277 LAG beruht somit auf dem Gesetz. Es verlangt aber als Voraussetzung der Leistung einen fristgerecht gestellten und auf die freiwillige Entschließung des Unterhaltshilfeempfängers gegründeten Antrag, der mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kostenbeitrages verbunden ist.
Die Regelung enthält somit zwar ein Element der Fürsorge für einen durch die Folgen des Krieges besonders betroffenen Kreis von Personen. Der Staat gewährt die Hilfe aber nur, wenn der Berechtigte bereit ist, ein seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßtes Opfer zu bringen. Der Antrag des Berechtigten hat mit dem privat-rechtlichen Vertrag die Freiheit der Entschließung und die Übernahme der sich daraus ergebenden Verpflichtung gemeinsam. Da der Gesetzgeber die Gewährung des Sterbegeldes nicht schon an den Bezug von Unterhaltshilfe geknüpft hat, sondern einen Antrag verlangt, kann die Fürsorge des Staates nur den Zweck haben, dem Berechtigten, der sich aus eigener Verantwortung zur Vorsorge für den Todesfall entschließt, unterstützend zur Seite zu treten. Das Rechtsverhältnis erlangt den ihm eigentümlichen Charakter somit durch die mit Opfern verbundene Vorsorge des Berechtigten, zu der erst ergänzend die staatliche Förderung hinzutritt. Damit sind die Merkmale erfüllt, die bei einer einschränkenden Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG zur Anrechnungsfreiheit des Sterbegeldes nach § 277 LAG auf das Bestattungsgeld nach dem BVG führen. Wenn die Auffassung vertreten worden ist (Düsseldorf in BVBl 1963 S. 48), das Sterbegeld nach § 277 LAG könne nicht nach § 36 Abs. 4 BVG anrechnungsfrei bleiben, weil hier - anders als bei der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung - der Beitrag nicht "risikogerecht" sei, so kommt es nach der Meinung des Senats nicht auf diesen Gesichtspunkt, sondern darauf an, daß das Gesetz in § 36 Abs. 4 BVG die eigenverantwortliche Vorsorge des Berechtigten auch dann schützen will, wenn sich wegen der Schutzbedürftigkeit des Berechtigten eine Unterstützung dieser Vorsorge als notwendig erweist. Im übrigen entspricht auch der Beitrag, den in der gesetzlichen Krankenversicherung der freiwillig Versicherte zahlt, keineswegs dem von dem Träger der Versicherung übernommenen individuellen Risiko. Zum Wesen der Sozialversicherung gehört das Prinzip des sozialen Ausgleichs; es knüpft nicht, wie die privatrechtlichen Versicherungsbedingungen, an die individuellen Verhältnisse an, sondern bemißt in der Krankenversicherung den Beitrag nach dem Grundlohn (§ 385 Abs. 1 RVO), also unabhängig von dem Gesundheitszustand, dem Lebensalter, dem Beginn der Versicherung oder dem Familienstand; eine solche typische Regelung ist darum auch nicht in der Lage, den Beitragssatz an den Wert der im Versicherungsfall zu gewährenden Leistungen anzupassen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 1, 80, 80 a).
Da sonach das Sterbegeld nach § 277 LAG nicht auf das Bestattungsgeld nach dem BVG anzurechnen ist, kann der in Nr. 6 der VV zu § 36 BVG in der Fassung vom 14. August 1961 (BAnz. Nr. 161) zum Ausdruck gebrachten gegenteiligen Auslegung des Gesetzes nicht zugestimmt werden. Hier handelt es sich um die freiwillige Übernahme eines bestimmten Opfers für eine einzelne gezielte Leistung, nicht, wie etwa bei der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, um die Übernahme der Beitragspflicht für eine Vielzahl von Leistungen, von denen das Sterbegeld nur eine Nebenleistung ist. Darum erscheint die Herausnahme des Sterbegeldes nach § 277 LAG aus den anrechnungspflichtigen Leistungen noch eher gerechtfertigt als in den Fällen der freiwilligen Mitgliedschaft zur gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist ferner zu bedenken: Wenn der Gesetzgeber in Kenntnis der Anrechnungsbestimmung des § 36 Abs. 4 BVG auch den Beschädigten nach dem BVG und den versorgungsberechtigten Hinterbliebenen den Bezug des Sterbegeldes nach § 277 LAG ermöglicht hat, so wollte er ihnen damit nicht eine für sie wertlose Rechtswohltat erweisen. § 277 LAG würde aber die Berechtigten nur zu sinnlosen Kosten verleiten, wenn das nach dieser Vorschrift zu gewährende Sterbegeld anzurechnen wäre, so daß die Wohltat sich in Plage verwandeln würde. § 277 LAG ist daher als eine Bestätigung für die Richtigkeit der einschränkenden Auslegung des § 36 Abs. 4 BVG anzusehen. Ein Vergleich mit § 276 LAG, der die Krankenversorgung der Empfänger von Unterhaltshilfe regelt, läßt den Zweck des Gesetzes noch deutlicher hervortreten; denn in § 276 Abs. 1 Satz 3 LAG ist bestimmt, daß die Krankenversorgung entfällt, wenn nach dem BVG ein Anspruch auf entsprechende Leistungen besteht; sie wird nur subsidiär gewährt. Ein entsprechender Hinweis in § 277 LAG fehlt, woraus zu entnehmen ist, daß das Sterbegeld als eine eigenständige, von anderen Bezügen unabhängige Leistung gewährt werden sollte. Das entspricht auch dem in § 2 Buchst. d) der Verordnung zu § 33 BVG vom 2. August 1958 (BGBl I 567) und in § 2 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung vom 11. Januar 1961 (BGBl I 19) aufgestellten allgemeinen Grundsatz, wonach - allerdings mit Beschränkung auf die Feststellung der Ausgleichsrente - Leistungen nach dem LAG schlechthin unberücksichtigt bleiben.
Nach alledem ist die Anrechnung des Sterbegeldes nach § 277 LAG auf das Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 4 BVG nicht gerechtfertigt.
Da das LSG somit § 36 Abs. 4 BVG verletzt hat, unterliegt sein Urteil der Aufhebung. Gleichzeitig mußte die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen