Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung während des Hochschulbesuchs. Ruhen des Anspruchs auf Alg. widerlegliche Vermutung der Nichtverfügbarkeit
Orientierungssatz
1. AFG § 118 Abs 2 idF vom 1975-06-24 ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß er die gesetzliche Vermutung dafür aufstellt, daß ein ordentlich Studierender durch den damit verbundenen Besuch der Hochschule der Arbeitsvermittlung nach AFG § 103 nicht zur Verfügung steht mit der Folge, daß sein Anspruch auf Alg ruht. Der einzelne Antragsteller kann diese Vermutung widerlegen, indem er die Tatsache seiner gleichwohl vorhandenen Verfügbarkeit iS von AFG § 103 darlegt und beweist (Festhaltung von BSG 1978-03-21 7 RAr 98/76 = SozR 4100 § 118 AFG).
2. Der Beweis der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung während des Hochschulbesuches kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch durch eine glaubhafte Erklärung des Studierenden geführt werden.
3. Für den Bereich des AFG § 118 Abs 2 führt eine über die Geringfügigkeitsgrenze des AFG § 102 hinaus bestehende anderweitige Belastung nicht allgemein dazu, die widerlegbare Vermutung des AFG § 118 Abs 2 in eine unwiderlegbare Vermutung mangelnder Verfügbarkeit zu verwandeln.
Normenkette
AFG § 103 Fassung: 1969-06-25, § 118 Abs. 2 Fassung: 1975-06-24; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Fassung: 1949-05-23; AFG § 102
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 28.10.1977; Aktenzeichen L 1 Ar 72/76) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 27.10.1976; Aktenzeichen S 2 Ar 51/76) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. Oktober 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 7. Oktober 1975 bis 11. Juli 1976 streitig. Der 1940 geborene Kläger war vom 1. April 1970 bis 30. September 1975 (befristet) als Programmierer bei den Ölwerken S (Fa. Sch.) beschäftigt. Er arbeitete dort in betriebsüblichem Umfange (40 Stunden wöchentlich). Neben seiner beruflichen Tätigkeit setzte er bis Februar 1972 den im Oktober 1968 begonnenen Besuch des Wirtschaftsgymnasiums fort und legte die Reifeprüfung ab. Seit dem Sommersemester (SS) 1972 ist er als ordentlicher Student an der Universität in H (Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften) eingeschrieben.
Der Kläger meldete sich am 7. Oktober 1975 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Er führte zu seinem Antrag erläuternd aus, sein Studium diene der beruflichen Fortbildung; er betreibe es ausschließlich in seiner Freizeit, seine berufliche Leistungsfähigkeit werde dadurch nicht beeinträchtigt.
Das Arbeitsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24. November 1975 mit der Begründung ab, daß der Anspruch auf Alg während der Zeit der Immatrikulation nach § 118 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) ruhe. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1976). Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 27. Oktober 1976 den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger vom 7. Oktober 1975 an dem Grunde nach Alg zu gewähren.
Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) Auskünfte der Fa. Sch. sowie der Fa. St (Fa. St.), bei der der Kläger vom 12. Juli bis 30. September 1976 (in betriebsüblichem Umfange) beschäftigt gewesen ist, eingeholt. Ferner hat der Kläger Ablichtungen seines Studienbuches vorgelegt.
Das LSG hat mit Urteil vom 28. Oktober 1977 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und ausgeführt: Der Kläger habe einen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 7. Oktober 1975 bis 11. Juli 1976. Auf diesen Zeitpunkt habe er seinen Klageanspruch beschränkt. Er erfülle die für die Gewährung von Alg gegebenen Voraussetzungen (§§ 100, 101, 103 AFG). Es bedürfe keiner weiteren Begründung, daß der Kläger die Anwartschaftszeit erfüllt, sich am 7. Oktober 1975 beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und zugleich Alg beantragt habe. Der Kläger sei arbeitslos, weil er im Zeitpunkt der Antragstellung und während der Zeit der anschließenden Arbeitslosigkeit dem Personenkreis zugerechnet werden müsse, der ohne die Arbeitslosigkeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem (kurzfristigem) Umfange ausüben würde. Dies ergebe sich aus den Umständen dieses Falles. Sämtliche vor und während der hier in Betracht zu ziehenden Arbeitslosigkeit des Klägers gegebenen Umstände sprächen dafür, daß er jenem Personenkreis zugehört habe. Der Arbeitnehmereigenschaft habe insbesondere nicht im Wege gestanden, daß er weiterhin immatrikuliert gewesen sei und sein Studium in gewöhnlichem Umfang weiterbetrieben habe. Der Kläger sei ferner vorübergehend arbeitslos gewesen, wobei es dahingestellt bleiben könne, ob er früher schon in Erwägung gezogen habe, das Studium zu einem späteren Zeitpunkt in einem Umfange zu betreiben, der ein daneben bestehendes Beschäftigungsverhältnis ausschließe.
Der Kläger habe der Arbeitsvermittlung während der fraglichen Zeit zur Verfügung gestanden (§ 103 Abs 1 Satz 1 in der durch Art 1 § 1 Nr 23 des am 1.1.1976 in Kraft getretenen Haushaltsstrukturgesetzes AFG - AFG nF - vom 18. Dezember 1975 - BGBl I 3113 - geänderten Fassung des AFG vom 25.6.1969 - BGBl I 582 -). Dies sei dann der Fall, wenn der Arbeitslose eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne und dürfe sowie bereit sei, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben könne. Der Kläger sei in seiner Verfügbarkeit weder rechtlich noch tatsächlich durch sein Studium eingeschränkt gewesen (§ 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Ziffer 2 AFG aF und § 103 Satz 3 Ziffer 1 Buchstabe a AFG nF). Er habe glaubhaft vorgetragen, daß er das Studium nur unter vorrangiger Berücksichtigung seines jeweiligen Beschäftigungsverhältnisses betrieben habe. Dies werde durch sämtliche erkennbaren Umstände erhärtet. Die Beschäftigung des Klägers bei der Fa. Sch. von April 1970 bis September 1975 sei weder durch den Besuch des Abendgymnasiums bis Februar 1972 noch durch das Studium an der Universität Hamburg vom SS 1972 an beeinträchtigt gewesen. Der Kläger habe im Umfange der tariflichen und betriebsüblichen Arbeitszeit gearbeitet. Hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit habe er allerdings insofern eine Sonderstellung eingenommen, als er zweimal wöchentlich für je zwei Stunden davon befreit gewesen sei, die sogenannte Kernzeit einzuhalten. Dies folge aus den Auskünften der Fa. Sch. vom 2. August 1977 und den ergänzenden Angaben des Klägers im Verhandlungstermin. Eine derartige Vergünstigung sei indessen für den Kläger nicht unabdingbare Voraussetzung für die Aufnahme bzw. Aufrechterhaltung einer Beschäftigung gewesen. Es sei vor allem zu berücksichtigen, daß der auf den berufsbezogenen Bereich der Datenverarbeitung beschränkte Vorlesungsbesuch nicht nur den Interessen des Klägers, sondern zugleich den Belangen der Fa. Sch. entsprochen habe. Nur in dem dadurch vorgezeichneten Rahmen habe der Kläger dem Studium nachgehen können. In den SS 1974 und 1975 habe er sich wegen vollständiger betrieblicher Inanspruchnahme vom Studium beurlauben lassen. Diese Einstellung des Klägers habe sich während der Beschäftigung bei der Fa. St. vom 12. Juli bis 30. September 1976 fortgesetzt. Nach den Auskünften dieser Arbeitgeberin vom 15. August 1977 habe der Kläger zu betriebsüblichen Bedingungen gearbeitet. Seine Verfügbarkeit werde dadurch unterstrichen, daß er - nach seiner von der Beklagten unbestrittenen Darstellung - den Vermittlungsangeboten des Arbeitsamtes vom 12. Januar und 9. Juli 1976 unverzüglich nachgekommen sei. Schließlich sei der Kläger trotz des nicht unerheblichen Einkommens seiner als Studienrätin beschäftigten Ehefrau (zumindest subjektiv) auf die Erzielung von Arbeitsentgelt angewiesen gewesen; andere Leistungen, insbesondere solche aufgrund des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAFöG), habe er seinerzeit nicht erhalten.
Der Umfang der vom Kläger belegten Vorlesungen erscheine für die Entscheidung unerheblich. Die Zahl der belegten Wochenstunden, die - abgesehen von der Beurlaubung für zwei SS - zwischen 12 (SS 1974) und 25 (SS 1972) geschwankt habe, könne schon angesichts der Tatsache, daß der Unterrichtsbetrieb überwiegend vormittags stattfinde, unmöglich der Anzahl der tatsächlich besuchten Vorlesungen entsprochen haben. Der Senat hege dagegen keine Bedenken, den Angaben des Klägers zu folgen, wonach dieser - soweit dies möglich gewesen sei - durchschnittlich während 7 bis 8 Stunden Vorlesungen bzw Übungen pro Woche besucht habe. Es bestünden somit keine durchgreifenden Zweifel daran, daß der Kläger vom 7. Oktober 1975 bis 12. Juli 1976 eine (zumutbare) Volltagsbeschäftigung zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausüben konnte und wollte.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ruhe dieser Anspruch nicht nach § 118 Abs 2 AFG (idF des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten - KVSG - vom 24. Juni 1975 - BGBl I 1536), der mit Wirkung vom 1. Oktober 1975 in Kraft getreten und danach im vorliegenden Falle anzuwenden sei.
Für die Anwendung dieser Vorschrift sei es nicht ausreichend, daß der Kläger an einer Hochschule immatrikuliert sei; schon nach wörtlicher Auslegung dieser Vorschrift komme es auf den tatsächlichen Besuch der Hochschule an. Dies folge schon aus der nach dem KVSG eingeführten Vorschrift des § 165 Abs 1 Ziffer 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO), wonach die bloße Immatrikulation für die Krankenversicherung der Studenten ausreiche. Erforderlich sei für die Anwendung des § 118 Abs 2 AFG, daß das Studium die Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nehme, so daß für eine (berufsmäßige) Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt keine Gelegenheit mehr bestehe. Diese vom Wortsinn gebotene Auslegung jener Vorschrift werde durch den Zweck, die Systematik und die Entstehungsgeschichte erhärtet, wozu das LSG noch weitere Ausführungen macht.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 118 Abs 2 AFG durch das LSG und führt hierzu insbesondere aus: Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 21. März 1978 (7 RAr 98/76) entschieden, daß für das Eingreifen der Ruhensvorschrift des § 118 Abs 2 AFG ein Hochschulbesuch erforderlich sei. Weil damit in einzelnen Fällen auch eine "geringstmögliche Inanspruchnahme von Hochschuleinrichtungen" ein Ruhen des Anspruchs auslösen könne, habe der erkennende Senat in dieser Entscheidung sich veranlaßt gesehen, die Vorschrift verfassungskonform auszulegen. Danach enthalte die Bestimmung eine Vermutung fehlender Verfügbarkeit, die der einzelne Antragsteller widerlegen könne, indem er nachweise, daß die für ihn bestehende Bindung durch Hochschulbesuche nach Art und Umfang lediglich so gering ist, daß seine Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nicht ausgeschlossen werde. Der Senat habe zu Unrecht § 118 Abs 2 AFG von einer Ruhensvorschrift in eine Beweislastregel "umfunktioniert". Er sei hierbei von einem unzutreffenden "rechtssoziologischen Umfeld" ausgegangen und habe angenommen, daß von seiner Auslegung nur eine geringe Anzahl von Studenten betroffen würde. In Wirklichkeit werde jedoch hierdurch ein Aufwand an Leistungen wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von 500 Millionen bis einer Milliarde DM jährlich ausgelöst, was näher ausgeführt wird. Damit würde die vom Senat vorgenommene Auslegung des § 118 Abs 2 AFG nunmehr nicht nur zum Wortlaut dieser Vorschrift, sondern auch zu ihrem erklärten Sinn, die Unterhaltssicherung der Studenten dem BAFöG zu überlassen, in offenbarem Widerspruch stehen. Daher sei eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes, wie sie der Senat vorgenommen habe, nicht möglich. Wenn er der Auffassung sei, die wortgetreue Auslegung von § 118 Abs 2 AFG verstoße gegen das Grundgesetz (GG), dann müsse er die Sache gemäß Artikel 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Darüber hinaus überschätze der Senat den Beurteilungsspielraum, den der in § 118 Abs 2 AFG verwendete Begriff des Besuchens biete. Es müsse bedacht werden, daß eine neben dem Studium ausgeübte Erwerbstätigkeit den soziologischen Status eines Studenten nicht berühre. Studium und Erwerbstätigkeit stünden in aller Regel im gleichen Verhältnis zueinander wie eine Erstbeschäftigung zur Zweitbeschäftigung. Für den Verlust einer Zweitbeschäftigung gewährleiste die Arbeitslosenversicherung keinen Lohnersatz, solange die mehr als kurzzeitige Erstbeschäftigung weiter bestehe. Darüber hinaus habe es der Senat offen gelassen, wie der Antragsteller den Nachweis führen solle, daß die Voraussetzungen für das Ruhen seines Anspruchs nicht vorliegen.
Die Annahme einer widerlegbaren Vermutung sei jedoch auf jeden Fall dann mit Sinn und Zweck des § 118 Abs 2 AFG unvereinbar, wenn der Antragsteller - wie der Kläger - in mehr als geringfügigem Umfange seine Arbeitskraft dem Studium widme. Eine solche Einschränkung sei, solle diese Vorschrift nicht völlig ins Leere gehen, schon deshalb notwendig, weil anderenfalls ein ordentlicher Studierender, der für sein Studium eine Arbeitszeit von 40 Stunden aufwende, dennoch Alg beziehen könnte, wenn er nur seine Bereitschaft bekunde, daneben weitere 20 oder mehr Stunden in der Woche einer Beschäftigung nachzugehen, und er hierfür nach seinem Leistungsvermögen in der Lage sei. Dies würde jedoch dem in § 118 Abs 2 AFG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, Studenten vom Alg-Bezug auszuschließen und auf Leistungen nach dem BAFöG zu verweisen, klar widersprechen. Sollte für den Eintritt des Tatbestandes allein maßgebend sein, ob der Antragsteller gemäß § 103 AFG verfügbar sei, so wäre die Ruhensvorschrift entbehrlich, da die Verfügbarkeit ohnehin Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg sei. Es sei das Ziel des Gesetzgebers gewesen klarzustellen, daß Studenten während der Dauer ihres Studiums keine Leistungen der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe erhalten sollten. Dieses Ziel würde vereitelt werden, wenn auch im Falle eines Vollstudiums bei Bejahung der Verfügbarkeit von der Beklagten Leistungen zu erbringen wären. Aus diesem Grunde verbiete es der Gesetzeswortlaut und der diesem zugrunde liegende Wille des Gesetzgebers, den § 118 Abs 2 AFG auch dann als widerlegbare Vermutung zu betrachten, wenn der Studierende seine Arbeitskraft in mehr als geringfügigem Umfange dem Studium widme.
Als Anhaltspunkt für den maßgebenden Umfang der Inanspruchnahme biete sich die in § 102 Abs 1 AFG genannte Grenze von 20 Wochenstunden an.
Die Beschränkung der Annahme einer widerlegbaren Vermutung auf die Fälle geringfügiger Inanspruchnahme durch das Studium stoße nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken, da solche nur dann bestünden, wenn Studenten allein wegen ihrer Studenteneigenschaft und einer damit verbundenen nur geringstmöglichen Inanspruchnahme von Hochschuleinrichtungen trotz Erfüllung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen vom Alg-Bezug ausgeschlossen würden. Vielmehr gebiete es eine verfassungskonforme Auslegung, deren Ziel es sein müsse, die Vorschrift in ihrem Kern unter Berücksichtigung der Grundgedanken des Gesetzgebers möglichst weitgehend aufrechtzuerhalten, die Auslegung im Sinne einer widerlegbaren Vermutung ausdrücklich und möglichst eng auf die Fälle zu beschränken, in denen tatsächlich eine Grundrechtsverletzung zu befürchten sei. Dies sei jedoch im Falle einer mehr als geringfügigen Studienbelastung des Antragstellers nicht der Fall. Würde die vom BSG vorgenommene Auslegung auch in diesen Fällen eingreifen, so käme dies einer Außerkraftsetzung des § 118 Abs 2 AFG wegen festgestellter Verfassungswidrigkeit gleich, die jedoch nur im Wege einer Vorlage nach Art 100 GG erfolgen könnte.
Nach den Feststellungen des LSG habe der Kläger durchschnittlich während 7 bis 8 Stunden wöchentlich Vorlesungen bzw Übungen besucht. Berücksichtige man, daß regelmäßig für Vor- und Nacharbeiten jeweils noch einmal die gleiche Zeit benötigt werde, so ergebe sich eine wöchentliche studienbedingte Belastung des Klägers von 21 bis 24 Stunden. Da diese Belastung über der Geringfügigkeitsgrenze liege, sei der Ruhenstatbestand des § 118 Abs 2 AFG gegeben, ohne daß es einer Prüfung der Verfügbarkeit des Klägers bedürfe; für die eine Prüfung der Verfügbarkeit fordernde Annahme einer widerlegbaren Vermutung sei nämlich dann kein Raum mehr.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 27. Oktober 1976 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils und führt ergänzend aus, daß Vor- und Nacharbeiten entgegen der Unterstellung der Beklagten für ihn während des Studiums kaum erforderlich gewesen sein, weil er anderenfalls in den vorangehenden Semestern bei einer vollschichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer das Studium nicht nebenbei hätte betreiben können. Dies gelte um so mehr, als er kein systematisches Studium, sondern nur Fortbildung im Bereich der Datenverarbeitung und angrenzender Gebiete betrieben habe. Diese Fortbildung habe er in seinem Beruf als Programmierer gebrauchen können.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß dem Kläger für die Zeit vom 7. Oktober 1975 bis zum 11. Juli 1976 ein Anspruch auf Alg zusteht. Nach § 100 Abs 1 AFG - sowohl in seiner Fassung vor dem 1. Januar 1976 (aF) als in seiner nach diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (nF) - hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat. Das LSG hat hierzu bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) festgestellt, daß sich der Kläger am 7. Oktober 1975 arbeitslos gemeldet, Arbeitslosengeld beantragt hat, ferner daß der Kläger in diesem Zeitpunkt arbeitslos war und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Es hat bei diesen Feststellungen den Begriff der "Arbeitslosigkeit" iS des § 101 AFG nicht verkannt (vgl dazu BSGE 41, 229; 42, 76). Offenbar geht auch die Beklagte nunmehr davon aus, daß - bis auf die Verfügbarkeit des Klägers iS von § 103 AFG aF und nF - die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg gegeben sind.
Das Berufungsgericht hat ferner die Auffassung vertreten, daß der Kläger der Arbeitsvermittlung iS von § 103 AFG in der streitigen Zeit zur Verfügung gestanden hat. Nach dieser Vorschrift steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine (zumutbare) Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (Satz 1 Nr 1), sowie bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann (Satz 1 Nr 2). Nach den bindenden Feststellungen des LSG ist der Kläger bereit, jede ihm zumutbare Beschäftigung auszuüben. Das LSG hat ohne Rechtsirrtum zu der Feststellung gelangen dürfen, daß der Kläger auch die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG erfüllt, er also eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Es hat festgestellt, daß der Kläger in der streitigen Zeit Vorlesungen an der Universität in Hamburg besucht hat, wobei es sich um jeweils 7 bis 8 Wochenstunden gehandelt hat. Eine derartige Belastung durch den Hochschulbesuch ermöglicht es einem arbeitsbereiten Arbeitslosen - wie dem Kläger -, alle ihm zumutbaren Beschäftigungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes aufzunehmen. Insoweit durfte das LSG das Berufsbild des Klägers bei der Betrachtung mit heranziehen, aus dem sich ergibt, daß dieser sowohl bei der Vorbereitung zur Reifeprüfung als auch bei dem Besuch der Hochschule bis zu seiner Arbeitslosigkeit weiterhin in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hat, das ihn voll in Anspruch nahm; sowohl bei der Fa. Sch. als auch bei der Fa. St. (vom 12. Juli bis 30. September 1976) hat der Kläger trotz seines Studiums die betriebsübliche Arbeitszeit eingehalten, bei der Fa. Sch. in einer für die Betrachtung unerheblichen Abweichung, und er hat sich dann, wenn seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bei der Fa. Sch. dies erforderten, vom Studium beurlauben lassen. Ferner hat das LSG zutreffend berücksichtigt, daß der Kläger die Vorlesungen nur zum Zwecke der Fortbildung, speziell auf das Berufsbild des Programmierers bezogen, besucht, also bis zum 12. Juli 1976 das Studium nur nebenbei betrieben hat (erst vom 1. Oktober 1976 an widmet sich der Kläger allein einem vollen Studium; er hat von diesem Zeitpunkt an folgerichtig keine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht). Selbst wenn man - wie die Beklagte meint - zu den 7 bis 8 Vorlesungsstunden wöchentlich jeweils für Vor- und Nacharbeiten noch gewisse Zeiten hinzurechnete, stünde dies der Verfügbarkeit des Klägers iS von § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG nicht entgegen (vgl hierzu BSG in SozR 4100 § 103 Nr 6).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ruht der Anspruch des Klägers nicht nach § 118 Abs 2 AFG (Fassung durch das KVSG). Nach dieser Vorschrift ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, in welcher der Arbeitslose als ordentlicher Studierender eine Hochschule ... besucht. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 21. März 1978 - 7 RAr 98/76 - mit ausführlicher Begründung dargelegt, daß der Tatbestand des § 118 Abs 2 AFG nicht bereits dann erfüllt ist, wenn der Arbeitslose als ordentlicher Studierender an einer Hochschule eingeschrieben (immatrikuliert) ist; vielmehr muß der tatsächliche Besuch der Hochschule hinzutreten.
Der Senat hat in dem o.a. Urteil insbesondere ausgeführt: "Fraglich ist lediglich, ob der Besuch einen bestimmten Umfang annehmen muß, um die Rechtsfolge des § 118 Abs 2 AFG auszulösen, oder ob schon ein zeitlich nicht besonders ins Gewicht fallender Besuch, etwa die Teilnahme des Auszubildenden an einer Vorlesungsstunde pro Woche, ausreicht, den Alg-Anspruch zum Ruhen zu bringen.
Der Wortlaut des § 118 Abs 2 AFG deutet zwar darauf hin, daß der "Besuch" einer Hochschule einen besonderen zeitlichen Umfang nicht voraussetzt; so stellt bereits jede Teilnahme an einer Lehrveranstaltung im Wortsinne einen Besuch der Hochschule dar, auch wenn sie nur einmalig ist und keinen besonderen Zeitaufwand erfordert. Ebenso würde die Hochschule in diesem Sinne besuchen, wer als ordentlicher Studierender auch nur in geringem Umfang auf andere Weise als durch Teilnahme an Unterrichtsveranstaltungen die Einrichtungen der Hochschule für Studienzwecke in Anspruch nimmt, etwa die Bibliotheken, Labors usw. Bereits bei derartigen Sachlagen die Ruhenswirkung des § 118 Abs 2 AFG anzunehmen, begegnet nach Auffassung des Senats jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese Auslegung würde nämlich zur Folge haben, daß - von wenigen Ausnahmen abgesehen - praktisch alle ordentlich Studierenden vom Bezug des Alg ausgeschlossen sind; denn selbst beurlaubte ordentliche Studierende, solche, die im Examen stehen oder auf den Examenstermin warten oder andere, die nach ihrem Studienplan vorlesungsfrei sind, werden nach der Erfahrung eine derart geringfügige Beziehung zur Hochschule in der Regel nicht unterlassen. Im Ergebnis liefe diese Auslegung des § 118 Abs 2 AFG darauf hinaus, daß für seine Anwendung doch wieder die Mitgliedschaft als solche, die Immatrikulation maßgebend wäre, eine Auslegung, die nach Wortlaut, Sinn und Zweck aber gerade nicht gerechtfertigt ist. Sie hätte zur Folge, daß ein allein nach seinem Status als ordentlicher Studierender gekennzeichneten erheblichen Personenkreis vom Zugang zur Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen wird, und zwar auch dann, wenn der einzelne sämtliche sonst vom Gesetz geforderte Anspruchsvoraussetzungen (§§ 100 ff AFG) erfüllt, also arbeitslos ist, die Anwartschaft durch beitragspflichtige Beschäftigung erfüllt hat, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und die erforderlichen Anträge und Meldungen abgegeben hat. Insbesondere Art 3 Abs 1 GG, das Gebot der Gleichbehandlung, wäre verletzt. Der Leistungsausschluß beruhte - wie dargelegt - im Ergebnis lediglich auf der Studenteneigenschaft. Das allein erscheint dem Senat kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für diese Lösung (vgl BVerfGE 23, 12, 25; 24, 220, 228; 28, 104, 114; 29, 283, 298). Dies um so mehr, als der Anspruch auf Alg nach dem AFG auch für andere Arbeitslose nicht allein deswegen ausgeschlossen ist, weil sie irgendeinen besonderen Status besitzen, ja nicht einmal dann, wenn sie - etwa durch Maßnahmen der schulischen oder beruflichen Bildung - anderweitige rechtliche Bindungen eingegangen sind, solange dadurch die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach §§ 100 ff AFG nicht beeinträchtigt ist (vgl BSG in SozR 4100 § 103 Nr 6). Die vorstehende Auslegung ginge jedoch auch über das Maß einer an sich - gerade bei Massenerscheinungen - zulässigen Typisierung hinaus (vgl dazu BVerfGE 17, 1, 23; 22, 100, 103). Härten würden hierbei nämlich nicht nur in Einzelfällen auftreten (BVerfGE 22, 100, 106).
