Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsbefreiung zur Alterskasse

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befreiungsmöglichkeit des § 14 Abs 2 S 1 Buchst a GAL gilt auch für landwirtschaftliche Unternehmer, die zur Zeit der Antragstellung als Selbständige rentenversicherungspflichtig tätig sind.

 

Orientierungssatz

Die zweite Voraussetzung des § 14 Abs 2 S 1 Buchst a GAL, zZt der Antragstellung versicherungspflichtig "beschäftigt" zu sein, muß analog auf diejenigen erstreckt werden, die zZt der Antragstellung versicherungspflichtig "tätig" sind; für eine bewußte Begrenzung der zweiten Voraussetzung auf "Beschäftigte" findet sich in Entstehungsgeschichte und Sinn der Vorschrift kein Anhaltspunkt.

 

Normenkette

GAL § 14 Abs 2 S 1 Buchst a Fassung: 1980-07-09

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 09.09.1985; Aktenzeichen L 1 Lw 1/85)

SG Lübeck (Entscheidung vom 12.11.1984; Aktenzeichen S 8 Lw 3/83)

 

Tatbestand

Im Prozeß geht es um die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Unternehmer von der Beitragspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse auch dann zu befreien ist, wenn er zwar mindestens 60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, aber zur Zeit der Antragstellung nicht versicherungspflichtig beschäftigt, sondern als Unternehmer auf Antrag angestelltenversicherungspflichtig nach § 2 Abs 1 Nr 11 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) ist.

Der im Jahr 1922 geborene Kläger ist als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter einer GmbH selbständiger Straßen- und Tiefbauunternehmer und in dieser Eigenschaft seit Dezember 1972 auf eigenen Antrag angestelltenversicherungspflichtig. Seit Mai 1981 betreibt er daneben eine Fischzucht- und Teichwirtschaft.

Im Hinblick hierauf teilte die beklagte Alterskasse dem Kläger mit Bescheid vom 3. März 1982 mit, daß er seit Mai 1981 kraft Gesetzes ihr Mitglied sei und Beiträge zu zahlen habe. Den Antrag auf Befreiung lehnte die Alterskasse mit Bescheid vom 23. September 1982 ab, weil der Kläger nicht beschäftigt, sondern als Unternehmer tätig sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.

Der Kläger hat beide Bescheide mit der Klage angefochten. Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat mit Urteil vom 12. November 1984 den Bescheid vom 23. September 1982 aufgehoben und die beklagte Alterskasse verurteilt, mit einem neuen Bescheid dem Antrag auf Beitragsbefreiung für die Zeit ab 1. Mai 1981 zu entsprechen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 9. September 1985 zurückgewiesen und ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Befreiung nach § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) lägen vor mit der Ausnahme, daß die Rentenversicherungspflicht des Klägers auf keiner Beschäftigung sondern auf dessen Unternehmertätigkeit beruhe. Darauf komme es jedoch nicht an, da Sinnzusammenhang, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck der Vorschrift hinreichen ließen, daß ein Versicherungspflichtverhältnis bestehe; für solche Fälle habe der Gesetzgeber die Befreiungsmöglichkeit eröffnen wollen.

Mit der zugelassenen Revision trägt die Beklagte vor: § 14 Abs 2 GAL stelle eine Ausnahme von der grundsätzlichen Beitragspflicht dar, die als solche nicht ausdehnend ausgelegt werden dürfe. Nach § 1 Abs 3 Satz 2 GAL lasse der Gesetzgeber auch Personen als landwirtschaftliche Unternehmer gelten, die hauptberuflich außerhalb eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Unternehmen tätig seien; dazu stünde es im Widerspruch, wenn die als Selbständige rentenversicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer von der Beitragspflicht freikommen könnten. Im übrigen habe der Gesetzgeber bei mehrfachen Änderungen des GAL die vom Berufungsgericht angestrebte "Richtigstellung" gerade nicht vorgenommen, vielmehr bei der Vorbereitung des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes sogar erwogen, die Befreiungstatbestände zu verschärfen. Die Beklagte beantragt, die Urteile der Vorinstanzen zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der Kläger aufgrund des § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL (idF des Zweiten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes - 2. ASEG - vom 9. Juli 1980) von der Beitragspflicht zur Alterskasse zu befreien ist. Nach dieser Vorschrift sind landwirtschaftliche Unternehmer auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sie vor der Antragstellung mindestens 60 Kalendermonate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung waren und zur Zeit der Antragstellung versicherungspflichtig beschäftigt sind. Von diesen Voraussetzungen sind im Wortlaut alle bis auf die letztgenannte gegeben; dies gilt insbesondere auch für die Forderung einer mindestens 60 Kalendermonate dauernden Rentenversicherungspflicht. Das Gesetz macht hierbei nämlich keinen Unterschied, ob die vergangene Versicherungspflicht auf unselbständiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit beruht hat; der Kläger hat daher diese Voraussetzung mit seiner mehr als 60 Monate dauernden Antragspflichtversicherung als Selbständiger erfüllen können.

Nicht erfüllt ist dagegen dem Wortlaut nach die letzte Voraussetzung, daß der landwirtschaftliche Unternehmer außerdem zur Zeit der Antragstellung - in der Rentenversicherung - versicherungspflichtig "beschäftigt" sein muß. Insoweit ist davon auszugehen, daß "beschäftigt" wie in der Begriffsbestimmung des § 7 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung -, also als nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen ist. Zu diesen Beschäftigten gehört nicht der Geschäftsführer einer GmbH, der - wie der Kläger - zugleich der alleinige Gesellschafter ist.

Die Voraussetzung, die auf den Versicherungsstatus zur Zeit der Antragstellung abstellt, ist jedoch im Wege der Analogie auf die Unternehmer zu erstrecken, die in diesem Zeitpunkt als Selbständige rentenversicherungspflichtig erwerbstätig sind. Dafür spricht schon, daß kein Grund ersichtlich ist, warum eine solche Antragspflichtversicherung zwar für die geforderte vergangene Versicherungspflicht genügen sollte, für die zur Zeit der Antragstellung dagegen nicht. Hierzu findet sich in den Gesetzesmaterialien nichts. Der Gesetzgeber hat darum bei Formulierung der letzten Voraussetzung des Befreiungstatbestandes wohl nur den Hauptfall der auf Beschäftigung beruhenden Versicherungspflicht im Auge gehabt und an die Antragspflichtversicherung der Selbständigen nicht gedacht.

Vom Grundgedanken der Befreiungsmöglichkeit hätte er für den Versicherungsstatus zur Zeit der Antragstellung auch die Antragspflichtversicherung genügen lassen müssen. § 14 Abs 2 GAL gewährt einen Befreiungsanspruch, wenn ein ausreichender anderweitiger Versicherungs- oder Versorgungsschutz vorhanden ist. Insoweit besteht im Schutz der Rentenversicherung für abhängig Beschäftigte und für auf Antrag pflichtversicherte selbständig Erwerbstätige aber kein Unterschied; auch bei letzteren ist nach gestelltem Antrag die Pflichtversicherung zwingend. Daß der anderweitige Versicherungsschutz auch durch selbständige Erwerbstätigkeit erworben werden kann, bestätigt im übrigen § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst b; danach werden landwirtschaftliche Unternehmer befreit, die als selbständige Handwerker in die Handwerksrolle eingetragen und damit nach § 1 HwVG in der Rentenversicherung der Arbeiter pflichtversichert sind.

Diese Rechtsauffassung wird durch die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL gestützt. Nach der Vorläufervorschrift des § 14 Abs 2 Buchst b in der Gesetzesfassung vom 14. September 1965 war erforderlich, daß die landwirtschaftlichen Unternehmer innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung neben der Tätigkeit als landwirtschaftliche Unternehmer mindestens 30 Kalendermonate in der Rentenversicherung versicherungspflichtig waren. Das 7. Änderungsgesetz zum GAL änderte das zum 1. Januar 1974 (nunmehr in Buchst a) dahin ab, daß eine mindestens 60 Kalendermonate dauernde Versicherungspflicht innerhalb der letzten sechs Jahre gefordert wurde. Schon vorher, nämlich im Jahre 1972 war aber in der Rentenversicherung die Antragspflichtversicherung für Selbständige eingeführt. Damit konnten bereits vor dem 2. ASEG auch landwirtschaftliche Unternehmer durch eine Antragspflichtversicherung einen Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht zur Alterskasse erwerben. Diese Rechtsposition hat das 2. ASEG nicht verschlechtern wollen. In der Begründung heißt es, daß die Neuregelung in § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL eine vielfach als ungerecht empfundene Regelung beseitige und damit sicherstelle, daß sich in Zukunft jeder, der die Wartezeit für eine Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt habe, befreien lassen könne, um Doppelversorgungen zu vermeiden (BT-Drucks. 8/2844 S 20). Allerdings hat der Gesetzgeber zusätzlich die (noch) zur Zeit der Antragstellung bestehende Versicherungspflicht verlangt; es findet sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, daß er mit der dabei gefundenen Formulierung "zur Zeit der Antragstellung versicherungspflichtig beschäftigt" den Antragspflichtversicherten generell die bisherige Befreiungsmöglichkeit habe nehmen wollen. Dies hätte zudem der aus der Gesetzesbegründung ersichtlichen Tendenz zur Befreiungserleichterung bei Erfüllung der sogenannten kleinen Wartezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung widersprochen.

Die Einwendungen der Revision können demgegenüber zu keinem anderen Ergebnis führen. Selbst wenn § 14 GAL als Ausnahmevorschrift zu verstehen wäre, kann das nicht eine nach Sinn und Zweck gebotene erweiternde Auslegung verhindern. Auf die Stärkung der Existenzfähigkeit der Alterskassen kann im Rahmen des § 14 GAL nicht entscheidend abgestellt werden, da der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift gerade Befreiungsmöglichkeiten geschaffen hat. Inwiefern aus § 1 Abs 3 Satz 2 GAL auf den damit in keinem Zusammenhang stehenden § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL Schlüsse gezogen werden könnten, ist nicht ersichtlich. Unerheblich ist ferner, daß der Gesetzgeber Änderungen des GAL nach dem 2. ASEG nicht zur Berichtigung des Wortlauts der hier streitigen Vorschrift genutzt hat. Wenn er 1980 insoweit die Antragspflichtversicherung übersehen hat, kann ihm das Problem auch später noch verborgen geblieben sein, zumal Fälle der vorliegenden Art verhältnismäßig selten vorkommen. Im übrigen zeigt auch eine Entscheidung des 12. Senats des BSG zu der Befreiungsvorschrift des § 7 Abs 2 und 3 AVG, daß dort ebenfalls Fälle der Antragspflichtversicherung übersehen worden sind und trotz des auf "Beschäftigungsverhältnis" abstellenden Wortlauts in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezogen werden müssen (SozR 2400 § 7 Nr 3 S 7).

Nicht entschieden ist mit diesem Urteil, ob nach § 14 Abs 2 Satz 1 Buchst a GAL auch solche landwirtschaftlichen Unternehmer zu befreien wären, deren Antragspflichtversicherung in der Rentenversicherung die landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit zur Grundlage hätte. Sofern das überhaupt zulässig wäre, müßten in solchen Fällen jedenfalls ernsthafte Bedenken gegen eine Befreiung von der Beitragspflicht zur Alterskasse bestehen, weil sonst die Beitragspflicht nach dem GAL umgangen werden könnte, die gerade an die landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit anknüpft. Im vorliegenden Falle liegt der Antragspflichtversicherung jedoch eine andere selbständige Erwerbstätigkeit zugrunde.

Die Revision der Beklagten war danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664134

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