Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der vom Kläger für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe aufgewandten Kosten.
Der Kläger und seine Ehefrau sind beamtete Lehrer. Der Kläger ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Er hat für seine Frau wegen der Höhe ihres Einkommens keinen Familienhilfeanspruch. Seine Frau befand sich vom 7. bis 12. Mai 1976 im Krankenhaus. Die Krankenhauskosten wurden teils von ihrer privaten Krankenversicherung, teils im Wege der Beihilfe von ihrem Dienstherrn getragen. Während ihres Krankenhausaufenthalts beschaffte sich der Kläger, in dessen Haushalt seine damals 7 1/2 Monate alte Tochter lebte, für insgesamt 150,-- DM eine Haushaltshilfe. Die Beklagte lehnte die Erstattung dieses Betrages ab, weil die Krankenhauskosten nicht von ihr getragen worden seien. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anspruch scheitere daran, daß der Kläger für seine Frau nicht familienhilfeberechtigt sei. Die soziale Krankenversicherung habe nur versicherte Krankheitsrisiken und mit der Haushaltshilfe auch deren Folgen zu tragen bzw. auszugleichen. Dem Versicherungsprinzip i.V.m. dem engen Zusammenhang zwischen Krankheit und Krankheitsfolgen widerspreche es, die gesetzliche Krankenversicherung allein zu der Folgeleistung zu verpflichten. Nach Inkrafttreten des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) bestehe kein Grund, die Krankenkassen insoweit anders zu behandeln als die übrigen Rehabilitationsträger.
Mit der - zugelassenen - Revision rügt der Kläger Verletzung des § 185b der Reichsversicherungsordnung (RVO). Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck dieser Vorschrift ließen die vom LSG vertretene Auffassung zu. Der Anspruch auf Haushaltshilfe sei ein eigenständiger Anspruch, denn der Versicherte solle gegen das mit der Beschaffung einer Haushaltshilfe verbundene wirtschaftliche Risiko geschützt werden.
Der Kläger beantragt,das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die für die selbstbeschaffte Haushaltshilfe aufgewandten Kosten zu erstatten.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist der durch das Gesetz zur Verbesserung von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. Dezember 1973 (Leistungsverbesserungsgesetz = KLVG, BGBl. I 1925) mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in die RVO eingefügte § 185b (vgl. § 1 Nr. 2, § 5 KLVG; geändert mit Wirkung v. 1.10.1974 § 45 Abs. 1 RehaAnglG durch § 21 Nr. 10 RehaAnglG v. 7.8.1974, BGBl. I 1881). Nach Absatz 1 dieser Vorschrift erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen oder ihrem Ehegatten wegen Aufenthalts in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt oder wegen eines Kuraufenthalts, dessen Kosten von der Krankenkasse ganz oder teilweise getragen werden, die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist, eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann und in dem Haushalt ein Kind lebt, das das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder das behindert und auf Hilfe angewiesen ist. Diese Voraussetzungen waren beim Kläger unstreitig gegeben: Er war bei der beklagten Krankenkasse gegen Krankheit versichert; seiner Ehefrau war wegen Aufenthalts in einem Krankenhaus die Weiterführung des Haushalts nicht möglich; eine andere Person, die den Haushalt hätte weiterführen können, lebte nicht in seinem Haushalt; wohl aber lebte dort seine damals erst 7 1/2 Monate alte Tochter. Der Kläger hatte also Anspruch auf Haushaltshilfe. Die Beklagte hätte ihm deshalb eine Ersatzkraft stellen müssen; denn nach Absatz 2 Satz 1 der genannten Vorschrift ist von der Krankenkasse als Haushaltshilfe grundsätzlich eine Ersatzkraft zu stellen. Erst wenn die Gestellung einer Ersatzkraft nicht möglich ist, oder Grund besteht, von der Gestellung abzusehen, sind von der Krankenkasse die Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft in angemessener Höhe zu erstatten (§ 185b Abs. 2 Satz 2 RVO). Die Beklagte hat dem Kläger seinerzeit eine Ersatzkraft nicht gestellt. Der Kläger hat deshalb hinsichtlich seiner für die selbstbeschaffte Ersatzkraft aufgewandten Kosten einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, und zwar in angemessener Höhe. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, war für eine Haushaltshilfe seinerzeit eine tägliche Vergütung in Höhe von 40,-- DM nicht unangemessen (Urteil vom 13.7.1977 - 3 RK 99/76 - SozR 2200 § 185b RVO Nr. 3 -). Die Angemessenheit der vom Kläger für die sechstägige Arbeitsleistung der selbstbeschafften Ersatzkraft aufgewandten Kosten von insgesamt 150,-- DM steht mithin außer Zweifel; sie ist auch unstreitig. Die Beklagte ist deshalb zur Erstattung dieses Betrages verpflichtet.
Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger für seine Ehefrau nicht familienhilfeberechtigt ist, und die Kosten ihres Krankenhausaufenthalts nicht von der Beklagten, sondern teils von ihrer privaten Krankenversicherung, teils im Wege der Beihilfe von ihrem Dienstherrn getragen worden sind.
Nach § 185b Abs. 1 RVO erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen oder "ihrem Ehegatten"… die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist… Das Gesetz erfaßt hier also anders als in § 205 Abs. 1 Satz 1 nicht nur den "unterhaltsberechtigten Ehegatten", sondern jeden "Ehegatten" des Versicherten; es spricht vom "Ehegatten" schlechthin. Wollte es dem Versicherten - wie das LSG meint - einen Anspruch auf die Gewährung von Haushaltshilfe nur unter der Voraussetzung zugestehen, daß er für seinen an der Weiterführung des Haushalts gehinderten Ehegatten auch familienhilfeberechtigt ist, dann müßte der Terminologie des Gesetzes entsprechend auch in § 185b Abs. 1 nicht der "Ehegatte" schlechthin, sondern ebenso wie in § 205 Abs. 1 Satz 1 der "unterhaltsberechtigte Ehegatte" des Versicherten genannt sein.
Auch heißt es in § 185b Abs. 1 RVO: "… wegen Aufenthalts in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt…". Diese Formulierung besagt nichts darüber, daß es sich bei einem solchen "Aufenthalt" um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handeln muß. Andernfalls müßte entsprechend der Formulierung in den §§ 184 und 195 Nr. 4 RVO auch hier von "Krankenhauspflege" und von der "Pflege in einer Entbindungs- oder Krankenanstalt" die Rede sein. Abgesehen hiervon bezieht sich die in § 185b Abs. 1 Satz 1 RVO enthaltene Einschränkung: "… dessen Kosten von der Krankenkasse ganz oder teilweise getragen werden…" ausschließlich auf den unmittelbar vor dieser Einschränkung genannten Kuraufenthalt und nicht auch auf den Aufenthalt in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt. In der ursprünglichen, bis zum Inkrafttreten des RehaAnglG gültig gewesenen Fassung des § 185b RVO lautete diese Einschränkung: "… dessen Kosten von einem Sozialleistungsträger ganz oder teilweise getragen werden…" (vgl. § 1 Nr. 2 KLVG). Dazu heißt es in der Begründung zum Entwurf des KLVG (BT-Drucks. 7/377 S. 5 zu § 1 Nr. 2 - § 185b RVO): "Wenn die Weiterführung des Haushalts durch den Versicherten, seinen Ehegatten oder eine andere im Haushalt lebende Person nicht möglich ist, wird unter den in Absatz 1 näher bezeichneten Voraussetzungen als neue Leistung Haushaltshilfe gewährt. Bei einem Kuraufenthalt ist der Anspruch davon abhängig, daß ein Sozialleistungsträger die Kosten der Kur ganz oder teilweise übernimmt." Damit wurde klargestellt, daß diese sich auf die Kosten beziehende Einschränkung nur den Kuraufenthalt, nicht dagegen den Aufenthalt in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt betrifft. Daran hat sich seit dem am 1. Oktober 1974 erfolgten Inkrafttreten des RehaAnglG nichts geändert; denn durch dieses Gesetz (§ 21 Nr. 10) sind in § 185b Abs. 1 Satz 1 lediglich die Worte "von einem Sozialleistungsträger" durch die Worte "von der Krankenkasse" ersetzt worden.
Auch aus dem Sinn und Zweck der Haushaltshilfe läßt sich nicht herleiten, daß sie dem Versicherten bei einem Aufenthalt seiner Ehefrau in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt nur zustehen soll, wenn er für seine Frau familienhilfeberechtigt ist, und die Kosten ihres Aufenthalts in einer solchen Einrichtung von der Krankenkasse getragen werden, also zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung gehen. Die durch das KLVG neugeschaffene Pflichtleistung "Haushaltshilfe" soll dem Namen dieses Gesetzes entsprechend - als Leistungsverbesserung den Ausfall ausgleichen, der dem Versicherten dann entsteht, wenn die Weiterführung seines Haushalts nicht möglich ist. Die Haushaltshilfe bezweckt also eine Entlastung des Versicherten. Diese Entlastung ist allerdings lediglich für zwei ganz bestimmte Fälle vorgesehen: Sie erfolgt - sofern im Haushalt des Versicherten ein Kind lebt, das das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist - nur, wenn dem Versicherten selbst oder seinem Ehegatten wegen Aufenthalts in einer der genannten Einrichtungen die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist; und selbst in diesen Fällen auch nur unter der weiteren Voraussetzung, daß eine andere im Haushalt lebende Person diesen nicht weiterführen kann. Das Gesetz gibt mithin im einzelnen ganz genau an, wann dem Versicherten Haushaltshilfe zustehen soll. Es will also die Belastung, die im Haushalt des Versicherten durch den Ausfall des Haushaltsführers immer entsteht, und zwar unabhängig davon, ob und welches Einkommen der Ehegatte des Versicherten hat und wer die Kosten des Krankenhausaufenthalts oder des Aufenthalts in einer Entbindungsanstalt trägt, nur in ganz speziellen Fällen ausgleichen. Deshalb lassen sich angesichts der mit der Einführung der Haushaltshilfe als einer Leistungsverbesserung angestrebten Entlastung des Versicherten aus ihrem Sinn und Zweck weitere Einschränkungen des Anspruchs auf ihre Gewährung nicht herleiten.
Einschränkungen ergeben sich auch nicht daraus, daß das RehaAnglG die Haushaltshilfe in seinem § 12 unter Nr. 6 als ergänzende Leistung nennt. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, im Hinblick auf diese Vorschrift habe die Krankenkasse seit dem Inkrafttreten des RehaAnglG, also seit dem 1. Oktober 1974, Haushaltshilfe nur noch zu gewähren, wenn sie auch die Kosten des Krankenhausaufenthalts oder des Aufenthalts in einer Entbindungsanstalt trage, wird den Tatsachen nicht gerecht. Das ergibt sich schon aus der historischen Entwicklung. Wie bereits dargelegt worden ist, wurde die Pflichtleistung "Haushaltshilfe" durch das KLVG mit Wirkung vom 1. Januar 1974 als leistungsverbessernde Maßnahme in der gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Mangels irgendwelcher dahingehender Einschränkungen war es damals für ihre Gewährung unerheblich, wer die Kosten des Krankenhausaufenthalts oder des Aufenthalts in der Entbindungsanstalt trug. Der Entwurf des RehaAnglG aber sah die Gewährung von Haushaltshilfe zunächst überhaupt nicht vor (vgl. BT-Drucks. 7/1237 S. 7 § 12). Sie wurde als Rehabilitationsleistung erst auf Antrag des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung in den Gesetzentwurf aufgenommen, und zwar durch Erweiterung des § 12 und damit als "ergänzende Leistung zur Rehabilitation" (vgl. BT-Drucks. 7/2245 S. 11 § 12). Das war als eine verbessernde Maßnahme gedacht; denn das RehaAnglG erklärt erstmals auch die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung zu Rehabilitationsträgern und verpflichtet alle Rehabilitationsträger zur Zusammenarbeit, zugleich aber jeden einzelnen von ihnen dazu, die Leistungen der Rehabilitation so vollständig und umfassend zu erbringen, daß Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden (vgl. § 2 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2 RehaAnglG). Die in der gesetzlichen Krankenversicherung damals als Pflichtleistung bereits bestehende Haushaltshilfe sollte deshalb nunmehr als Rehabilitationsleistung auch von den übrigen Rehabilitationsträgern im Rahmen ihrer Zuständigkeit erbracht werden können. Anhaltspunkte dafür, daß durch diese eine Verbesserung der Rehabilitationsmaßnahmen bezweckende Regelung die in der gesetzlichen Krankenversicherung schon bestehende Verpflichtung zur Gewährung von Haushaltshilfe durch Erweiterung der Gewährungsvoraussetzungen zum Nachteil der Versicherten eingeschränkt werden sollte, sind nicht gegeben.
Abgesehen hiervon schreibt § 12 Nr. 6 RehaAnglG lediglich vor, daß beim Vorliegen weiterer im einzelnen aufgeführter Voraussetzungen Haushaltshilfe als ergänzende Leistung ("zur Rehabilitation"; vgl. § 1 Abs. 1 RehaAnglG) erbracht werden soll, wenn der Behinderte wegen der Teilnahme an einer Maßnahme zur Rehabilitation außerhalb des eigenen Haushalts untergebracht und ihm aus diesem Grunde die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Diese Vorschrift bildet keine Anspruchsgrundlage. Sie enthält lediglich Grundsätze für ergänzende Leistungen der Rehabilitationsträger (vgl. § 9 Abs. 1 RehaAnglG). Nicht jeder Aufenthalt in einem Krankenhaus ist aber mit Rehabilitationsmaßnahmen verbunden; denn im Sinne des RehaAnglG werden unter "Rehabilitationsmaßnahmen" nur jene Maßnahmen verstanden, die darauf gerichtet sind, körperlich, geistig oder seelisch behinderten Menschen zu helfen, ihre Fähigkeiten und Kräfte zu entfalten und einen angemessenen Platz in der Gemeinschaft zu finden (vgl. Begründung zum Entwurf des RehaAnglG, BT-Drucks. 7/1237 S. 49 Teil A Nr. 1 Abs. 2). Deshalb ist auch nicht jeder Kranke, der sich in einem Krankenhaus aufhält, zugleich ein Behinderter im Sinne dieses Gesetzes. Erst recht nicht ist es eine Versicherte oder die Ehefrau eines Versicherten während eines Aufenthalts in einer Entbindungsanstalt; denn Schwangerschaft und Entbindung sind natürliche Lebensvorgänge, eine Schwangere, die sich zwecks Entbindung in einer Entbindungsanstalt aufhält, ist nicht krank im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung und erst recht nicht behindert im Sinne des RehaAnglG. Die nach § 185b RVO zu gewährende Haushaltshilfe könnte deshalb allenfalls dann als eine ergänzende Leistung der Krankenkasse im Sinne des § 12 Nr. 6 RehaAnglG angesehen werden, wenn sie mit einer medizinischen oder mit einer berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme (§§ 10, 11 RehaAnglG) der Krankenkasse zusammenhängt. Indes bedarf diese Frage hier keiner abschließenden Beantwortung, weil der Ehefrau des Klägers keine Rehabilitationsmaßnahme zuteil geworden ist.
Nach alldem hat das SG der Klage zu Recht entsprochen. Die mit der Revision angefochtene gegenteilige Entscheidung des LSG ist deshalb aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das sozialgerichtliche Urteil muß zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.3 RK 82/77
Bundessozialgericht
Verkündet am 10. Oktober 1978
Fundstellen