Auch Art 14 GG könnte verletzt sein. Da der Anspruch auf Alg nicht nur auf staatlicher Gewährung, sondern auch auf eigenen Leistungen des Versicherten beruht, weist er Merkmale des Eigentumsbegriffs im Sinne des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG auf (BVerfGE 14, 288, 293; 22, 241, 253; vgl auch BVerfG in SozR 4100 § 117 Nr 1 und BSGE 43, 128 = SozR 4100 § 100 Nr 1). Gesetzliche Einschränkungen oder Bindungen des Eigentums im Sinne des Art 14 GG müssen vom geregelten Sachbereich her geboten und sachgerecht sein und dürfen nicht weitergehen, als der Schutzbereich reicht, dem die Vorschrift dient (BVerfGE 25, 112, 117 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere hängt die Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Schranke davon ab, ob sie - abgesehen von der sonstigen Übereinstimmung mit dem GG - durch Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (BVerfGE 31, 229, 242). Es kann aber Art 14 Abs 2 GG eine übermäßige, durch die soziale Funktion nicht gebotene Begrenzung privatrechtlicher Befugnisse nicht rechtfertigen (BVerfGE 37, 132, 140 f). Diese Regelung im Sinne des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG steht demnach unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 21, 150, 155 mit weiteren Nachweisen). Die oa - vom Senat nicht gebilligte - Auslegung des § 118 Abs 2 AFG trägt diesen Grundsätzen nicht Rechnung; denn um dem berechtigten Anliegen des Gemeinwohls nachzukommen, ordentlich Studierenden den von ihnen erworbenen Anspruch auf Alg dann vorzuenthalten, wenn er, weil nicht gerechtfertigt, mit den Interessen des Gemeinwohls nicht in Einklang steht, bedarf es nicht einer Lösung im Sinne des praktischen Ausschlusses eines (dieses) gesamten Personenkreises.
Gleichwohl bedarf es hier nicht der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts nach Art 100 GG; denn § 118 Abs 2 AFG ist einer Auslegung zugänglich, die den oa verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung trägt (BVerfGE 22, 373, 377). § 118 Abs 2 AFG enthält, wie schon ausgeführt wurde, Elemente eines vermuteten Fehlens oder einer vermuteten Beeinträchtigung der Verfügbarkeit im Sinne des § 103 AFG des arbeitslosen Antragstellers. Die Vorschrift kann deshalb in verfassungskonformer Auslegung so verstanden werden, daß sie die gesetzliche Vermutung dafür aufstellt, daß ein ordentlich Studierender durch den damit verbundenen Besuch der Hochschule der Arbeitsvermittlung nach § 103 AFG nicht zur Verfügung steht mit der für diesen besonderen Fall vom Gesetz angeordneten Folge des Ruhens seines Anspruchs. Daraus ergibt sich jedoch für den einzelnen Antragsteller die Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, indem er nachweist, daß die für ihn bestehende Bindung durch Hochschulbesuch nach Art und Umfang lediglich in einem Maße gegeben ist, die seine Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung nicht ausschließt. Maßstab dieser Verfügbarkeit sind die allgemeinen Grundsätze des § 103 AFG, dh, dem arbeitslosen Studenten kann die Vermutung der Nichtverfügbarkeit aus § 118 Abs 2 AFG und damit das Ruhen seines Alg-Anspruchs nicht entgegengehalten werden, wenn ihm der Nachweis gelingt, daß er für eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes von mehr als geringfügigem Umfange zur Verfügung steht. Art und Maß dieses Nachweises bestimmen sich nach allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung der Lage des Einzelfalles. So werden zB für die Zeit der Semesterferien an das Maß der Beweismittel geringere Anforderungen zu stellen sein als für vorgesehene Studienzeiten.
Diese Auslegung des § 118 Abs 2 AFG wird auch dem Anliegen der Beklagten nach Praktikabilität gerecht; denn nicht ihr obliegt es, den Tatbestand einer anspruchshemmenden Norm im Einzelfall zu belegen - mit Ausnahme der Feststellung des Hochschulbesuchs im Sinne des § 118 Abs 2 AFG -, sondern der einzelne Antragsteller trägt Feststellungs- und Beweislast für das Nichtruhen seines Anspruchs. Mit Rücksicht darauf, daß den Anspruch auf Alg nur derjenige geltend machen kann, der in entsprechendem Umfange (§ 104 AFG) eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, ist auch nicht zu erwarten, daß eine Vielzahl von Studierenden Ansprüche erheben wird. Vielmehr wird dies nur in Fällen geschehen, in denen, wie beim Kläger, die typischen Merkmale eines sogenannten Werkstudenten vorliegen. Der Senat sieht sich aber gerade deswegen in seiner Auffassung bestärkt, weil kein sachgerechter Grund zu erkennen ist, auch in derart gesondert gelagerten Fällen den Leistungszugang zur Arbeitslosenversicherung abzuschneiden".
Der Senat sieht keine Veranlassung, von seiner in dem vorstehend aufgeführten Urteil vertretenen Auffassung abzuweichen. Die von der Beklagten hiergegen vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch.
Soweit die Beklagte meint, das Gericht sei nicht befugt, § 118 Abs 2 AFG verfassungskonform auszulegen, übersieht sie, daß es Pflicht der Gerichte ist, von mehreren nach Wortlaut und Gesetzeszweck möglichen Normdeutungen, von denen die eine zu einem verfassungswidrigen, die andere zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, diejenige zu wählen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (BVerfGE 32/373 (383)). Richtig ist allerdings, daß die verfassungskonforme Auslegung eines Gesetzes nicht möglich ist, wenn sie im Widerspruch zu seinem eindeutigen Wortlaut und Zweck steht. Zu Unrecht meint jedoch die Beklagte, mit § 118 Abs 2 AFG verfolge der Gesetzgeber eindeutig das Ziel, die Unterhaltssicherung der Studenten dem BAFöG zu überlassen. Der Senat hat hierzu bereits in seinem oa Urteil ausgeführt, daß folgender Gesichtspunkt gegen dieses Zweckverständnis des Gesetzes spricht: "Nach § 11 Abs 2 BAFöG ist auf den Bedarf des Auszubildenden unter anderem sein Einkommen anzurechnen. Zum Einkommen zählen nach § 21 Abs 3 Ziffer 4 BAFöG iVm § 1 Abs 1 der Einkommensverordnung vom 21. August 1974 idF vom 16. Juli 1975 (BGBl I, 1924) auch Alg (Ziffer 1 Buchst d) und Alhi (Ziffer 1 Buchst e). Aus dieser Regelung ergibt sich, daß der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, daß Studierende an Hochschulen nicht allein in den Zuständigkeitsbereich des BAFöG fallen, sondern gleichzeitig Leistungen nach dem AFG beziehen können, demzufolge ebenso in den Zuständigkeitsbereich dieses Gesetzes fallen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber des § 118 Abs 2 AFG diese Regelungen verkannt oder übersehen hätte".
Die Behauptung der Beklagten, bei der vom Senat verfassungskonformen Auslegung des § 118 Abs 2 AFG entstünde für sie ein zusätzlicher Aufwand für Leistungen wegen Arbeitslosigkeit in einer Größenordnung von 500 Millionen bis einer Milliarde DM jährlich, ist unerheblich. Wenn diese Zahlen zuträfen, wäre es noch deutlicher, daß hier bei der von der Beklagten gewollten Auslegung ein erheblicher Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vorliegt. Es würde dadurch dokumentiert, daß in weit größerem Umfange als vom Senat angenommen, über das zulässige Maß einer an sich zulässigen Typisierung hinausgegangen wird (BVerfGE 26/265 (275)). Es würden dann noch nicht einmal mehr Randgruppen von der unrechtmäßigen Typisierung erfaßt. - Es kann daher unter diesen Umständen dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten angeführten Zahlung auf gesicherten Erkenntnissen beruhen. Dagegen könnte schon sprechen, daß, wie der Senat bereits ausgeführt hat, bei Einführung des Abs 2 von § 118 AFG praktisch die gleiche Rechtslage bestand, und demnach eine entsprechende Belastung für die Beklagte nicht vorlag; denn die von ihr jetzt angeführten Summen sollen ja zusätzlich entstehen.
Die Ausführungen der Beklagten zum soziologischen Status eines Studierenden sind gleichfalls rechtlich unerheblich. Sie übersehen, daß ein Studierender durchaus in der Lage ist, sein Studium einzuschränken, um in einem Maße wie andere Arbeitnehmer einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Soweit die Beklagte gegenüber den Ausführungen in dem oa Urteil des Senats vorbringt, sie könne weder dem Artikel 14 noch dem Artikel 3 GG die Verpflichtung des Gesetzgebers entnehmen, voll immatrikulierten Hochschulbesuchern den Zugang zu Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu gestatten, obwohl ein Sondergesetz für diesen Personenkreis (BAFöG) den Lebensunterhalt gewährleiste, bleibt sie hierfür eine Begründung schuldig.
Aufgrund der vom LSG getroffenen und für den Senat bindenden Feststellungen hat der Kläger die Vermutung des § 118 Abs 2 AFG, daß er durch den Hochschulbesuch als ordentlicher Student dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, widerlegt. Die Auffassung der Beklagten, diese Vermutung könne dann nicht widerlegt werden, wenn der Student durch den Hochschulbesuch in mehr als geringfügigem Umfange belastet sei, geht fehl. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß § 102 AFG den Begriff der geringfügigen (kurzfristigen) Beschäftigung gesetzlich definiert und damit verdeutlicht, wann ein Antragsteller arbeitslos ist (§ 101 AFG) oder der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht (§ 103 Abs 1 Satz 2, 2. Halbsatz AFG aF; § 103 Abs 1 Satz 3 Nr 1 AFG nF). Maßgebend soll für die Verfügbarkeit also sein, ob jemand nur in geringfügigem Umfange einer Beschäftigung nachgehen kann, nicht aber, ob jemand, der objektiv und subjektiv verfügbar ist, neben einem ihm möglichen Beschäftigungsverhältnis in anderer Weise mehr als geringfügig belastet sein wird. Die Frage, in welchem Umfange ein Arbeitsloser aus irgendeinem Anlaß neben einer Arbeitnehmertätigkeit noch anderen Belastungen ausgesetzt ist, berührt zwar seine Verfügbarkeit, sie schließt jedoch diese nicht aus, wenn er dennoch ihm zumutbare Beschäftigungen unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, und er zu einer solchen Beschäftigung bereit ist. Das Gesetz selbst nimmt auf solche Belastungen Rücksicht, wie sich schon aus § 103 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 AFG aF und § 103 Abs 1 Satz 3 AFG nF ergibt. Die vom Senat im Urteil vom 21. März 1978 (7 RAr 98/76) erörterten verfassungsrechtlichen Bedenken, Studierende praktisch vom Alg-Bezug nur deshalb auszuschließen, weil sie eine Hochschule besuchen, beziehen sich nicht nur auf diejenigen Studierenden, die den Besuch in "geringfügigem Umfang" vornehmen. Wenn die Beklagte meint, Zweck des gesetzgeberischen Vorhabens sei es gewesen, Studenten generell vom Alg-Bezug auszuschließen, und dann folgert, ein Studierender, der die Hochschule in mehr als geringfügigem Umfange iS des § 102 AFG besucht, sei daher nach Sinn und Zweck des § 118 Abs 2 AFG generell vom Bezug des Alg ausgeschlossen, so wird dadurch nur mit einer anderen Begründung diese Vorschrift wiederum zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Sonderregelung für eine bestimmte Personengruppe umgedeutet. Wenn der Gesetzgeber in § 103 AFG für alle Arbeitslosen die Regeln aufstellt, unter denen sie als verfügbar für die Arbeitsvermittlung angesehen werden und ohne Ausnahme zusätzlich bestimmte tatsächliche Belastungen (Bindungen) berücksichtigt, die die Verfügbarkeit nicht einschränken sollen, so kann nicht für eine bestimmte Personengruppe allein aus ihrem Status als Studierende und dem Besuch einer Hochschule eine andere, über den § 103 AFG hinausgehende Sonderregelung getroffen werden, um dem - verfassungswidrigen - Zweck einer anderen Vorschrift auf diesem Wege Rechnung zu tragen. Zwar sind im Rahmen der Beurteilung des Umfanges der Leistung, die der Arbeitslose anbieten kann, nicht nur Einschränkungen zu beachten, die absolut zwingenden Charakter haben, sondern auch solche, die für den Arbeitslosen von so wesentlicher Bedeutung sind, daß ihm nicht zugemutet werden kann, diese Einschränkungen zu beseitigen, ihrem Eintritt entgegenzuwirken oder davon abzusehen, sie herbeizuführen. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich ein Arbeitsloser bei Beginn der Arbeitslosigkeit in einer Bildungsmaßnahme befindet, die ihn zeitlich so stark beansprucht, daß ihm dann eine vollschichtige Tätigkeit nicht zugemutet werden kann. In einem solchen Falle wird von dem Arbeitslosen nicht erwartet, daß er seine Bildungsbemühungen abbricht (vgl dazu BSG in SozR 4100 § 103 Nr 6). Ob der Arbeitslose dann noch stets als verfügbar anzusehen ist und er die Vermutung mangelnder Verfügbarkeit iS des § 118 Abs 2 AFG widerlegen kann, braucht im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden. Jedenfalls steht ein Arbeitsloser, der - wie der Kläger -, im Durchschnitt 7 bis 8 Wochenstunden eine Hochschule besucht und dabei tatsächlich in der Lage war, daneben eine Vollzeitbeschäftigung zu üblichen Zeiten auszuüben, selbst unter Berücksichtigung gewisser Vor- und Nacharbeiten dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Daran zeigt sich aber, daß für den Bereich des § 118 Abs 2 AFG eine über die Geringfügigkeitsgrenze des § 102 AFG hinaus bestehende anderweitige Belastung nicht allgemein dazu führen kann, die widerlegbare Vermutung des § 118 Abs 2 AFG - wie es die Beklagte will - in eine unwiderlegbare Vermutung mangelnder Verfügbarkeit zu verwandeln. Es kann dahinstehen, ob - wie die Beklagte meint - die verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift, wie sie der Senat im oa Urteil vorgenommen hat, in engem oder weitem Rahmen erfolgen muß; jedenfalls ist der Rahmen so zu gestalten, daß die Vorschrift unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist. Das wäre aber gegeben, wenn die von der Beklagten vertretene Auffassung richtig wäre.
Zu den Ausführungen der Beklagten zur Beweislast wird darauf hingewiesen, daß der Senat in seinem Urteil vom 21. März 1978 nicht ausgeführt hat, der Antragsteller trage aus Gründen der Praktikabilität die Feststellungsund Beweislast für das Nichtruhen seines Anspruchs. Maßgebend waren hierfür, wie in dem Urteil nachzulesen ist, Rechtsgründe. Im Gegensatz zu dem Vortrag der Beklagten hat der Senat ausgeführt, wie ein entsprechender Nachweis zu führen ist (siehe oben). Im übrigen verkennt die Beklagte, daß die Anspruchsvoraussetzungen nicht nur glaubhaft zu machen sind; sie müssen vielmehr bewiesen sein. Dieser Beweis könnte allerdings, wie bei anderen Ansprüchen auch, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch durch eine glaubhafte Erklärung des Antragstellers geführt werden. Eine schlichte Behauptung des Antragstellers reicht also allein für die Widerlegung der Vermutung des § 118 Abs 2 AFG nicht aus. Das läßt sich auch dem oa Urteil nicht entnehmen.
Da der Kläger somit alle Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erfüllt, er insbesondere die Vermutung des § 118 Abs 2 AFG widerlegt hat, steht ihm sonach für die Zeit vom 7. Oktober 1975 bis 12. Juli 1976 dieser Anspruch zu. Die Revision der Beklagten ist demgemäß zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen