Leitsatz (amtlich)

Veräußert der Eigentümer ein Hausgrundstück, dessen Einheitswert unter 6000 DM (jetzt 15000 DM) liegt, und behält er ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht zu einem Teil der Räume des Hausgrundstücks, so handelt es sich dabei nicht um ein "eigengenutztes eigentumähnliches Dauerwohnrecht" iS der DV § 33 BVG § 12 Abs 9, sofern der Erwerber ua auch die laufenden Abgaben und Lasten übernimmt (Ergänzung zu BSG 1969-05-06 9 RV 394/66 = SozR Nr 5 zu § 12 DVO zu § 33 BVG vom 11.1.1961).

 

Normenkette

BVG § 33 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1966-12-28, § 33 DV § 3 Abs. 1 Fassung: 1972-01-24, § 33 DV § 12 Abs. 1 Fassung: 1972-01-24, § 33 DV § 12 Abs. 8 Fassung: 1972-01-24, § 33 DV § 12 Abs. 1 Fassung: 1974-12-23, § 33 DV § 12 Abs. 9 Fassung: 1974-12-23

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 10. Januar 1975 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 22. April 1974 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist Kriegerwitwe. Laut Umanerkennungsbescheid vom 12. Februar 1963 (Bl. 10) bezieht sie Grund- und Ausgleichsrente. Bei der Berechnung der Ausgleichsrente blieben Einkünfte aus Hausbesitz unberücksichtigt, weil der Einheitswert des von der Klägerin bewohnten und in ihrem Alleineigentum stehenden Hausgrundstücks unter 6.000,- DM lag. Durch notariellen Vertrag vom 9. Oktober 1970 veräußerte die Klägerin das Hausgrundstück an ihren Sohn, der gleichfalls in dem Hause wohnt. Der vereinbarte Kaufpreis von 20.000,- DM wurde dadurch beglichen, daß der Sohn 10.000,- DM an seine Schwester zahlte und die restlichen 10.000,- DM als vorweggenommenen Erbteil selbst behielt. Gemäß § 2 des Vertrages behielt die Klägerin das lebenslängliche unentgeltliche Wohnrecht an den drei Räumen im 1. Stock sowie das lebenslängliche unentgeltliche Mitbenutzungsrecht an allen Zubehörräumen (Keller, Bad, Toilette usw.) und das Nutzungsrecht an der Hälfte des Hausgartens. Der Jahreswert dieses Rechtes ist in dem notariellen Vertrag mit 720,- DM angegeben. Mit der Übergabe des Grundstücks gingen vereinbarungsgemäß "der Besitz und die Nutzungen, öffentliche Abgaben und Lasten auf den Erwerber über".

Das Versorgungsamt rechnete in mehreren Bescheiden, die bindend geworden sind, das Wohnrecht mit einem Betrag von 31,50 bzw. 33,- DM als Einkünfte der Klägerin an. Gegen die erneute Anrechnung des Wohnrechtes (mit einem Betrage von 40,50 DM) in dem Bescheid vom 9. Mai 1973 wandte sich die Klägerin; ihr Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 1973). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 22. April 1974 abgewiesen; es hat die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 10. Januar 1975 das Urteil des SG aufgehoben und das beklagte Land verurteilt, bei der Berechnung der Ausgleichsrente und des Schadensausgleichs das Wohnrecht der Klägerin außer Ansatz zu lassen. Es hat ausgeführt, bei dem der Klägerin zu Lasten ihres früheren Grundbesitzes eingeräumten lebenslänglichen Wohn- und Mitbenutzungsrecht handele es sich um ein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht i. S. des § 12 Abs. 8 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Der eigentumsähnliche Charakter des Dauerwohnrechts drücke sich bereits in der durch Eintragung in das Grundbuch gesicherten, unbefristeten oder langfristig eingeräumten Möglichkeit aus, einen Teil eines Hausgrundstücks auf Dauer nach Belieben zu nutzen und andere, insbesondere auch den Eigentümer, von der Nutzung auszuschließen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung blieben überdies die laufenden Lasten eines Hausgrundstücks regelmäßig unter seinem Mietwert und könnten im Falle der Weitervermietung durch den Eigentümer auf den Mieter abgewälzt werden. Die vom SG angewandte Auslegung des § 12 Abs. 8 DVO zu § 33 BVG würde zu dem überraschenden Ergebnis führen, daß die Aufgabe eines Hausgrundstücks unter Vorbehaltung eines Wohnrechtes als Einkommenszuwachs gewertet würde mit der Folge, daß der Versorgungsberechtigte nach Aufgabe des Hausbesitzes geringere Leistungen erhalte, als er vorher als Eigentümer bezogen habe. Eine solche Regelung wäre nicht nur ungerecht und für die Betroffenen unverständlich, sondern würde auch den Versorgungsberechtigten eine allgemein gebräuchliche und sinnvolle Verteilung ihres Vermögens zu Lebzeiten auf die Erben erschweren, d. h. eine rechtspolitisch unerwünschte Wirkung erzielen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 10. März 1975 zugestellt, der dagegen am 3. April 1975 Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10. April 1975 begründet hat.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 10. Januar 1975 - Az: L 4 V 59/74 - aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 22. April 1974 - Az: S 19 V 90/73 - als unbegründet zurückzuweisen.

In seiner Revisionsbegründung rügt der Beklagte eine Verletzung der §§ 3 und 12 Abs. 1 und 8 der DVO zu § 33 BVG und führt dazu aus, nach § 3 DVO zu § 33 BVG sei auch ein Wohnrecht als Sachbezugswert grundsätzlich in Ansatz zu bringen. Dazu stelle § 12 DVO zu § 33 BVG eine Ausnahmevorschrift dar. Zwar sei die Tatbestandsvoraussetzung des § 12 Abs. 1 DVO insoweit erfüllt, als der jährliche Wert des lebenslänglichen Wohn- und Mitbenutzungsrechtes mit 720,- DM angegeben sei; es fehle jedoch an den Voraussetzungen des Abs. 8. Das lebenslängliche Wohn- und Mitbenutzungsrecht der Klägerin sei kein eigentumsähnliches Dauerwohnrecht i. S. dieser Vorschrift. Vielmehr handele es sich um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Sinne von § 1093 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), welche nicht übertragbar sei. Aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 8 DVO gehe eindeutig hervor, daß der Verordnungsgeber nicht jedes Dauerwohnrecht als eine eigentümerähnliche Position gewertet wissen wolle. Eine derartige Stellung setze notwendigerweise voraus, daß der Berechtigte - wie ein Eigentümer - auch die Belastungen, welche mit der Wohnung verbunden seien, zu tragen habe. Aufgrund des notariellen Vertrages vom 22. Oktober 1970 sei die Klägerin jedoch ausdrücklich davon freigestellt und genieße nur noch die Nutzungen der Wohnung.

Die Klägerin beantragt,

1.

die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 10. Januar 1975 als unbegründet zurückzuweisen;

2.

den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für richtig und führt weiter aus, der erforderlichen wirtschaftlichen Belastung des Wohnberechtigten werde bereits dadurch entsprochen, daß der Inhaber eines Wohnrechtes nach § 1093 Abs. 1 BGB wie ein Nießbraucher für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Stande zu sorgen habe. Nach Auffassung der Klägerin rechtfertigten bei einem lebenslänglichen Wohnrecht bereits diese gesetzlich begründeten finanziellen Verpflichtungen und Belastungen des Wohnberechtigten die Bejahung eines eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts. Die von dem Beklagten und dem SG vertretene Rechtsauffassung würde zudem für die Klägerin zu einer unbilligen Härte führen, denn sie würde trotz der Aufgabe ihres Hausbesitzes und der damit verbundenen Verminderung ihres Vermögens und etwaiger Einkommensmöglichkeiten aus dem Hausbesitz durch Vermietungen geringere Versorgungsleistungen erhalten, als sie ihr vorher als Hauseigentümerin zugestanden hätten. Tatsächlich würden der Klägerin auch jetzt durch die Nutzung der Wohnung infolge der erforderlichen Reparaturen und Erneuerungsarbeiten nicht unerhebliche Ausgaben entstehen.

 

Entscheidungsgründe

Der Beklagte hat die gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassene Revision frist- und formgerecht eingelegt und begründet (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist daher zulässig (§ 169 SGG); sie ist auch begründet. Der Senat vermag sich der Auffassung des LSG, das der Klägerin in ihrem früheren Hausgrundstück eingeräumte Wohnrecht habe bei der Berechnung der Einkünfte unberücksichtigt zu bleiben, nicht anzuschließen. Für die Entscheidung kann dahinstehen, ob die grundsätzliche Anrechenbarkeit des Wohnrechts durch die früheren, von der Klägerin nicht angegriffenen Bescheide in Bindung erwachsen ist und ob die Klägerin eine Änderung nur im Wege einer Zugunstenregelung erreichen könnte, da der angefochtene Bescheid des Beklagten jedenfalls rechtmäßig ist.

Auf die Berechnung der Ausgleichsrente und des Schadensausgleichs für Witwen (§§ 41, 40 a BVG) sind die Vorschriften über die Berechnung der Ausgleichsrente und des Berufsschadensausgleichs bei Beschädigten (§§ 33, 30 Abs. 3 - 7 BVG) entsprechend anzuwenden (vgl. §§ 41 Abs. 3, 33 Abs. 5 BVG und die DVO zu § 33 BVG; §§ 40 a Abs. 4, 30 Abs. 8 BVG und die DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG). Gemäß § 33 Abs. 1 BVG ist die Ausgleichsrente um das anzurechnende Einkommen zu mindern. Einkommen sind gemäß § 1 Abs. 1 DVO zu § 33 BVG alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle, soweit nicht das BVG, die DVO oder andere Rechtsvorschriften vorschreiben, daß bestimmte Einkünfte bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben. Nach § 3 DVO sind auch Einkünfte, die nicht in Geld bestehen ("Wohnung, Kost und andere Sachbezüge"), bei der Ermittlung des Einkommens in bestimmter Weise (Tabellenwerte) zu berücksichtigen. Eine Ausnahme von dieser Regelung stellt § 12 Abs. 1 DVO zu § 33 BVG dar. Danach bleiben Einkünfte aus Hausbesitz bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt, wenn der Einheitswert der Hausgrundstücke insgesamt nicht höher als 6.000,- DM ist (jetzt 15.000,- DM; vgl. DVO zu § 33 BVG i. d. F. vom 23.12.1974, BGBl I 1975, S. 107). Diese Regelung gilt gemäß § 12 Abs. 8 (jetzt Abs. 9) DVO für die Berechnung der Einkünfte aus einem "eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrecht" entsprechend.

Die Auffassung des LSG, das der Klägerin anläßlich des Eigentumsübergangs an dem Hausgrundstück eingeräumte lebenslängliche Wohnrecht sei als eigentumsähnliches Dauerwohnrecht anzusehen, kann nicht geteilt werden. Das LSG hat sich im wesentlichen von Billigkeitserwägungen leiten lassen, dabei aber allzusehr vom Gesetzeswortlaut und dem Sinn dieser Ausnahmevorschrift entfernt. Das der Klägerin durch den notariellen Vertrag vom 9. Oktober 1970 eingeräumte lebenslängliche Wohnrecht kann nicht als "Dauerwohnrecht" i. S. der §§ 31 ff des Wohnungseigentumsgesetzes (vom 15.3.1951, BGBl I S. 175 und S. 209 - WEG -) angesehen werden. Zwar ist hier die dingliche Sicherung zugunsten der Klägerin erfolgt. Ihr Wohnrecht ist jedoch nicht, wie es § 33 Abs. 1 WEG vorschreibt, veräußerlich und vererblich, sondern es endet mit dem Ableben der Klägerin, ist unveräußerlich und höchstpersönlich. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 WEG sind wesenseigentümlich für das Dauerwohnrecht und nicht abdingbar, weil der Berechtigte einem Wohnungseigentümer (vgl. §§ 1 ff WEG) gleichgestellt werden soll. - Der "Heimfallanspruch" nach § 36 WEG stellt eine Ausnahme dar und hat überdies zur Folge, daß eine angemessene Vergütung an den Dauerwohnberechtigten zu zahlen ist (§ 41 Abs. 3 WEG). - Für die Klägerin besteht demnach kein Dauerwohnrecht i. S. des Gesetzes, sondern ein Wohnrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit i. S. des § 1093 BGB.

Die weitere Voraussetzung der "Eigentumsähnlichkeit" des Dauerwohnrechtes ist gleichfalls nicht gegeben. Der Begriff des "eigengenutzten eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts" ist in § 40 der II. Berechnungsverordnung vom 1. August 1963 (BGBl I S. 593, jetzt i. d. F. vom 21. Februar 1975, BGBl I S. 569) enthalten. Zur näheren Begriffsbestimmung muß auf § 20 Abs. 4 des Ersten Wohnungsbaugesetzes (i. d. F. vom 25. August 1953, BGBl I S. 1047 - 1. WoBauG -) zurückgegriffen werden (vgl. BSG SozR DVO zu § 33 BVG, § 12 Nr. 5). Danach gilt ein Dauerwohnrecht als "eigentumsähnlich", wenn der Dauerwohnberechtigte wirtschaftlich einem Wohnungseigentümer gleichsteht. Es reicht also nicht aus, daß dem Berechtigten lediglich die Möglichkeit eingeräumt ist, "einen Teil eines Hausgrundstücks auf Dauer nach Belieben zu nutzen und andere, insbesondere auch den Eigentümer, von der Nutzung auszuschließen" (vgl. Bl. 7 des LSG-Urteils). Ein vergleichbares Recht steht auch jedem Mieter eines Hausgrundstücks zu, der dieses aufgrund eines langfristigen Mietvertrages in Besitz genommen hat (vgl. §§ 535, 854 Abs. 2, 858 ff BGB). Denn nach zivilrechtlichen Grundsätzen hat der Nießbraucher, Pächter, Mieter als unmittelbarer Besitzer ein Abwehrrecht auch gegen den Eigentümer als mittelbaren Besitzer (vgl. §§ 868, 859 BGB).

Entscheidend kommt es vielmehr auf die wirtschaftliche Gleichstellung mit dem Wohnungseigentümer an (vgl. auch § 72 Abs. 2 Nr. 3 BVG). Damit kann nicht die unbeschränkte (dingliche) Verfügung des Wohnberechtigten über den Sachwert gemeint sein, denn diese steht allein dem Eigentümer zu (vgl. §§ 903, 925 BGB). Erforderlich ist aber jedenfalls, daß der Berechtigte nicht nur die Wohnung oder den abgrenzbaren Teil eines Wohngrundstückes auf Dauer nutzt ("Dauermieter"), sondern daß er auch die darauf ruhenden laufenden Lasten und Unkosten wie ein Eigentümer trägt (vgl. BSG SozR DVO zu § 33 BVG, § 12 Nr. 5; Urteil BSG 10.12.1975 - 9 RV 116/75 -). Das trifft z. B. auf den Nießbraucher eines Grundstückes zu, denn dieser ist dem Eigentümer gegenüber verpflichtet (vgl. § 1047 BGB), für die Dauer des Nießbrauchs die auf der Sache ruhenden öffentlichen Lasten sowie diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, die zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten.

Die Voraussetzung der Lastentragung ist bei der Klägerin nicht gegeben. Zwar kann es hier auf die Übernahme der privatrechtlichen Lasten nicht ankommen, da das Grundstück "lastenfrei" übertragen wurde (vgl. Nr. 5 Satz 2 des notariellen Vertrages). In Nr. 4 des Vertrages ist jedoch ausdrücklich vereinbart, daß "von heute an der Besitz und die Nutzungen, öffentliche Abgaben und Lasten auf den Erwerber übergehen". Da dieser Vertrag von einem rechtskundigen Notar verfaßt worden ist, kann unbedenklich davon ausgegangen werden, daß auch die Vertragspartner mit den rechtlichen Bedingungen des Vertrages vertraut gemacht worden sind (vgl. RGZ 106, 93; s. auch § 24 Notarordnung und insbes. § 17 Beurkundungsgesetz). Die Vereinbarung über den Lastenübergang auf den Sohn steht im Einklang mit dem oben erwähnten Wohnrecht nach § 1093 BGB, denn dort werden zwar verschiedene Vorschriften des Nießbrauchrechts, nicht jedoch § 1047 BGB (Lastentragung) für anwendbar erklärt. Die Klägerin kann also weder einem Nießbraucher gleichgestellt werden noch sind in dem Vertrag sonstige Vereinbarungen enthalten - insbesondere hinsichtlich der Belastungen -, die eine eigentümerähnliche Rechtsstellung erkennen lassen. Da der Klägerin das Wohnrecht nur an den drei Räumen im 1. Stock (und das Mitbenutzungsrecht an den Nebenräumen) eingeräumt ist und die übrigen Räume von dem Sohn der Klägerin genutzt werden, kann mangels besonderer Vereinbarung auch nicht angenommen werden, daß der Klägerin hinsichtlich der Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestande (§ 1041 BGB) weitergehende Verpflichtungen auferlegt sind, als sie heute üblicherweise einem Mieter obliegen. Das aber reicht für die Annahme einer eigentumsähnlichen Rechtsstellung nicht aus.

Die Billigkeitserwägungen des LSG greifen nicht durch. Vor der Veräußerung war die Klägerin mit den gesamten Lasten, Instandsetzungs- und Erhaltungskosten usw. belastet; das rechtfertigte die Freistellung ihrer Einkünfte aus Hausbesitz. Die Sonderregelung des § 12 DVO will nicht etwa bestimmte Versorgungsberechtigte aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen besserstellen als andere, sondern vorwiegend der Versorgungsbehörde umfangreiche Ermittlungen und Nachprüfungen in wirtschaftlich weniger wichtigen und meist "erfolglosen" Fällen ersparen. Erfahrungsgemäß sind die Einkünfte aus Hausbesitz mit einem relativ niedrigen Einheitswert im Regelfall so gering, daß ein wesentlicher Überschuß über die Lasten und Unkosten nicht erzielt werden kann. Eine pauschalierte Freistellung ist daher nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus verwaltungstechnischen Gründen geboten (vgl. Vorberg/van Nuis, § 12 DVO zu § 33 BVG, S. 229). Die Anhebung des Einheitswertes von 6.000,- DM auf 15.000,- DM als Grenze für die Freistellung (vgl. Neufassung der DVO zu § 33 BVG vom 23.12.1974) ist nicht etwa deshalb erfolgt, um weiteren Hausbesitz anrechnungsfrei zu lassen, sondern allein deshalb, weil die Einheitswerte generell erheblich angehoben und den Verkehrswerten angenähert worden sind.

Das LSG hat weiter nicht beachtet, daß die Klägerin ihr Hausgrundstück zwar der Form nach veräußert, praktisch aber "verschenkt" bzw. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihre Kinder übertragen hat. Wenn die Klägerin einen Fremdverkauf vorgenommen oder den Kaufpreis tatsächlich erhalten hätte, dann wäre ihr Kapitalvermögen zugeflossen, von dem gleichfalls ein angemessener Ertrag angerechnet werden müßte (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 27.3.1974 in SozR 3100 BVG § 40 a Nr. 1). Dabei kann dahinstehen, ob der (fiktive) Kaufpreis im vorliegenden Falle besonders niedrig vereinbart worden ist oder ob der Klägerin das Wohnrecht zusätzlich als "verdeckte" Kaufpreiszahlung eingeräumt worden ist, denn jedenfalls steht die Klägerin bei der hier gebotenen Anrechnung des Wohnrechts nicht schlechter da als bei einem "echten" Verkauf ihres Grundstücks an einen Dritten. Die Klägerin wird auch nicht gehindert, bereits zu ihren Lebzeiten eine Verteilung ihres Vermögens auf die Erben vorzunehmen. Sie kann aber nicht verlangen, daß das zu Lasten der Allgemeinheit geht.

Das Wohnrecht der Klägerin fällt daher nach § 3 DVO zu § 33 BVG unter die Einkünfte i. S. des § 1 dieser Vorschrift. Konkrete Beanstandungen gegen die Berechnung des Beklagten hat die Klägerin nicht erhoben. Der allgemeine Hinweis auf Blatt 4 der Revisionserwiderung (vom 4. Juni 1975) reicht dafür nicht aus.

Die Revision des Beklagten erweist sich daher als begründet (§ 170 Abs. 2 SGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und das erstinstanzliche, klagabweisende Urteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647260

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