Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichzeitiger Bezug von deutschem Erziehungsgeld und französischer Kleinkindzulage. Wohnsitz Frankreich. ruhendes Arbeitsverhältnis in Deutschland
Leitsatz (amtlich)
Der Bezug der französischen Kleinkindzulage „Allocation pour jeune enfant” berührt den Anspruch auf deutsches Erziehungsgeld nicht, wenn die in Frankreich wohnende Mutter ein während der Kindererziehung ruhendes Arbeitsverhältnis in Deutschland hat.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
BErzGG § 1 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1992-01-21, § 8 Abs. 3; EWGV 1408/71 Art. 1 Buchst. u, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 73, 75, 76 Fassung: 1989-10-30; EWGV 574/72 Art. 10 Abs. 1 Buchst. a. Fassung: 1989-10-30
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. November 1995 und des Sozialgerichts Mainz vom 26. Juli 1994 sowie der Bescheid des Beklagten vom 13. April 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juni 1993 aufgehoben, soweit sie die Zeit ab 12. September 1992 betreffen.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Erziehungsgeld für ihren Sohn R. … A. … ab 12. September 1992 zu gewähren.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist ein Anspruch der Klägerin gegen das beklagte Land auf Gewährung von Erziehungsgeld (Erzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Es geht um die Frage, ob der Bezug der französischen Kleinkindzulage „Allocation pour jeune entfant” (APJE) dem Anspruch auf Erzg entgegensteht.
Die Klägerin lebt mit ihrem Ehemann und ihren Söhnen P. … (geboren am 23. Februar 1990) und R. … (geboren am 17. Juli 1992) nahe der deutschen Grenze in Frankreich. Bis zum Beginn der Mutterschutzfrist vor der Geburt von R. … (5. Juni 1992) war die Klägerin, die ebenso wie die anderen Familienmitglieder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, in Zweibrücken/Rheinland-Pfalz als Erzieherin im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Aufgrund des Mutterschutzes und des anschließenden Erziehungsurlaubs ruhte das Arbeitsverhältnis bis zum Frühjahr 1994. In der Zeit vom 5. Juni 1992 bis zum 11. September 1992 bezog die Klägerin von ihrer deutschen Krankenkasse Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 25,00 DM. In Frankreich erhielt die Klägerin schon ab Februar 1992, dem vierten Schwangerschaftsmonat, die Kleinkindzulage APJE. Sie betrug zunächst 895 FF und ab Januar 1993 925 FF (Mitteilung der Caisse d'Allocations Familiales de la Moselle vom 10. Februar 1993). Dabei ist ab November 1992 das Einkommen des Ehemannes der Klägerin, der in Frankreich als Maschinenschlosser beschäftigt ist, berücksichtigt worden.
Im August 1992 beantragte die Klägerin Erzg für R. …. Dieser Antrag wurde abgelehnt, weil die Klägerin in Frankreich APJE beziehe. Diese Kleinkindzulage sei eine dem Erzg vergleichbare ausländische Leistung. Ihr Bezug schließe daher nach § 8 Abs 3 BErzGG den Anspruch auf Erzg aus (Bescheid der Stadt Zweibrücken vom 13. April 1993; Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Jugend und Soziales Rheinland-Pfalz vom 3. Juni 1993).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. Juli 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 23. November 1995). Beide Gerichte teilen die Rechtsauffassung des Beklagten.
Mit ihrer vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 8 Abs 3 BErzGG. Die APJE sei weder mit dem Erzg noch mit dem Mutterschaftsgeld vergleichbar. Zudem verstoße die Ablehnung der Gewährung von Erzg durch den Beklagten gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG), weil im Saarland der Bezug von APJE nicht als den Anspruch auf Erzg ausschließender Tatbestand gewertet werde.
Die Klägerin beantragt,
- die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. November 1995 und des Sozialgerichts Mainz vom 26. Juli 1994 sowie den Bescheid der Stadt Zweibrücken vom 13. April 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 3. Juni 1993 aufzuheben,
- den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Erzg für ihren Sohn R. … A. … … ab 17. Juli 1992 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Urteile des SG und des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist zulässig und für die Zeit ab 12. September 1992 auch begründet. Lediglich für die Zeit vom 17. Juli 1992 bis zum 11. September 1992 ist die Revision im Ergebnis unbegründet. Nur in diesem Umfang konnten der angegriffene Bescheid und die Urteile der Vorinstanzen aufrechterhalten werden. Der Bezug des Mutterschaftsgeldes hat den Anspruch auf Erzg bis zum 11. September 1992 erlöschen lassen. Der Bezug der APJE steht dem Anspruch auf Erzg jedoch nicht entgegen.
Maßgebend ist das BErzGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Januar 1992 (BGBl I S 68). Nach § 1 Abs 1 Satz 1 BErzGG hat Anspruch auf Erzg, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat (Nr 1), mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Diesem Personenkreis gleichgestellt sind gemäß § 1 Abs 4 Nr 1 BErzGG Angehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften (EG), die ein Arbeitsverhältnis im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, bei dem die wöchentliche Arbeitszeit die Grenze für geringfügige Beschäftigungen gemäß § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) übersteigt, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 BErzGG erfüllen.
Als deutsche Staatsangehörige, die zwar in Frankreich lebt, aber bis zum Beginn der Mutterschutzfrist in Deutschland als Angestellte mit einem Vollzeitarbeitsplatz berufstätig war und deren Arbeitsverhältnis während der Mutterschutzfrist und des Erziehungsurlaubs ruhend fortbestand, zählt die Klägerin zu dem in § 1 Abs 4 Nr 1 BErzGG genannten Personenkreis. Sie erfüllt auch die in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 BErzGG genannten sonstigen Voraussetzungen.
Ein Anspruch auf Erzg steht ihr für die Zeit vom 17. Juli 1992 bis zum 11. September 1992 gleichwohl nicht zu, weil der Anspruch durch die gleichzeitige Gewährung eines Mutterschaftsgeldes von täglich 25,00 DM gemäß § 7 BErzGG ausgeschlossen ist.
Für die Zeit vor oder nach der Geburt laufend zu zahlendes Mutterschaftsgeld, das der Mutter nach der Reichsversicherungsordnung, dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte oder dem Mutterschutzgesetz gewährt wird, wird mit Ausnahme des – hier nicht einschlägigen – Mutterschaftsgeldes nach § 13 Abs 2 des Mutterschutzgesetzes (Leistung an Frauen, die nicht Mitglied einer Krankenkasse sind) auf das Erzg angerechnet (§ 7 Satz 1 BErzGG). Nicht anzurechnen ist lediglich laufend zu zahlendes Mutterschaftsgeld, das die Mutter aufgrund einer Teilzeitarbeit oder anstelle von Arbeitslosenhilfe während des Bezugs von Erzg erhält (§ 7 Satz 3 BErzGG). Diese Ausnahme trifft auf die Klägerin nicht zu. Das ihr aufgrund des Mutterschutzgesetzes von ihrer Krankenkasse gezahlte Mutterschaftsgeld ist auf das Erzg anzurechnen. Da es mit täglich 25,00 DM den Tagessatz des Erzg von 20,00 DM (§ 5 Abs 4 Satz 2 BErzGG) übersteigt, hat es den Anspruch auf Erzg für die Zeit bis zum 11. September 1992 erlöschen lassen.
Für die Folgezeit ab 12. September 1992 steht der Klägerin jedoch der Anspruch auf Erzg zu. Er wird vom gleichzeitigen Bezug der APJE nicht berührt. Das gilt für den Bezug der einkommensunabhängigen „kurzfristigen” APJE (vierter Schwangerschaftsmonat bis dritter Lebensmonat des Kindes) und der einkommensabhängigen „langfristigen” APJE (vierter bis sechsunddreißigster Lebensmonat des Kindes) gleichermaßen, ohne daß es darauf ankommt, ob es sich iS von § 8 Abs 3 BErzGG um vergleichbare Leistungen handelt. Der innerstaatliche Gesetzgeber ist zu einem solchen Leistungsausschluß nicht berechtigt, wenn dies dem europäischen Gemeinschaftsrecht widerspricht.
Innerhalb der Mitgliedstaaten der EG führt der Bezug einer ausländischen Sozialleistung nur dann zu einem vollständigen oder teilweisen Ausschluß eines von einem Angehörigen eines Mitgliedstaats der EG erworbenen inländischen Anspruchs auf eine Sozialleistung, wenn dies durch Vorschriften des Rechts der EG angeordnet ist. Maßgebend sind die Regelungen der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) 1408/71 sowie der EWGV 574/72 und insbesondere die darin enthaltenen Antikumulierungsvorschriften. Sie schließen weder hinsichtlich der „kurzfristigen” APJE, die bis zum 31. Oktober 1992 bezogen worden ist, noch hinsichtlich der anschließend bezogenen „langfristigen” APJE den Anspruch der Klägerin auf Erzg aus. Die APJE ist auch nicht auf das Erzg anzurechnen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 10. Oktober 1996 (SozR 3-6050 Art 4 Nr 8 = EuZW 1996, 730) ua entschieden:
„Eine Leistung wie das Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz, die unabhängig von jeder auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit ohne weiteres den Personen gewährt wird, die bestimmte objektive Voraussetzungen erfüllen, und die dem Ausgleich von Familienlasten dient, ist einer Familienleistung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zu Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 geänderten Fassung gleichzustellen”.
Die EG-rechtliche Einordnung des Erzg als Familienleistung hat zur Folge, daß die Verpflichtung des Beklagten, an die in Frankreich wohnhafte Klägerin Erzg zu zahlen, nicht allein auf § 1 Abs 4 Nr 1 BErzGG beruht. Diese Vorschrift setzt vielmehr nur die nach Art 13 Abs 2 Buchst a), 73 und 75 EWGV 1408/71 bestehende Verpflichtung um, Familienleistungen an in Deutschland beschäftigte, aber im EG-Ausland wohnende Personen so zu erbringen, als ob diese Personen und ihre Familienangehörigen in Deutschland wohnten. Dieser Verpflichtung widerspricht es, wenn § 8 Abs 3 BErzGG nach seinem Wortlaut das Erzg bei Inanspruchnahme von vergleichbaren Leistungen außerhalb des Geltungsbereichs des BErzGG selbst dann ausschließt, wenn es sich um Mitgliedstaaten der EG handelt. Insoweit wird § 8 Abs 3 BErzGG durch das vorrangige EG-Recht modifiziert, was von allen rechtsanwendenden Stellen ohne weiteres zu beachten ist.
Der Anspruch auf eine inländische (deutsche) Familienleistung kann nach EG-Recht nur dann durch den gleichzeitigen Bezug einer ausländischen (französischen) Sozialleistung ganz oder teilweise ausgeschlossen sein, wenn diese ausländische Leistung ebenfalls als Familienleistung (oder als Familienbeihilfe) anzusehen ist und die Antikumulierungsvorschriften des EG-Rechts eine solche Rechtsfolge anordnen. Dies ist bei der „kurzfristigen” APJE von vornherein nicht der Fall. Sie ist weder als Familienleistung iS des Art 1 Buchst u) Ziff i) und Art 4 Abs 1 Buchst h EWGV 1408/71 noch als Familienbeihilfe iS des Art 1 Buchst u) Ziff ii) EWGV 1408/71 einzustufen, sondern sie gehört nach Anhang II Abschnitt II Teil E Frankreich der EWGV 1408/71 zu den „besonderen Geburtsbeihilfen”, die nach Art 1 Buchst u) nicht in den Geltungsbereich der EWGV 1408/71 und damit auch nicht in den der Durchführung dieser Verordnung dienenden EWGV 574/72 fallen. Die „besonderen Geburtsbeihilfen” des Anhangs II der EWGV 1408/71 sind innerhalb der Mitgliedstaaten der EG nicht exportfähig. Ihr Bezug berührt den Anspruch auf in anderen Mitgliedstaaten der EG vorgesehene Familienleistungen unabhängig von der Frage ihrer Vergleichbarkeit nicht.
Die „langfristige” APJE ist von der Anwendung der EWGV 1408/71 dagegen nicht ausgenommen. Sie stellt, wie das deutsche Erzg, eine Familienleistung iS des Art 1 Buchst u) Ziff i), Art 4 Abs 1 Buchst h) EWGV 1408/71 dar. Aber auch hier stehen die gemeinschaftrechtlichen Antikumulierungsvorschriften dem Anspruch der Klägerin auf Erzg für die Zeit ab 1. November 1992 nicht entgegen. Der Anspruch auf Erzg ist vielmehr gegenüber dem Bezug der „langfristigen” APJE vorrangig.
Art 76 EWGV 1408/71 ist hier mangels Berufstätigkeit der Klägerin in Frankreich nicht einschlägig. Die Vorschrift in ihrer hier maßgebenden Fassung der EWGV 3427/89 vom 30. Oktober 1989 besagt: „Sind im Laufe desselben Zeitraums, für denselben Familienangehörigen und aufgrund der Ausübung einer Berufstätigkeit in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, Familienleistungen vorgesehen, so wird der Anspruch auf die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gegebenenfalls nach den Art 73 bzw 74 geschuldeten Familienleistungen bis zur Höhe des durch die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats vorgesehenen Betrages ausgesetzt (Abs 1). Wird in dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnen, kein Antrag auf Leistungsgewährung gestellt, so kann der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats Abs 1 anwenden, als ob Leistungen in dem ersten Mitgliedstaat gewährt würden” (Abs 2).
Diese Vorschrift begründet einen Vorrang des Anspruchs auf Familienleistungen im Wohnstaat der Familienangehörigen nur dann, wenn er auch von einer Berufstätigkeit und nicht nur vom Wohnsitz abhängig ist. Da der Anspruch auf APJE nach französischem Recht (vgl Code de la Sécurité Art L.531-1 bis L.531-3 R.531-1 bis R.531-6) nur vom französischen Wohnsitz des Berechtigten abhängt – was der Senat in Ermangelung von Feststellungen durch die Tatsacheninstanz über den Inhalt des ausländischen Rechts selbst feststellen kann –, tritt hiernach ungeachtet der Tatsache, daß der Ehemann der Klägerin in Frankreich einer Beschäftigung nachgeht, kein Nachrang des Anspruchs auf Erzg ein. Die APJE wird nach EG-Recht auch nicht auf das Erzg angerechnet.
Art 10 EWGV 574/72 in der hier maßgeblichen Fassung der EWGV 3427/89 vom 30. Oktober 1989 steht dem geltend gemachten Anspruch wegen fehlender Berufstätigkeit der Klägerin in Frankreich ebenfalls nicht entgegen. Die Vorschrift besagt, soweit sie hier in Betracht kommt: „Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, wird, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Art 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen ausgesetzt (Abs 1 Buchst a). Wird jedoch in dem Fall, in dem Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Art 73 oder 74 der Verordnung geschuldet werden, von der Person, die Anspruch auf die Familienleistungen hat, oder von der Person, an die sie zu zahlen sind, in dem unter Buchst a) erstgenannten Mitgliedstaat eine Berufstätigkeit ausgeübt, so wird der Anspruch auf die allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats oder nach den genannten Artikeln geschuldeten Familienleistungen ausgesetzt, und zwar bis zur Höhe der Familienleistungen, die in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats vorgesehen sind, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist. Leistungen, die der Mitgliedstaat zahlt, in dessen Gebiet das Familienmitglied wohnhaft ist, gehen zu Lasten dieses Staates” (Abs 1 Buchst b) Ziff i). Nach Art 10 Abs 1 Buchst a) EWGV 574/72 wird somit nur der Anspruch auf die „langfristige” APJE als allein vom französischen Wohnsitz abhängige Familienleistung bis zur Höhe des deutschen Erzg ausgesetzt. Letzteres bleibt also in diesem Fall vorrangig. Die entgegen dieser Vorschrift gezahlte „langfristige” APJE könnte zwar möglicherweise vom französischen Träger ganz oder teilweise zurückgefordert werden. Aber selbst wenn dies nicht möglich wäre, würde die APJE nicht auf das deutsche Erzg angerechnet werden können und dieses auch nicht zum Ruhen bringen. Der Anspruch auf das deutsche Erzg würde gemäß Art 10 Abs 1 Buchst b) Ziff i) EWGV 574/72 nur dann ganz oder teilweise ausgesetzt, wenn die Klägerin in Frankreich eine Berufstätigkeit ausübte. Da dies nicht der Fall ist und der Beschäftigung des Ehemannes der Klägerin in Frankreich insoweit keine Bedeutung zukommt, ist der Bezug der „langfristigen” APJE für den Anspruch auf deutsches Erzg dem Grunde und der Höhe nach unschädlich.
Die Revision der Klägerin war somit überwiegend begründet. Eine Vorlage an den EuGH nach Art 177 des EWG-Vertrages kam nicht in Betracht, da der Fall nach der angeführten Entscheidung vom 10. Oktober 1996 keine Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts aufwies, die nicht eindeutig zu beantworten gewesen wären.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1173277 |
SozR 3-7833 § 8, Nr.3 |
SozSi 1998, 319 |