Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenhaus. Vergütung. Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Information Medizinische Rehabilitation
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB V § 39 Abs. 1 Sätze 2-3, § 109 Abs. 4 S. 3, § 275 Abs. 1c, § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 8; KHEntgG § 7 S. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3, § 17b Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2560,66 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus (G) der klagenden Krankenhausträgerin behandelte den 1930 geborenen, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten Hans H. (im Folgenden: Versicherter) vollstationär vom 20.9. bis 9.10.2007 wegen eines Schlaganfalls (Hauptdiagnose ICD-10-GM ≪2007≫ I63.5 - Hirninfarkt durch nicht näher bezeichneten Verschluss oder Stenose zerebraler Arterien; weitere Nebendiagnosen) mit sich anschließender Frührehabilitation ab 21.9.2007. Die Klägerin berechnete hierfür die Fallpauschale (DRG ≪2007≫) B44D (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems ohne schwere motorische Funktionseinschränkung, ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls; kodiert ua: Operationen- und Prozeduren-Schlüssel ≪OPS 2007≫ 8-550.1, geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten; insgesamt 5722,54 Euro; 1.11.2007). Sie übermittelte der Beklagten keine Angaben über die durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Beklagte weigerte sich zu zahlen: Die Klägerin dürfe nach einem Prüfbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlungen nur abrechnen, falls bei Abwesenheit von Dipl.- Med. G, die allein die Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie" führe, adäquater Ersatz zur Verfügung stehe (4.9.2007). Sie habe die Klägerin informiert (9.10.2007), Rechnungen mit OPS 8-550.* nur zu akzeptieren, wenn sie die strukturellen Voraussetzungen für die Abrechnung nachweise. Daran fehle es. Nach Klageerhebung hat die Beklagte der Klägerin die ohne frührehabilitative Komplexbehandlung anfallende Vergütung von 3094,91 Euro im Herbst 2008 bezahlt. Das SG hat die Klage auf Zahlung weiterer 2560,66 Euro nebst 5 vH Zinsen auf 5722,54 Euro vom 30.11.2007 bis 16.10.2008 und auf 2560,66 Euro ab 17.10.2008 abgewiesen: Die Klägerin habe keine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie" oder einen Facharzt mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" während der gesamten Behandlungszeit sichergestellt. Die allein hierfür qualifizierte Dipl.- Med. G sei vom 4. bis 8.10.2007 (Teambesprechung am 4.10.2007) abwesend gewesen und habe auch bereits am 27.9.2007 nicht an der Teambesprechung teilgenommen. Die Klägerin habe sich schon mangels Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht auf Verfristung der Prüfanzeige berufen können (Urteil vom 30.7.2013).
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 275 Abs 1c und des § 301 Abs 1 S 1 SGB V. Sie habe alle erforderlichen Angaben gemacht, um die Fälligkeit der Abrechnung herbeizuführen. Auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit von Abrechnungen über Krankenhausbehandlung bestimme sich allein nach § 275 Abs 1c SGB V, dessen Voraussetzungen hier nicht erfüllt seien. Das SG habe das Beweisverwertungsverbot missachtet, das aus der erst am 16.11.2012 vorgenommenen Beauftragung des MDK folge.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Juli 2013 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 2560,66 Euro nebst 5 vH Zinsen auf 5722,54 Euro vom 30. November 2007 bis 16. Oktober 2008 und auf 2560,66 Euro ab 17. Oktober 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision der klagenden Krankenhausträgerin ist unbegründet. Das SG hat die auf Zahlung weiterer 2560,66 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen weiteren zulässig mittels der echten Leistungsklage (stRspr, vgl zB BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12 mwN) geltend gemachten Vergütungsanspruch für die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten (dazu 1.) und keinen weiteren Zinsanspruch (dazu 2.).
1. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 9).
Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2007 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenen der Klägerin nach § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser ≪Fallpauschalengesetz - FPG≫ vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (≪KHEntgG≫ idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz ≪2. FPÄndG≫ vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (≪KHG≫ idF durch Art 18 Nr 4 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen ≪FPV≫) konkretisiert. Die Spitzenverbände der KKn (ab 1.7.2008: Spitzenverband Bund der KKn) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 5 FPG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG (idF durch Art 5 FPG). Die Klägerin durfte auf dieser Grundlage im Ansatz rechtmäßig für die Behandlung des Versicherten einen Rechnungsbetrag von 3094,91 Euro berechnen (DRG ≪2007≫ B70E - Apoplexie ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, ohne intrakranielle Blutung, mehr als ein Belegungstag oder Delirium mit äußerst schweren CC). Insoweit kann der erkennende Senat im Revisionsverfahren von diesem - bei Zugrundelegung der DRG (2007) B70E - der Höhe nach von den Beteiligten nicht bestrittenen Betrag ausgehen (vgl BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 17). Die Klägerin durfte aber nicht 5722,54 Euro für DRG (2007) B44D (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems ohne schwere motorische Funktionseinschränkung, ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) berechnen, weil sie schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf die Vergütung der DRG (2007) B44D hat, sondern nur auf der DRG (2007) B70E.
Zu Recht streiten die Beteiligten nicht darüber, dass die Klägerin im hier betroffenen Zeitraum 2007 entsprechend der Rechtsauffassung des SG die DRG (2007) B44D nur abrechnen durfte, falls sie hier zulässig OPS (2007) 8-550.1 kodieren konnte. Daran fehlt es. Eine hiernach gebotene ununterbrochene Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie" oder - übergangsweise bis zum Jahresende 2007 - mit einer vergleichbaren mehrjährigen Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" bestand in der Zeit vom 20.9. bis 8.10.2007 (Ende der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung am Tag vor der Entlassung) nicht. Es kann deswegen und mangels weiterer Feststellungen des SG offenbleiben, ob die Klägerin daneben weitere Voraussetzungen für die Kodierung der OPS (2007) 8-550.1 nicht erfüllte.
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 FPV 2007 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.
Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2007 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S 6919, in Kraft getreten am 1.1.2007 ≪ICD-10-GM 2007≫) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2007 einschließlich Erweiterungskatalog vom 25.10.2006 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S 6920, in Kraft getreten am 1.1.2007 ≪OPS 2007≫). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24).
Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27 mwN; s zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 12 ff mwN).
Die DRG (2007) B44D wird nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn Prozeduren nach OPS (2007) 8-550. zu kodieren sind (vgl G-DRG, German Diagnosis Related Groups Version 2007, Definitionshandbuch Bd 1 S 142 und S 407; dort ist die ADRG ≪2007≫ B44 ≪Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems≫ deckungsgleich mit OPS ≪2007≫ 8-550, soweit die MDC ≪Major Diagnostic Category≫ 1 ≪Krankheiten und Störungen des Nervensystems≫ über die entsprechende neurologische Hauptdiagnose - hier ICD-10-GM ≪2007≫ I63.5 - angesteuert wird; vgl zu letzterem Definitionshandbuch S 153), ansonsten richtet sich hier die Vergütung nach DRG (2007) B70E. Allein die Schlüsselnummern nach OPS (2007) 8-550 betreffen die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Die einzelnen Schlüssel unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich Behandlungsdauer und Zahl der Therapieeinheiten (OPS ≪2007≫ 8-550.0: Mindestens 7 Behandlungstage und 10 Therapieeinheiten; OPS ≪2007≫ 8-550.1: Mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten; OPS ≪2007≫ 8-550.2: Mindestens 21 Behandlungstage und 30 Therapieeinheiten). Alle OPS (2007) 8-550 setzen nach dem einleitenden Hinweis als eines der Mindestmerkmale ua eine Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung voraus (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich; sofern diese nicht vorliegt, ist zur Aufrechterhaltung bereits bestehender geriatrischer Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2007 eine vergleichbare mehrjährige Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" ausreichend; zu den Anforderungen an eine aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal vgl BSG Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 26/13 R - Juris RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 301 Nr 3 vorgesehen, und unten letzter Abs vor 2.). Nach den für die Auslegung von Vergütungsregelungen oben aufgezeigten Kriterien folgt schon aus dem Wortlaut "Behandlungsleitung" - und nicht bloß Leitung oder Teamleitung -, dass es dabei um eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten und nicht nur um die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit geht. Eine derartige Verantwortung kann aber nur bei persönlicher Anwesenheit eines über die in OPS (2007) 8-550. genannten Qualifikationen verfügenden, seine Behandlungsleitung für die Dauer der Behandlung tatsächlich ausübenden Facharztes wahrgenommen werden (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 30 RdNr 22 zum "Verantwortlichen" bei der multimodalen Schmerztherapie). Daran fehlt es nach den Feststellungen des SG. Die im Krankenhaus der Klägerin allein hierfür qualifizierte Dipl.- Med. G war vom 4. bis 8.10.2007 (Teambesprechung am 4.10.2007) abwesend. Sie hatte auch schon an der am 27.9.2007 stattgefundenen Teambesprechung nicht teilgenommen, obwohl die zitierten Mindestmerkmale der OPS ≪2007≫ 8-550 ua eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele fordern.
Das SG durfte die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen verwerten. Denn die Klägerin erfüllte ihre Obliegenheit, die für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung erforderlichen Informationen der Beklagten zu übermitteln (§ 301 SGB V), erst mit der Überlassung der Behandlungsunterlagen an das SG.
Die Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die KK korrespondiert mit der Prüfberechtigung der KK. KKn sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf bestehende Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 SGB V). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs 1 SGB V; vgl zB 1. Senat des BSG in BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13, 21; 3. Senat des BSG in BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 18 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 14 mwN, stRspr). Jedenfalls dann, wenn sich dabei auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllte, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der KK die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben. Die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist (§ 275 Abs 1c SGB V) erfasst demgegenüber nur die Prüfung aufgrund einer Auffälligkeit (vgl näher BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten bestehen etwa in Fällen, in denen die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zweifelhaft ist oder sogar bestehender Kodierpraxis widerspricht oder in denen die erforderlichen Angaben unvollständig sind. Es entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben (§ 301 Abs 1 SGB V), sondern den eigenen Interessen des Krankenhauses, der KK die entsprechenden Sachverhalte vollständig und nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der KK vor, ermöglicht der KK die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis.
Die Beklagte hatte Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten der Klägerin. Denn die Klägerin machte keine Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 301 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V). Die KKn benötigen die in § 301 Abs 1 SGB V genannten Angaben zur Durchführung ihrer Aufgaben, insbesondere für eine ordnungsgemäße Abrechnung, für die Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung und der Verweildauer sowie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Krankenhäuser (Didong in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 301 RdNr 7). "Durchgeführte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" sind solche, die das Krankenhaus bereits erbracht hat. Es liegt auf der Hand, dass diese Angaben nicht nur für die Bewilligung künftiger Leistungen, sondern vor allem auch für die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Abrechnung erforderlich sind. Zutreffend weist das SG darauf hin, dass die Angaben auch in Zusammenhang mit der Regelung der Frührehabilitation in § 39 Abs 1 S 3 SGB V zu sehen sind. Die Krankenhausbehandlung umfasst danach im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1 SGB V), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Diese Regelung zielt nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck darauf ab, dass die Rehabilitation von Anfang an integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung im Krankenhaus sein soll. Ärzteschaft, Pflegepersonal und das spezifische Fachpersonal haben an dieser Aufgabe mitzuwirken. Für die Feststellung des individuellen medizinischen Rehabilitationsbedarfs im Akutkrankenhaus sind Art und Schwere der Erkrankung und die individuellen Voraussetzungen wie zB Lebensalter und Multimorbidität des Patienten zugrunde zu legen. Hierfür sowie für Art und Umfang der medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen der Krankenhausbehandlung sind Kriterien aufzustellen. Vorrangiges Ziel dieser frühen Rehabilitation im Krankenhaus ist die Wiederherstellung der Basisfähigkeiten, wozu neben der Mobilität die weitgehende Unabhängigkeit in den einfachen Aktivitäten des täglichen Lebens gehört sowie die Kommunikation mit und die Orientierung in der Umwelt; hinzu kommen die frühzeitige Auseinandersetzung mit Fähigkeitsstörungen in der Folge von Erkrankungen/Unfällen und der frühzeitige Einstieg in das Erlernen von Bewältigungsstrategien. Soweit medizinisch erforderlich, sind auch fachspezifische Rehabilitationsansätze zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu integrieren. Über die bereits vorhandenen Rehabilitationsansätze im Krankenhaus hinaus sind jedenfalls seit Einführung der Frührehabilitation in § 39 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB V bereits bei Aufnahme in das Akutkrankenhaus der funktionelle Status, das Rehabilitationspotential und der Rehabilitationsbedarf des Patienten in die Diagnosestellung einzubeziehen und ein am individuellen Bedarf ausgerichtetes Rehabilitationskonzept in die Krankenbehandlung zu integrieren (vgl Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - ≪SGB IX≫ Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, BT-Drucks 14/5074 S 117 f - Zu Nummer 11 ≪§ 39 Abs. 1≫). Die Auffassung der Klägerin, die KKn benötigten die Angaben nach § 301 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V lediglich für Feststellungen im Zusammenhang mit der Genehmigung weiterer Rehabilitationsmaßnahmen, erweist sich demgegenüber als zu eng.
2. Zu Recht hat das SG auch einen Zinsanspruch der Klägerin verneint. Mangels vollständiger Angaben, die erst mit der Aushändigung der Behandlungsunterlagen im Oktober 2011 erfolgten, war der Anspruch der Klägerin auf Vergütung der Behandlung zur Zeit der von der Beklagten geleisteten Zahlung noch nicht fällig. Für die Folgezeit fehlt es schon an einer zu verzinsenden Hauptforderung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen