Leitsatz (amtlich)

Wird eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Knappschaftsruhegeld umgewandelt (RKG § 53 Abs 5), so ist als "Mindestrente" iS von RKG § 53 Abs 5 S 3 nicht die Rente in bisheriger Höhe weiterzugewähren , sondern die Rente ist unter entsprechender Anwendung von RKG § 53 Abs 3 neu zu berechnen und hierbei der Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde zu legen.

 

Normenkette

RKG § 53 Abs. 3 Fassung: 1957-05-21, Abs. 5 S. 3 Fassung: 1957-05-21; RVO § 1254 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. November 1961 und das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 21. Juli 1960 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung ihrer Bescheide vom 30. November und 2. März 1960 verurteilt, das Knappschaftsruhegeld für den Kläger gem. § 53 Abs. 5 Satz 3 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) unter Berücksichtigung der Zurechnungszeit nach dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls vom 24. Juli 1959 neu zu berechnen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der am 24. Juli 1894 geborene Kläger bezog von der Beklagten seit dem 1. August 1945 die Knappschaftsvollrente (Gesamtleistung). Bei Umstellung der Rente auf das neue Recht wurde die Zeit vom 26. Juli 1945 (Eintritt der Invalidität) bis zum 23. Juli 1949 (Vollendung des 55. Lebensjahres) als Zurechnungszeit mit 49 Monaten beim Anteil der Rentenversicherung der Arbeiter in Ansatz gebracht. Mit Bescheid vom 30. November 1959 wurde die Rente für die Zeit ab 1. Juli 1959 in das Knappschaftsruhegeld umgewandelt. Bei der Berechnung, die ohne Berücksichtigung einer Zurechnungszeit erfolgte, ergab sich für das Jahr 1959 ein monatlicher Rentenbetrag von 216,60 DM. Da die bisher gewährte Rente mit monatlich 225,90 DM höher lag, wurde die Rente in dieser Höhe festgestellt. Der Kläger wendet sich dagegen, daß bei der Berechnung des Knappschaftsruhegeldes die vor Vollendung des 55. Lebensjahres liegende Zeit seiner Invalidität nicht berücksichtigt worden sei. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 8. November 1961 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte habe die Rente des Klägers bei der Umwandlung in das Knappschaftsruhegeld in der richtigen Höhe festgestellt. Die Zeit vom 26. Juli 1945 bis zum 23. Juli 1949, auf die keine auf die Wartezeit anzurechnenden Versicherungszeiten entfielen, sei zu Recht weder als Zurechnungs- noch als Ausfallzeit berücksichtigt worden. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des § 58 RKG sei die Anrechnung einer Zurechnungszeit auf die wegen Alters gewährten Renten nicht möglich; auch aus der Fassung des § 56 Abs. 1 RKG ergebe sich nichts Gegenteiliges. Als Ausfallzeit nach § 57 Nr. 5 RKG könne der genannte Zeitraum nicht berücksichtigt werden, weil die seit 1945 bezogene Rente nicht schon vor dem Zeitpunkt wieder weggefallen sei, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung des Ruhegeldes erfüllt waren.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er macht unter Hinweis auf die Entscheidung in BSG 19, 188 geltend, daß bei einer "Umwandlung" die alte Rente in ihren Bestandteilen - einschließlich einer etwa angerechneten Zurechnungszeit - erhalten bleibe und nur durch zusätzliche Berücksichtigung inzwischen zurückgelegter Versicherungszeiten aufgestockt werde. Die für ihn bisher eingesetzte Zurechnungszeit müsse also in die auf den Zeitpunkt des Alters neu berechnete Rente übernommen werden. Zumindest müsse diese Zeit aber als Ausfallzeit nach § 57 Nr. 5 RKG berücksichtigt werden. Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, des Urteils des Sozialgerichts Koblenz vom 21. Juli 1960 sowie des Bescheides der Beklagten vom 30. November 1959 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 1960 die Beklagte zu verurteilen, unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit von 49 Monaten das Knappschaftsruhegeld neu zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig. Dem Kläger seien durch die Anwendung der Besitzstandsklausel des § 53 Abs. 5 Satz 3 RKG die Bestandteile seiner bisherigen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit tatsächlich erhalten geblieben.

Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig und auch sachlich begründet.

Der Kläger hat die ab 1. Januar 1957 in Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit umgestellte Knappschaftsvollrente (Gesamtleistung) bezogen. Nach § 53 Abs. 5 RKG ist diese Rente bei Vollendung des 65. Lebensjahres in das Knappschaftsruhegeld umzuwandeln (Satz 1), wobei die nach Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zurückgelegten Versicherungs- und Ausfallzeiten anzurechnen sind (Satz 2). Anders als im Falle der Umwandlung einer Berufsunfähigkeitsrente in eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach Abs. 3 dieser Vorschrift ist hierbei nicht vorgesehen, daß eine bisher angerechnete Zurechnungszeit ebenfalls anzurechnen sei. Daher fehlt auch die dort in Satz 5 getroffene Bestimmung für Versicherungs- und Ausfallzeiten, die während einer angerechneten Zurechnungszeit zurückgelegt worden sind. Es handelt sich hierbei nicht um ein redaktionelles Versehen. Man muß vielmehr annehmen, daß der Gesetzgeber bei den Sätzen 1 und 2 davon ausgegangen ist, die Anrechnung einer Zurechnungszeit (§ 58 RKG, § 1260 der Reichsversicherungsordnung - RVO) sei nur für die Versicherungsfälle der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, nicht aber für die Versicherungsfälle des Alters möglich, weil diese nicht vor dem 55. Lebensjahr eintreten können. Eine unmittelbare Übernahme der Zurechnungszeit in das Altersruhegeld bei der Berechnung nach § 53 Abs. 5 Satz 1 und 2 RKG (§ 1254 Abs. 2 Satz 1 und 2 RVO) muß daher ausscheiden. Eine solche Möglichkeit ergibt sich auch nicht etwa aus § 56 Abs. 1 RKG, wonach bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre i.S. des § 53 RKG die auf die Wartezeit anzurechnenden Versicherungszeiten, die Ausfallzeiten und die Zurechnungszeit zusammenzurechnen sind, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Denn diese Vorschrift, die für alle Renten gilt, sagt nichts darüber, in welchen Fällen im einzelnen eine Zurechnungszeit anzurechnen ist. Wenn das vom Kläger angezogene Urteil des 12. Senats vom 21. Juni 1963 (BSG 19, 188/190) bei der Erklärung des Unterschieds zwischen "Umwandlung" und originärer Rentengewährung ausführt, daß bei der Umwandlung die alte Rente in ihren Bestandteilen erhalten bleibe, so soll das - wie sich aus dem folgenden Satz eindeutig ergibt - nur bedeuten, daß die zu übernehmenden Rentenbestandteile nicht erneut auf ihre Richtigkeit überprüft werden können.

Gerade deshalb, weil die Anrechnung einer Zurechnungszeit beim Altersruhegeld an sich nicht vorgesehen ist, wird nun in § 53 Abs. 5 Satz 3 RKG bestimmt, daß als Knappschaftsruhegeld "mindestens" die unter Anwendung des Abs. 3 berechnete Knappschaftsrente, bei der die Anrechnung einer Zurechnungszeit möglich ist, gewährt wird. Daß das der entscheidende Grund für die Einfügung dieser Vorschrift war, ergibt sich eindeutig aus der Fassung des entsprechenden § 1254 Abs. 2 Satz 3 RVO, in der - an sich überflüssig - der § 1260 RVO (Zurechnungszeit) noch besonders genannt wird.

Die Beklagte hätte aber bei der Feststellung des Knappschaftsruhegeldes doch zu dem vom Kläger begehrten Ergebnis kommen müssen, wenn sie den § 53 Abs. 5 Satz 3 RKG richtig angewandt hätte. Nach dieser Vorschrift wird als Knappschaftsruhegeld mindestens "die unter Anwendung des Abs. 3 berechnete Knappschaftsrente" gewährt. Hierunter ist aber nicht zu verstehen, daß die bisher bereits gewährte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit weiter zu gewähren sei, sondern daß "unter Anwendung des Abs. 3" eine neue Rente zu berechnen ist. Es handelt sich also nicht, wie die Beklagte meint, um eine echte Besitzstandsklausel, sondern um eine reine Berechnungsvorschrift für die Mindestrente. Das zeigt schon ein Vergleich mit dem Wortlaut einer echten Besitzstandsklausel, etwa des Art. 2 § 17 Satz 2 des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG), wo es heißt, daß "mindestens der bisherige monatliche Rentenzahlbetrag zu belassen" ist. In der nach § 53 Abs. 5 Satz 3 RKG anzustellenden Vergleichsberechnung wird das nach Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 und 2 berechnete Ruhegeld der nach Abs. 3 neu berechneten Rente gegenübergestellt, wobei maßgeblicher Versicherungsfall für beide Berechnungen die Vollendung des 65. Lebensjahres ist. In den Fällen, in denen der Versicherte bisher nur eine Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit bezogen hat, ist eine andere Auslegung überhaupt nicht denkbar. Da nun aber die Regelung für alle Umwandlungsfälle einheitlich getroffen und für die bisherigen Empfänger einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nichts Besonderes bestimmt ist, muß, falls nicht zwingende Gründe dagegen sprechen, für diese das gleiche gelten. Denn die Aufrechterhaltung eines Zahlbetrages und eine völlige Neuberechnung sind gänzlich verschiedene Vorgänge, und man kann nicht annehmen, daß der Gesetzgeber mit der gleichen Bestimmung zwei völlig unterschiedliche Regelungen treffen wollte. Daß der Versicherte bereits erwerbsunfähig war oder doch nach den Umstellungsvorschriften als Erwerbsunfähiger behandelt wurde, steht einer Neuberechnung nicht entgegen; denn § 53 Abs. 5 Satz 3 RKG betrifft ja nicht den Versicherungsfall und auch nicht den Charakter der Rente, sondern lediglich die Berechnungsweise. Allerdings ist eine unmittelbare Anwendung des Abs. 3 hier deshalb nicht möglich, weil dort nur die Umwandlung einer bisherigen Berufsunfähigkeitsrente behandelt wird; die Umwandlung muß also lediglich entsprechend der Umwandlung einer Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit in Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfolgen. Das bedeutet aber, daß eine bisher angerechnete Zurechnungszeit in gleichem Umfang anzurechnen ist und daß auch nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit zurückgelegte Versicherungs- und Ausfallzeiten zusätzlich zu berücksichtigen sind. Es ist kein hinreichender Grund dafür erkennbar, daß beim Vorliegen von Zurechnungszeiten der bisherige Empfänger einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei Vollendung des 65. Lebensjahres schlechter gestellt werden soll als der bisherige Empfänger einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Das wäre aber der Fall, wenn für den letztgenannten Rentner die "Mindestrente" nach § 53 Abs. 5 Satz 3 RKG neu berechnet, beim erstgenannten aber nur als Besitzstandsrente weiter gewährt würde. Abgesehen von der Anwendung der früheren, regelmäßig ungünstigeren Bemessungsgrundlage, müßte er den Verlust der nach dem früheren Versicherungsfall etwa noch zurückgelegten Versicherungs- und Ausfallzeiten hinnehmen. Ebenso wäre er im Vergleich zu den Hinterbliebenenfällen des § 69 Abs. 2 und des § 70 RKG benachteiligt, in denen auch von der nach § 53 Abs. 3 RKG - also mit möglicher Zurechnungszeit - berechneten Rente ausgegangen wird. Wortlaut, Sinn und Zweck des § 53 Abs. 5 Satz 3 RKG sprechen somit gegen die Auffassung der Beklagten. Da bei der vom Senat für richtig angesehenen Auslegung des Gesetzes der Kläger das, was er begehrt, nämlich die Anrechnung der Zurechnungszeit bei Neuberechnung der Mindestrente nach dem Zeitpunkt des neuen Versicherungsfalles, in vollem Umfang erhält, bedurfte es keiner Prüfung mehr, ob eine Berücksichtigung des betreffenden Zeitraumes als Ausfallzeit nach § 57 Nr. 5 RKG möglich wäre. Sie könnte in vorliegendem Falle nicht zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 142

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