Leitsatz (amtlich)
Die KK kann Leistungen, die sie zu Unrecht gewährt hat, zurückfordern, es sei denn, daß die Rückforderung gegen Treu und Glauben verstößt. Dies ist nicht der Fall, wenn der Empfänger um die gewährte Leistung noch bereichert ist oder wenn er - bei Wegfall der Berichtigung - die Überzahlung schuldhaft (mit) verursacht hat, indem er vorsätzlich oder grobfahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat, oder wenn er die Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung erkannt hat oder hätte erkennen müssen.
Die Einschränkungen, denen in der Rentenversicherung die Rückforderung von Leistungen unterliegt (RVO § 1301), gelten nicht für die Krankenversicherung.
Leitsatz (redaktionell)
1. Haben die Eltern mit dem in ihrem Betrieb beschäftigten Kind vereinbart, daß anstelle eines laufenden Arbeitsentgelts im Zeitpunkt seiner Heirat der Gegenwert für die geleistete Arbeit ausgezahlt wird (Aussteuerversprechen), so liegt nicht ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis, sondern lediglich eine Mitarbeit im Rahmen der Familiengemeinschaft vor, die keine Versicherungspflicht begründet.
2. Trifft den Versicherten an der unrechtmäßigen Zahlung einer Geldleistung kein Verschulden, so scheidet die Rückforderung der Leistung insoweit aus, als sie der Versicherte gutgläubig verbraucht hat; ist er aber durch die unrechtmäßige Zahlung noch bereichert (weil zB sein Unterhalt von Dritten sichergestellt worden ist), so muß der Versicherte die vorhandene Bereicherung an die KK herausgeben.
3. Hat die KK zu Unrecht Naturalleistungen gewährt, dann kann sie unter den allgemeinen Voraussetzungen einen Anspruch auf Ersatz des Gegenwertes insoweit geltend machen, als der Versicherte durch diese Leistungen eigene Aufwendungen erspart hat, die ihm ohne das Eintreten der KK notwendig erwachsen wären.
4. Die KK kann bei der Rückforderung zu Unrecht gewährter Leistungen vom Versicherten keine Verzugs- oder Prozeßzinsen fordern.
5. Hat die KK die Versicherungspflicht verneint und in demselben Leistungen aufgefordert, so wird dadurch, daß dieser gegen den Rückforderungsanspruch Widerspruch einlegt, zugleich die negative Entscheidung über die Versicherungspflicht rechtswirksam angefochten, dies gilt selbst dann, wenn über die Verneinung der Versicherungspflicht ein selbständiger Verwaltungsakt erlassen worden ist.
6. Das von der KK in einem Sozialrechtsstreit der ihren Bescheid über die Versicherungspflicht betrifft, eingelegte Rechtsmittel hemmt den Eintritt der Rechtskraft des angefochtenen Urteils auch im Verhältnis zu einem beigeladenen anderen Sozialversicherungsträger, der von dem Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht hat.
Normenkette
RVO § 223 Fassung: 1911-07-19, § 1301 Fassung: 1957-02-23; BGB § 242 Fassung: 1896-08-18
Tenor
Die Revision der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Januar 1967 wird insoweit zurückgewiesen, als mit dem Bescheid vom 5. Oktober 1964 idF des Widerspruchsbescheides vom 16. November 1964 4 % Zinsen von 2.806,99 DM ab 27. Februar 1964 gefordert werden. Im übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Rückforderungsbescheides der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK).
Die Rechtsvorgängerin der Kläger, die am 26. August 1969 verstorbene M W (W.) geb. S, die seit ihrem 14. Lebensjahr in der väterlichen Land- und Gastwirtschaft tätig gewesen war, wurde unter dem 8. April 1963 als "Hausgehilfin" ihres Vaters bei der beklagten AOK angemeldet. In dem von ihrem Bruder Erich - dem Beigeladenen zu 2), der seit dem Tod seines Vaters den Betrieb weiterführt - ausgefüllten Anmeldeformular ist als Beginn des Beschäftigungsverhältnisses der 8. April 1963, als Arbeitsentgelt - neben Sachbezügen (Kost und Wohnung) - ein monatlicher Betrag von 150 DM bar netto" angegeben.
Noch am Tage des Eingangs dieser Anmeldung - am 16. April 1963 - wurde Frau W. wegen eines schon früher behandelten Tumors im Unterkiefer ins Krankenhaus aufgenommen. Die AOK zahlte die Kosten der bis zum 8. Mai 1963 durchgeführten Krankenhausbehandlung (589,78 DM), Fahrtkosten (56 DM) und Kosten für eine mikroskopische Untersuchung (12,60 DM) sowie eine Gewebsuntersuchung (25,20 DM). Daneben überwies sie der Frau W. ein Hausgeld von täglich 1,77 DM und für die anschließende Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zum 27. Februar 1964 ein Krankengeld von täglich 7,06 DM, mithin für die Zeit vom 16. April 1963 bis 27. Februar 1964 insgesamt (23 x 1,77 DM + 295 x 7,06 DM =) 2.123,41 DM.
Nachdem gelegentlich einer Überprüfung der Krankenkarte Zweifel an der Leistungsberechtigung der Frau W. aufgekommen waren, hörte die AOK sie und den Beigeladenen zu 2) über das Beschäftigungsverhältnis. Mit Bescheid vom 5. Oktober 1964 forderte sie die gewährten Sach- und Barleistungen von zusammen (683,58 DM + 2.123,41 DM =) 2.806,99 DM zuzüglich der üblichen Bankzinsen zurück: Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis liege nicht vor. Frau W. sei seit ihrer Schulentlassung mit nur kurzen Unterbrechungen im Betrieb ihrer Eltern tätig gewesen und habe dafür kein Entgelt erhalten. Sie behauptet zwar, ihr stehe nach einer mündlichen Vereinbarung seit Vollendung ihres 18. Lehensjahres monatlich ein Betrag von 200 DM zu, der ihr erst nach ihrer Heirat ausgezahlt werde, über den sie aber verfügen könne. Der Beigeladene zu 2) habe diese Vereinbarung bestätigt, aber nicht nachweisen können, daß der Betrag von monatlich 200 DM auf ein für Frau W. angelegtes Bankkonto eingezahlt worden sei. Sie habe demnach bei ihren Eltern im Rahmen des familienhaften Gemeinschaftslebens unentgeltlich gearbeitet.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Widerspruchsstelle der AOK mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß 4 % Zinsen von 2.806,99 DM ab 27. Februar 1964 zu zahlen sei (Bescheid vom 16. November 1964).
Das Sozialgericht (SG) hat - nach Beiladung der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinland-Pfalz - den angefochtenen Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid aufgehoben; es hat angenommen, daß Frau W. in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe (Urteil vom 2. Dezember 1965).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der AOK zurückgewiesen: Auch wenn Frau W. mangels eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses keinen Anspruch auf die Kassenleistungen gehabt habe, könne die AOK die - dann zu Unrecht gewährten - Leistungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht zurückfordern. Dieser Grundsatz habe für die Rückforderung von Leistungen der Unfall- und der Rentenversicherung durch die §§ 628 Satz 2, 1301 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine authentische Interpretation erfahren, die auch für die Rückforderung von Kassenleistungen maßgebend sei. Danach dürfe der Versicherungsträger eine Leistung u. a. nur dann zurückfordern, wenn ihn für das Gewähren der Leistung kein Verschulden treffe und nur soweit der Leistungsempfänger bei Empfang gewußt habe oder habe wissen müssen, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zugestanden habe. Schon diese beiden Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Die Gewährung der Leistungen falle allein in den "Verantwortungsbereich" der AOK; denn bei der Anmeldung sei ihr ohne irgendein Verschweigen alles angegeben worden, was das Beschäftigungsverhältnis der Frau W. betroffen habe. Diese habe auch nicht gewußt oder wissen müssen, daß ihr die Leistungen nicht zugestanden hätten (Urteil vom 11. Januar 1967).
Gegen dieses Urteil hat die beklagte AOK die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt und wie folgt begründet: Der Widerspruchsbescheid vom 16. November 1964 habe auch die Anmeldung der Frau W. "zurückgewiesen"; er habe damit einen negativ feststellenden Verwaltungsakt über deren Versicherungspflicht enthalten. Dieser Verwaltungsakt sei nicht Gegenstand der - allein auf die Abwehr des Rückforderungsanspruchs zugeschnittenen - Klage geworden. Es stelle deshalb einen Verstoß gegen § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dar, wenn das SG den Widerspruchsbescheid in vollem Umfange aufgehoben, das LSG die Berufung ohne Einschränkung zurückgewiesen habe. Gegenüber dem - innerhalb der kurzen zweijährigen Verjährungsfrist erhobenen - Rückforderungsanspruch einer Krankenkasse sei die Berufung auf Treu und Glauben ausgeschlossen; die Leistungsgewährung "am Schalter" schaffe keinen Vertrauenstatbestand, sie erfolge unter dem Vorbehalt späterer genauerer Überprüfung der Leistungsvoraussetzungen (BSG 25, 280, 282). Wegen zu Unrecht gewährter Sachleistungen müsse der Empfänger mindestens den Wert der ersparten Eigenaufwendungen erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 11. Januar 1967 und des SG Koblenz vom 2. Dezember 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger, die nach dem von ihnen vorgelegten Erbschein die verstorbene Margareta W. je zur Hälfte beerbt und mit Schriftsatz vom 17. Februar 1970 den Rechtsstreit aufgenommen haben, beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, die Klage sei uneingeschränkt auf die Aufhebung auch des ganzen Widerspruchsbescheides gerichtet; ihre Rechtsvorgängerin habe sich nicht nur gegen die Rückforderung der empfangenen Leistungen gewehrt, sondern den gesamten ihr ungünstigen Inhalt des Bescheides angegriffen. Im übrigen halten die Kläger die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend.
Die beigeladene LVA ist der Meinung, das Urteil des SG sei ihr gegenüber rechtskräftig geworden, weil sie von dem Rechtsmittel der Berufung keinen Gebrauch gemacht habe. Für den Fall, daß diese Ansicht nicht zutreffen sollte, beantragt sie,
hinsichtlich der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Arbeiter die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Beigeladene zu 2) ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden.
II
Die Revision der beklagten Krankenkasse ist begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen zur abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits nicht aus.
Der Senat teilt allerdings nicht die Ansicht der Beklagten, sie habe mit dem streitigen Bescheid nicht nur einen Erstattungsanspruch erhoben, sondern zugleich das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zwischen der ursprünglichen Klägerin und ihrem Vater verneint, indem sie deren Anmeldung zur Sozialversicherung zurückgewiesen habe; dieser Teil des Bescheides sei nicht angefochten worden, ihn hätten deshalb die Vorinstanzen nicht mitaufheben dürfen (Verstoß gegen § 123 SGG). Die Rüge greift nicht durch. Selbst wenn die Beklagte mit der Zurückweisung der Anmeldung zugleich die Versicherungspflicht verneint hätte - schon insoweit bestehen Bedenken -, hätte diese Feststellung hier nur der Begründung der Erstattungsforderung gedient und wäre deshalb nicht selbständig anfechtbar gewesen. Im übrigen müßte das Klagbegehren, wenn eine selbständig anfechtbare Entscheidung über die Versicherungspflicht vorläge, bei sinngemäßer Auslegung so gedeutet werden, daß auch diese Entscheidung mitangefochten ist.
Das LSG hat offen gelassen, ob zwischen der ursprünglichen Klägerin und ihrem Vater im April 1963 ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zustande gekommen ist; auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, die Beklagte ihre Leistungen also zu Unrecht gewährt hätte, habe sie nach Treu und Glauben keinen Erstattungsanspruch: Ebenso wie die Träger der Unfall- und Rentenversicherung (§§ 628, 1301 RVO) dürfe auch der Träger der Krankenversicherung zu Unrecht gewährte Leistungen "nur zurückfordern, wenn ihn für das Gewähren der Leistungen kein Verschulden trifft und nur soweit der Leistungsempfänger bei Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand, und soweit die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist". Der Senat kann dieser Auffassung nicht beipflichten.
Ob und inwieweit die Krankenkassen Leistungen, die sie zu Unrecht erbracht haben, wieder zurückfordern können, ist - anders als in der Unfall- und in der Rentenversicherung (vgl. §§ 628, 1301 RVO) - bisher nicht ausdrücklich geregelt. § 223 RVO, der die Krankenkassen u. a. zur Aufrechnung von Ansprüchen der Berechtigten auf "zu Unrecht gezahlte Kassenleistungen" ermächtigt, setzt zwar einen Rückforderungsanspruch voraus, regelt ihn aber nicht näher. Auszugehen ist deshalb von dem allgemeinen Grundsatz des öffentlichen Rechts, daß zu Unrecht geleistete Zahlungen der öffentlichen Hand zu erstatten sind (vgl. BSG 29, 6, 7, und BSG 31, 23, 29, jeweils mit weiteren Nachweisen). Daß einem so begründeten Erstattungsanspruch im Bereich der Krankenversicherung im allgemeinen kein - bindend gewordener - Verwaltungsakt der Krankenkasse entgegensteht, hat das LSG im Anschluß an ein früheres Urteil des Senats (BSG 25, 280) zutreffend ausgeführt. Nicht nur Sach-, sondern auch Barleistungen der Krankenkassen werden nämlich in der Regel nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern "schlicht" gewährt (BSG aaO). Andererseits kann auch im Krankenversicherungsrecht die Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs - wie jede Rechtsausübung - gegen Treu und Glauben verstoßen und deshalb unzulässig sein. Der Senat hatte die Frage seinerzeit in dem genannten Urteil offen gelassen (BSG 25, 280, 283), weil der Fall nicht zu ihrer Entscheidung nötigte. Das LSG hat sie bejaht, ebenso inzwischen der 5. Senat des BSG in einem Urteil vom 27. August 1970 (SozR Nr. 3 zu § 223 RVO). Der erkennende Senat tritt dem bei.
Nicht folgen kann er indessen dem LSG darin, daß nach Treu und Glauben die Rückforderung von überzahlten Kassenleistungen im gleichen Umfange eingeschränkt sei, wie dies § 1301 RVO für die Rentenversicherung (und § 628 RVO für die Unfallversicherung) vorschreibt. Eine entsprechende Anwendung der für die Rentenversicherung getroffenen Regelung scheitert hier schon daran, daß die Stellung des Versicherungsträgers und das Verfahren der Leistungsgewährung in beiden Versicherungszweigen grundlegend verschieden gestaltet sind. Wie der Senat in BSG 25, 280, 282 dargelegt hat, schließt die Gewährung von Kassenleistungen, die in der Regel "am Schalter" erfolgt, eine erschöpfende Aufklärung des Sachverhalts im allgemeinen aus, wenn der für die Krankenversicherung unabdingbaren Forderung nach rascher Hilfe im Bedarfsfall entsprochen werden soll. Demgegenüber ist das Verfahren bei der Rentengewährung nicht nur stärker formalisiert (in jedem Falle wird ein schriftlicher Bescheid erteilt), sondern auch mit weit größeren Kautelen für die Richtigkeit der Entscheidung ausgestattet. Das rechtfertigt es, die Rückforderung einmal geleisteter Rentenzahlungen nur unter besonderen, eingeschränkten Voraussetzungen zuzulassen, wobei selbst im Rentenrecht die Berechtigung der in § 1301 RVO enthaltenen Einschränkungen nicht unumstritten ist, etwa in den Fällen, in denen der Empfänger einer irrtümlich zu hoch berechneten Rente den vom Versicherungsträger "verschuldeten" Berechnungsfehler erkannt und die Leistung noch nicht verbraucht hat. Für die Krankenversicherung, deren Leistungsverfahren völlig anders gestaltet ist, und deren Entscheidungen unter einem ungleich stärkeren "Zeitdruck" stehen, paßt die Regelung des § 1301 RVO jedenfalls nicht. Auch hier muß sich zwar der Rückforderungsanspruch in den durch Treu und Glauben gezogenen rechtlichen Grenzen halten; welchen Inhalt dieser Grundsatz jedoch im einzelnen für Erstattungsansprüche der Krankenkassen hat, ist nicht dem § 1301 RVO zu entnehmen.
Der Senat folgt vielmehr insoweit der Rechtsprechung des früheren Reichsversicherungsamts (RVA), nach der ein Versicherter, der ohne sein Verschulden zu Unrecht Barleistungen der Krankenversicherung erhalten hat, zur Rückgewähr nicht verpflichtet ist, soweit er die Bereicherung gutgläubig verbraucht hat (GE 5555, AN 1944 II 105; vgl. ferner das schon genannte Urteil des BSG vom 27. August 1970 und Urteil des BAG vom 5. März 1968, AP Nr. 6 zu § 611 BGB unter "Treupflicht"). Das bedeutet zunächst, daß eine beim Empfänger noch vorhandene Bereicherung stets, also auch bei gutgläubigem Empfang, wieder herausgegeben werden muß. Im übrigen, d. h. in den Fällen, in denen die Bereicherung infolge Verbrauchs der empfangenen Leistung weggefallen ist, hängt die Erstattungspflicht des Empfängers entscheidend von seinem guten Glauben ab. Hat er die Überzahlung schuldhaft verursacht oder mitverursacht, indem er vorsätzlich oder grobfahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht hat, muß er die - dann gewöhnlich auch bösgläubig verbrauchten - Leistungen erstatten (vgl. § 152 Abs. 1 Nr. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -, § 11 Abs. 2 Nr. 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes - LFZG -). Das gleiche gilt dann, wenn er die Überzahlung, d. h. den der Krankenkasse dabei unterlaufenen Rechts- oder Tatsachenirrtum, zwar nicht verursacht, ihn jedoch erkannt und damit bewußt ausgenutzt hat, oder ihn wegen seiner Offensichtlichkeit hätte erkennen müssen (vgl. § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG, § 11 Abs. 2 Nr. 2 LFZG, § 87 Abs. 2 Satz 2 des Bundesbeamtengesetzes).
Im vorliegenden Fall ist bisher nicht festgestellt, ob die ursprüngliche Klägerin bei Erlaß des Rückforderungsbescheides noch um die von der Beklagten gewährten Leistungen ganz oder teilweise bereichert war. Das wäre z. B. der Fall gewesen, wenn und soweit sie, etwa wegen des von den Eltern gewährten Unterhalts, das gezahlte Krankengeld nicht verbraucht, sondern gespart gehabt hätte. Auch hinsichtlich der empfangenen Sachleistungen (Krankenhausbehandlung) wäre sie noch bereichert gewesen, wenn sie Eigenaufwendungen erspart hätte, die ihr andernfalls, d. h. ohne Eintreten der Beklagten, notwendig erwachsen wäre (vgl. zur Erstattungspflicht des Wertes von zu Unrecht bezogenen Sachleistungen in der Unfallversicherung BSG 22, 136).
Sollte bei Erlaß des angefochtenen Rückforderungsbescheides eine Bereicherung nicht mehr vorgelegen haben, käme es darauf an, ob die ursprüngliche Klägerin beim Empfang und Verbrauch der Leistungen gutgläubig war. Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn sie - oder mit ihrem Wissen ein Dritter - Tatsachen, die für die Frage ihrer Versicherungspflicht wesentlich waren, gegenüber der Beklagten falsch angegeben oder verschwiegen hätte, oder wenn sie beim Empfang oder Verbrauch der Leistungen erkannt hätte oder hätte erkennen müssen, daß die Beklagte hinsichtlich der Sach- und Rechtslage von unrichtigen Voraussetzungen ausging. Zu den insofern wesentlichen Umständen gehörte insbesondere die Frage, ob und wann die ursprüngliche Klägerin für ihre Tätigkeit in der elterlichen Gast- und Landwirtschaft ein Entgelt erhalten sollte. Wäre die Auszahlung des angeblich vereinbarten Barentgelts von 150 DM monatlich erst bei ihrer Heirat fällig gewesen, so hätte es sich in Wahrheit um ein Aussteuerversprechen gehandelt; ihre Tätigkeit im elterlichen Betrieb wäre dann kein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis (§ 165 RVO), sondern Mitarbeit im Rahmen der Familiengemeinschaft (§ 1617 BGB) gewesen (vgl. dazu Palandt, Kommentar zum BGB, § 1617 Anm. 4). Für die Beurteilung der seinerzeit getroffenen Abreden wird dabei nicht unberücksichtigt bleiben können, ob die ursprüngliche Klägerin nach Wiedererlangung ihrer Arbeitsfähigkeit im Februar 1964 das vereinbarte Entgelt tatsächlich erhalten hat.
Um über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides abschließend unterscheiden zu können, bedarf es hiernach noch weiterer Feststellungen. Da der Senat diese nicht selbst treffen kann, hat er den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Entscheidungsreif war lediglich der von der Beklagten geltend gemachte Zinsanspruch. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG können Verzugs- und Prozeßzinsen im Bereich der Sozialversicherung nicht gefordert werden (vgl. BSG 29, 44, 54, mit weiteren Nachweisen); das gilt auch für Erstattungsansprüche der Verwaltung.
Entgegen der Ansicht der beigeladenen LVA ist auch ihr gegenüber bisher keine Rechtskraft eingetreten, obwohl sie selbst gegen die Urteile der Vorinstanzen keine Rechtsmittel eingelegt hat. Die Rechtsmittel der beklagten Krankenkasse haben auch für sie den Eintritt der Rechtskraft gehemmt (vgl. dazu BSG 26, 170 Leitsatz 1 und Urteil des Senats vom 17. April 1970, 3 RK 28/67).
Die Entscheidung über die Kosten, auch die des Revisionsverfahrens, bleibt dem LSG vorbehalten.
Fundstellen