Leitsatz (amtlich)

1. "Entstandene Kosten" im Sinne des BVG § 20 sind auch die Kosten für eine vertrauensärztliche Stellungnahme ohne körperliche Untersuchung.

2. Versorgungsbehörde und Krankenkasse sind durch das Gesetz nicht gehindert, zur Erleichterung der Durchführung des Kostenersatzes für den Einzelfall Pauschbeträge zu vereinbaren. Vergleiche BSG 1963-12-10 9 RV 502/62 = BSGE 20, 182.

 

Normenkette

BVG § 20 Fassung: 1953-08-07

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 1960 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. März 1960 wird unter Aufhebung der in diesem Urteil getroffenen Kostenentscheidung zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Die ehemalige Krankenversicherungsanstalt Berlin (KVAB), deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, und das Landesversorgungsamt Berlin vereinbarten am 25. April 1953 zur Regelung der in § 20 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vorgesehenen Kostenerstattung, daß bis zum Zeitpunkt einer einheitlichen Regelung durch Erlaß des Bundesarbeitsministers für eine vertrauensärztliche Untersuchung die Gebühr von DM 5,- und für eine aktenmäßige vertrauensärztliche Stellungnahme ohne körperliche Untersuchung die Gebühr von DM 2,50 berechnet werden kann. Bis Ende September 1956 wurde nach dieser Regelung verfahren. Für die Zeit danach lehnte der Beklagte die Erstattung der Gebühren für vertrauensärztliche Stellungnahmen ab und behielt sich die Rückforderung der hierfür gezahlten Beträge vor. Zur Begründung verwies er auf ein Schreiben des Bundesrechnungshofes vom 17. Juli 1956. Darin war die Kostenerstattung für aktenmäßige vertrauensärztliche Stellungnahmen beanstandet worden, weil § 20 BVG eine derartige Erstattung nicht vorsehe, nach den Verwaltungsvorschriften (VV) eine besondere Kostenerstattung nur für vertrauensärztliche Untersuchungen stattfinde und die vertrauensärztlichen Stellungnahmen durch den pauschalen Verwaltungskostenersatz abgegolten würden. Die KVAB brachte nun ab 1. Oktober 1956 die Gebühren für vertrauensärztliche Stellungnahmen bei ihren Vierteljahresabrechnungen nicht mehr in Ansatz, behielt sich jedoch den Erstattungsanspruch ausdrücklich vor und lehnte die Rückerstattung der ihr bis zum 30. September 1956 gezahlten Gebühren dieser Art ab. Der Beklagte rechnete nunmehr mit dem Anspruch auf Rückerstattung der vom 1. April 1952 bis 30. September 1956 gezahlten Gebühren für vertrauensärztliche Stellungnahmen und der darauf entfallenden Verwaltungskostenanteile gegen unstreitige Erstattungsforderungen der Klägerin aus § 20 BVG in Höhe von 39371,43 DM auf und lehnte die Aufforderung der Klägerin, diesen Betrag zu zahlen, ab.

Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten am 10. März 1960 antragsgemäß, der Klägerin 39371,43 DM zu zahlen und ihr die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Entscheidend sei, ob der Klägerin durch aktenmäßige vertrauensärztliche Stellungnahmen effektive Kosten entstanden seien. Das treffe zu, denn die Klägerin müsse Kosten für das Personal des vertrauensärztlichen Dienstes aufwenden, die ihr ohne die nach dem BVG von ihr durchzuführenden Aufgaben nicht entstehen würden. Der Wortlaut der VV Nr. 2 zu § 20 BVG: "Kostenersatz für vertrauensärztliche Untersuchung" schließe auch die rein aktenmäßige Begutachtung ein. Auf die Frage, ob die Vereinbarung vom 25. April 1953 einen selbständigen Verpflichtungsgrund enthalte, komme es nicht mehr an.

Nach Beiladung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung hob das Landessozialgericht (LSG), auf die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 19. Oktober 1960 das Urteil des SG auf, wies die Klage ab und ließ die Revision zu. Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung sei in entsprechender Anwendung der §§ 387 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als wirksam anzusehen, da es sich um gleichartige und fällige Forderungen handle. Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Auslagen für vertrauensärztliche Stellungnahmen ergebe sich weder aus § 20 BVG noch aus der Vereinbarung vom 25. April 1953. Nach der VV Nr. 2 Satz 1 zu § 20 BVG umfasse der Kostenersatz u.a. die Ausgaben für vertrauensärztliche Untersuchungen. Außerdem werde nach Nr. 5 Abs. 3 der VV zu dem Verwaltungskostenanteil zwecks Abgeltung besonderer Verwaltungsaufwendungen ein Zuschlag von 10 bzw. 20 vom Hundert (v.H.) gewährt, sofern die Krankenkasse hierfür mehr als einen Angestellten voll beschäftige. Eine gesonderte Honorierung finde also nur bei vertrauensärztlichen Untersuchungen als Teil der Heilbehandlung statt, was auch schon zur Zeit der Geltung des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) rechtens gewesen sei (Kommentar der Reichsversorgungsbeamten zum RVG; 2. Auflage Anm. 20 zu §§ 14, 15). Aktenmäßige vertrauensärztliche Stellungnahmen würden durch den besonderen Zuschlag zu dem Verwaltungskostenanteil von 10 bzw. 20 v.H. mit abgegolten. Die Vereinbarung vom 25. April 1953 entscheide als Rechtsgrund für die Erstattung der Kosten vertrauensärztlicher Stellungnahmen ebenfalls aus. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag sei sie in besonderem Maße der clausula rebus sie stantibus unterworfen. Wegen des Rundschreibens des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. November 1958, in dem mit für den Beklagten bindender Wirkung ausgesprochen worden sei, daß Kostenersatz für vertrauensärztliche Stellungnahmen von den Krankenkassen nicht gefordert werden dürfe, sei der Beklagte an die Vereinbarung vom 25. April 1953 nicht mehr gebunden; auch könne er deshalb die geleisteten Zahlungen zurückfordern.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 20 BVG, der Bereicherungsvorschriften sowie der Rechtsgrundsätze über Treu und Glauben (§ 242 BGB) und über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Das LSG habe nicht geprüft, ob der Beklagte wegen des zur Aufrechnung gebrachten Betrages überhaupt ein Rückforderungsrecht habe. Da insoweit eine gesetzliche Regelung fehle, hätte auf das Rechtsinstitut der ungerechtfertigten Bereicherung zurückgegriffen und auch geprüft werden müssen, ob der Beklagte nach Treu und Glauben für die Zeit von 1952 bis 1956 geleistete Zahlungen im Jahre 1959 noch zurückfordern könne, obwohl er die ihnen zugrunde liegenden Ansprüche selbst geprüft, erfüllt und damit anerkannt habe. Diese vom LSG unterlassene Prüfung hätte ergeben, daß dem Beklagten ein Rückforderungsrecht als Voraussetzung rechtswirksamer Aufrechnung nicht zustand. Der Beklagte habe die nunmehr zurückgeforderten Zahlungen auch nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Selbst wenn man nämlich davon ausgehe, daß die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung vom 25. April 1953, den das LSG zutreffend als öffentlich-rechtlichen Vertrag angesehen habe, durch das Rundschreiben des BMA vom 21. November 1958 beseitigt worden sei, so könne dies nur ein Festhalten am Vertrage für die Zukunft als unzumutbar erscheinen lassen, nicht aber seine Unwirksamkeit von Anfang an zur Folge haben. Im übrigen rechtfertige § 20 BVG den Ersatzanspruch der Klägerin auch hinsichtlich der Kosten für vertrauensärztliche Begutachtungen, die ohne körperliche Untersuchung abgegeben würden. Aus Art. 120 Abs. 1 GG, der bestimme, daß die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten vom Bund zu tragen seien, ergebe sich, daß § 20 BVG den vollen Ausgleich der Aufwendungen der Krankenkassen und der Verwaltungskosten für nichtversicherte Anspruchsberechtigte vorsehe. Diese Regelung des Kostenersatzes könne durch VV nicht auf die Kosten der mit körperlicher Untersuchung verbundenen vertrauensärztlichen Begutachtungen beschränkt werden. Die Begutachtungen mit bzw. ohne körperliche Untersuchung seien gleichermaßen als medizinisch-gutachtliche Stellungnahmen eines unabhängigen Vertrauensarztes, nicht aber als Verwaltungstätigkeit anzusehen, deshalb nicht unterschiedlich zu beurteilen und keinesfalls durch die Zahlung des Verwaltungskostenanteils oder des Zuschlags hierzu abgegolten, zumal die Kosten für den vertrauensärztlichen Dienst bei der Beklagten nicht als Verwaltungskosten, sondern als Leistungsaufwand verbucht würden. Infolgedessen betrage z. B. der Vomhundertsatz, der der Ermittlung des Verwaltungskostenanteils für 1958 zugrundegelegt worden sei, nicht 9,06 v.H., sondern nur 7,68 v.H.. Der für die Betreuung der Berechtigten nach dem BVG erheblich größere Verwaltungsaufwand werde durch den Verwaltungskostenanteil der Beklagten ohnedies bei weitem nicht gedeckt. Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sein Anspruch ergebe sich nicht aus den zivilrechtlichen Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung, sondern aus dem Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen Erstattung. Auf die der Klägerin gezahlten Gebühren von 2,50 DM für jede vertrauensärztliche Stellungnahme habe diese nach § 20 BVG keinen Anspruch. Wenn die Klägerin keinen Arzt beschäftige, sondern derartige Stellungnahmen durch den sehr kostspieligen vertrauensärztlichen Dienst anfertigen lasse, so riskiere sie, diese Kosten weder über den gesonderten Kostenersatz noch über den Vomhundertsatz bei der Berechnung des Verwaltungskostenanteils ersetzt zu bekommen. Wenn eine körperliche Untersuchung entbehrlich sei, bedürfe es gar nicht der Inanspruchnahme des Vertrauensärztlichen Dienstes. Die Kosten für vertrauensärztliche Stellungnahmen ohne körperliche Untersuchung seien deshalb nicht Heilbehandlungs- sondern Verwaltungskosten und könnten daher-übereinstimmend mit Nr. 2 Abs. 1 der VV zu § 20 BVG und dem angefochtenen Urteil - nicht gesondert honoriert werden. Auch die Vereinbarung vom 25. April 1953, bei der es sich um keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag handele, begründe den Anspruch nicht, denn ein von der Rechtslage unabhängiger Verpflichtungswille des Beklagten oder ein Anerkenntnis könne hieraus oder aus den geleisteten Zahlungen nicht entnommen werden, da es sich nur um eine unverbindliche und vorläufige Arbeitsgrundlage gehandelt habe, in der die Zahlungen bis zu einer Regelung des Kostenersatzes durch den BMA vorerst festgelegt werden sollten, um sodann ausgeglichen zu werden. Wolle man in der genannten Vereinbarung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag sehen, dann handle es sich um einen Vergleich, der nach dem entsprechend anzuwendenden § 779 BGB zu beurteilen und als unwirksam anzusehen sei, weil die Frage, ob dem Grunde nach Kostenersatz für bloße vertrauensärztliche Stellungnahmen zu leisten war, nicht Gegenstand der Vereinbarung, sondern deren Grundlage gewesen sei. Es habe also die nach § 779 BGB erforderliche Unsicherheit nicht bestanden, so daß sich der Beklagte rückwirkend von der Bindung an die Vereinbarung lösen könne. Ein Verwaltungsakt, an den der Beklagte gebunden sei, könne in den geleisteten Zahlungen nicht erblickt werden, weil die Versorgungsverwaltung gegenüber der Krankenkasse keine hoheitlichen Befugnisse habe. Ebensowenig liege ein abstraktes Schuldanerkenntnis vor; schließlich sei in der Abrechnung auch kein Verzicht auf die Rückforderung zu erblicken, zumal alle Zahlungen des Beklagten an die Klägerin unter dem Vorbehalt des späteren Ausgleichs stünden. Der Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt oder verwirkt.

Die Beigeladene beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, die Klägerin könne den gesonderten Kostenersatz nur verlangen, wenn die vertrauensärztlichen Stellungnahmen Heilbehandlungskosten darstellten. Dies sei nicht der Fall; somit könne es sich nur um Verwaltungskosten handeln. Entgegen der Auffassung des LSG habe es zu § 15 RVG Ausführungsbestimmungen gegeben (Handbuch der Reichsversorgung S. 82). Ein gesonderter Einzelersatz für die Kosten vertrauensärztlicher Untersuchungen sei darin jedoch nicht vorgesehen gewesen. Aus dem Kommentar der Reichsversorgungsbeamten zum RVG (Anm. 20 zu §§ 14, 15) könne nicht hergeleitet werden, daß schon nach dem RVG vertrauensärztliche Untersuchungen als Teil der Heilbehandlung angesehen worden seien, denn diese Stelle beziehe sich auf die damaligen ganz anderen Verhältnisse. Damals sei es den Krankenkassen freigestellt gewesen, entweder der pauschalen Abrechnung ihrer Verwaltungskosten zuzustimmen oder ihre Verwaltungskosten für Zugeteilte durch Nachweis der einzelnen Ausgaben anzufordern. Außerdem zahlten die Krankenkassen heute keine Gebühren mehr an die Vertrauensärzte, sondern erstatteten die den LVAen entstehenden Kosten im Umlageverfahren oder auf andere Weise.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und daher zulässig. Sie ist auch sachlich begründet.

Die von der Klägerin geltend gemachte Forderung ist unter den Beteiligten unstreitig, da in ihr Kosten für vertrauensärztliche Stellungnahmen ohne körperliche Untersuchung nicht enthalten sind. Streitig ist nur, ob der Beklagte die an die Klägerin gezahlten Beträge für vertrauensärztliche Stellungnahmen ohne körperliche Untersuchung zurückfordern kann. Zu Unrecht gezahlt hätte der Beklagte die genannten Beträge, wenn er der Klägerin die Kosten der vertrauensärztlichen Stellungnahmen ohne körperliche Untersuchung weder nach § 20 BVG noch aus einem sonstigen Rechtsgrund zu ersetzen hatte. Das trifft jedoch nicht zu.

Die Ersatzpflicht des Beklagten ergibt sich schon aus § 20 BVG. Nach dieser Bestimmung werden den Krankenkassen, soweit sie nur nach dem BVG verpflichtet sind, Heilbehandlung einschließlich Heilanstaltpflege und Hauspflege sowie Krankengeld und Hausgeld zu gewähren (§ 20 BVG aF) bzw. Heilbehandlung und Krankenbehandlung durchzuführen (§ 20 BVG nF), die ihnen entstandenen Kosten und der entsprechende Anteil an den Verwaltungskosten ersetzt. Der Gesetzeswortlaut: "Soweit die Krankenkassen nur nach den Vorschriften dieses Gesetzes verpflichtet sind, Heilbehandlung" usw. zu gewähren bzw. durchzuführen, grenzt den für § 20 BVG in Betracht kommenden Personenkreis aus der Gesamtheit der Leistungsempfänger der Krankenkassen ab und bestimmt, daß den Krankenkassen die ihnen insoweit entstandenen Kosten "und" der entsprechende Anteil an den Verwaltungskosten ersetzt werden. Dagegen werden mit diesen Worten nicht die neben dem Anteil an den Verwaltungskosten zu ersetzenden Kosten, etwa als "die bei Durchführung der Heilbehandlung und Krankenbehandlung entstandenen Kosten" näher umschrieben. Davon, daß auch letzteres Inhalt der gesetzlichen Regelung sei, wovon die VV Nr. 4 zu § 20 BVG in der Fassung vom 14. August 1961 (BAnz. Nr. 161 v. 23.8.1961) auszugehen scheinen, vermag sich der erkennende Senat nicht zu überzeugen. Der fragliche Wortlaut regelt allein und gleichermaßen die notwendigen Voraussetzungen für beide Erstattungsarten (entstandene Kosten und Verwaltungskostenanteil); er bestimmt, daß für beide Erstattungsarten der Ersatzanspruch überhaupt nur gegeben ist, wenn und "soweit" die Krankenkasse allein nach dem BVG verpflichtet war, Heilbehandlung, Krankengeld usw. zu gewähren. Hätte der Gesetzgeber etwas anderes bestimmen wollen, so hätte § 20 BVG insoweit etwa lauten müssen: "... werden ihnen die entstandenen Kosten ersetzt, soweit sie durch Heilbehandlung entstanden sind; die übrigen Kosten werden mit dem Verwaltungskostenanteil abgegolten" (vgl. hierzu im einzelnen das Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1963 - 9 RV 502/62 -). Gegen die Annahme, daß nur die Kosten für Heil- und Krankenbehandlung im engeren Sinne voll zu erstatten seien, spricht überdies auch Art. 120 Abs. 1 GG. Nach dieser den Gesetzgeber bindenden Verfassungsnorm trägt der Bund die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes (vgl. dazu auch Art. 74 Nr. 10 GG). Zu den inneren Kriegsfolgelasten gehört auch die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, die nicht nur die eigentlichen Versorgungsleistungen, sondern auch die zur Durchführung der Versorgung aufzuwendenden Ausgaben (vgl. Art. 120 Abs. 2 GG) umfaßt. Zu Ausgaben dieser Art zählen u.a. die Kosten, die durch die notwendige Feststellung entstehen, wem Versorgung zusteht und welche Leistungen im Einzelfall zu erbringen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 16. Juni 1959 (BVerfGE 9, 305) entschieden, daß der Bund hinsichtlich der inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nicht etwa nach Belieben verfahren könne, sondern an den Begriff der Kriegsfolgelasten als einen hinreichend bestimmten Rechtsbegriff gebunden sei (aaO S. 323 ff, 329). Gehört sonach die Versorgung in diesem Sinne zu den nach Art. 120 Abs. 1 GG vom Bund zu tragenden inneren Kriegsfolgelasten, so kann um so weniger aus § 20 BVG hinsichtlich der allein nach dem BVG anspruchsberechtigten Personen gefolgert werden, die den Krankenkassen bei Durchführung der ihnen übertragenen Heil- und Krankenbehandlung entstandenen Kosten seien nur in Höhe der reinen Heil- und Krankenbehandlungskosten zu ersetzen, denn dadurch würden die übrigen Kosten unter Verstoß gegen Art. 120 Abs. 1 GG vom Bund abgewälzt (vgl. BVerfG 9, 318). In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der Grundsatz des Art. 120 Abs. 1 GG Ausnahmen zuläßt und ob andere Rechtsträger als Bund und Länder sich zu ihren Gunsten auf diese Vorschrift berufen können (vgl. Urteil des BVerfG vom 24. Juli 1962 - NJW 1962, 2003; SGb 1962, 301 -). Wenn hier in den Gründen ausgeführt ist, daß diese Vorschrift ausschließlich die finanzwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bund und Ländern regele und der Bund verfassungsrechtlich nicht gehindert sei, den öffentlich-rechtlichen Körperschaften Kriegsfolgelasten aufzuerlegen (a.A. Weber in "Deutsche Rentenversicherung 1963, 149 ff und Rösener in NJW 1962, 1995 ff), so muß doch der Grundsatz des Art. 120 Abs. 1 GG bei der Auslegung von Gesetzen herangezogen werden, solange eine diesem Grundsatz einschränkende bundesgesetzliche Regelung nicht erfolgt ist. Der Bund hat in § 20 BVG den gesetzlichen Krankenkassen keine Kriegsfolgelasten auferlegt, sondern im Gegenteil den Grundsatz des Art. 120 Abs. 1 GG, wonach er die inneren und äußeren Kriegsfolgelasten trägt, verwirklicht. Den Krankenkassen sind daher die Kosten zu ersetzen, die ihnen bei Durchführung der nach § 14 Abs. 2 BVG übertragenen Aufgaben der Heil- und Krankenbehandlung entstanden sind. "Entstandene Kosten" i.S. dieser Vorschrift sind alle Kosten, die der Krankenkasse im Zusammenhang mit der Krankenbehandlung des Versorgungsberechtigten erwachsen sind und die der Versorgungsbehörde als solche nachgewiesen werden können. "Verwaltungskosten" sind andererseits alle Kosten, die die Krankenkasse im einzelnen Behandlungsfall nicht gesondert aufzubringen hatte und die demgemäß auch nicht gesondert nachgewiesen werden können. Daher ist hier auch nur die Erstattung eines pauschalierten Anteils vorgesehen und im Einklang mit dem richtig verstandenen Sinn der Ersatzregelung des § 20 BVG in den VV Nr. 5 Abs. 1 v.9.8.1956 und 3.9.1958 bestimmt worden, daß für den Verwaltungskostenanteil die Gesamtausgaben der Krankenkasse zugrundezulegen sind und daß "das gezahlte Versorgungskrankengeld und -hausgeld sowie alle anderen für Zugeteilte und Ausgesteuerte verauslagten Kosten ... nicht zu den Gesamtausgaben gehören" (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 10. Dezember 1963 - 9 RV 502/62 -). Nur mit Rücksicht darauf, daß insoweit eine ständige gesonderte Kostenberechnung praktisch undurchführbar wäre, ist deshalb in § 20 BVG bzw. den VV hierzu ein anteilmäßiger Ersatz dieser Kosten vorgesehen. Das Prinzip des vollen Kostenersatzes bleibt dabei aber gewahrt, denn der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, daß auf diese Weise auch der Verwaltungsaufwand angemessen vergütet wird.

Eine ähnliche Regelung haben die Klägerin und der Beklagte in der Vereinbarung vom 25. April 1953 getroffen. Bei den Kosten für vertrauensärztliche Stellungnahmen ohne körperliche Untersuchung handelt es sich nach den Feststellungen des LSG nicht um eigene Verwaltungskosten der Klägerin. Das LSG hat hierzu festgestellt, daß der vertrauensärztliche Dienst eine von der Kasse gesonderte Institution ist und daß die Kosten hierfür als "Leistungsaufwand der Krankenkasse" gebucht werden. Hiergegen hat die Revision innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine Einwendungen erhoben. Von diesen tatsächlichen Feststellungen hatte der Senat somit bei seiner Entscheidung auszugehen (§ 163 SGG). Dabei ist es unerheblich, ob die Krankenkasse die Kosten durch Entrichtung von Gebühren oder "auf andere Weise" etwa im Umlageverfahren zu erstatten hat oder trägt. Wenn der Beklagte in der Revisionserwiderung vorträgt, in den hier streitigen, ohne Untersuchung begutachteten Fällen hätte es gar nicht der Inanspruchnahme des Vertrauensärztlichen Dienstes bedurft, so war hierauf nicht näher einzugehen, da das LSG festgestellt hat, diese Stellungnahmen dienten als Unterlage für den Nachweis der Notwendigkeit der Heilbehandlung, die die Klägerin gegenüber dem Beklagten zu ihrer Deckung benötigt. Da der Beklagte selbst keine Revision eingelegt hat, kann er diese tatsächlichen Feststellungen nicht angreifen. Es bedarf somit keiner weiteren Ausführungen über die Bedeutung des § 369 b RVO, der die Krankenkasse verpflichtet, die Verordnung von Versicherungsleistungen usw. durch einen Vertrauensarzt rechtzeitig nachprüfen zu lassen. Nach Wortlaut und Sinn des § 20 BVG sind die hierdurch der Krankenkasse entstehenden Kosten, soweit sie auf Personen entfallen, die nach dem BVG Anspruch auf Heil- und Krankenbehandlung haben, zu setzen. Das gleiche würde auch gelten, wenn die Klägerin - abweichend von der sonst bestehenden Regelung - einen eigenen vertrauensärztlichen Dienst unterhalten würde und daher die Kosten nicht an eine andere Institution zu "erstatten" hätte. Denn auch dann würde es sich, da die Kosten für den vertrauensärztlichen Dienst gesondert behandelt und gebucht werden und sie daher der Versorgungsbehörde für den Einzelfall gesondert nach gewiesen werden können, um zu erstattende Kosten handeln.

Die Abrechnung der zu erstattenden Kosten könnte im Wege des Kostennachweises im Einzelfall erfolgen; das Gesetz verlangt einen solchen Nachweis aber nicht ausdrücklich und läßt deshalb auch andere Berechnungsmöglichkeiten zu. Da der Kostennachweis für den vertrauensärztlichen Dienst im Einzelfall der Klägerin und auch dem Beklagten einen beträchtlichen und u.U. vermeidbaren Verwaltungsaufwand verursachen würde und § 20 BVG zwingend nur den Kostenersatz, nicht aber auch die Art seiner Durchführung vorschreibt, sind die Krankenkassen einerseits und die Versorgungsverwaltung andererseits durch das Gesetz nicht gehindert, Vereinbarungen zu treffen, die dem Grundsatz der Kostenerstattung entsprechen und nur seine erleichterte Durchführung in Form von Pauschbeträgen für den Einzelfall bezwecken. Auch die VV Nr. 2 Abs. 1 zu § 20 BVG in der bei Abschluß der Vereinbarung vom 25. April 1953 unverändert geltenden Fassung vom 1. März 1951 (BVBl. 1951, 1) - ebenso noch in der Fassung vom 9. August 1956 - standen der Vereinbarung nicht entgegen. Darin wurden bestimmte Kosten als vom Kostenersatz umfaßt aufgeführt, u.a. auch die vertrauensärztliche Untersuchung. Diese Aufzählung wurde jedoch einerseits nicht als abschließend bezeichnet; andererseits ist der hier verwandte Begriff der "vertrauensärztlichen Untersuchung" in richtig verstandenem Sinne als "vertrauensärztliche Begutachtung" aufzufassen. Nach den Bestimmungen über den vertrauensärztlichen Dienst in der Krankenversicherung vom 30. März 1936 - vgl. AN 1936, 107 - ist es die Aufgabe des Vertrauensarztes, die Krankenkasse bei der Ermittlung und Feststellung der Voraussetzungen für die Leistungspflicht und den Leistungsumfang in den einzelnen Versicherungsfällen zu beraten und zu unterstützen. Er "begutachtet", soweit erforderlich, die Einweisung in ein Krankenhaus und ist vor der Gewährung von Sachleistungen über deren Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zu hören. Der Vertrauensarzt könnte keine dieser Aufgaben erfüllen, wenn er lediglich eine "Untersuchung" vornehmen und das Ergebnis für sich behalten oder für seine eigenen Zwecke verwenden würde, zumal er in die Behandlung des Kassenarztes nicht eingreifen darf (vgl. II Nr. 1 Abs. 2 der erwähnten Bestimmungen und § 369 b RVO). Seine Aufgaben kann er nur durch die Abgabe vertrauensärztlicher Stellungnahmen, d.h. Begutachtungen, erfüllen. Die vertrauensärztliche Untersuchung ist also für sich allein gesehen bedeutungslos, sie hat nur Bedeutung als Voraussetzung für die vertrauensärztliche Begutachtung. Daher bedeutet der in den VV zu § 20 BVG gebrauchte Ausdruck "vertrauensärztliche Untersuchung" im Sinne eines "Teiles für das Ganze" "vertrauensärztliche Begutachtung". Demgemäß konnten Klägerin und Beklagter ohne Verstoß gegen das Gesetz die damals geltenden VV die vertrauensärztliche Stellungnahme ohne körperliche Untersuchung als einen Unterfall der vertrauensärztlichen "Untersuchung" = Begutachtung ansehen. Folglich waren sie nicht gehindert, in der Vereinbarung vom 25. April 1953 die Durchführung des nach dem Gesetz unabdingbaren Kostenersatzes für vertrauensärztliche Stellungnahmen zu regeln. Der völlige Ausschluß des Ersatzes der "entstandenen Kosten" für vertrauensärztliche Stellungnahmen wäre aus den dargelegten Gründen mit § 20 BVG nicht vereinbar; schon aus diesem Grunde könnten die VV, wenn sie eine andere Regelung beabsichtigt haben sollten, die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung vom 25. April 1953 nicht in Frage stellen. Das vom Beklagten behauptete Fehlen bzw. der Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt, da sich die Kostenersatzpflicht des Beklagten aus dem Gesetz ergibt, nicht in Betracht; ebensowenig die behauptete Rechtsunwirksamkeit der Vereinbarung als Vergleich (§ 779 BGB). Die Forderung der Klägerin auf Ersatz der Kosten für vertrauensärztliche Stellungnahmen in Höhe der vereinbarten 2,50 DM pro Fall ist demnach begründet. Der vom Beklagten zurückgeforderte Betrag von 39371,43 DM enthält zwar neben den Kosten von 2,50 DM für jede vertrauensärztliche Stellungnahme auch die entsprechenden Verwaltungskostenanteile. Damit hat die Klägerin jedoch keine zweifache Erstattung erhalten. Denn die Kosten für den vertrauensärztlichen Dienst werden bei der Klägerin, wie das LSG eingeräumt hat, unter dem Konto 4/5 - Leistungsaufwand der Krankenkasse -, nicht dagegen unter der Kostenklasse 70 - persönliche Verwaltungskosten - gebucht. In dem nach VV Nr. 5 Abs. 1 zu § 20 BVG zu ermittelnden Hundertsatz der Gesamtausgaben der Krankenkasse sind die Kosten für den vertrauensärztlichen Dienst sonach nicht enthalten. Wenn andererseits die Höhe des der Krankenkasse zu ersetzenden Verwaltungskostenanteils nach VV Nr. 5 Abs. 2 zu § 20 BVG durch die Höhe der für Zugeteilte und Ausgesteuerte zu erstattenden Ausgaben bestimmt wird, so führt der Kostenersatz für vertrauensärztliche Stellungnahmen allerdings auch zu einer Erhöhung des Verwaltungskostenanteils. Diese Berechnung ist jedoch unter den Beteiligten nicht streitig; sie entspricht auch der VV Nr. 5 Abs. 1 aF zu § 20 BVG und steht nicht in Widerspruch zum Gesetz. Der vom Beklagten zur Aufrechnung gestellte Erstattungsanspruch besteht sonach nicht. Das Urteil des LSG, das diesen Anspruch des Beklagten bejaht, verletzt demnach § 20 BVG, wie die Revision zutreffend gerügt hat, und unterliegt daher der Aufhebung. Da das SG den Beklagten nach alledem mit Recht verurteilt hat, der Klägerin die Kosten für die vertrauensärztlichen Stellungnahmen zu erstatten, mußte die Berufung des Beklagten zurückgewiesen werden.

Beide Vorinstanzen haben bei ihrer Kostenentscheidung § 193 Abs. 4 SGG insofern verletzt, als sie die Erstattung von Kosten (Aufwendungen; vgl. § 193 Abs. 2 SGG) angeordnet haben, die nach dieser Vorschrift nicht erstattungsfähig sind. Die in der Sache selbst zu bestätigende Entscheidung des SG mußte deshalb im Kostenpunkt dahin abgeändert werden, daß die Beteiligten einander Kosten nicht zu erstatten haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380007

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