Verfahrensgang

BezirksG Erfurt (Urteil vom 26.03.1992)

KreisG Gera (Urteil vom 18.09.1991)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bezirksgerichts Erfurt vom 26. März 1992 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Kreisgerichts Gera-Stadt vom 18. September 1991 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Jena vom 8. Januar 1992 und vom 23. Januar 1992 (in der Fassung der Erklärung vom 10. November 1993) wird abgewiesen.

Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt höheres Altersübergangsgeld (Alüg).

Der 1933 geborene, verheiratete Kläger war von 1958 bis zum 31. Dezember 1990 als Brigadier/Agraringenieur einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) in K. …, deren Mitglied er war, beschäftigt. Sein wöchentlicher Bruttodurchschnittslohn betrug im Abrechnungszeitraum von Oktober bis Dezember 1990 brutto 456,15 DM und netto 374,50 DM. Zu Beginn des Jahres 1991 war in die Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse V eingetragen.

Der Kläger meldete sich am 15. Januar 1991 beim Arbeitsamt Jena (ArbA) arbeitslos und beantragte Alüg, das ihm das ArbA ab 15. Januar 1991 in Höhe von wöchentlich 191,40 DM für vorläufig 312 Wochentage bewilligte. Dieser Betrag enthält einen Erhöhungsbetrag von wöchentlich 13,80 DM. Der Bewilligung liegt ein gerundetes Bruttoarbeitsentgelt von 460,– DM wöchentlich, die Leistungsgruppe D (Steuerklasse V) und der Vomhundertsatz von 65 + 5 zugrunde (Bescheid vom 26. Februar 1991, Widerspruchsbescheid vom 4. April 1991). Ab 1. Juli 1991 bewilligte das ArbA wegen Erhöhung des gerundeten wöchentlichen Bruttoarbeitsentgelts auf 540,– DM das Alüg in Höhe von 217,20 DM (= 203,40 DM + 13,80 DM; Bescheid vom 10. Juli 1991) und ab 1. Januar 1992 in Höhe von 250,80 DM (= 237,– DM + 13,80 DM; Arbeitsentgelt 660,– DM; Bescheid vom 8. Januar 1992). Ab 14. Januar 1992 bewilligte das ArbA das Alüg wegen WegfalIs des Erhöhungsbetrages ausschließlich nach dem Vomhundertsatz von 65 in Höhe von 238,80 DM (Bescheid vom 23. Januar 1992).

Der Kläger erhob im April 1991 Klage, mit der er ein wöchentliches Alüg von 262,– DM (= 70 vH der bisherigen Nettobezüge) verlangte. Er machte geltend, als LPG-Mitglied habe er zwar Sozialversicherungsbeiträge, aber keine Steuern zu zahlen gehabt. Es gehe nicht an, bei der Bemessung des Alüg davon auszugehen, als ob das erzielte Bruttoarbeitsentgelt Anteile für die Steuer enthalten hätte und zu versteuern gewesen wäre. Das Alüg müsse in seinem Fall so ermittelt werden, daß entweder von den 460,– DM nur der Sozialversicherungsbeitrag in Abzug gebracht werde oder die 460,– DM vorab um einen Steueranteil erhöht würden.

Das Kreisgericht (KreisG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. September 1991), das Bezirksgericht (BezirksG) hat dagegen die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide verurteilt, bei der Berechnung des Alüg das ausbezahlte Arbeitsentgelt als Nettoentgelt (iS der Entscheidungsgründe) anzusetzen (Urteil vom 26. März 1992).

Zur Begründung seines Urteils hat das BezirksG ausgeführt, der Kläger habe, weil er vor Eintritt in die LPG weder einen landwirtschaftlichen noch einen ähnlichen Betrieb bewirtschaftet habe, nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) für die Einnahmen aus der LPG keine Steuern zahlen müssen. Das in der Arbeitsbescheinigung angegebene Arbeitsentgelt sei daher ein Steuernettoentgelt, von dem nur noch die Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen gewesen seien. Um dem mit dem Alüg und dem Arbeitslosengeld (Alg) verfolgten Zweck der Lebensstandardsicherung unter Absenkung um etwa ein Drittel zu entsprechen, sei daher zunächst mit Hilfe der Steuertabellen dasjenige Bruttoentgelt zu ermitteln, das einem derartigen Steuernettoeinkommen entspräche. Erst das so errechnete Bruttoeinkommen sei das Arbeitsentgelt iS von § 112 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), bei dem die Beklagte die von ihr gewöhnlich verwendeten Leistungstabellen benutzen und pauschaliert Steuern, Kirchensteuern und Sozialabgaben abziehen könne. Die Praxis der Beklagten führe zur Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art 3 Grundgesetz ≪GG≫).

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 111 Abs 2, 112 Abs 1 und 3, 249e Abs 3 Nr 2 AFG und trägt dazu vor: Entgegen der Auffassung des BezirksG sei nicht ein fiktives Arbeitsentgelt, sondern das in der Arbeitsbescheinigung tatsächlich ausgewiesene Bruttoentgelt der Berechnung des Alüg zugrunde zu legen. Die Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder folge allein aus ihrer Mitgliedschaft bei der Genossenschaft, nicht aus der Beschäftigung. Dieser Umstand sei bei der Frage maßgebend, ob Sinn und Zweck der Alüg- bzw Alg-Regelung oder der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG der ausschließlichen Zugrundelegung des in der Arbeitsbescheinigung ausgewiesenen Bruttoentgelts entgegenständen. Bei der Bemessung des Alüg, wie sie die Beklagte vornehme, werde zwar der Zweck, den bisherigen Lebensstandard mindestens teilweise zu sichern, nicht in vollem Umfang erreicht. Die Differenz bestehe jedoch in dem bisherigen finanziellen Vorteil, der sich aus der Mitgliedschaft in der LPG ergebe. Da der mit der Steuerbefreiung verbundene finanzielle Vorteil auf der Stellung als LPG-Mitglied und nicht auf der Arbeitnehmereigenschaft beruhe, bedeute es im Hinblick auf die Gewährung von Lohnersatzleistungen an frühere Arbeitnehmer einer LPG, die keine Mitglieder gewesen seien, keine willkürliche Gleichbehandlung, wenn dieser Vorteil aufgrund der Regelung des § 111 Abs 2 Satz 2 AFG unberücksichtigt bleibe. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit sei eine Regelung so lange nicht zu beanstanden, wie für sie vernünftige Gründe bestehen und der Gesetzgeber willkürliche Privilegierungen oder Diskriminierungen vermeide. Dies gelte insbesondere im Bereich von Sozialleistungen. Es bestehe kein Unterschied darin, ob das Arbeitsentgelt lediglich teilweise oder gänzlich steuerfrei gewesen sei. Insoweit verweist die Beklagte auf die Regelung der §§ 111, 136 Abs 2 Nr 2 und Abs 3 AFG, wonach bei der Bemessung der Arbeitslosenhilfe von Beamten und Soldaten nicht berücksichtigt werde, daß diese Personengruppen keine Beiträge zur Sozialversicherung entrichteten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des BezirksG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des KreisG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des BezirksG für zutreffend.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verpflichtete sich die Beklagte, für zwei Wochen (14. bis 27. Januar 1992) 12,– DM pro Woche nachzuzahlen; der Kläger nahm dieses Anerkenntnis an.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alüg.

1. Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Die Berufung des Klägers war statthaft. Der Statthaftigkeit der Berufung, die gemäß Art 14 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I 50) nach dem bis zum 28. Februar 1993 geltenden Verfahrensrecht zu beurteilen ist, stand nicht entgegen, daß das Rechtsmittel die Höhe des Alüg betraf. Zwar war nach § 147 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung die Berufung in Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung nicht zulässig, soweit sie die Höhe der Leistung betraf. Das SGG ist in Thüringen, wo das KreisG seinen Sitz hat, indes nur mit der Maßgabe in Kraft getreten, daß die §§ 144 bis 149 SGG keine Anwendung finden (Art 8 Einigungsvertrag ≪EinigVtr≫ vom 31. August 1990 iVm Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nr 4 der Anlage I, BGBl II 889, 1032). Die weitere Maßgabe (aaO), daß in den in Art 2 § 4 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 (BGBl I 446), zuletzt geändert durch Art 1 des Gesetzes vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1274), genannten Fällen die Berufung der Zulassung bedarf, greift vorliegend nicht ein. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil Art 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit mit Wirkung vom 1. Januar 1991 aufgehoben worden ist (Art 20 und 23 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990, BGBl I 2809). Denn nach Art 2 § 4 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit bedurfte die Berufung der Zulassung nur, wenn bei einer Klage, die – wie hier – eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betraf, der Wert des Beschwerdegegenstands 500,– DM nicht überstieg, und selbst dann war die Berufung ohne Zulassung statthaft, wenn sie wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betraf. Schon letzteres war hier der Fall. Das höhere Alüg, das der Kläger mit seiner Klage begehrt, verlangt er für mehr als ein Jahr; denn er stand im Januar 1991 erst im 58. Lebensjahr.

2. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Alüg ist die Vorschrift des § 249e AFG, die durch die Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt II Nr 1 Buchst e des EinigVtr (BGBl II 1990, 889, 1033 ff) eingefügt worden ist. Durch Art 1 Nr 16 des Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 1991 (BGBl I 1306) ist § 249e AFG zwar mit Wirkung vom 1. Juli 1991 geändert worden. Nach dem neu eingefügten § 249e Abs 11 AFG ist die Vorschrift in der vor dem 1. Juli 1991 geltenden Fassung indes auf Ansprüche auf Alüg weiterhin anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1991 entstanden sind. Letzteres ist hier der Fall:

Gemäß § 249e Abs 1 AFG gewährt die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitnehmern, die in der Zeit vom Tage des Wirksamwerdens des Beitritts an bis zum 31. Dezember 1991 nach Vollendung des 57. Lebensjahres aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung von mindestens 90 Kalendertagen in dem in Art 3 EinigVtr genannten Gebiet, dem Beitrittsgebiet, ausscheiden und in den letzten 90 Kalendertagen der Beschäftigung ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Gebiet hatten, Alüg.

Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen. Er hat im Februar 1990 das 57. Lebensjahr vollendet und ist mit dem 31. Dezember 1990, also danach, als Arbeitnehmer aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung von mindestens 90 Kalendertagen im Beitrittsgebiet ausgeschieden, wo er auch seinen Wohnsitz hatte. Daß der Kläger Mitglied einer LPG war, steht dem nicht entgegen. Für Zeiten nach dem 2. Oktober 1990 regelt der durch den EinigVtr eingefügte § 249c Abs 22 AFG ausdrücklich, daß die Mitgliedschaft in einer LPG die Beschäftigung als Arbeitnehmer (§ 168 Abs 1 Satz 1 AFG) dieser Genossenschaft nicht ausschließt. Daß die Tätigkeit des Klägers ihrem Zuschnitt nach einer abhängigen Beschäftigung entsprach, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und nach dem Sachverhalt, den das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, auch nicht zweifelhaft. Für Zeiten vor dem 3. Oktober 1990 bestimmt § 249c Abs 8 AFG, daß Zeiten einer Beschäftigung, die nach dem AFG der DDR vom 22. Juni 1990 (GBl I 403) die Beitragspflicht begründet haben oder einer solchen nach § 249b Abs 5 AFG-DDR gleichgestellt worden waren, den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (iS des nun gemeinsamen AFG) gleichstehen. Nach § 168 Abs 1a AFG-DDR waren aber auch Mitglieder von Genossenschaften beitragspflichtige Arbeitnehmer, und § 249b Abs 5 AFG-DDR sah für Zeiten vor Inkrafttreten des AFG-DDR ua vor, daß Zeiten einer Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 18 Stunden, auch solche von Mitgliedern einer Genossenschaft, als Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung galten.

Damit ergibt sich auch, daß der Kläger eine weitere Voraussetzung des Anspruchs auf Alüg erfüllt, nämlich Alg für 832 Tage beanspruchen zu können (§ 249e Abs 2 Nr 3 AFG); denn aufgrund seiner seit 1958 ununterbrochenen Tätigkeit als LPG-Mitglied hat er in der auf 7 Jahre verlängerten, hier vom 1. Januar 1984 bis 31. Dezember 1990 laufenden Rahmenfrist ohne weiteres die hierfür nach § 106 AFG erforderlichen 1920 Kalendertage einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung zurückgelegt. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen des § 249e Abs 2 AFG sind nach dem Sachverhalt, über den hier zu entscheiden ist, ebenfalls nicht zweifelhaft.

3. Die im vorliegenden Falle allein umstrittene Höhe des Alüg regelt § 249e Abs 3 AFG. Nach Satz 1 sind auf das Alüg die Vorschriften über das Alg mit den in den Nrn 1 bis 4 genannten Maßgaben entsprechend anzuwenden. Als Maßgabe zur Höhe des Anspruchs auf Alüg sieht Nr 2 Satz 1 vor, daß der Anspruch 65 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG beträgt. Für Ansprüche, die vor dem 1. April 1991 entstehen, erhöht sich das Alüg für die ersten 312 Tage um 5 Prozentpunkte (Nr 2 Satz 2).

Die Höhe des Alüg richtet sich aufgrund dieser Generalverweisung insbesondere auch nach den §§ 111 bis 113 AFG; anstelle des § 111 Abs 1 AFG steht allerdings die Maßgabe Nr 2, und die Maßgabe Nr 3 modifiziert für das Alüg § 112 Abs 11 AFG; auf gewisse Übergangsvorschriften, die auch für das AIg gelten, ist noch zurückzukommen. Wie beim Alg richtet sich die Höhe des Alüg zunächst nach dem (gerundeten wöchentlichen Brutto-)Arbeitsentgelt des § 112 AFG, ggf erhöht nach § 112a AFG. Dieses Bemessungsentgelt soll pauschaliert das Arbeitsentgelt wiedergeben, das der Leistungsempfänger erzielen würde, wenn er während des Leistungsbezugs Arbeit hätte (vgl BSG SozR 4100 § 113 Nr 7; vgl ferner das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des Senats vom 21. April 1993 – 11 RAr 37/92 –). Allen denkbaren Bemessungsentgelten werden je fünf verschiedene Leistungssätze zugeordnet. Diese Leistungssätze entsprechen (gerundet) dem gesetzlichen Vomhundertsatz von 65 (Alüg ohne Erhöhungsbetrag) von einem Nettolohn, der sich dadurch ergibt, daß vom Bemessungsentgelt Abzüge in Höhe von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (einschließlich BA-Beitrag) gemacht werden. Der Steuerabzugsbetrag wird den Lohnsteuertabellen für die Steuerklassen I, III, IV, V und VI entnommen; der unterschiedlich hohe Steuerabzug nach diesen Tabellen führt zu den fünf verschiedenen Leistungssätzen für jedes Bemessungsentgelt. Die Leistungssätze berücksichtigen damit pauschal je nach Lohnsteuerklasse des Arbeitslosen die gesetzlichen Abzüge, die in etwa anfielen, wenn der Arbeitnehmer in Höhe des Bemessungsentgelts Arbeitslohn erzielen würde. Die Leistungssätze sind nicht im Einzelfall zu errechnen, sondern grundsätzlich einer Rechtsverordnung zu entnehmen, die der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) für jedes Kalenderjahr neu zu erlassen hat. Für die Kalenderjahre 1991 und 1992, für die der BMA keine Alüg-Leistungssätze ausdrücklich ausgewiesen hat, ist für das Alüg ohne Erhöhungsbetrag auf die Leistungssätze für das Unterhaltsgeld nach § 44 Abs 2 Nr 2 AFG zurückzugreifen, das ebenfalls 65 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG beträgt. Dieses Bemessungssystem hat der erkennende Senat in einer zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung vom heutigen Tage zum Rechtsstreit 11 RAr 47/93 dargestellt und näher begründet; insoweit wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen.

4. Nach der Anlage 1 der AFG-Leistungsverordnung 1991 vom 6. Dezember 1990 (BGBl I 2647) beträgt in der Leistungsgruppe D, der der Kläger nach § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst d, § 113 Abs 1 AFG wegen der Lohnsteuerklasse V angehört, die auf seiner Steuerkarte eingetragen ist, das Unterhaltsgeld nach § 44 Abs 2 Nr 2 AFG bei einem Arbeitsentgelt von 460,– DM 177,60 DM. Bei dem Anspruch des Klägers erhöht sich allerdings das Alüg für die ersten 312 Tage um 5 Prozentpunkte, da sein Anspruch auf Alüg vor dem 1. April 1991 entstanden ist. Hinsichtlich des Erhöhungsbetrages ist § 112a AFG nicht anzuwenden (§ 249e Abs 3 Nr 2 Satz 3 AFG). Der Erhöhungsbetrag ist damit ein fester Betrag, der für die ersten 312 Tage den Leistungssatz des Alüg in Höhe von 65 vH erhöht. Der Erhöhungsbetrag ist in Ermangelung von durch Rechtsverordnung bestimmten Sätzen dadurch zu ermitteln, daß der oa Leistungssatz durch 13 geteilt und entsprechend § 111 Abs 2 Satz 3 AFG auf den nächsten durch 60 teilbaren Pfennigbetrag gerundet wird. Er beträgt hier daher 13,80 DM. Mehr als die für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1991 zugebilligten 191,40 DM (= 177,60 DM + 13,80 DM) stünden dem Kläger daher nur zu, wenn das Alüg nach einem höheren Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG zu zahlen wäre. Das ist entgegen der Auffassung des BezirksG für diese Zeit, für die nach § 249e Abs 3 AFG entsprechend §§ 112a, 249c Abs 13 AFG eine Erhöhung des Bemessungsentgelts noch nicht in Betracht kommt, nicht der Fall.

5. Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG ist grundsätzlich das Arbeitsentgelt, das der ArbeitsIose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat, das unter Ausklammerung von Mehrarbeitsvergütungen, Sonderzuwendungen usw ermittelt wird (vgl dazu § 112 AFG). Für Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung, die vor dem 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, sind nach § 249c Abs 11 Satz 2 AFG jedoch § 112 AFG-DDR und die in dieser Bestimmung genannten Vorschriften weiterhin anzuwenden. Nach § 112 Abs 1 AFG-DDR ist Arbeitsentgelt iS des § 111 Abs 1 AFG der auf die Woche entfallende, im Bemessungszeitraum erzielte Bruttodurchschnittslohn nach der Verordnung vom 21. Dezember 1961 über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung (GBl II 551), zuletzt geändert durch die Fünfte Durchführungsbestimmung vom 7. März 1985 (GBl I 109). Diese Regelung gilt gemäß § 112 Abs 1a AFG-DDR für die Berechnung des Arbeitsentgelts der Mitglieder von Genossenschaften entsprechend. Während der Durchschnittsverdienst nach der Verordnung über die Berechnung des Durchschnittsverdienstes und über die Lohnzahlung grundsätzlich aus dem Jahresverdienst zu errechnen ist, ist nach § 7 Abs 4 dieser Verordnung bei einer Veränderung des Verdienstes der Durchschnittsverdienst unter Berücksichtigung dieser Veränderung neu zu berechnen.

Nach den Feststellungen des BezirksG hat die LPG dem Kläger einen wöchentlichen Bruttodurchschnittslohn von 456,15 DM bescheinigt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß dabei nicht die Grundsätze der Lohnzahlungsverordnung berücksichtigt worden sind. Als „Abrechnungszeitraum” ist ausweislich der Arbeitsbescheinigung der Zeitraum von Oktober bis Dezember 1990 genannt. Es ist deshalb davon auszugehen, daß auch die Regelung des § 112 Abs 2 AFG-DDR beachtet worden ist, wonach der Bemessungszeitraum den letzten für die Berechnung des Bruttodurchschnittslohns maßgeblichen Abrechnungszeitraum vor der Entstehung des Anspruchs umfaßt.

Für den Kläger ergibt sich somit ein Bemessungsentgelt nach § 112 AFG-DDR von 456,15 DM wöchentlich. Dieses Bemessungsentgelt ist nach § 112 Abs 10 AFG auf 460,– DM zu runden. Nach dieser Vorschrift ist das Arbeitsentgelt auf den nächsten durch 10 teilbaren Deutsche-Mark-Betrag zu runden. § 112 AFG-DDR enthält zwar keine Rundungsvorschrift. Das erklärt sich daraus, daß nach § 111 AFG-DDR die Höhe des Alg auf der Grundlage des individuellen Nettoentgelts zu berechnen war. Doch nachdem hier für den Bezugszeitraum ab 1. Januar 1991 die Vorschrift des § 111 Abs 2 AFG anzuwenden ist und demzufolge die Tabellenwerte der AFG-Leistungsverordnung heranzuziehen sind, ist aus den gleichen Praktikabilitätsgründen, die für die Schaffung des § 112 Abs 10 AFG maßgebend waren, diese Rundungsvorschrift auch bei Arbeitsentgelten anzuwenden, die vor dem 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet erzielt worden sind.

6. Das so ermittelte Bemessungsentgelt ist nicht anders zu bestimmen, weil der Kläger als LPG-Mitglied hinsichtlich der Einkünfte aus der LPG bis zum 31. Dezember 1990 lohnsteuerfrei war.

Wie bereits vom BezirksG dargestellt, bestand für Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet generell eine (Lohn-)Steuerpflicht (§§ 11 bis 15 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung steuerrechtlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland ≪Steueranpassungsgesetz-DDR≫ vom 22. Juni 1990 ≪GBl Sonderdruck Nr 1427≫). Nach § 16 Satz 1 Steueranpassungsgesetz-DDR galten die Lohnsteuerregelungen der §§ 11 bis 15 des Gesetzes auch für die Besteuerung der Einkünfte der Mitglieder von Genossenschaften aus ihrer Tätigkeit in der Genossenschaft. Hiervon waren jedoch gemäß § 16 Satz 2 Steueranpassungsgesetz-DDR die Mitglieder von Genossenschaften der Landwirtschaft ausgenommen. Diese zur Ausführung des Vertrages vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (BGBl II 537) geschaffenen Steuerbestimmungen der DDR hatten auch nach dem 2. Oktober 1990 weiter Geltung; denn nach Art 8 und Kapitel IV Sachgebiet B Abschnitt II Nr 14 Abs 1 Nr 1 der Anlage 1 des EinigVtr (BGBI II 1990, 889, 973) ist das westliche Recht der Besitz- und Verkehrssteuern im Beitrittsgebiet erst am 1. Januar 1991 in Kraft getreten (s hierzu Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 8. März 1991, BStBl I 386).

Diese steuerliche Vergünstigung kann jedoch nicht dazu führen, daß bei der Berechnung des Alüg das Bruttoarbeitsentgelt, wie der Kläger vor dem KreisG gemeint hat, ohne pauschalen Abzug von Steuern zugrunde zu legen ist. Der Kläger übersieht ua, daß sein Lohn, den er während einer Beschäftigung nach dem 31. Dezember 1990 erzielen würde, der Lohnsteuer unterläge, selbst wenn er weiter als LPG-Mitglied beschäftigt wäre. Ebensowenig kann, wie das BezirksG annimmt, der tatsächlich erzielte Bruttolohn um einen (Lohn-)Steueranteil aufgestockt werden. Was für diese Rechtsmeinung, die auch von anderer Seite vertreten wird (vgl LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. Februar 1993 – L 2 Ar 34/92 – nicht veröffentlicht; Eichenhofer SGb 1993, 385; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28. September 1993 – L 2 Ar 3/93 – nicht veröffentlicht), ins Feld geführt wird, überzeugt nicht. Denn eine „Aufstockung” von Bruttoarbeitsentgelten, die steuerfrei oder nicht beitragspflichtig waren, ist sowohl den Vorschriften des AFG-DDR als auch des AFG fremd.

Das AFG-DDR hat die Mitglieder von Genossenschaften gemäß den bereits erwähnten Vorschriften der §§ 168 Abs 1a, 249b Abs 5 in den Kreis der beitragspflichtigen Arbeitnehmer einbezogen. Es hat jedoch für die Berechnung des Arbeitsentgelts der Mitglieder von Genossenschaften keine Sonderregelung getroffen; vielmehr bestimmt § 112 Abs 1a AFG-DDR ausdrücklich, daß für die Berechnung des Arbeitsentgelts der Mitglieder von Genossenschaften die Regelung in Abs 1 entsprechend gilt. Auch das AFG, das Zeiten nach §§ 168 Abs 1a, 249b Abs 5 AFG-DDR beitragspflichtigen Beschäftigungszeiten gleichgestellt (§ 249c Abs 8 AFG) und die Regelung als solche fortgeschrieben hat (§ 249c Abs 22 AFG), kennt keine „Aufstockung” von BruttoarbeitsentgeIten, die steuerfrei oder nicht beitragspflichtig waren. Lediglich für den Fall, daß ein Nettoarbeitsentgelt „vereinbart” ist, sieht der unmittelbar nicht für Leistungen nach dem AFG, sondern über § 173a AFG nur für das Beitragsrecht entsprechend geltende § 14 Abs 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vor, daß als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und seines Beitrags zur BA gelten. Doch eine unmittelbare Anwendung des § 14 Abs 2 SGB IV scheitert hier bereits daran, daß die steuerliche Entlastung der LPG-Mitglieder nicht auf einer Vereinbarung, sondern auf deren besonderer steuerrechtlicher Situation bis zum 31. Dezember 1990 beruhte. Aus dieser Sondervorschrift kann weder ein allgemeiner Rechtsgedanke für eine erweiternde Auslegung des Arbeitsentgeltbegriffs iS des § 112 AFG hergeleitet werden noch kommt eine entsprechende Anwendung in Betracht (vgl jedoch LSG Mecklenburg-Vorpommern aaO). Denn aus der Steuerfreiheit eines Arbeitsentgelts folgt nicht, daß der Arbeitgeber ohne die Steuerfreiheit ein um die Steuer höheres Arbeitsentgelt gezahlt hätte. Eine solche Aufstockung der tatsächlich erzielten Bruttobezüge ist, worauf die Revision zu Recht hinweist, bislang auch nicht für das Bemessungsentgelt der Arbeitslosenhilfe bzw -beihilfe von früheren Beamten und Soldaten geltend gemacht worden, die während ihrer Dienstzeit zwar Lohnsteuer, aber keine Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung und zur BA zu zahlen hatten (vgl Gagel, AFG, Stand August 1992, § 136 Rz 84 f; Ambs ua, AFG, Stand September 1993, § 136 Rz 17).

7. Als Korrekturmöglichkeit liegt die Rechtsfolge des § 112 Abs 7 AFG-DDR bzw § 112 Abs 7 AFG näher. Danach ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der ArbeitsIose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt. Ein Rückgriff auf diese Rechtsfolge, die jeweils EinzelfalIprüfungen erforderlich macht, käme allerdings nur dann in Betracht, wenn eine Lücke im Gesetz, die zu unbilliger Härte führt, zu füllen wäre. Dies ist indes hier nicht der Fall. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber bei der Regelung des Bemessungsentgelts die Situation der LPG-Mitglieder und die sich aus ihrer Steuerfreiheit bis 31. Dezember 1990 ergebenden Wirkungen übersehen hat und insoweit eine Regelungslücke gegeben ist. Die Situation der LPG-Mitglieder ist vielmehr bei der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, beim Steueranpassungsgesetz-DDR, beim AFG-DDR und dem EinigVtr berücksichtigt worden.

Im Vertrag vom 18. Mai 1990 zur Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (BGBl II 537) hatte sich die DDR verpflichtet, das Einkommens- und Lohnsteuerrecht zum 1. Januar 1991 entsprechend den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik zu regeln. Ausdrücklich war hierfür vorgesehen, daß bei der Regelung „der besonderen Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe … im Hinblick auf ihre Chancengleichheit Rechnung zu tragen” ist (III Nr 4 der Anlage IV des Vertrages, BGBl II 1990, 537, 558). Die besondere Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe war indessen durch die Wirtschaftsform der LPG und ua dadurch gekennzeichnet, daß die Erzeugerpreise gegenüber der Europäischen Gemeinschaft nicht wettbewerbsfähig waren. Demgemäß nahm die DDR in dem schon zitierten § 16 Satz 2 des Steueranpassungsgesetzes, mit dem sie der Verpflichtung nachkam, ab 1. Juli 1990 die Steuer von Lohneinkünften entsprechend den westlichen Lohnsteuertabellen für die Steuerklasse I zu erheben (III Nr 5 der Anlage IV des Vertrages, BGBl 1990 II 537, 558), die Mitglieder von Genossenschaften der Landwirtschaft von der generellen Lohnsteuerpflicht aus.

Das zeitgleich erlassene AFG-DDR hat, wie bereits erwähnt, in verschiedenen Vorschriften die rechtliche Situation der LPG-Mitglieder gesehen und berücksichtigt. Einer Sonderregelung zur Berücksichtigung ihrer steuerrechtlichen Situation bedurfte es dabei nicht, da sich nach § 111 Abs 1 AFG-DDR die Höhe des Alg nach dem „um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelt (§ 112)” richtete, also auf der Grundlage des individuellen Nettoentgelts zu berechnen war. Mit dem 3. Oktober 1990 ist das AFG-DDR zwar grundsätzlich durch das gemeinsame AFG abgelöst worden (Art 8 EinigVtr). Für Bezugszeiten, die vor dem 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet zurückgelegt worden sind, ist indes § 111 AFG-DDR weiterhin anzuwenden (Art 9 Abs 2 EinigVtr, Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 1 Buchst a Doppelbuchst ee der Anlage II, BGBl II 1990, 889, 1209). Dies gilt nicht nur für das Alg, sondern nach § 249e Abs 3 Satz 1 AFG und der Maßgabe Nr 2 entsprechend auch für das mit dem EinigVtr eingeführte Alüg (vgl dazu das schon erwähnte Urteil des Senats vom 10. November 1993 – 11 RAr 47/93 –). Eine Sonderregelung zur Berücksichtigung der steuerrechtlichen Situation früherer LPG-Mitglieder war daher jedenfalls bis zum 31. Dezember 1990 entbehrlich.

Für die Zeit nach dem 31. Dezember 1990 kommt LPG-Mitgliedern, die schon 1990 Leistungen nach dem AFG bezogen, der Bestandsschutz des § 249b Abs 2 Satz 5 AFG zugute, der auch einen gewissen Ausgleich für ihre bisherige steuerrechtliche Situation darstellt. § 249b Abs 2 Satz 3 AFG sieht vor, daß schon 1990 bezogene Leistungen, zB Alg, für die Zeit nach dem 31. Dezember 1990 neu festzusetzen sind (vgl auch Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 1 Buchst a Doppelbuchst ee der Anlage II des EinigVtr, BGBl II 1990, 889, 1209). Daß die Neufestsetzung häufig zu niedrigeren Leistungssätzen führen würde, regelmäßig zB bei Ehegatten mit der (für das Beitrittsgebiet neuen) Steuerklasse V, ist beim EinigVtr berücksichtigt worden. Zum Schutze der Leistungsempfänger ist daher bestimmt worden, daß eine Verminderung der Leistung ausgeschlossen ist (§ 249b Abs 2 Satz 5 AFG). Die Leistungen ab 1. Januar 1991 werden hiernach allgemein nach den für alle geltenden Vorschriften berechnet. Wer Leistungen schon für die Zeit vor dem 1. Januar 1991 zu beanspruchen hat, erhält den nach den §§ 111, 112 AFG-DDR zu berechnenden ggf höheren Betrag indes so lange, bis dieser Betrag von dem unter Zugrundelegung der für alle geltenden Vorschriften errechneten Betrag überschritten wird. Insoweit besteht Bestandsschutz. Dieser Bestandsschutz gilt nach § 249e Abs 3 AFG auch für das Alüg. LPG-Mitglieder, die vor dem 1. Januar 1991 Anspruch auf Alg oder Alüg erworben haben, erhalten zwar ihren bisherigen, auf der Grundlage des individuellen Nettoentgelts berechneten Leistungssatz weiter, müssen indes ebenfalls in Kauf nehmen, daß für die Bestimmung des nun an sich maßgebenden BemessungsentgeIts die vor dem 1. Januar 1991 erzielte lohnsteuerfreie Arbeitsvergütung ohne Sonderbehandlung zugrunde gelegt wird.

Für den Personenkreis des Klägers, dessen Bemessungszeitraum vor dem 1. Januar 1991 liegt, dessen Bezugszeitraum aber erst 1991 beginnt, ist dagegen ein vergleichbarer Bestandsschutz nicht vorgesehen. Vielmehr bestimmt § 249c Abs 10 Nr 1 AFG, daß bei der Anwendung des § 111 Abs 2 AFG, dh bei der Gestaltung der Leistungssätze, hinsichtlich der gewöhnlichen gesetzlichen Abzüge selbst solche Besonderheiten, die im Beitrittsgebiet noch gelten, nicht berücksichtigt werden. Diese Gesetzeslage und die Tatsache, daß der EinigVtr und die in seinen Anlagen enthaltenen Regelungen als Gesamtwerk geschaffen wurden und nicht nur das Sozialrecht, sondern, wie ausgeführt, auch das Lohnsteuerrecht geregelt worden ist, legen es nahe, daß der Gesetzgeber bei LPG-Mitgliedern, die erst nach dem 31. Dezember 1990 die Anspruchsvoraussetzungen für Alüg (oder Alg) erfüllen, bewußt nicht berücksichtigen wollte, daß das im Jahr 1990 erzielte Bemessungsentgelt keiner Lohnsteuer unterlag, die nun zur Anwendung kommenden Leistungssätze indes Steuerabzüge, ua für Lohnsteuer, berücksichtigen.

8. Der Gesetzgeber war auch nicht verpflichtet, im Hinblick auf die Gruppe der LPG-Mitglieder, für deren Bemessungsentgelt 1990 bezogene Arbeitsvergütungen maßgebend sind, eine besondere Regelung für Bezugszeiten nach dem 31. Dezember 1990 zu treffen.

Gegenteiliges läßt sich nicht aus dem EinigVtr ableiten. Allerdings ist nicht zu leugnen, daß der Kläger mit wöchentlich 191,40 DM nicht den Betrag von 70 vH des Nettoarbeitsentgelts (= 262,15 DM) erreicht, der in Art 30 Abs 2 Satz 2 EinigVtr genannt ist. Danach soll das Alüg 65 vH des „letzten durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelts” betragen zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 5 Prozentpunkten für die ersten 312 Tage bei Ansprüchen, die bis 1. April 1991 entstehen. Art 30 Abs 2 EinigVtr enthält insoweit indes keinen Rechtssatz, der auf unmittelbaren Vollzug angelegt ist, sondern eine Grundsatzbestimmung, in der die Leitvorstellung offen gelegt wird, nach der das Alüg zu gestalten ist. Eine derartige Grundsatzbestimmung bedarf der legislatorischen Umsetzung und Konkretisierung. Das ist durch § 249e AFG und die weiteren Änderungen und Ergänzungen des AFG erfolgt, die in den Anlagen I und II zum EinigVtr aufgeführt sind und mit ihm ein einheitliches Gesetzgebungswerk darstellen. Daß bezüglich der Höhe des Alüg die getroffene Regelung nicht hinter dem Programmsatz des Art 30 Abs 2 Satz 2 EinigVtr zurückbleibt, ergibt sich im übrigen aus Art 30 Abs 2 Satz 3 EinigVtr, wonach das Alüg von der BA „in Anlehnung an die Regelungen des Alg, insbesondere der Regelung des § 105c des AFG” gewährt wird. Nach dem AFG ist das Alg aber zu keinem Zeitpunkt in unmittelbarer Anknüpfung an ein konkretes durchschnittliches Nettoentgelt gewährt worden. Entsprechend wird in dem Entwurf eines Gesetzes zum EinigVtr zu Art 30 Abs 2 EinigVtr ausgeführt, daß das Alüg sich an die Regelungen des Alg anlehne und in Höhe von 65 vH des letzten durchschnittlichen pauschalierten Nettoarbeitsentgelts gezahlt werde (BT-Drucks 11/7760 S 370).

Auch der Zweck der Lohnersatzleistungen nach dem AFG begründet die Erforderlichkeit einer besonderen Regelung nicht. Allerdings darf nicht verkannt werden, daß das Alüg (und das Alg) nach dem geltenden Bemessungssystem nicht wie allgemein sonst nach Maßgabe der jeweiligen Nettolohnersatzquote den bisherigen Lebensstandard sichert, wenn die dem Bemessungsentgelt zugrunde zu legende Arbeitsvergütung wie in Fällen vorliegender Art lohnsteuerfrei gewesen ist. Im Falle des Klägers ist die Diskrepanz besonders groß, weil er der Lohnsteuerklasse V angehört. In dieser Steuerklasse ist der Steuerabzug sehr hoch, entsprechend ist der Leistungssatz für das Alüg niedrig (bei der günstigsten Steuerklasse III würde das Alüg immerhin 248,40 DM = 230,40 DM + 18,– DM betragen). Das geltende Bemessungssystem (vgl oben Ziffer 3) garantiert indessen nicht den bisherigen Lebensstandard in Höhe der Nettolohnersatzquote. Es ist vielmehr darauf ausgerichtet, in Höhe der Nettolohnersatzquote den Nettolohn zu ersetzen, den der ArbeitsIose während des Leistungsbezugs erzielen würde, hätte er Arbeit. Die Anknüpfung des Bemessungsentgelts an eine erzielte Arbeitsvergütung verfehlte dieses gesetzgeberische Ziel, wenn das Bemessungsentgelt nicht wiedergäbe, was der ArbeitsIose in etwa als Bruttolohn erzielen würde. Wenn nach dem Ausscheiden des Arbeitslosen aus einer bisherigen Beschäftigung die Arbeitslöhne angehoben werden, entsteht eine solche Gefahr. Das geltende System berücksichtigt dies, indem das für die Bemessung der Leistung maßgebende BemessungsentgeIt nach einer bestimmten Zeit angehoben wird (vgl § 112a AFG). Das kann dennoch zu Härten führen, insbesondere wenn der ArbeitsIose unmittelbar vor einer Lohnerhöhung ausgeschieden ist, wie das auch hier vom Kläger geltend gemacht worden ist; solche Härten sind indes hinzunehmen (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nrn 3 und 5). Die Anpassung des Bemessungsentgelts erfolgt auch nicht nach Maßgabe der Verhältnisse des Wirtschaftszweigs, dem der Arbeitslose angehört hat, sondern nach Lohnsteigerungen insgesamt, wobei allerdings der Anpassungssatz nicht nach den Verhältnissen im gesamten Bundesgebiet und bundeseinheitlich bestimmt wird. Nach der Übergangsregelung des § 249c Abs 13 AFG errechnet sich der Anpassungssatz bei Bemessungsentgelten, die – wie im Falle des Klägers – überwiegend auf Zeiten mit Arbeitsentgelten aus dem Beitrittsgebiet beruhen, aus der Veränderung der Bruttoarbeitsentgelte, die der jeweiligen Rentenanpassung in diesem Gebiet zugrunde liegen. Dem Kläger kommen daher die allgemeinen Lohnsteigerungen, die im Beitrittsgebiet erzielt werden, zugute, wenn auch jeweils erst mit zeitlicher Verzögerung, nicht dagegen außergewöhnliche Entwicklungen in der Landwirtschaft; wenn dort etwa mit Rücksicht auf den Wegfall der Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder trotz der im Vergleich hohen Erzeugerpreise die Löhne ab 1. Januar 1991 überdurchschnittlich gestiegen sein sollten, wirkt sich dies unmittelbar auf die Anpassung der Bemessungsentgelte arbeitslos gewordener LPG-Mitglieder nicht aus. Daß bei höheren allgemeinen Lohnsteigerungen, wie sie 1990 für das Beitrittsgebiet erwartet worden sind, eine raschere Anpassung erforderlich ist, damit Bemessungsentgelte und erzielbare Bruttolöhne in etwa übereinstimmen, hat das Gesetz bis 1993 einschließlich berücksichtigt. Denn nach § 249c Abs 13 Satz 2 AFG in der bis zum Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl I 944) geltenden Fassung verkürzt sich der Jahreszeitraum, den § 112a AFG für die Anpassung vorsieht, nach Maßgabe der Verkürzung des Jahresabstands der Rentenanpassung im Beitrittsgebiet. Da die Renten im Beitrittsgebiet bislang halbjährlich angepaßt worden sind, sind auch die der Alg- und Alüg-Bemessung zugrunde zu legenden Bemessungsentgelte 1991, 1992 und 1993 alle sechs Monate angepaßt worden, und zwar nicht unerheblich. Eine besondere Übergangsregelung für die Bemessungsentgelte der LPG-Mitglieder, die auf vor dem 1. Januar 1991 erzielten Arbeitsvergütungen beruhen, wäre nur erforderlich, wenn trotz der rascheren und merkbaren Steigerung der BemessungsentgeIte, die allerdings allen Arbeitslosen im Beitrittsgebiet zugute kommen, die jeweiligen Bemessungsentgelte prinzipiell ungeeignet wären, wiederzugeben, was jemand wie der Kläger verdienen würde, hätte er Arbeit. Für eine solche Annahme gibt es indes keine verläßliche Grundlage.

9. Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Rechtsauffassung stellt die Nichtberücksichtigung der früheren Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder beim Bemessungsentgelt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) dar.

Der Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Insbesondere soll ausgeschlossen werden, daß eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 84, 348, 359 mwN). Auch eine für alle Betroffenen gleiche Regelung verstößt gegen Art 3 Abs 1 GG, wenn sie für eine Personengruppe Unterschiede von solcher Art und Gewicht zur Folge hätte, daß ihr gegenüber die gleichartige Behandlung nicht zu rechtfertigen wäre (BVerfGE 72, 141, 150). Es kann hier offen bleiben, inwieweit die durch Art 4 Nr 5 EinigVtr eingefügte Regelung des Art 143 GG, wonach ua der Gleichheitsgrundsatz im Beitrittsgebiet für eine bestimmte Zeit nur eingeschränkt gilt, eingreifen könnte. Denn im vorliegenden Fall wird dieses Grundrecht nicht verletzt.

Alle arbeitslos gewordenen LPG-Mitglieder, für deren Bemessungsentgelte ab 1991 lohnsteuerfreie Arbeitsvergütungen aus dem Jahre 1990 maßgebend sind, würden im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern zu Unrecht gleichbehandelt, wenn ihre lohnsteuerfreien Arbeitsvergütungen auch unter Berücksichtigung der §§ 112a, 249c Abs 13 AFG und der Härten, die das Gesetz bei der Anpassung der Bemessungsentgelte den Arbeitslosen zumutet, im Ansatz nicht wiedergeben, was sie verdienen würden, hätten sie Arbeit. Für eine solche Annahme gibt es, wie schon erwähnt, keine verläßliche Grundlage, die den Gesetzgeber 1990 hätte veranlassen müssen, eine für diese Gruppe von LPG-Mitgliedern günstigere Bestimmung hinsichtlich der Bemessungsentgelte zu erlassen. Insofern kann auch dahingestellt bleiben, ob diese früheren LPG-Mitglieder außerdem im Vergleich zu den – im Verhältnis zu den Mitgliedern wenigen – Arbeitnehmern, die als Nichtmitglieder bei einer LPG beschäftigt waren, schlechter stehen, oder ob, wie die Beklagte meint, Genossenschaftsbauern wegen einer Doppelstellung als Genossenschaftsmitglied einerseits und abhängig Beschäftigter andererseits hinsichtlich ihrer Vergütung und steuerrechtlicher Situation zu Recht anders zu behandeln sind.

Allerdings wird der vom Kläger repräsentierte Personenkreis der arbeitslos gewordenen LPG-Mitglieder, deren Bemessungszeitraum vor dem 1. Januar 1991 liegt, deren Bezug aber erst nach dem 31. Dezember 1990 beginnt, schlechter behandelt als die Gruppe der arbeitslosen LPG-Bauern, deren Bezug schon 1990 begonnen hat. Deren Leistungen werden für die Zeit ab 1. Januar 1991 zwar auch neu berechnet. Sie genießen nach § 249b Abs 2 Satz 5 AFG jedoch insoweit Bestandsschutz, als eine Verminderung der bisherigen Leistung ausgeschlossen ist.

Für diesen sich aus den gesetzlichen Vorschriften ergebenden Unterschied gibt es indessen hinreichende sachliche Gründe. Dabei ist zu beachten, daß die gesamte Regelung des EinigVtr vor dem Hintergrund der erforderlichen Angleichung von zwei völlig unterschiedlichen Rechts- und Wirtschaftssystemen entwickelt werden mußte und die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers insoweit groß sein mußte (vgl BVerfGE 85, 360, 377; BSG Urteil vom 27. Januar 1993 – 4 RA 40/92 –, Urteil vom 10. August 1993 – 9 RV 4/93 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Insbesondere die hier angesprochenen Steuersysteme der Bundesrepublik und der DDR waren völlig unterschiedlich. Unterschiedliche Lohnsteuerklassen und ihr Ausweis in Steuerkarten hat es in der DDR nicht gegeben. Das Bemessungssystem des § 111 Abs 1 AFG konnte deshalb erst ab 1. Januar 1991 mit der Einführung von Lohnsteuerklassen und Steuerkarten im Beitrittsgebiet Anwendung finden. Die Weitergeltung des § 111 AFG-DDR bis zum 31. Dezember 1990 war daher unabweisbar. Vor diesem Hintergrund ist es sachlich gerechtfertigt, daß der Gesetzgeber bisherigen Leistungsempfängern im Rahmen der Übergangsregelung des § 249b Abs 2 AFG Bestandsschutz für eine bisherige höhere Leistung gewährte, während die Leistungen für nach dem 31. Dezember 1990 hinzutretende Leistungsempfänger ausschließlich nach bundeseinheitlichem neuen Recht bemessen wurden.

Daß diese Stichtagsregelung für die vom Kläger repräsentierte Gruppe von Arbeitslosen im Vergleich zu den arbeitslosen LPG-Mitgliedern mit Bestandsschutz wie zu anderen Arbeitslosen, deren 1990 erzielte Bemessungsentgelte nicht steuerfrei waren, eine Härte mit sich bringt, macht sie nicht ohne weiteres verfassungswidrig. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) liegt es im Rahmen des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers zu bestimmen, welche Sachverhaltselemente für die Gleich- bzw Ungleichbehandlung entscheidend sind, und in diesem Zusammenhang auch eine zeitliche Fixierung, die gewisse Härten mit sich bringen kann, festzuschreiben. Dabei ist nicht zu beurteilen, ob der Gesetzgeber im einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfGE 50, 57, 77 mwN). Sein Spielraum endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte evidentermaßen nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten sachgerechten Betrachtungsweise vereinbar ist (BVerfGE 55, 114, 128; 71, 255, 271) oder die Stichtagsregelung und die damit zwangsläufig verbundenen Härten sachlich nicht vertretbar bzw ohne Schwierigkeit vermeidbar gewesen wären (BVerfGE 63, 119, 128; 80, 297, 311 mwN). Letzteres ist hier nicht der Fall. Denn die gesetzliche Anknüpfung an die Einführung der Lohnsteuerklassen usw im Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1991 ist nicht willkürlich, sondern erklärt sich aus der dargestellten Übergangssituation.

Anerkannt ist weiter, daß der Gesetzgeber, um den praktischen Bedürfnissen einer Massenverwaltung gerecht zu werden, verwaltungsvereinfachende, typisierende und generalisierende leistungsrechtliche Normen im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit erlassen darf. Soweit dabei bei einzelnen Sachverhaltsvarianten Nachteile bei Betroffenen auftreten, sind diese grundsätzlich als notwendige Begleitumstände von derart typisierenden gesetzlichen Regelungen hinzunehmen, es sei denn, in nicht nur wenigen besonders gelagerten Fällen entstünden deutliche Ungleichheiten iS des Art 3 GG (BVerfGE 63, 119, 128; 84, 348, 359 f). Gerade bei den hier in Rede stehenden Leistungen handelt es sich um solche, die von der BA in einer Vielzahl von Fällen zu erbringen sind, und die, um ihre existenzsichernde Wirkung zu erhalten, besonders zügig abgewickelt werden müssen. Insoweit trägt die gesetzliche Regelung, die ab 1. Januar 1991 für die in bezug auf die der Leistung zugrunde zu legende 1990 erzielte Bruttoarbeitsvergütung nicht unterscheidet, ob die Vergütung der Lohnsteuer unterIag, den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung. Den Arbeitsämtern hätte nämlich sonst aufgegeben werden müssen, bei im ersten Vierteljahr 1991 arbeitslos gewordenen LPG-Mitgliedern entweder das erzielte Arbeitsentgelt „aufzustocken”, was – wegen des gleichzeitig anzuhebenden Sozialversicherungsbeitrags – kein ganz einfacher Vorgang ist, oder in jedem Einzelfalle das tarifliche oder ortsübliche Arbeitsentgelt der Beschäftigung festzustellen, für die der ArbeitsIose künftig in Betracht kommt (vgl § 112 Abs 7 AFG). Das hätte die Arbeitsämter im Beitrittsgebiet, die sowieso schon mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, zweifellos überfordert. Das gilt erst recht, wenn aus Gründen der Gleichbehandlung ein solches Verfahren auf alle 1990 arbeitslos gewordenen LPG-Mitglieder erstreckt worden wäre, die auch nach dem 31. Dezember 1990 Leistungen bezogen. Daß die Vernachlässigung der bisherigen Lohnsteuerfreiheit beim Bemessungsentgelt im Falle des Klägers und nicht nur in seinem Fall, sondern bei einer zahlenmäßig zwar nicht näher bekannten, aber größenordnungsmäßig wohl nicht zu vernachlässigenden Gruppe von Leistungsbeziehern, zu einer Schlechterstellung führt, muß daher hingenommen werden. Dabei ist auch zu beachten, daß die Berücksichtigung der Steuerfreiheit der LPG-Mitglieder über den 1. Januar 1991 hinaus die Fortschreibung einer dem Recht des AFG fremden Begünstigung bedeuten würde, und die Nichtberücksichtigung der Steuervergünstigung in der Vergangenheit durch die sogenannte Dynamisierungsregelung des § 112a AFG iVm § 249c Abs 13 AFG teilweise ausgeglichen wird, es sich also nicht um eine auf Dauer unveränderte Benachteiligung handelt.

10. Nach alledem ist festzustellen, daß das Alüg des Klägers bis zu der nach §§ 249e Abs 3, 112a, 249c Abs 13 AFG vorzunehmenden Anpassung des Bemessungsentgelts nach einem Bemessungsentgelt von 460,– DM zu berechnen war. Daraus folgt, daß die Klage auf höheres Alüg für die Zeit bis zum 30. Juni 1991 unbegründet ist.

Auch für die Zeit nach dem 30. Juni 1991 steht dem Kläger, soweit der Senat dies nachzuprüfen hat, nicht mehr Alüg zu, als ihm bewilligt worden ist.

Nach §§ 249e Abs 3, 112a, 249c Abs 13 AFG war das Arbeitsentgelt nach Ablauf von sechs Monaten seit dem Ende des Bemessungszeitraums (31. Dezember 1990), dh mit Wirkung vom 1. Juli 1991 anzupassen. Maßgebend für die Anpassung war der Vomhundertsatz der Veränderung der Bruttoarbeitsentgelte im Beitrittsgebiet, die der letzten Rentenanpassung daher zugrunde lagen. Der Anpassungssatz, der der 1. Rentenanpassungsverordnung vom 14. Dezember 1990 (BGBl I 2867) zugrunde lag, betrug 17,2 vH (vgl Dienstblatt-Runderlaß 13/91 vom 17. Januar 1991). Dieser Anpassungssatz ergibt ein (gerundetes) Arbeitsentgelt von 540,– DM. Nach der AFG-Leistungsverordnung 1991 beträgt der Leistungssatz demnach 203,40 DM, der zusammen mit dem Erhöhungsbetrag von 13,80 DM 217,20 DM ausmacht. Die Bewilligung von 217,20 DM ab 1. Juli 1991 durch den Bescheid vom 10. Juli 1991 ist daher nicht zu beanstanden.

Nach weiteren sechs Monaten betrug der Anpassungssatz 21,6357 vH (AFG-Anpassungsverordnung vom 23. August 1991, BGBl I 1836). Hiernach erhöhte sich das Arbeitsentgelt von 540,– DM auf 660,– DM. Für dieses Arbeitsentgelt sieht die seit dem 1. Januar 1992 geltende AFG-Leistungsverordnung 1992 vom 19. Dezember 1991 (BGBl I 2239) für das Unterhaltsgeld nach § 44 Abs 2 Nr 2 AFG in der Leistungsgruppe D (Lohnsteuerklasse V) einen Leistungssatz von 237,– DM vor. Zusammen mit dem Erhöhungsbetrag von 13,80 DM standen dem Kläger ab 1. Januar 1992 mithin 250,80 DM zu, die er durch den Bescheid vom 8. Januar 1992 auch erhalten hat.

Allerdings entfiel nach dem 13. Januar 1992 der Erhöhungsbetrag, weil dieser nur für die ersten 312 (Werk-)Tage (= 52 Wochen) gezahlt wird; nach dem am 15. Januar 1990 begonnenen Bezug waren die 52 Wochen mit dem 13. Januar 1992 abgelaufen. Dem Kläger standen daher von Gesetzes wegen ab 14. Januar 1992 nur noch 237,– DM zu. Daß das ArbA dem Kläger tatsächlich durch den Bescheid vom 23. Januar 1992 238,80 DM wöchentlich belassen hat, verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Ob das ArbA, wie geschehen, die Bewilligung rückwirkend zum 14. Januar 1992 herabsetzen durfte, ist nicht mehr zu prüfen, nachdem die Beklagte dem Kläger für die Zeit bis zum vermuteten Empfang des Herabsetzungsbescheids klaglos gestellt hat.

Die weiteren, nach der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor dem BezirksG am 13. Februar 1992 ergangenen Bescheide über das Alüg hat der Senat nicht zu überprüfen. Sie sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, sondern gelten als mit der Klage beim Gericht erster Instanz angefochten (§ 171 Abs 2 SGG), dh nach Maßgabe der §§ 1, 11 Abs 1 und 2 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des SGG vom 16. August 1993 (ThGVBl 1993, 489) inzwischen beim Sozialgericht Altenburg. Insoweit wird darauf aufmerksam gemacht, daß dem vom Kläger vorgelegten Änderungsbescheid des ArbA Jena vom 5. Januar 1993 wohl nicht der zutreffende Anpassungssatz zugrunde liegt.

Nach alledem war das klagabweisende Urteil des KreisG wieder herzustellen und die Klage gegen die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide abzuweisen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Verfahrensweise der Beklagten – ohne daß sich dies für den Kläger leistungsrechtlich auswirkt – insoweit rechtlichen Bedenken unterliegt, als sie das Alüg nur für eine vorläufige Anspruchsdauer von 312 Tagen bewilligt hat. Für eine vorläufige Leistungsgewährung findet sich im Gesetz keine rechtliche Grundlage (vgl § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch). Auch beträgt nach § 249e Abs 3 Nr 1 AFG die Dauer des Anspruchs auf Alüg nicht 312, sondern 936 Tage. Daß in § 249e Abs 3 Nr 2 AFG für Ansprüche, die vor dem 1. April 1991 entstanden sind, ein Zuschlag in Höhe von 5 Prozentpunkten für 312 Tage vorgesehen ist, kann eine derartige Bewilligungsweise ebensowenig rechtfertigen wie die Erstattungsregelung in § 249a Abs 10 AFG, Art 30 Abs 2 Satz 5 EinigVtr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172853

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