Leitsatz (amtlich)

Sind für Zeiten nach dem 1957-01-01 freiwillige Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet worden, obgleich der Versicherte zuletzt in der Angestelltenversicherung pflichtversichert war und auch in diesem Versicherungszweig die Weiterversicherung für dieselben Zeiten durchgeführt hat (Doppelversicherung), entfällt die Überweisung der beanstandeten Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung gemäß RVO § 1421 Abs 3 S 1.

Für die Feststellung und Zahlung der Leistung ist auch im Falle der Doppelversicherung der Träger des Versicherungszweiges zuständig, an den der letzte wirksame Beitrag entrichtet ist (Fortführung von BSG 1964-03-17 11/1 RA 317/62 = BSGE 20, 260 = SozR Nr 1 zu § 1310 RVO).

 

Normenkette

RVO § 1233 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1957-07-27; AVG § 10 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1957-07-27; RVO § 1421 Abs. 3 S. 1 Fassung: 1965-06-09; AVG § 143 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1311 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-07-27; AVG § 90 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1957-07-27

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 3. November 1971 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Rechtsstreit betrifft die Wirksamkeit einer Doppelversicherung, nämlich die Wirksamkeit zeitgleicher Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung (ArV) und zur Angestelltenversicherung (AV).

Der Kläger war von 1920 bis 1938 Verwaltungsgehilfe der Stadt M. Am 1. April 1938 wurde er in das Beamtenverhältnis übernommen. Pflichtbeiträge sind für ihn von Mai bis Dezember 1922 zur reichsdeutschen AV und im Anschluß daran bis März 1938 zur memelländischen Invalidenversicherung (IV) abgeführt worden. Die Versicherung setzte er aus eigenem Willen in der memelländischen IV bis April 1939 und anschließend bis 1963 in der deutschen IV bzw. ArV fort. Außerdem entrichtete er freiwillig Beiträge von 1930 bis 1963 - mit Unterbrechung in der Kriegs- und Nachkriegszeit - zur deutschen AV.

Im April 1965 beantragte der Kläger über das Versicherungsamt seines Wohnorts Renten aus der AV und der ArV. Das Versicherungsamt leitete den Antrag nur an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) weiter, weil der Kläger als Wanderversicherter zu behandeln und die BfA für die Feststellung der Gesamtleistung allein zuständig sei. Die BfA, die zu diesem Rechtsstreit beigeladen worden ist, bewilligte dem Kläger das Altersruhegeld. Der Rentenberechnung legte sie die Pflicht- und freiwilligen Beiträge zur AV zugrunde. Keine Leistung gewährte sie für Beiträge, die von 1930 an für die jeweils gleichen Zeiten zur memelländischen IV bewirkt worden waren. Die BfA ging von § 28 des Fremdrentengesetzes (FRG) aus, wonach nur eine Versicherungszeit, und zwar die für den Berechtigten günstigere, zu berücksichtigen sei. Die von 1938 bis 1956 in der reichs- und bundesgesetzlichen IV bzw. ArV zurückgelegten Zeiten ließ die BfA als Beiträge der Höherversicherung gelten. - Gegen den Bewilligungsbescheid der BfA erhob der Kläger Klage; diese ist noch vor dem Gericht erster Instanz anhängig.

Die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) beanstandete mit dem in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid vom 3. Dezember 1965 (Widerspruchsbescheid vom 7. April 1966) die vom 1. Januar 1957 bis 31. Dezember 1963 verwendeten Beiträge zur ArV. Sie führte aus, nach § 1233 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei die freiwillige Weiterversicherung seit dem 1. Januar 1957 nur in dem Versicherungszweig zulässig, in dem der Versicherte zuletzt versicherungspflichtig gewesen sei; das sei die AV.

Hiergegen richtet sich die gegenwärtige Klage; mit ihr macht der Kläger ferner den Anspruch auf Versichertenrente aus der ArV geltend und begehrt außerdem die Feststellung, daß aufgrund seiner Beiträge zur memelländischen IV ein gegenüber der deutschen Arbeiterrentenversicherung unabhängiges Versicherungsverhältnis begründet worden sei, für das die Beklagte einzustehen habe.

Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) haben die Klage abgewiesen. Nach ihrer Ansicht hätte der Kläger gemäß § 1233 Abs. 3 RVO von 1957 an nur noch Beiträge zur AV entrichten dürfen, weil er zuletzt als Verwaltungsgehilfe der Stadt Memel eine Angestelltentätigkeit als versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Dem gegenüber der Beklagten erhobenen Feststellungsbegehren stehe entgegen, daß der Kläger als Wanderversicherter anzusehen sei und somit in Rechtsbeziehungen lediglich zur BfA stehe. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, daß er das Versicherungsverhältnis in der IV des Memellandes begründet habe. Durch das Gesetz über die Wiedervereinigung des Memellandes mit dem deutschen Reich vom 23. März 1939 (RGBl I S. 559) sei vom 1. Mai 1939 an deutsches Recht an die Stelle des bis dahin im Memelland geltenden Rechts getreten. Das Nebeneinander eines deutschen und eines ausländischen Versicherungsverhältnisses sei damit, und zwar durch die Vorschriften über die Wanderversicherung (§§ 1544 ff RVO aF) aufgehoben worden. Die vom Reichsarbeitsminister erlassene Verordnung (VO) über die Einführung der Reichsversicherung im Memelland vom 17. August 1939 (RGBl I S. 1426) enthalte lediglich Übergangsvorschriften und bestimme nichts Abweichendes. Sie garantiere insbesondere nicht den selbständigen Bestand des im Memelland begründeten Versicherungsverhältnisses. Mithin sei eine Gesamtleistung aufgrund sämtlicher entrichteter Beiträge - wenn überhaupt - nur von der Beigeladenen festzustellen.

Der Kläger hat Revision eingelegt. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben; hilfsweise, den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. An dem Berufungsurteil hat er auszusetzen, daß die Sachdarstellung unvollständig und ungenau sei. Die Versicherungspflicht in der reichsdeutschen AV habe für ihn nicht erst 1922, sondern bereits 1920 begonnen. Die obligatorische Versicherung in der memelländischen IV habe am 1. Januar 1923 angefangen. Für ein Jahr habe daneben noch die Pflichtversicherung in der deutschen AV bestanden. Das Versicherungsverhältnis zur memelländischen IV, das er nach seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis nach 1939 zur LVA Ostpreußen weiter aufrecht erhalten habe, sei nach dem Kriege von der Beklagten als rechtsgültig anerkannt worden. Die Beklagte habe Aufrechnungsbescheinigungen und Quittungskarten entgegengenommen und durch ihre Prüfstelle auf ihre Rechtsgültigkeit hin kontrollieren lassen. In den Schreiben vom 30. März 1951 und vom 25. Februar 1957 habe sie die Wirksamkeit der Beitragsentrichtung bestätigt. Darauf hätte er vertrauen dürfen. Demgemäß habe er das Versicherungsverhältnis zur Beklagten fortgesetzt. Diese könne sich nunmehr nicht darauf berufen, daß er zu Unrecht Beiträge entrichtet habe. - Es treffe außerdem - entgegen der Schilderung in dem Berufungsurteil - nicht zu, daß das Versicherungsamt einen der beiden Rentenanträge nicht angenommen habe. Richtig sei, daß ein Beamter des Versicherungsamtes erklärt habe, es brauche nur der Antragsvordruck für die AV ausgefüllt zu werden, ein besonderer Vordruck für die IV sei nicht nötig. - Das LSG habe desweiteren die memelländische IV zu Unrecht nach deutschem Recht beurteilt. Seine memelländische IV und die darauf aufbauenden weiteren Beiträge unterlägen nicht den Vorschriften der Wanderversicherung. Es handele sich um zwei selbständige Versicherungen. Die Gleichsetzung der memelländischen IV mit der deutschen ArV oder AV widerspreche den §§ 11 Abs. 1 und 14 der VO vom 17. August 1939. Sie sei auch nicht vereinbar mit dem Inhalt des deutschlitauischen Staatsvertrags vom 22. März 1939, wonach der einzelne vor Rechtsnachteilen infolge der Wiedereingliederung bewahrt werden sollte. Die Auslegung, die das LSG § 11 der oben angeführten VO gegeben habe, vernachlässige die Prinzipien des internationalen Rechts.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Revision hat keinen Erfolg.

