Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilmittelversorgung. Krankengymnastik. sensorische Integrationsbehandlung. sensomotorische Wahrnehmungsbehandlung auf neurophysiologischer Grundlage. Rahmenvertrag nach § 125 SGB V. Feststellungsklage. Feststellungsinteresse
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rahmenverträge über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln sowie über die Preise und deren Abrechnung (§ 125 SGB V) sind zivilrechtlicher Natur.
2. Zur Zulässigkeit der gegen den Landesverband einer Krankenkasse in dessen Eigenschaft als Partner eines Rahmenvertrages gerichteten Klage eines zugelassenen Heilmittelerbringers auf Feststellung eines aus dem Rahmenvertrag abzuleitenden Rechtsverhältnisses.
Normenkette
SGB V § 125; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1; TVG § 9
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. August 1995 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, wie die von der Klägerin als Krankengymnastin durchgeführte sensomotorische Wahrnehmungsbehandlung auf neurophysiologischer Grundlage von den Mitgliedskassen des Beklagten abzurechnen ist.
Die Klägerin ist gelernte Krankengymnastin. Sie betreibt seit dem 2. April 1993 eine Krankengymnastikpraxis in Lübeck und ist seit diesem Tage von dem Beklagten sowie vom Verband der Arbeiter-Ersatzkassen eV (AEV) zur Leistungserbringung zugelassen (Bescheid vom 23. April 1993). Die Zulassung erfolgte auf der Grundlage des Vertrages zwischen den Landesverbänden des Deutschen Verbandes für Physiotherapie – Zentralverband der Krankengymnasten/Physiotherapeuten eV (ZVK), vertreten durch den ZVK, und den Landesvertretungen des Beklagten und des AEV vom 18. November 1982 in der Neufassung vom 29. April 1987 einschließlich seiner Anlagen (Rahmenvertrag), dessen Geltung die Klägerin, die Mitglied des ZVK ist, in ihrem Antrag auf Zulassung nach Formblatt Anlage 1 des Rahmenvertrages anerkannt hatte.
Die Klägerin hat in der Zeit vom 23. April 1990 bis zum 17. Januar 1992 mit Erfolg an einem 300 Unterrichtsstunden umfassenden Kurs „Sensomotorische Wahrnehmungsbehandlung auf neurophysiologischer Grundlage – der sensorischen Integrationsbehandlung (nach J. Ayres ua)” teilgenommen (Zertifikat des IB-Jugendsozialwerks eV – Institut für Entwicklungstherapie – Hamburg vom 17. Januar 1992). Die sensorische Integrationsbehandlung (SI) ist eine Form der krankengymnastischen Behandlung angeborener oder frühkindlich erworbener zentraler Bewegungsstörungen. Sie beruht auf einem umfassenden Gesamtkonzept, welches neben gymnastischen Übungen logopädische und ergotherapeutische Ansätze in den Vordergrund der Behandlung stellt.
