Leitsatz (amtlich)
Bestand im Dezember 1956 Anspruch auf eine Rente mit dem erhöhten Grundbetrag von 840 DM jährlich nach EV SV Ostgebiete § 32 abs 1 (SVFAG § 3 Abs 1), so ist zur Ermittlung des Steigerungsbetrags bei der Rentenumstellung zum 1957-01-01 dieser Grundbetrag in voller Höhe als "übriger Rentenbestandteil" vom Rentenzahlbetrag abzuziehen. Das Gesetz gestattet nicht, den Grundbetrag aufzuteilen und den über den regelmäßigen Grundbetrag von 444 DM jährlich (AVG § 36 Abs 2 aF) hinausgehenden Teil dem Steigerungsbetrag zuzuschlagen.
Normenkette
AVG § 36 Abs. 2 Fassung: 1941-07-24; SVFAG § 3 Abs. 1 Fassung: 1953-08-07; AnVNG Art. 2 § 31 Fassung: 1957-02-23, § 42 Fassung: 1957-02-23; SVOstgebieteEV § 32 Abs. 1 Fassung: 1941-12-22; ArVNG Art. 2 § 32 Fassung: 1957-02-23, § 43 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. August 1961 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Rechtsstreit wird um die Höhe der Rente geführt, die der Kläger seit dem Jahre 1948 - zuletzt als Altersruhegeld - aus den Rentenversicherungen der Angestellten (AnV) und der Arbeiter (ArV) erhält, insbesondere um die Frage, wie diese Rente für Bezugszeiten vom 1. Januar 1957 an umzustellen ist.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) war bei der Bewilligung der Rente im Jahre 1949 ein Grundbetrag von jährlich 840,- DM (= monatlich 70,- DM) nach § 32 Abs. 1 der Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in den eingegliederten Ostgebieten - Ostgebiets-Verordnung - vom 22. Dezember 1941 (RGBl I 777) in der Fassung der Verordnung vom 12. Oktober 1943 (RGBl I 565) festgesetzt worden. Die Beklagte stellte zum 1. Januar 1957 die zuletzt 179,40 DM monatlich betragende Rente nach den Übergangsvorschriften des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG - (Art. 2 §§ 30, 31, 42 AnVNG) um; die Rente erhöhte sich dadurch auf monatlich 227,30 DM. Der Umstellung legte sie den bisherigen monatlichen Steigerungsbetrag (ungekürzt) aus der AnV und der ArV (45,47 DM) zugrunde, wie er sich nach Abzug der übrigen Rentenbestandteile - darunter auch des Grundbetrages - vom Rentenzahlbetrag ergab; den so ermittelten Steigerungsbetrag vervielfältigte sie mit dem Tabellenwert 5,0 (Bescheid vom 13. Juli 1957). Der Kläger beanstandete diese Rentenberechnung; nach seiner Meinung hätte die Beklagte zur Ermittlung des monatlichen Steigerungsbetrages (Art. 2 § 31 Abs. 3 Satz 1 AnVNG) nicht den ganzen in der Rente enthaltenen Grundbetrag von 70,- DM monatlich vom Rentenzahlbetrag abziehen dürfen, sondern nur den nach § 36 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aF regelmäßig gewährten Grundbetrag von 444,- DM jährlich = 37,- DM monatlich. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem erhöhten Grundbetrag und dem regelmäßigen Grundbetrag (= 33,- DM) stelle einen fiktiven Steigerungsbetrag dar; dieser müsse bei der Rentenumstellung mitberücksichtigt, d. h. mitvervielfältigt werden. Erst danach ergebe sich die richtige Rentenhöhe.
Die beigeladene Landesversicherungsanstalt (LVA) unterstützte die Rechtsansicht des Klägers.
Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen gab der Klage statt (Urteil vom 7. Oktober 1959). Das LSG Nordrhein-Westfalen hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 11. August 1961).
Der Kläger legte Revision ein mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und nach seinen in den Vorinstanzen gestellten Anträgen zu entscheiden.