Die Klage auf Aufhebung der Beitragsbeanstandung sowie die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, mit welcher der Kläger den Anspruch auf Rente aus der ArV gegen die beklagte LVA verfolgt, sind zulässig, aber nicht begründet. Für das sachlich-rechtliche Resultat kommt es nicht - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergeben wird - auf die verfahrensrechtlichen Angriffe an, die die Revision gegen die tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil richtet. - Da die Anfechtungs- und Leistungsklage in vollem Umfang den Gegenstand des vom Kläger geltend gemachten Feststellungsbegehrens umfaßt, fehlt es für letzteres an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (§ 55 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Beanstandung der Beiträge zur ArV für die Zeit nach 1956 ist rechtmäßig. Da der Kläger die Voraussetzungen für die freiwillige Fortsetzung der Versicherung sowohl in der ArV als auch in der AV erfüllte, durfte er sich seit dem 1. Januar 1957 nur noch in einem, und zwar allein in demjenigen Versicherungszweig weiterversichern, in dem er zuletzt versicherungspflichtig war (§ 1233 Abs. 3 Satz 1 RVO iVm Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 2, Art. 3 § 8 Satz 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG -). Dies war die AV. Ein obligatorisches Versicherungsverhältnis bestand für den Kläger bis März 1938 zur IV des Memellandes. Die dorthin eingezahlten Beiträge sind nach dem Fremdrentenrecht wie solche zur AV zu behandeln. Auf die Rentenversicherung des Klägers ist das FRG anzuwenden, weil er Deutscher ist (§ 1 Buchst. b FRG; § 3 des Gesetzes vom 23. März 1939 - RGBl I, 559). Die in der memelländischen IV zurückgelegten Beitragszeiten sind bei einem nichtdeutschen, nämlich litauischen Versicherungsträger zurückgelegt. Sie stehen deutschen Beitragszeiten gleich (§ 15 Abs. 1 FRG). Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 FRG sind sie nach der Art der Beschäftigung dem nach deutschem Recht zuständigen Versicherungszweig zuzuordnen. Als Verwaltungsgehilfe bei der Stadtverwaltung in Memel hat der Kläger in der fraglichen Zeit Angestelltentätigkeiten ausgeübt. Mithin gehört die Pflichtversicherung des Klägers in die AV. Infolgedessen vermochte er die Versicherung später auch nur dort freiwillig fortzusetzen. Die gleichwohl nach dem 1. Januar 1957 zur ArV erbrachten Beiträge waren mithin nach § 1421 Abs. 3 Satz 1 RVO zu beanstanden.

Der Beanstandung stand nicht entgegen, daß zwischen der Entrichtung der Beiträge und ihrer Ungültigkeitserklärung eine längere Zeitspanne lag. Die Beiträge sind nach den getroffenen Feststellungen in Versicherungskarten enthalten, die nach 1963 aufgerechnet worden sind. Die Beanstandung ist aber bereits mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 1965 ausgesprochen worden. Zu dieser Zeit war die Frist von zehn Jahren, innerhalb welcher Beiträge zurückgewiesen werden können (§ 1423 Abs. 2 RVO), noch nicht abgelaufen.

Die Rechtslage ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil der Kläger vor dem 1. Januar 1957 der ArV freiwillig angehörte und seine Versicherungsberechtigung, die heute nicht mehr bezweifelt werden kann, insoweit auf Rechtsvorschriften beruhte, die aus Anlaß der Wiedervereinigung des Memellandes mit dem deutschen Reich erlassen worden waren. Mit § 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 23. März 1939 wurde im Memelland das Reichsrecht in Kraft gesetzt. Zur Regelung von Einzelheiten wurde nach § 4 Abs. 2 der zuständige Reichsminister ermächtigt. Darauf stützte sich die VO über die Einführung der Reichsversicherung im Memelland vom 17. August 1939 (RGBl I 1426), in deren § 11 Abs. 1 die Fortsetzung der bisherigen freiwilligen Versicherung in der Reichsversicherung gestattet wurde. Damit wurde einem internationalen Brauch entsprochen, wonach bei einer Staatensukzession eine bis dahin bestehende sozialversicherungsrechtliche Erwerbsberechtigung im Nachfolgestaat aufrecht erhalten bleibt, jedoch künftig nach Maßgabe der Rechtsvorschriften dieses Staates behandelt wird (vgl. Art. 312 des Versailler Vertrages vom 28. Juni 1919 - RGBl I, 687 - und die darauf folgenden internationalen Verträge sowie Dahm, Völkerrecht, Band 1, 1958, 100 ff.).

Das ursprünglich im Memelland belegene Versicherungsverhältnis des Klägers richtet sich seit 1939 nach innerdeutschem Recht. Aus diesem Grunde wurde es mit dem Inkrafttreten des ArVNG von dem Ausschluß der Doppelversicherung ebenso getroffen wie jede gleichartige in Deutschland begründete Rechtsposition. - Darauf, daß die Einführungs-VO vom 17. August 1939 durch Art. 7 § 3 Abs. 1 Buchst. b) FANG inzwischen aufgehoben worden ist, kommt es für die Beurteilung des gegenwärtigen Streitfalls nicht an. - Durch das Verbot der Doppelversicherung wurde der Kläger nicht in einem verfassungsrechtlich geschützten Besitzstand verletzt. Der Gesetzgeber konnte die bis Ende 1956 vorgenommene gleichzeitige Versicherung in zwei Versicherungszweigen beseitigen, ohne damit gegen die Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) zu verstoßen. Dem Kläger wurde die Chance genommen, sein Versicherungsverhältnis durch weitere Beiträge in einem zweiten Versicherungszweig auszubauen und etwa die Basis für höhere Rentenansprüche zu schaffen. Diese Erwerbsberechtigung war verfassungsrechtlich nicht vor einer gesetzlichen Um- und Neugestaltung bewahrt. Sie beruhte auf einer staatlichen Gewährung und unterlag deshalb der gesetzgeberischen Disposition (BSG 26, 255, 258; 25, 170, 173; vgl. auch BVerfG 14, 288 ff.). Unantastbar ist dagegen das Versicherungsverhältnis als solches und die mit ihm durch eigene Leistungen des Versicherten erworbene Rechte. Diese sind denn auch, jedenfalls in ihrem Kern unberührt geblieben. - Indem die Möglichkeit der zweifachen Weiterversicherung abgeschafft wurde, sah sich der Kläger in seinem Vertrauen in den Fortbestand vorher rechtlich begründeter Erwartungen beeinträchtigt. Darin ist indessen eine Maßnahme gegen das Prinzip des sozialen Rechtsstaats (Art. 20, 28 GG) und vor allem gegen das Gebot der Rechtssicherheit nicht zu erblicken. Das Vertrauen in eine gleichbleibende rechtliche Ordnung wird verfassungsrechtlich gegen rückwirkende Änderungen - und dies nicht einmal uneingeschränkt - gesichert. Mit einer rückwirkenden Gesetzesänderung hat man es aber im konkreten Falle nicht zu tun.

Die Rechtsgültigkeit der beanstandeten Beiträge vermag die Revision nicht damit zu rechtfertigen, daß die beklagte Versicherungsanstalt die Beitragsunterlagen des Klägers geprüft und die Versicherungsberechtigung zur ArV noch am 25. Februar 1957 anerkannt hat. Mit diesem - offenbar auf § 1423 Abs. 3 Satz 2 RVO bezugnehmenden - Vorbringen versucht die Revision neue, in diesem Rechtszuge erstmalig behauptete Tatsachen in den Rechtsstreit einzuführen. Darauf hat das Revisionsgericht nicht einzugehen. Es ist vielmehr an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 163 SGG). Diese Feststellungen unterliegen, soweit es den neuen Sachvortrag betrifft, keinen zulässigen und begründeten Revisionsrügen. Im übrigen wäre das auf ein Anerkenntnis der Beklagten gestützte Argument wohl nur stichhaltig, wenn dargetan wäre, daß die Beklagte nicht nur den Versicherungsverlauf des Klägers in der ArV für einwandfrei gehalten, sondern die Versicherungsbefugnis auch in Kenntnis der Doppelversicherung bejaht hätte. In dieser Richtung dürfte es an Anhaltspunkten fehlen.

Es unterliegt keinen Bedenken, daß die Beklagte dem Kläger die Rückvergütung der zu Unrecht aufgewendeten Beiträge angeboten hat. Allerdings läßt es § 1421 Abs. 3 RVO nicht bei der Beanstandung bewenden, sondern schreibt vor, daß die Beiträge an den dafür in Betracht kommenden Versicherungszweig zu überweisen seien. Die Überweisung ist jeweils an den "zuständigen" Versicherungszweig vorzunehmen. Diese Gesetzesformulierung läßt erkennen, daß lediglich an eine Versendung der Beiträge vom falschen zum richtigen - nämlich dem zuständigen - Versicherungszweig gedacht ist; ein Wechsel des Versicherungsträgers ist nicht für den Fall vorgesehen, daß auch in einem anderen Versicherungszweig die Versicherungsberechtigung fehlt bzw. fehlte. Besonders deutlich wird diese Rechtsfolge in Absatz 1 des § 1421 RVO ausgedrückt: Danach sind Pflichtbeiträge zu beanstanden, die "anstatt" zu der einen Versicherung zur anderen abgeführt worden sind. Daß ein Versicherungszweig anstelle eines anderen der zutreffende Beitragsadressat gewesen wäre, ist aber ein Tatbestand, der sich von dem der Doppelversicherung unterscheidet. Daraus ist zu folgern, daß die Auswechselung des Versicherungszweiges bei einer Doppelversicherung nicht vorgeschrieben ist, vielmehr in dieser Beziehung schlechthin die Unwirksamkeit der Versicherung bei dem unzuständigen Versicherungszweig gilt. Hiervon ist um so mehr auszugehen, als nach dem geltenden, mit der Rentenversicherungsreform des Jahres 1957 eingeführten Recht eine zweifache Versicherung nur ausnahmsweise beachtet wird. Wenn für Zeiten einer Nachversicherung freiwillige Beiträge verwendet worden sind, so sollen diese als Beiträge zur Höherversicherung gelten (§ 1402 Abs. 3 RVO). Die gleiche Umbewertung freiwilliger neben anderen zeitgleichen Beiträgen ist in der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 15 Abs. 2 ArVNG vorgesehen, dies aber ausdrücklich nur für die Vergangenheit, d.h. für Beiträge, die vor 1957 entrichtet worden sind. Dagegen gilt auch für denjenigen, der - wie der Kläger - vorher von dem Recht der freiwilligen Versicherung Gebrauch gemacht hat, in der Folgezeit die Sperre gegen die Doppelversicherung (Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 2 ArVNG). - Für eine Überweisung der beanstandeten Beiträge an die BfA besteht sonach keine Berechtigung.

Die Rentenleistung hat die beklagte LVA zutreffend abgelehnt. - Zur Beklagten steht der Kläger nicht in einem Versicherungsverhältnis, aus dem ein solcher Anspruch hergeleitet werden könnte. Es kann unterstellt werden, daß die Rechtsbeständigkeit der vom Kläger vor 1957 in der ArV zurückgelegten Versicherungszeiten nicht mehr mit Erfolg in Frage gestellt werden kann (vgl. § 1423 Abs. 3 RVO), obgleich nach den damals geltenden Vorschriften eine Versicherung in der AV nahe gelegen hätte, weil die Weiterversicherung nur in dieser an Pflichtbeiträgen hätte anknüpfen können (§ 21 des Angestelltenversicherungsgesetzes aF - AVG - iVm § 1244 RVO aF). Aber auch die in der ArV verbrachten Versicherungszeiten bilden keine Grundlage für eine Leistungsschuld des Trägers in der ArV. Dafür, daß die doppelt verwendeten Beiträge bei der Leistungsgewährung nur von einem Versicherungsträger zu beachten sind, spricht schon die materiell-rechtliche Regelung des Art. 2 § 15 Abs. 2 ArVNG, wonach von zwei für den gleichen Zeitabschnitt gedachten Beiträgen einer von ihnen als Beitrag der Höherversicherung zu gelten hat. Höherversicherungsbeiträge bewirken aber nicht eine gesonderte Leistung neben der aus Pflicht- und freiwilligen Beiträgen gespeisten Rente. Vielmehr wird lediglich eine Rente gewährt. Diese ist in einem Jahresbetrag zu berechnen und erhöht sich um die Steigerungsbeträge für die Höherversicherungsbeiträge (§§ 1253, 1254, 1261 RVO). Daß nur eine Leistung auch nur von einem Versicherungsträger zu erbringen ist, liegt auf der Hand.

Für die Feststellung und Zahlung der dem Kläger zustehenden Rente ist der Träger desjenigen Versicherungszweigs verantwortlich, an den der letzte - wirksame - Beitrag entrichtet ist (§ 1311 Abs. 1 Satz 1 RVO). Das ist die BfA. Die zu Recht beanstandeten Beiträge zur ArV müssen für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 1311 Abs. 1 Satz 1 RVO außer Betracht bleiben. Die Regelung der Wanderversicherung, von der hier ausgegangen wird, ist auch für den Fall der Doppelversicherung maßgebend. Der Tatbestand der Wanderversicherung ist verwirklicht; für den Versicherten sind neben Beiträgen zu einem Zweig der Rentenversicherung auch Beiträge zu einem anderen Zweig wirksam entrichtet worden (§ 1308 RVO). Diese Auffassung hat das Bundessozialgericht (BSG) in dem in BSG 20, 260 veröffentlichten Urteil vertreten. Dort war allerdings der hier zu beurteilende Fall nicht mit entschieden worden, nämlich daß außer den Zeiten der Doppelversicherung nur Beiträge zu einem Versicherungszweig entrichtet worden sind. Aber aus dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß der gegenwärtige Sachstand abweichend zu beurteilen wäre. Vielmehr spricht die Vorschrift des § 1309 Abs. 1 und 2 RVO, wonach bei der Ermittlung von versicherungstechnischen Voraussetzungen die auf dieselbe Zeit entfallenden Tatbestände nur einmal zu berücksichtigen sind, für die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Regeln über die Wanderversicherung auch auf Fälle der Doppelversicherung. Etwas anderes läßt sich nicht aus § 1310 Abs. 4 RVO entnehmen. Dort ist zwar für die Ermittlung der Versicherungsjahre die einmalige Berücksichtigung doppelt belegter Zeiten nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Diese Begrenzung ergibt sich indessen aus der Verweisung des § 1310 Abs. 3 auf die allgemeine Gesetzesbestimmung des § 1258 Abs. 1 RVO.

Einen deutlichen Fingerzeig dafür, daß die Doppelversicherung unter den Begriff der Wanderversicherung zu subsumieren ist, ergibt die Entstehungsgeschichte des Rechts der Wanderversicherung. Die doppelte Versicherung sowohl zur AV als auch zur JV, die anfänglich für einen Teil der Angestellten aufgrund desselben Beschäftigungsverhältnisses bestand, wurde durch dasselbe Gesetz beseitigt, durch das die Wanderversicherung grundlegend geregelt wurde (Teil A Art. 1 § 1 des Gesetzes über Änderung des Versicherungsgesetzes für Angestellte und der RVO vom 10. November 1922 - RGBl I 849 -). Die Beseitigung der Doppelversicherung und die Ausgestaltung der Wanderversicherung waren von der Absicht getragen, im Interesse des Versicherten Kompetenzüberlagerungen abzubauen (BSG 11, 69, 72). Vor allem sollte vermieden werden, daß getrennte Entscheidungen ergehen könnten. Der Anspruch sollte sich nur noch auf eine Gesamtleistung aus allen beteiligten Versicherungszweigen richten, mit der Folge, daß über diesen Gesamtanspruch auch nur einheitlich entschieden werden kann. Für das Ziel der Vereinheitlichung und Vereinfachung war und ist es unerheblich, ob die Beiträge zu mehreren Versicherungszweigen für verschiedene oder für dieselben Zeitabschnitte bestimmt waren. Beide Sachverhalte wurden bewußt unter der Bezeichnung "Wanderversicherung" zusammengefaßt (dazu: Hanow/Lehmann, Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, 4. Band, 4. Aufl., 1925, Anm. 1 und 2 zu § 1254 a).

Hiernach hat die beklagte LVA ihre Zuständigkeit für die beantragte Rentenbewilligung zutreffend verneint.

Zu erörtern bleibt, ob die BfA sämtliche Versicherungszeiten zur ArV so berücksichtigt hat, wie dies das Gesetz gebietet. Die Beantwortung dieser Frage wäre im gegenwärtigen Rechtsstreit erlaubt und angebracht; denn die BfA könnte - als Beigeladene - in diesem Rechtsstreit zur Leistung verurteilt werden (§ 75 Abs. 5 SGG). Indessen braucht hier dieser Frage nicht näher nachgegangen zu werden. Insoweit wäre der Sachverhalt ohnehin noch aufzuklären, das angefochtene Urteil müßte also aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Das ist jedoch nicht nötig, weil die Rentenfeststellung der BfA gesondert in einem bereits anhängigen Rechtsstreit zu prüfen ist.

Die Vorentscheidungen sind somit zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669413

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