Unter Bezugnahme auf das Zertifikat bat die Klägerin im Juli 1993 beim Ortsausschuß Lübeck des Beklagten um Erteilung einer „Sondergenehmigung” zur Abrechnung dieser Behandlung nach der Abrechungsposition 1c der Liste der zu zahlenden Vergütungen (Anlage 2) des neuen, ab 1. Juli 1993 gültigen Rahmenvertrages vom 18. Mai 1993. Nach Anlage 1 dieses Rahmenvertrages (Leistungsbeschreibung) handelt es sich bei der Position 1c um die „Krankengymnastische Behandlung auf neurophysiologischer Grundlage bei angeborenen und frühkindlich erworbenen zentralen Bewegungsstörungen als Einzelbehandlung”. Zum erforderlichen Weiterbildungsnachweis heißt es dort: „Diese Leistung ist nur abrechenbar bei Nachweis eines mit Erfolg abgeschlossenen, von beiden Vertragspartnern anerkannten Weiterbildungslehrganges von mindestens 300 Stunden nach Bobath, Vojta sowie für Fachphysiotherapeuten für infantile Zerebralparesen, Fachphysiotherapeuten für spinale Lähmungen und Extremitätendefekte.” Die Vergütungsliste setzt nach den „Verbindlichen Erläuterungen” für die Berechnung der Position 1c einen „Nachweis über einen abgeschlossenen speziellen Weiterbildungslehrgang (Bobath, Vojta) von mindestens 300 Stunden” voraus. Die von Karel und Bertie Bobath entwickelte „Bobath-Methode” ist ein therapeutisches Verfahren zur konservativen Behandlung kindlicher Bewegungsstörungen (infantile Zerebralparese) und dient in der Krankengymnastik der Verhinderung oder Abschwächung von Lähmungserscheinungen durch systematisches Training von Bewegungs- und Haltungsreflexen. Die von Vaclav Vojta entwickelte „Vojta-Methode” ist eine Form des Bewegungstrainings, bei der versucht wird, bei Kindern mit infantiler Zerebralparese durch Auslösen von verschiedenen Reflexen bestimmte Bewegungen hervorzurufen und einzuüben.
In einem Schreiben vom 26. Juli 1993 lehnte der Ortsausschuß Lübeck des Beklagten die Anerkennung der Abrechnungsfähigkeit nach der Position 1c ab, da die SI-Behandlung keine Maßnahme sei, die nach dieser Position bzw nach der Position 1f abgerechnet werden könne. Vielmehr sei eine Vergütung nur im Rahmen der Position 1a/1b möglich. Die Positionen 1c und 1f seien nur abrechnungsfähig, wenn der Therapeut den erfolgreichen Abschluß einer der dort vertraglich festgelegten Weiterbildungsmaßnahmen nachweise. Nach dem Willen der Vertragspartner zähle die SI-Methode nicht dazu.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin hat der Beklagte als unzulässig zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 6. September 1993). Die Mitteilung des Ortsausschusses Lübeck vom 26. Juli 1993 sei kein Verwaltungsakt iS von § 31 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren –. Es handele sich dabei vielmehr um schlichtes Verwaltungshandeln und daher nicht um eine hoheitliche Regelung. Es fehle bereits an einem Überordnungsverhältnis, da Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen Beklagtem und Klägerin ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sei. Durch die Ablehnung würden zudem keine Rechtsfolgen ausgelöst. Auch die dem Schreiben angefügte Rechtsmitteibelehrung mache dieses nicht zu einem Verwaltungsakt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Feststellung, „daß die Mitglieder des Verbandes des Beklagten verpflichtet sind, die sensomotorische Wahrnehmungsbehandlung auf neurophysiologischer Grundlage nach ärztlicher Verordnung nach der Position 1c des Vertrages vom 18. Mai 1993 abzurechnen”, abgewiesen (Urteil vom 13. Oktober 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 15. August 1995). Eine Vertragsauslegung in dem von der Klägerin angestrebten Sinne sei nicht möglich, da sich bei einem Vergleich der Formulierungen der Position 1c und anderer Positionen des Rahmenvertrages nebst seiner Anlagen zeige, daß die Möglichkeit der Abrechnung vergleichbarer Weiterbildungslehrgänge immer durch einen Zusatz wie „z.B.” oder „ua” kenntlich gemacht worden sei. Aus einer Gesamtbetrachtung des Vertragswerks ergebe sich, daß die Vertragsparteien alle anderen Weiterbildungslehrgänge außer denen nach Bobath und Vojta als Grundlage für die Abrechnung der Position 1c ausschließen wollten. Das Gericht habe zudem nicht in die den Vertragsparteien in § 125 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) eingeräumte Kompetenz zur Regelung ihrer Angelegenheiten eingreifen können.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der vom LSG zugelassenen Revision. Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 125 SGB V). Bei der hier vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung sei der Rahmenvertrag so zu verstehen, daß die in der Position 1c beschriebene Leistung auch bei dem von ihr absolvierten SI-Kurs nach dieser Vergütungsziffer abzurechnen sei.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. August 1995 und des Sozialgerichts Kiel vom 13. Oktober 1994 aufzuheben und festzustellen, daß die Mitglieder des Verbandes des Beklagten verpflichtet sind, die „sensomotorische Wahrnehmungsbehandlung auf neurophysiologischer Grundlage” nach ärztlicher Verordnung nach der Position 1c des Vertrages vom 18. Mai 1993 abzurechnen.
Der Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtenen Urteile.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist zulässig.
a) Das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Gegenstand einer Feststellungsklage kann nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG neben der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses auch die Feststellung einzelner auf diesem Rechtsverhältnis basierender Rechte und Pflichten sein (BSGE 4, 184, 185; 7, 3, 5; 43, 148, 150; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 5. Aufl 1993, § 55 RdNr. 6). Die letztgenannte Voraussetzung liegt hier vor. Die Klage ist auf die Feststellung gerichtet, daß die Klägerin die in der Position 1c der Anl. 1 und 2 des Rahmenvertrages vom 18. Mai 1993 beschriebene krankengymnastische Maßnahme auf der Grundlage der von ihr in einem 300 Unterrichtsstunden umfassenden Weiterbildungslehrgang erlernten und von ihr nun angebotenen SI-Behandlung nach dieser Vergütungsziffer statt nach der niedriger dotierten Position 1a/1b abrechnen kann, sie also die in der Position 1c genannten persönlichen Voraussetzungen für die Abrechnungsfähigkeit der Behandlung erfüllt. Wie vom LSG zutreffend ausgeführt, hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer grundsätzlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens dieser Möglichkeit, bevor sie ihre Leistungen in der Ungewißheit über das Ausmaß der Vergütung erbringt. Die Klägerin könnte zwar auch im Wege der Leistungsklage gegen jede einzelne Mitgliedskasse des Beklagten vorgehen, um aufgrund im Einzelfall erbrachter Leistungen im Rahmen konkreter Abrechnungsverhältnisse mit den einzelnen Krankenkassen die Abrechnung ihrer Behandlungsmethode nach der Position 1c zu erreichen. Dann wäre sie jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung aller von ihr anhängig gemachten Prozesse gezwungen, jeweils in Vorleistung zu treten und das Ausfallrisiko zu tragen. Dies kann ihr unter Billigkeitsgesichtspunkten aber nicht zugemutet werden. Dagegen kann durch den vorliegenden Rechtsstreit die im Streit befindliche Frage im ganzen und vorab geklärt werden.
b) Die Feststellungsklage betrifft auch den richtigen Beklagten.
Dem steht nicht entgegen, daß den beklagten Verband die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungenn der Entscheidung in diesem Rechtsstreit nicht unmittelbar treffen. Betroffen sind in erster Linie die jeweils zur Vergütung der erbrachten Leistungen verpflichteten Mitgliedskassen des Beklagten. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, daß es hier nicht um die Abrechnung einer erbrachten Leistung in einem konkreten Einzelfall geht, sondern vielmehr zunächst um die allgemeine Feststellung, ob die von der Klägerin angebotene Behandlung nach der SI-Methode gemäß der Position 1c abgerechnet werden kann oder nicht. Es geht damit vorliegend um den Umfang dieser Vergütungsvorschrift und somit um die Durchführung des Vertrages. Die Klärung einer solchen Frage kann die Klägerin durch die gegenüber dem Beklagten erhobene Klage erreichen.
Gemäß § 125 SGB V schließen die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen auf Landesebene mit Wirkung für ihre Mitgliedskassen Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Heilmitteln sowie über die Preise und deren Abrechnung. Die Vertragspartner treten dabei als rechtlich gleichgeordnete Parteien auf, denen vom Gesetzgeber eine große Gestaltungsfreiheit bei der Aushandlung des Vertragsinhalts zugebilligt wird. Der Vertragsgegenstand, die Sicherstellung und Durchführung der Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln, ist dem bürgerlichen Recht zuzuordnen (so bereits der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes ≪GmSOGB≫ in seinem Beschluß vom 10. April 1986 – Az. 1/85 – SozR 1500 § 51 Nr. 39 = NJW 1986, 2359 zur bis zum 31. Dezember 1988 gültigen Rechtslage nach den §§ 376d, 404e Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫). Daran hat sich durch die Ablösung der krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften der RVO durch die Regelungen des SGB V zum 1. Januar 1989 nichts geändert. Auch unter der Geltung des SGB V sind sowohl das Abrechnungsverhältnis zwischen dem einzelnen Heilmittelerbringer und der Krankenkasse (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 10. Juli 1996 – 3 RK 11/95 –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) als auch die Rahmenverträge zwischen den Krankenkassenverbänden und den Verbänden der Heiimittelerbringer oder einzelnen Leistungserbringern nach § 125 SGB V bürgerlich-rechtlicher Natur. Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen (BT-Drucks 11/3480 S 77). Auch ein gewichtiger Teil der sozialrechtlichen Literatur ordnet die nach § 125 SGB V geschlossenen Rahmenverträge dem Zivilrecht und nicht dem öffentlichen Recht zu (Heinze in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, § 40 RdNrn 38 ff und 77 ff; von Maydell in GemeinschaftsKomm zum SGB, Stand September 1991, Bd. 3, RdNr. 26 zu § 125; Dalichau/Grüner, Komm zur gesetzlichen Krankenversicherung, 1995, S 1/2 zu § 125; Kleinmann, Die Rechtsnatur der Beziehungen der gesetzlichen Krankenkassen zu den Leistungserbringern im Gesundheitswesen, NJW 1985, 1367, 1369; aM: Kranig in Hauck/Haines, Komm zum SGB V, 2. Bd, 1996, RdNr. 3 zu § 125: Hess in Kasseler Komm, RdNr. 16 zu § 69; Schmitt in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, § 30 RdNr. 18; Knittel in Krauskopf, Komm zur sozialen Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Oktober 1994, RdNr. 4 zu § 125). Für eine solche Einstufung spricht auch, daß die Verträge nach § 125 SGB V im Gegensatz zB zu den Rahmenverträgen nach § 75 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) nicht der Schiedsgerichtsbarkeit durch Schiedsstellen (§ 76 SGB XI) unterliegen. Außerdem ist im Gesetz keine Anordnungsbefugnis der Bundesregierung oder eines Bundesministers für den Fall der Nichteinigung über vertragliche Regelungen nach § 125 SGB V vorgesehen (so zB § 213 Abs. 3 SGB V für gemeinsam und einheitlich zu treffende Entscheidungen der Spitzenverbände der Krankenkassen).
Der Senat legt die im Rahmenvertrag getroffene Regelung, die für die Klägerin normativ gilt, dahin aus, daß über die Erfüllung der in den Vergutungspositionen geforderten Ausbildungsvoraussetzungen allein die Kassenverbände mit Verbindlichkeit gegenüber ihren Mitgliedskassen auf Antrag des Leistungserbringers entscheiden. Die Rahmenverträge auf dem Gebiet der Heil- und Hilfsmittelversorgung (§§ 125, 127 SGB V) sind dem Modell des Tarifvertrages zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften nachgebildet (Heinze in Schulin, a.a.O., § 40 RdNr. 42). Festzuhalten ist jedoch, daß es auf dem Sektor der Heil- und Hilfsmittelerbringung anders als im kollektiven Arbeitsrecht eine dem § 9 Tarifvertragsgesetz (TVG) vergleichbare Vorschrift nicht gibt. Nach § 9 TVG können Tarifvertragsparteien gegeneinander Rechtsstreitigkeiten aus dem Tarifvertrag führen, deren rechtskräftige Entscheidung Bindungswirkung für Gerichte und Schiedsgerichte auch in Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Tarifvertrag unterworfenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen diesen und Dritten entfaltet. Auf diese Weise können im Tarifvertragsrecht Streitigkeiten über die Auslegung bzw Durchführung des Tarifvertrages einheltlich geklärt werden Eine derartige Regelung Gibt es jedoch für die Heil- und Hilfsmittelversorgung nicht. Aus Gründen der Prozeßokonomie der Rechtsklarhel und der Zweckmäßgket muß es jedoch im Bereich der Heilmitteierbringung eine Moglichker gegen etreitige Fragen bei der Durchführung der Rahmenverträge nach § 125 SGB V außerhalb der Abrechnungsverhältnisse gerichtlich klären zu lassen. Die Klägerin hat hierzu mit ihrer Feststellungsklage den richtigen Weg beschritten.
c) Es ist unschädlich, daß der ZVK als weiterer Partner des Rahmenvertrages vom 18. Mai 1993 an dem Rechtsstreit nicht beteiligt ist. Er mußte weder mitverklagt noch notwendig beigeladen (§§ 75 Abs. 2, 168 SGG) werden. In dem Rahmenvertrag haben die Vertragsparteien die Einzelheiten über die Zulassung der Heilmittelerbringer einschließlich der dafür notwendigen Praxiseinrichtungen (Anl 3 des Rahmenvertrages – Einrichtungsrichtlinien) sowie die Details über die Vergütung krankengymnastischer Behandlungen und deren Abrechnung geregelt, soweit der Gesetzgeber dies nicht selbst getan hat. Eventuell in Zukunft auftretende Schwierigkeiten in der Auslegung dieses Rahmenvertrages sollen gemäß § 10 Ziff 2 von den Vertragspartnern im gegenseitigen Einvernehmen geregelt werden. Dagegen soll in Fragen der Durchführung des Vertrages, wie sich aus einer Gesamtbetrachtung des Rahmenvertrages ergibt, Ansprechpartner der zugelassenen einzelnen Leistungserbringer jeweils der örtlich zuständige Ortsausschuß des Beklagten sein, dem insoweit auch die Entscheidungsbefugnis übertragen worden ist (zB § 2 Ziff 3, § 3 Ziff 6, § 4 Ziff 2 des Rahmenvertrages). Die Ortsausschüsse des Beklagten haben insbesondere auch über Anträge von Heilmittelerbringern auf Zulassung zur Leistungserbringung zu entscheiden (§ 124 Abs. 5 SGB V, §§ 2, 13 der Satzung des Beklagten idF vom 13. Dezember 1990, §§ 2–4 des Rahmenvertrages), und zwar jeweils zugleich für den AEV (Ziff 1 der Vereinbarung über die Geschäftsführung des AEV vom 9. Dezember 1965). In diesem Zulassungsverfahren prüft der Beklagte, ob der Antragsteller die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt. Der ZVK ist am Zulassungsverfahren nicht beteiligt. Dies spricht dafür, den ZVK auch am vorliegenden Verfahren nicht zu beteiligen. Denn auch bei der Frage der Abrechnungsfähigkeit einer Leistung nach der Position 1c geht es um eine persönliche Voraussetzung des zugelassenen Heilmittelerbringers. Probleme bei der Durchführung des Rahmenvertrages werden demnach nicht zwischen den beiden Vertragsparteien, sondern allein zwischen dem zugelassenen Leistungserbringer und dem Beklagten bzw seinen Ortsausschüssen geklärt. Die Klägerin hat sich daher zu Recht mit ihrem Wunsch auf Feststellung ihres Anspruchs auf eine höhere Vergütung der SI-Behandlung allein an den Beklagten (bzw an den Ortsausschuß Lübeck des Beklagten) gewandt. Der ZVK brauchte nicht beteiligt zu werden.
d) Der Klage im „Diagonal-Verhältnis” stehen auch keine dogmatischen Bedenken gegenüber, an die gedacht werden könnte, wenn ein Partner des auf der unteren Ebene stehenden Abrechnungsverhältnisses einen Partner des darüber angesiedelten rahmenrechtlichen Vertragsverhältnisses (§ 125 SGB V) auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses in Anspruch nimmt und die Ebenen nicht die gleiche Rechtsnatur – zivilrechtlich oder öffentlich-rechtlich – aufweisen würden. Wie ausgeführt, sind bei der Heilmittelversorgung sowohl das Abrechnungsverhältnis als auch der Rahmenvertrag zivilrechtlich zu beurteilen
2. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, da die Klägerin die für die Abrechnung krankengymnastischer Leistungen nach Position 1c des Rahmenvertrages erforderlichen persönlichen Voraussetzungen nicht erfüllr. Die Behandlung nach der SI-Methode läßt sich weder nach dem Wortlaut noch durch Auslegung unter diese Gebuhrenposition fassen (zur Auslegungsfähigkeit vergütungsrechtlicher Vereinbarungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vgl BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1).
Zunächst spricht schon der Wortlaut der Position 1c gegen eine Einbeziehung der SI-Behandlung. In der Leistungsbeschreibung zu Position 1c werden als erforderliche Weiterbildungsnachweise ausschließlich die Lehrgänge nach Bobath und Vojta genannt und anerkannt. Unstreitig und unzweifelhaft ist der von der Klägerin ab solvierte Kurs über die SI-Behandlung kein derartiger Weiterbildungsiehrgang.
Auch aus einem zur Auslegung gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorgenommenen Vergleich mit anderen Gebührenpositionen und Leistungsbeschreibungen im Rahmenvertrag und seinen Anlagen ergibt sich nicht, daß die Vertragspartner die SI-Methode den Methoden nach Bobath und Vojta gleichgestellt haben. Überall dort, wo die Einbeziehung weiterer Weiterbildungsnachweise möglich ist, wird dies durch Zusätze wie „z.B.” oder „u.a.” in der Vergütungsliste und in der Leistungsbeschreibuno Kenntlich gemacht. Durch das Fehlen eines derartigen Zusatzes in der Vergütungsliste und in der Leistungsbeschreibung zur Position 1c haben die vertragsschließenden Parteien zum Ausdruck gebracht, daß ausschließlich die genannten Weiterbildungsiehrgänge zur Abrechnung nach dieser Position berechtigen sollen. Selbst wenn, wie von der Klägerin vorgetragen, die SI-Behandlung den Weiterbildungslehrgängen nach Bobath und Vojta tatsächlich aus medizinischer oder krankengzmnastischer Sicht gleichwertig sein sollte, ergibt sich vorliegend nicht die Möglichkeit einer anderen Entscheidung.
Gemäß § 125 SGB V obliegt es den Vertragsparteien im Rahmen ihrer Privatautonomie, als gleichrangige Partner den Inhalt dieser Rahmenverträge festzulegen. Die Sozialgerichte können in diese privatrechtliche Regelungskompetenz ebensowenig eingreifen wie in funktionsgleiche öffentlich-rechtliche Regelungskompetenzen. Zu vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Kompetenzen hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung für den Bereich der im Kassen(zahn-)arztrecht geltenden Gebührenvorschriften entschieden, daß sich aus dem vertraglichen Charakter der Gebührenordnungen und dem damit einhergehenden Vorrang der Vertragspartner Beschränkungen hinsichtlich der Auslegung ergeben und ausweitende Interpretation, etwa im Wege analoger Anwendung auf nicht erfaßte Sachverhalte, grundsätzlich ausscheiden. Verwaltung und Gerichte haben sich in erster Linie an den Wortlaut der jeweils einschlägigen Bestimmung zu halten (BSGE 69, 166, 167 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 2; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, zuletzt BSG SozR 3-5535 Nr. 119 Nr. 1). Für die insoweit vergleichbaren Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern auf dem Heilmittelsektor und deren Leistungsbeschreibungen und Vergütungslisten kann nichts anderes gelten. Die Einbeziehung der SI-Methode in die Position 1c setzt somit eine Vertragsänderung voraus. Die Einbeziehung kann nicht durch eine Analogie oder eine ergänzende Vertragsauslegung geschehen.
Auf den von ihr vorgebrachten Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil sie nicht Vertragspartei des Rahmenvertrages ist. Die Klägerin ist lediglich durch ihre Zulassung zur Erbringung von Heilmitteln berechtigt und verpflichtet, Leistungen nach diesem Vertrag zu erbringen.
3. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Weiterbildung nach der SI-Methode zur Abrechnungsfähigkeit krankengymnastischer Leistungen nach der Position 1f des Rahmenvertrages führt. Die Abrechenbarkeit nach der Position 1f (krankengymnastische Behandlung auf neurophysiologischer Grundlage bei zentralen Bewegungsstörungen, erworben nach Abschluß der Hirnreife, als Einzelbehandlung) ist nicht als „Minus” im von der Klägerin gestellten Klageantrag enthalten. Die in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Definitionen der beiden Behandlungen sind derart unterschiedlich, daß die Behandlung und Vergütung nach Position 1f gegenüber der Position 1c ein aliud darstellt. Die Klägerin hat zudem nur zur Abrechenbarkeit nach der Position 1c vorgetragen und nicht zu erkennen gegeben, daß sie hilfsweise auch die Feststellung der – vom Ortsausschuß des Beklagten in seinem Schreiben vom 26. Juli 1993 angesprochene und dort verneinte – Abrechenbarkeit nach der Position 1f anstrebt, deren Vergütungshöhe zwischen den Positionen 1 a/b und 1c liegt. Zweifel an der abschließenden Regelung der zu Position 1f genannten Weiterbildungsmaßnahme nach den Methoden Bobath, Vojta und PNF ergeben sich insoweit, als die Leistungsbeschreibung der Position 1f die auf eine Öffnungsklausel hindeutenden Zusätze „zB” oder „ua” vor oder nach den Worten Bobath, Vojta, PNF nicht enthält, während der Zusatz „zB” bei der Position 1f in den „Verbindlichen Erläuterungen” der Vergütungsliste ausdrücklich enthalten ist. Es bedarf keiner Entscheidung, welche der zeitgleich am 18. Mai 1993 getroffenen Regelungen dem Willen der Vertragspartner entsprach und ob bei Maßgeblichkeit der die Öffnungsklausel enthaltenden Fassung (Vergütungsliste) die SI-Methode, die 1993 allen Beteiligten bereits bekannt war und beispielsweise in dem Rahmenvertrag zwischen dem ZVK und dem AOK-Landesverband Schleswig-Holstein vom 1./17. Januar 1990 als eine neben der Bobath- und der Vojta-Methode stehende gleichwertige Methode anerkannt ist (vgl dort Positionen 9 und 10), von der Öffnungsklausel erfaßt wird. Insoweit dürfte zu berücksichtigen sein, daß der Weiterbildungsnachweis nach der ausdrücklichen Regelung ihrer Vereinbarung von beiden Partnern des Rahmenvertrages anerkannt sein muß, was zumindest für den Beklagten eher zu verneinen sein dürfte. Ansonsten wäre kaum zu erklären, weshalb die SI-Methode 1993 nicht ebenfalls – wie die Bobath-, Vojta- und PNF-Methode – ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommen worden ist. Die gegenwärtige Ablehnung der Gleichstellung der SI-Methode hat der Beklagte durch sein Vorbringen verdeutlicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 iVm Abs. 4 Satz 2 SGG.
Fundstellen
Breith. 1997, 309 |
SozSi 1997, 398 |