Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Diplom-Chemiker - Verfassungsmäßigkeit des Neueinbeziehungsverbots
Leitsatz (amtlich)
1. Diplom-Chemiker waren in der DDR nicht obligatorisch in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen.
2. Als Angehörige der technischen Intelligenz iS der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz galten ua Ingenieure nur dann, wenn sie aufgrund eines staatlichen Zuerkennungsaktes in der DDR berechtigt waren, diese Berufsbezeichnung zu führen; allein durch Ausübung einer ingenieurstechnischen Tätigkeit wurde die persönliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in dieses Zusatzversorgungssystem nicht erfüllt.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 5, § 5 Abs. 1, § 8; AAÜG Anl. 1 Nr. 1; EinigVtr Anl. II Kap. VIII H III Nr. 9; EinigVtr Anl. II Kap. VIII H; ZAVtIV § 1; ZAVtIVDBest 1 § 1; ZAVtIVDBest 2 § 1 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2-3, §§ 2, 10 Abs. 2; IngV §§ 1-3; GG Art. 3 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 6. März 2001 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem Nr 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für die Klägerin Beschäftigungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) und entsprechende Verdienste festzustellen.
Die am 12. März 1934 geborene Klägerin schloss 1959 ihr Chemie-Studium an der Technischen Hochschule D.… mit Erfolg ab. Ihr wurde der akademische Grad eines “Dipl.-Chemikers” verliehen. Vom 1. Juni 1959 bis 31. Januar 1971 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw Dipl.-Chemikerin im VEB … Chemie in L.…. Ab 1. Januar 1971 war der Betrieb in “VEB… Ingenieurbüro Chemie” umbenannt worden. Zum 1. Februar 1971 wurde die Klägerin in die “Frauensonderaspirantur” aufgenommen. Sie war zunächst Aspirantin an der Technischen Hochschule für Chemie … in L.… und vom 1. April 1971 bis 30. September 1974 an der … Universität in L.…. Während der Aspirantur erhielt sie ein Stipendium. Die Universität verlieh ihr im Dezember 1975 den akademischen Grad “Dr. rer. nat.”. Ab 14. Oktober 1974 nahm die Klägerin wieder ihre Tätigkeit im früheren Betrieb auf; dieser war zwischenzeitlich in “VEB … Kombinat” umbenannt worden. 1978 wurde der Betrieb nochmals umbenannt, und zwar in “VEB Chemieanlagenbaukombinat …. Ab 1. September 1979 wurde die Klägerin auf Grund einer Änderung ihres Arbeitsvertrages “offiziell” als Verfahrensingenieurin eingesetzt.
Im Februar 1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die Zeiten ihrer Beschäftigung als Dipl.-Chemikerin/Verfahrensingenieurin ab 1. Juni 1959 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech festzustellen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass weder eine Versorgungszusage bestanden habe, noch die Klägerin als Dipl.-Chemikerin gemäß dem Wortlaut der Versorgungsordnung vom 17. August 1950 und der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 in den begünstigten Personenkreis einbezogen gewesen sei; die tatsächliche Ausübung einer ingenieurstechnischen Tätigkeit sei insoweit unerheblich (Bescheid vom 9. Juni 1999, Widerspruchsbescheid vom 6. September 1999).
Das SG hat die ablehnende Entscheidung der Beklagten aufgehoben und diese antragsgemäß verpflichtet, “die Zeiträume vom 01.06.1959 bis 31.01.1971 sowie 14.10.1974 bis 30.06.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr 1 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen tatsächlichen Arbeitsentgelte festzustellen” (Urteil vom 23. August 2000). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 6. März 2001). Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Klägerin gehöre als Dipl.-Chemikerin nicht zum Kreis der durch die Versorgungsordnung und die Zweite Durchführungsbestimmung ≪2. DB≫) hierzu Begünstigten, insbesondere nicht zur dort genannten Gruppe der Ingenieure; die Bezeichnung “Ingenieur” werde im Versorgungsrecht nicht “umgangssprachlich” verwandt; vielmehr werde darauf abgestellt, ob eine Person nach der Verordnung (VO) über die Führung der Berufsbezeichnung “Ingenieur” vom 12. April 1962 berechtigt gewesen sei, den Titel “Ingenieur” zu führen; eine solche Berechtigung habe die Klägerin nicht gehabt. Eine andere Rechtsfolge ergebe sich auch nicht aus der VO über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in volkseigenen und gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 und der hierzu ergangenen Dritten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 8 und 5 AAÜG. Sie macht geltend, die Versorgungsordnung vom 17. August 1950 lege nicht fest, welche Personen zur technischen Intelligenz gehört hätten. Dies bestimmten die Erste und Zweite Durchführungsbestimmung (1. und 2. DB). Sie werde von § 1 der 1. DB erfasst. Nach dieser Norm hätten ua Chemiker, die konstruktiv und schöpferisch in einem Produktionsbetrieb verantwortlich tätig gewesen seien und hervorragenden Einfluss auf die Herstellungsvorgänge genommen hätten, als Angehörige der technischen Intelligenz gegolten. Diese Voraussetzung habe sie erfüllt. Auch in der 3. DB zur VO über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 würden Chemiker ausdrücklich aufgeführt und dadurch in den Kreis der Versorgungsberechtigten einbezogen. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB, der ua auf Ingenieure und Techniker der Chemie abstelle. Diese Vorschrift habe den Anwendungsbereich der 1. DB nicht eingeschränkt. Die Nichterwähnung der Dipl.-Chemiker sei auf ein Redaktionsversehen zurückzuführen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Betrieb der Klägerin aus den 1945 enteigneten L.… Werken, einem Betrieb der I.…, hervorgegangen sei. Sie sei für die Rekonstruktion und den Neubau von Chemiewerken der gesamten chemischen Industrie der DDR zuständig gewesen. Dementsprechend habe es in dem Betrieb nur ingenieurstechnische Aufgaben gegeben. Der Betrieb habe über kein Labor und keine Forschungsabteilung verfügt. Wegen des in den 50er-Jahren bestehenden Mangels an Ingenieuren des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, des Bauwesens und der Verfahrenstechnik, seien auch Naturwissenschaftlicher eingestellt worden, die sich – wie sie (die Klägerin) – bereit erklärt hätten, an einer innerbetrieblichen Weiterbildung auf ingenieurstechnischem Gebiet teilzunehmen. Im Betrieb seien Dipl.-Ingenieure und diplomierte Naturwissenschaftler zu gleichen Bedingungen bei gleicher Bezahlung nach dem Ingenieurtarif und auch für gleiche Aufgaben eingesetzt worden. Insoweit sei bedeutsam, dass sie gemäß Änderungsvertrag vom 18. Mai 1981 ab 1. Juli 1979 offiziell als Verfahrensingenieurin tätig gewesen sei. Ferner ergebe sich aus § 3 der VO über die Führung der Berufsbezeichnung “Ingenieur”, dass nicht nur Personen mit entsprechendem Berufsabschluss, sondern auch Personen, die das 50. Lebensjahr überschritten hätten und eine mindestens 15-jährige erfolgreiche ingenieurstechnische Tätigkeit nachweisen konnten, zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigt gewesen seien. Hinzukomme, dass in den sozialistischen Staaten der Begriff “Ingenieur” als Synonym für den Begriff der technischen Intelligenz verwendet worden sei und nicht der Abgrenzung zwischen Ingenieuren und diplomierten Naturwissenschaftlern gedient habe. Deshalb seien in ihrem Betrieb alle diplomierten Naturwissenschaftler, die bis 1958 eine Tätigkeit aufgenommen hätten, in die AVItech einbezogen worden. Hiervon habe man erst ab 1961 Abstand genommen, nachdem es auf Grund des Mauerbaus Akademikern nicht mehr möglich gewesen sei, problemlos in den Westen abzuwandern; insoweit sei es nicht mehr notwendig gewesen, finanzielle Anreize zum Bleiben in der DDR zu setzen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass unter dem Begriff der technischen Intelligenz in der DDR generell alle Personen erfasst worden seien, die über eine abgeschlossene naturwissenschaftliche oder technische Hoch- oder Fachschulausbildung verfügt und eine qualifizierte, ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit in der Industrie ausgeübt hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 6. März 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. August 2000 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden sei.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Entscheidung des LSG verletzt Bundesrecht nicht.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Sie strebt somit im Ergebnis die Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung an, in der die Beklagte sinngemäß unter Aufhebung der angefochtenen Ablehnung verpflichtet worden ist, die Beschäftigungszeiten vom 1. Juni 1959 bis 31. Januar 1971 sowie vom 14. Oktober 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech und damit als Tatbestände von gleichgestellten Pflichtbeitragszeiten iS von § 5 AAÜG sowie die in diesen Zeiträumen tatsächlich erzielten Verdienste festzustellen.
Die Klägerin hat ihr Begehren vor dem SG zulässig mit einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen verfolgt. Die Klagen sind auch insoweit zulässig, als sie von der Beklagten begehrt, die in den genannten Zeiträumen tatsächlich erzielten Verdienste festzustellen. Die Beklagte hat hierüber im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich ablehnend entschieden; sie hat aber die hierfür entscheidende Vorfrage verneint, dass die Klägerin in den streitigen Zeiträumen überhaupt eine ihrer Art nach von einem Versorgungssystem erfasste Beschäftigung verrichtet habe; einer ausdrücklichen Ablehnung, Arbeitsverdienste hieraus festzustellen, bedurfte es daher nicht mehr. Die Klägerin durfte also die kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zulässig auch bezüglich dieser von ihr begehrten Feststellungen erheben.
In der Sache hat das LSG das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klagen zutreffend abgewiesen. Die Klägerin hat nach § 8 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 und 2 AAÜG keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die begehrten Feststellungen trifft. In dem Feststellungsverfahren des Versorgungsträgers nach § 8 AAÜG, das einem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs 5 SGB VI ähnlich und außerhalb des Rentenfeststellungsverfahrens des Rentenversicherungsträgers durchzuführen ist (stellv BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 2), konnte die Klägerin schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie dem (persönlichen) Anwendungsbereich des AAÜG nicht unterliegt. Das AAÜG ist auf sie nicht anwendbar, weil sie am 1. August 1991 (Inkrafttreten dieses Gesetzes) keinen Versorgungsanspruch und keine Versorgungsanwartschaft gegen einen Versorgungsträger hatte.
Maßstabsnorm ist § 1 Abs 1 AAÜG. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2). Beide Tatbestände erfüllt die Klägerin nicht.
Die Klägerin unterliegt nicht dem Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG. Einen Anspruch auf Versorgung (= Vollrecht) hatte sie bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 nicht. Denn der Versorgungsfall (Alter, Invalidität) war bis zu diesem Zeitpunkt nicht eingetreten.
Die Klägerin war auch nicht Inhaberin einer bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 bestehenden Versorgungs-Anwartschaft. Der Ausdruck “Anwartschaft” umschreibt (gesetzlich undefiniert) im Bundesrecht regelmäßig eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Versorgungsfalles erfüllt sind (vgl hierzu ua Vorlagebeschluss des Senats vom 16. Dezember 1999 – B 4 RA 18/99 R, Umbruch S 31 ff). Ob zum 1. August 1991 eine Versorgungsanwartschaft bei Inkrafttreten des AAÜG bestanden hat, bestimmt sich allein nach Bundesrecht. Hierbei kommt es in erster Linie auf das originäre Bundesrecht des AAÜG selbst sowie auf die versorgungsrechtlichen und sonst einschlägigen Regelungen im EinigVtr vom 31. August 1990 (BGBl II 889) an, der durch das Zustimmungsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl II 885) in Bundesrecht transformiert worden ist. Nur nachrangig und lückenfüllend ist kraft des bundesrechtlichen Anwendungsbefehls in Art 9 Abs 2 EinigVtr auf Versorgungsregelungen abzustellen, die von der DDR erlassen worden sind. Diese sind, soweit sie zu Bundesrecht geworden sind, nach Maßgabe des Bundesrechts auszulegen und anzuwenden. Hierbei folgt aus dem originär bundesrechtlichen Neueinbeziehungsverbot in der Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 zum EinigVtr und aus demjenigen des ab 3. Oktober 1990 zu sekundärem Bundesrecht gewordenen § 22 Abs 1 des Rentenangleichungsgesetzes (RAnglG) der DDR vom 28. Juni 1990 (GBl I 495), dass ein Erwerb von Versorgungsanwartschaften auf Grund von der DDR erlassener Versorgungsregelungen ab 1. Juli 1990 rechtlich nicht mehr zulässig, dh gesetzlich verboten und ggf unwirksam war. Deshalb ist bei der Prüfung, ob bei Inkrafttreten des AAÜG eine Versorgungsanwartschaft auf Grund von der DDR erlassener Versorgungsregelungen bestand, grundsätzlich auf die am 30. Juni 1990 gegeben gewesene Sachlage abzustellen, während es rechtlich auf das zum 1. August 1991 gültige Bundesrecht ankommt (vgl Senatsurteile vom 9. und 10. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, B 4 RA 3/02 R und B 4 RA 41/01 R, alle zur Veröffentlichung vorgesehen).
Am 30. Juni 1990 hatte grundsätzlich nur derjenige die Voraussetzungen für eine Versorgungsanwartschaft erfüllt, der in ein Versorgungssystem bereits von der DDR einbezogen worden war. Dies folgt aus dem ab 1. Juli 1990 gültigen Neueinbeziehungsverbot. Eine solche Versorgungsanwartschaft beruhte in der AVItech regelmäßig auf einer Versorgungszusage. Wenn sie bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 nicht aufgehoben worden war, blieb sie als ein nach Art 19 Satz 1 EinigVtr bindender Verwaltungsakt im Sinne des Bundesrechts weiterhin maßgeblich. Einbezogen waren aber nach originärem Bundesrecht auch diejenigen, denen die DDR zunächst eine Versorgungszusage erteilt, diese dann aber wieder aufgehoben hatte, wenn dieser Aufhebungsakt nach den Grundsätzen des Art 19 Satz 2 oder 3 EinigVtr unbeachtlich geworden ist. Dann ist die ursprüngliche Versorgungszusage bundesrechtlich bindend. Ferner ist eine Einbeziehung durch eine Rehabilitierungsentscheidung (Art 17 EinigVtr) zu beachten. Auch ohne Versorgungszusage gelten Personen als einbezogen, soweit in dem Versorgungssystem ein besonderer Akt der Einbeziehung nicht vorgesehen war. Außerdem gehörten dem Kreis der Versorgungsberechtigten auch diejenigen an, denen durch eine Einzelentscheidung eine Versorgung in einem bestimmten System zugesagt worden war, obwohl sie von dessen Regelungen nicht erfasst waren. Darüber hinaus ist § 1 Abs 1 AAÜG verfassungskonform dahin auszulegen, dass den einbezogenen Personen diejenigen gleichzustellen sind, die aus bundesrechtlicher Sicht auf Grund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage einen (fingierten) Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätten (vgl Senatsurteile vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 3/02 R, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
Keiner dieser Entstehungsgründe für eine Versorgungsanwartschaft ist im Fall der Klägerin gegeben. Eine Versorgungszusage ist ihr nicht erteilt worden. Eine Einbeziehung auf Grund einer Rehabilitierungsentscheidung oder einer Einzelentscheidung ist ebenfalls nicht erfolgt. Sie war auch früher niemals einbezogen gewesen. Schließlich hätte sie auf Grund der bei ihr am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage auch keinen bundesrechtlich fingierten Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt.
Die maßgeblichen sekundär-bundesrechtlichen Regelungen ergeben sich insoweit aus den Texten der VO über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (nachfolgend: VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl 844) und der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (nachfolgend: 2. DB) vom 24. Mai 1951 (GBl 487). Die Erste Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (nachfolgend: 1. DB) vom 26. September 1950 (GBl 1043) hat für die Auslegung nur historische Bedeutung; denn sie ist durch die 2. DB mit Wirkung vom 1. Mai 1951 außer Kraft gesetzt worden (§ 10 Abs 2 der 2. DB). Für das Sprachverständnis dieser Texte kommt es grundsätzlich auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 an, an den der Bundesgesetzgeber zum 3. Oktober 1990 angeknüpft hat.
Nicht alle Regelungen der AVItech sind Bundesrecht geworden. Dies gilt ua zunächst für die Vorschriften über die Zuteilung von Versorgungszusagen (§ 3 der 2. DB). Überhaupt wurden alle Regelungen kein Bundesrecht, die eine bewertende oder eine Ermessensentscheidung eines Betriebes, Direktors, einer staatlichen Stelle der DDR etc vorsahen. Bundesrecht sind nur diejenigen Regelungen geworden, die als zwingende Bestimmungen gebundenen Verwaltungshandelns verstanden werden können. Hierzu gehörten im Wesentlichen § 1 der VO-AVItech in der Bedeutung, die er durch § 1 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 sowie § 2 der 2. DB gefunden hat. Die anderen Texte haben hierfür nur ergänzende Bedeutung im Zusammenhang mit der historischen Auslegung (zum Ganzen: Senatsurteile vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R und B 4 RA 3/02 R, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
Am 30. Juni 1990 hätte die Klägerin keinen bundesrechtlich fingierten Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt. Ein solcher Anspruch hängt gemäß § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB von drei (persönlichen, sachlichen und betrieblichen) Voraussetzungen ab. Generell war dieses System eingerichtet für
- Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen und
- die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben, und zwar
- in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens.
Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Klägerin ihr Chemiestudium 1959 erfolgreich mit der Diplom-Prüfung abgeschlossen und war ab 1. Juni 1959 – unterbrochen durch die Zeit der Aspirantur in den Jahren 1971 bis 1974 – beim selben Arbeitgeber beschäftigt, der in der Form eines volkseigenen Betriebes (VEB) organisiert war und nach mehrfachen Umbenennungen zuletzt den Namen “VEB Chemieanlagenbaukombinat …” trug. Die Klägerin war ab 1. Juni 1959 zunächst als “wissenschaftliche Mitarbeiterin” tätig. Ab 1. September 1979 wurde sie – nach entsprechender Änderung ihres Arbeitsvertrages – als Verfahrensingenieurin eingesetzt.
Es kann offen bleiben, ob die Feststellungen des LSG eine abschließende Beantwortung der Fragen erlauben, ob sie am 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie, Bauwesen) beschäftigt war und ob sie dort eine Arbeit verrichtet hat, die nach ihrem Anforderungsprofil diejenige eines (Diplom-)Ingenieurs, Architekten, Konstrukteurs oder eines Technikers eines Spezialgebietes war. Auch wenn dies zu ihren Gunsten unterstellt wird, kann ihr bundesrechtlich ein fingierter Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage nicht zustehen, weil sie am 30. Juni 1990 in der DDR nicht befugt war, den Titel eines Ingenieurs zu führen (einer der anderen in § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB genannten Berufe kommt ohnehin nicht in Betracht).
Die VO-AVItech konkretisiert zwar nicht selbst, welcher Ausschnitt der Berufe der technischen Intelligenz in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens durch das Zusatzversorgungssystem begünstigt werden sollte. So sprechen der Titel und der Vorspann (“Präambel”) zur VO-AVItech sowie deren § 1 lediglich von der “technischen Intelligenz”, ohne diesen Ausdruck näher zu umschreiben. Ob er im allgemeinen Sprachgebrauch der DDR – wie die Klägerin behauptet – alle Personen erfasst hat, die über eine abgeschlossene naturwissenschaftliche oder technische Hoch- oder Fachhochschulausbildung verfügt haben, kann dahinstehen. Jedenfalls hat dies ggf im staatlichen Sprachgebrauch zur AVItech keinen Niederschlag gefunden. In der hier maßgeblichen bundesrechtlichen Auslegung kommt eine Erweiterung des Anwendungsbereichs durch vollziehende Gewalt oder Rechtsprechung schon wegen des Verbots der Neueinbeziehung nicht in Betracht.
Während die VO-AVItech vor allem den allgemeinen Rahmen vorgibt, erfolgt die konkrete Ausgestaltung, welche die Regelungen teilweise zu justiziablem Bundesrecht macht, in der 2. DB. Im Übrigen ist es bundesrechtlich unerheblich, dass diese DB (anders als die 1. DB) nicht von dem in § 5 VO-AVItech ermächtigten Ministerium der Finanzen, das zum Zeitpunkt des Erlasses der 2. DB unverändert bestand (vgl Art 2 des Gesetzes über die Provisorische Regierung der DDR vom 7. Oktober 1949, GBl 2, und § 4 des Gesetzes über die Regierung der DDR vom 8. November 1950, GBl 1135), erlassen worden war, sondern von der Regierung der DDR (ab 1954 offiziell als Ministerrat bezeichnet; vgl dazu Mampel, Die sozialistische Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, Komm, 2. Aufl, Alfred Metzner Verlag, Frankfurt am Main 1982, Art 76, Anm 1 Buchst c). Der EinigVtr (und das AAÜG) haben an die Regelungen der AVItech in dem zum 3. Oktober 1990 vorgefundenen materiellen Bestand angeknüpft, wie er von der DDR verlautbart worden war. Für die Frage, was davon zu sekundärem Bundesrecht geworden ist, kommt es auf DDR-Recht nicht an.
§ 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB macht deutlich, dass die “technische Intelligenz” – wie auch immer dieser Ausdruck verstanden worden sein mag – nicht insgesamt erfasst war, sondern innerhalb dieser sozialen Gruppe nur ganz bestimmte Professionen. Der Text besagt, dass als Angehörige der technischen Intelligenz iS des § 1 VO-AVItech die nachstehend im Einzelnen aufgeführten Berufsgruppen gelten. Das bedeutet, dass die VO-AVItech zwar nicht die allgemeine Bedeutung des Ausdrucks “technische Intelligenz”, aber die Berufsgruppen benennt, die sie – anders als andere Berufsgruppen – als Versorgungsberechtigte “aus dem Kreis der technischen Intelligenz” (Überschrift des § 1 der 2. DB) generell ausweist.
§ 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB benennt nicht die Berufsgruppe der Diplom-Chemiker, also nicht die Gruppe, in die die Klägerin auf Grund ihres 1959 erfolgreich abgeschlossene Hochschulstudiums einzuordnen ist.
Insoweit war im Mai 1951 eine Änderung gegenüber der 1. DB vom 26. September 1950 eingetreten. In deren § 1 wurden ua Chemiker aufgeführt, sodass ihr Anwendungsbereich auch Diplom-Chemiker erfasste. Auf diese Regelung kommt es jedoch bundesrechtlich nicht an, weil sie am 30. Juni 1990 nicht mehr bestanden hatte; die 1. DB war durch § 10 Abs 2 der 2. DB mit Wirkung vom 1. Mai 1951 außer Kraft gesetzt worden. Für die Sparte “Chemie” wurden in der 2. DB ausdrücklich nur noch “Techniker der Chemie” benannt (auf die Ingenieure ist später einzugehen). Demzufolge waren “Nicht-Techniker” im Bereich der Chemie, wie zB die Diplom-Chemiker, schon seit dem 1. Mai 1951 in den von der DDR verlautbarten Texten nicht mehr sprachlich erfasst.
Soweit der Senat im Urteil vom 30. Juni 1998 (B 4 RA 11/98 R, D-spezial 1998, 8 = SGb 1998, 526), auf das sich die Klägerin beruft, noch davon ausgegangen war, dass auch Chemiker dem persönlichen Anwendungsbereich der AVItech unterfielen, hat er diese Rechtsprechung im Urteil vom 12. Juni 2001 (B 4 RA 107/00 R, Umbruch S 12) aufgegeben. Hieran wird festgehalten.
Der Einwand der Klägerin, die Nicht-Erwähnung der Chemiker in § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB sei ein (bis zum 30. Juni 1990 unbemerkt gebliebenes) Redaktionsversehen, lässt sich nicht auf objektivierbare Anhaltspunkte in von der DDR verlautbarten Texten oder in deren Staatspraxis stützen. Auch das eigene Vorbringen der Klägerin spricht hiergegen. So weist sie darauf hin, dass diplomierte Naturwissenschaftlicher, die bis 1958 in ihrem Betrieb eine Tätigkeit aufgenommen hätten, in die AVItech einbezogen worden seien; diese Praxis sei jedoch mit dem Mauerbau aufgegeben worden; dadurch sei eine “problemlose” Abwanderung verhindert worden und es sei nicht notwendig gewesen, finanzielle Anreize für ein Bleiben in der DDR zu bieten. Dies indiziert, dass die Textfassung der 2. DB kein bloßes bis 1990 nicht bemerktes “Redaktionsversehen” war. Vielmehr hat auch die DDR § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB gerade in dem Sinn verstanden, wie er sich aus dem Text dieser Vorschrift und aus einem Vergleich mit dem des § 1 der 1. DB aufdrängt.
Die Klägerin ist als Diplom-Chemikerin auch keine Ingenieurin iS des § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB.
Es kann dahinstehen, ob ihre Behauptung zutrifft, umgangssprachlich habe der Ausdruck “Ingenieur” in den sozialistischen Ländern alle Naturwissenschaftler umfasst. Ein solcher Sprachgebrauch liegt jedenfalls dem § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB nicht zu Grunde. Auch reicht die bloße tatsächliche Ausübung von ingenieurstechnischen Arbeiten nicht aus. Vielmehr muss ein Recht auf Führung des Titels “Ingenieur” bestanden haben.
Zwar spricht § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB nur von “Ingenieuren” ohne weitere Zusätze. Jedoch verdeutlicht § 1 Abs 1 Satz 3 der 2. DB, dass unter “Ingenieur” nur solche Personen verstanden wurden, die “den Titel eines Ingenieurs” hatten; es musste also das Recht zur Führung des Titels “Ingenieur” bestanden haben. Dort heißt es nämlich, dass auch andere Personen wie “Spezialisten, die nicht den Titel eines Ingenieurs oder Technikers” haben, “eingereiht” werden können.
Zur Führung des Titels “Ingenieur” war die Klägerin am 30. Juni 1990 nicht berechtigt. Dies setzte gemäß § 1 der VO über die Führung der Berufsbezeichnung “Ingenieur” vom 12. April 1962 (GBl II 278) – neben der qualifizierten Ausbildung – voraus, dass das Recht zur Führung des Titels durch einen besonderen Staatsakt verliehen worden war. Auf eine solche Zuerkennung kann sich die Klägerin nicht berufen. Sie gehört auch nicht zum “gleichgesetzten” Personenkreis des § 2 der genannten VO. Schließlich beruft sie sich zu Unrecht auf § 3 dieser VO. Danach reichte es gerade nicht aus, dass sie nach Überschreiten des 50. Lebensjahres (1984) eine mindestens 15-jährige erfolgreiche Ingenieurtätigkeit hätte nachweisen können; vielmehr berechtigten diese Umstände sie nur, einen Antrag auf Zuerkennung der Berufsbezeichnung “Ingenieur” zu stellen. Das Recht zur Titelführung hing auch in diesem Fall von einem besonderen staatlichen Zuerkennungsakt ab, der der Klägerin nicht erteilt worden ist.
Keine versorgungsrechtliche Bedeutung haben die Bestimmungen der Dritten Durchführungsbestimmung zur VO über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: 3. DB zur VO-Entlohnung) vom 24. Mai 1951 (GBl 488). Sie sind auch nicht zu sekundärem Bundesrecht nach Nr 9 EinigVtr geworden sowie im Rahmen des AAÜG unbeachtlich. Deren § 1 Abs 1 Satz 2 bestimmt zwar, dass ihrem Anwendungsbereich auch “Chemiker” unterliegen, die Vorschrift betrifft jedoch das Arbeitsrecht, und zwar dort den Abschluss und Inhalt von Einzelverträgen. Diese DB enthält somit keine abstrakt-generellen Regelungen über Zusatzversorgungsberechtigungen, die bundesrechtlich als materielle Normen eines gebundenen Verwaltungshandelns verstanden werden können. Vielmehr geht es dort ua um arbeitsrechtliche Vorkehrungen für Einzelentscheidungen.
Wegen der besonderen Bedeutung, die – neben dem Bauwesen – dem staatlichen Sektor (verkörpert durch volkseigene Produktionsbetriebe) der Industrie für den Aufbau einer zentralen Planwirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR zukam (dazu: Senatsurteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R, zur Veröffentlichung vorgesehen), lag es im Interesse des politisch-ökonomischen Systems, besondere finanzielle Anreize für die Beschäftigten in diesem Bereich zu schaffen. Zeitgleich sind deshalb Verbesserungen sowohl im Arbeits- als auch im Sozialrecht für diesen Personenkreis geschaffen worden. Die VO über die Verbesserung der Entlohnung der Arbeiter und Angestellten in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (nachfolgend: VO-Entlohnung) vom 17. August 1950 (GBl 839) sah zum einen eine Erhöhung der Tariflöhne der Arbeiter und Angestellten in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vor (§§ 1 bis 3). Darüber hinaus ermöglichte § 4 der VO-Entlohnung, mit leitenden Angestellten und besonders qualifizierten Fachkräften Einzelverträge abzuschließen, die eine außertarifliche Entlohnung vorsahen. Zeitlich mit der VO-Entlohnung ist die VO-AVItech erlassen worden. Diese schuf die gewünschte sozialrechtliche “Komplementierung” durch Errichtung eines besonderen Zusatzversorgungssystems.
Beide VO hatten somit einen unterschiedlichen Regelungsgegenstand, nämlich die eine einen arbeitsrechtlichen, die andere einen sozialrechtlichen. Demzufolge bestimmen die auf Grund der jeweiligen Ermächtigungsnormen (§ 5 VO-AVItech, § 5 VO-Entlohnung) zeitgleich am 24. Mai 1951 erlassene 2. DB zur AVItech und die 3. DB zur VO-Entlohnung jeweils gesondert und unabhängig voneinander den für sie maßgeblichen persönlichen Anwendungsbereich. Hierbei bestand für den Erlass der 3. DB zur VO-Entlohnung deshalb besonderer Anlass, weil bis dahin von der Möglichkeit des Abschlusses von Einzelverträgen nur “unzureichend” Gebrauch gemacht worden war; hierauf wird im Vorspann zur 3. DB zur VO-Entlohnung hingewiesen. § 1 dieser DB legt damit nur verbindlich fest, mit welchen Angehörigen der technischen Intelligenz Einzelverträge abzuschließen waren. Dadurch wird unterstrichen, dass die 2. DB die (Diplom-)Chemiker eben nicht mehr generell zu den Versorgungsberechtigten zählte.
Dies folgt auch aus § 5 der 3. DB zur VO-Entlohnung. Neben einer günstigeren – außertariflichen – Entlohnung wurde den von § 1 aaO erfassten Personen eine weitere Vergünstigung eingeräumt, die in der VO-Entlohnung nicht vorgesehen war. In dem abzuschließenden Einzelvertrag war auch die Einbeziehung in die AVItech zu vereinbaren, eine Regelung, die wohl mit Blick auf § 1 Abs 3 der 2. DB zur AVItech (dazu gleich) verankert wurde. § 5 der 3. DB zur VO-Entlohnung hatte nur arbeitsrechtliche Bedeutung; er schrieb arbeitsrechtlich die Pflicht des Betriebes zum Abschluss einer Vereinbarung über die Einbeziehung in die AVItech fest; daraus ergab sich ein Grund, die Begünstigten durch Einzelentscheidung in die AVItech einzubeziehen, obwohl die generellen Voraussetzungen der VO-AVItech und ihrer 2. DB nicht vorlagen. Dies verdeutlicht § 1 Abs 3 der 2. DB zur AVItech. Danach gehörte zum Kreis der Versorgungsberechtigten ferner, wer auf Grund eines Einzelvertrages Anspruch auf Versorgung hatte. Der Abschluss eines solchen Einzelvertrages war an die abstrakt-generellen Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 der 2. DB gerade nicht gebunden. Demgemäß ist § 1 Abs 3 der 2. DB kein Bundesrecht geworden. Die früher hieraus Begünstigten waren aber durch die – nicht an abstrakt-generelle Vorgaben gebundene – Einzelentscheidung der DDR einbezogen, die nach Art 19 Satz 1 EinigVtr bindend blieb.
Die von der Klägerin ausgeübte ingenieurstechnische Tätigkeit erlaubt es nicht, sie im Wege einer erweiternden Auslegung des § 1 Abs 1 Satz 1 der 2. DB oder im Wege der Analogie einem Ingenieur gleichzustellen, der auf Grund eines staatlichen Zuerkennungsaktes zur Führung dieser Berufsbezeichnung berechtigt war.
Eine nachträgliche Korrektur der im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme am 30. Juni 1990 gegeben gewesenen abstrakt-generellen Regelungen der DDR ist bundesrechtlich auch insoweit nicht zulässig, als sie willkürlich sind. Der EinigVtr hat grundsätzlich nur die Überführung damals bestehender Versorgungsansprüche und -anwartschaften von “Einbezogenen” in das Bundesrecht versprochen und Neueinbeziehungen ausdrücklich verboten. Das Verbot der Neueinbeziehung auf Grund von der DDR erlassener Versorgungsregelungen ist verfassungsgemäß. Eine Erweiterung des einbezogenen Personenkreises durch vollziehende Gewalt oder Rechtsprechung über die in § 1 Abs 1 AAÜG selbst angelegte Modifikation hinaus ist nicht erlaubt (Art 20 Abs 3 GG) und würde das Einbeziehungsverbot unterlaufen. Der Bundesgesetzgeber durfte an die im Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundene Ausgestaltung dieser Versorgungssysteme in der DDR ohne Willkür anknüpfen (vgl hierzu Senatsurteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Klägerin hatte am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft. Sie unterliegt damit nicht dem Anwendungsbereich des AAÜG. Damit hat sie keinen Anspruch gegen die Beklagte, Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die dabei erzielten tatsächlichen Verdienste festzustellen. Die Revision der Klägerin konnte keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
VIZ 2003, 45 |
NZS 2003, 267 |
SozR 3-8570 § 1, Nr. 8 |