Er begründete die Revision mit der Rüge, das LSG habe Art. 2 § 31 Abs. 1 und 3 AVG fehlerhaft ausgelegt.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Sie stellte das Altersruhegeld des Klägers nach Art. 6 § 6 Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) erneut um (Bescheid vom 21. Dezember 1960).
Die Beigeladene stellte keinen Antrag, unterstützte jedoch weiterhin die Auffassung des Klägers.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet; die Auffassung des LSG, die Beklagte habe das Altersruhegeld des Klägers richtig berechnet, trifft zu.
Auszugehen ist davon, daß der Kläger vor dem 1. Januar 1957 das Altersruhegeld mit dem Grundbetrag von 840,- DM jährlich = 70,- DM monatlich nach § 32 Abs. 1 der Ostgebiets-Verordnung in der Fassung der Verordnung vom 12. Oktober 1943 bezog. Die Beklagte hatte diese Rente nach den Übergangsvorschriften des AnVNG für die Zeit vom 1. Januar 1957 an umzustellen (Art. 2 §§ 30, 31, 42 Abs. 1 AnVNG). Die Umstellung der nach dem bisherigen Recht festgestellten Renten geschieht in der Weise, daß der nach § 31 Abs. 3 errechnete monatliche Steigerungsbetrag der Rente mit dem maßgeblichen Tabellenwert vervielfältigt wird; der sich dabei ergebende Betrag ist die monatliche Rente. Als Steigerungsbetrag wird der Teil des monatlichen Rentenzahlbetrags zugrunde gelegt, der sich nach Abzug der übrigen Rentenbestandteile ergibt, wie sie auf Grund der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zuletzt geltenden Vorschriften festzustellen wären (Art. 2 § 31 Abs. 3 AnVNG). Für den Kläger galt am 31. Dezember 1956 das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I 848); seine Rente wäre damals nach § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes auf Grund der Ostgebiets-Verordnung festzusetzen gewesen. Die Beklagte hatte deshalb alle Rententeile, die nach dieser Verordnung neben den Steigerungsbeträgen zu gewähren waren, vom Rentenzahlbetrag abzuziehen. Dazu gehörte auch der Grundbetrag von monatlich 70,- DM. Für die Meinung des Klägers und der Beigeladenen, daß dieser Grundbetrag bei der Rentenumstellung aufzuteilen, der Teilbetrag von 33,- DM dem Steigerungsbetrag zuzuschlagen und nur der verbleibende Teil von 37,- DM vom Rentenzahlbetrag abzuziehen sei, bietet das Gesetz keinen Anhalt. Gegen die Richtigkeit dieser Meinung spricht schon der Wortlaut des Gesetzes. Die Fassung in § 31 Abs. 3 Satz 1 "wie sie auf Grund der vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zuletzt geltenden Vorschriften festzustellen wären" zeigt deutlich, daß die "übrigen Rentenbestandteile" nicht in einer allgemein bestimmten Höhe - hier also der Grundbetrag mit 37,- DM nach § 36 Abs. 2 AVG aF -, sondern nach der im konkreten Fall maßgeblichen Rentenberechnung gemeint sind. Ebenso sprechen Sinn und Zweck des Gesetzes gegen die Rechtsauffassung des Klägers und der Beigeladenen.
Nach dem bis zum 31. Dezember 1956 in der Rentenversicherung geltenden Recht bildete der Grundbetrag einen festen, von den Beitragszahlungen unabhängigen Rentenbestandteil im Gegensatz zu dem Steigerungsbetrag als einem nach der Höhe der Beiträge ausgerichteten sogenannten variablen Rentenbestandteil. Der Grundbetrag in der AnV belief sich zwar seit 1941 für alle Klassen auf 444,- DM jährlich (§ 36 Abs. 2 AVG in der Fassung der §§ 2 und 7 des Leistungsverbesserungsgesetzes vom 24. Juli 1941 - RGBl I 443 -). Von dieser Regel gab es jedoch mehrere Ausnahmen. Ähnlich wie § 32 der Ostgebiets-Verordnung sah auch § 43 der sogenannten Sudeten-Verordnung vom 27. Juni 1940 in der Fassung der bereits genannten Verordnung vom 12. Oktober 1943 einen erhöhten Grundbetrag (516,- DM jährlich) vor. Für halbversicherte Handwerker wurde nach § 6 Abs. 1 des Handwerkerversorgungsgesetzes vom 12. Dezember 1938 (RGBl I 1900) nur der halbe Grundbetrag (222,- DM) gewährt. Vor allem aber erhielten Wanderversicherte der AnV und der ArV den vollen Grundbetrag von 444,- DM aus der AnV nur dann, wenn sie die Wartezeit mit Beitragszeiten dieses Versicherungszweiges erfüllt hatten (§ 1544 c Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF). War dies nicht der Fall, so wurde der Grundbetrag anteilig gewährt, d. h. nach den Anteilen der in den beiden Versicherungszweigen verschieden hoch bemessenen Grundbeträge (in der ArV 156,- DM jährlich nach § 1268 Abs. 2 RVO aF). Hier ergab also erst die Addition der Bruchteile unterschiedlicher Grundbeträge den festen Rentenbestandteil; er war stets niedriger als der in § 36 Abs. 2 AVG aF genannte Betrag. Es kann aber nicht einleuchten, daß auch bei der Umstellung derartiger Renten zur Ermittlung des Steigerungsbetrags der regelmäßige Grundbetrag von 37,- DM abgezogen werden sollte. Denn dies würde zu einer unverständlichen Benachteiligung der Berechtigten führen. Das Gesetz muß daher, wenn es die erwähnte Regelung getroffen hat, den Grundbetrag gemeint haben, der dem Berechtigten zu seiner Rente nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht tatsächlich zustand.
Der Kläger und die Beigeladene berufen sich für ihre gegenteilige Meinung auch darauf, der erhöhte Grundbetrag nach der Ostgebiets-Verordnung sei zur Abgeltung von erhöhten Beitragsleistungen zur polnischen AnV gewährt worden. Für die Richtigkeit dieser Auffassung lassen sich möglicherweise Argumente aus § 32 der Ostgebiets-Verordnung selbst, insbesondere aus dem Zusammenhang mit den teilweise niedrigen Steigerungssätzen nach Abs. 1 Nr. 2, wie auch aus dem spärlichen Schrifttum ziehen. Es kann jedoch für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ob also, wie der Kläger und die Beigeladene vortragen, die Erhöhung des Grundbetrages tatsächlich als Abgeltung für Beitragszeiten gedacht ist, wie sie sonst im Steigerungsbetrag ausgedrückt wird. Denn das Gesetz hat diese Erhöhung ausdrücklich den festen Rentenbestandteilen zugewiesen, diese sollen aber die Höhe der Umstellungsrente nicht beeinflussen. Dies gilt auch für die durch Sondervorschriften bestimmten Grundbeträge.
Zu einer anderen Beurteilung nötigt auch nicht der Hinweis der Revision auf das Urteil des erkennenden Senats vom 20. Dezember 1960 (BSG 13, 234). Das Rentenumstellungsverfahren war zwar - wie in dieser Entscheidung näher ausgeführt ist - darauf abgestellt, im Interesse der Berechtigten eine rasche und einfache Anpassung der Renten an das neue Recht zu ermöglichen. Die Aufspaltung erhöhter Grundbeträge in einen bei der Rentenumstellung mitzuberücksichtigenden fiktiven Steigerungsbetrag und in einen vom Umstellungsverfahren ausgeschlossenen Grundbetrag hätte aber nach Auffassung des Senats die Rentenanpassung keineswegs erleichtert, sondern gerade erschwert. Der für die Rentenumstellung maßgebliche Steigerungsbetrag ließ sich in einfacher Weise dadurch ermitteln, daß neben anderen Rentenbestandteilen der in der Rente enthaltene tatsächliche Grundbetrag vom Rentenzahlbetrag abgezogen wurde. Er war den Rentenberechnungsstellen der Versicherungsträger und der Bundespost bereits aus der Durchführung des Rentenmehrbetragsgesetzes vom 23. November 1954 bekannt. Der Meinung des Klägers und der Beigeladenen kann deshalb auch nicht im Hinblick auf eine etwa praktischere Handhabung des Gesetzes gefolgt werden.
Schließlich führt die Auffassung des Senats auch nicht zu einer besonderen Härte für den Kläger. Er übersieht den Übergangscharakter des Art. 2 § 42 AnVNG. Satz 1 dieser Vorschrift brachte für die Berechtigten nach dem Fremdrentengesetz (FremdRG), bei denen die Versicherungsfälle schon in der Zeit vor dem 1. Januar 1957 eingetreten sind, nur eine vorläufige Regelung. Die endgültige Ordnung und Anpassung an das AnVNG sollte durch ein besonderes Gesetz geschaffen werden (§ 42 Abs. 2). Dies ist inzwischen mit der Verkündung des FANG vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) geschehen. Nach Art. 6 §§ 5 und 6 Abs. 2 dieses Gesetzes werden Renten, die auf Versicherungsfällen vor dem 1. Januar 1957 beruhen, erneut umgestellt, wobei ein nach dem neuen Recht berechneter neuer Steigerungsbetrag zugrunde gelegt wird; über das bisherige Recht hinaus anrechenbare Zeiten werden dabei zusätzlich berücksichtigt. Mit der Möglichkeit, bestimmte Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach den §§ 15 und 16 des FremdRG anzurechnen und mit der Einstufung der Berechtigten in die einzelnen Leistungsgruppen entsprechend der früher ausgeübten Beschäftigung will das Gesetz erreichen, daß die Vertriebenen den einheimischen Versicherten hinsichtlich des Versicherungsschutzes gleichstehen; es will ihnen damit die größtmögliche materielle Gerechtigkeit auf diesem Gebiet zuteil werden lassen. Auch dem Kläger ist diese gesetzliche Vergünstigung inzwischen zugute gekommen; die Beklagte hat seine Rente nach Art. 6 § 6 Abs. 2 FAG umgestellt und ihm hierüber einen neuen Bescheid erteilt. Dabei soll allerdings nicht verkannt werden, daß das Gesetz etwaige Verbesserungen der Neuregelung erst vom 1. Januar 1959 an wirksam werden läßt (Art. 6 § 24 FANG), daß es also für die Jahre 1957 und 1958 bei der in Art. 2 § 42 AnVNG bestimmten Übergangsregelung verbleibt. Aber auch insoweit kann eine unzumutbare Härte für den Kläger nicht angenommen werden. Der Senat hat schon wiederholt entschieden, daß gewisse Benachteiligungen, die sich bei der Massenumstellung von Renten zum 1. Januar 1957 ergaben, von den Beteiligten in Kauf genommen werden müssen, weil der Zweck dieser Umstellung, eine möglichst schnelle und einfache Anpassung der Bestandsrenten an das neue Recht zu erreichen, die Berücksichtigung aller Besonderheiten des einzelnen Falles verbot. Im übrigen hat die Rente des Klägers durch die Umstellung zum 1. Januar 1957 eine nicht unbeträchtliche Erhöhung erfahren; sie überstieg die Mindesterhöhung, die das Gesetz in Art. 2 § 35 AnVNG für die Bestandsrenten vorsieht. Die weitergehende Erhöhung, die der Kläger mit seinem Verlangen erstrebt, einen Teil des Grundbetrages der Errechnung der Umstellungsrente nach Art. 2 § 31 AnVNG zugrunde zu legen, widerspricht aber dem Gesetz. Das LSG hat daher mit Recht die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen