Leitsatz (amtlich)
An der zu BVG § 30 Abs 1 vertretenen Auffassung wird festgehalten, daß es keine Änderung der für die Leistungsfeststellung maßgebend gewesenen Verhältnisse bedeutet (BVG § 62 Abs 1 S 1), wenn der Berechtigte, der durch Kriegsbeschädigung die Sehkraft eines Auges verloren hat, später unabhängig von dieser Schädigung auch auf dem anderen Auge erblindet (schädigungsunabhängiger "Nachschaden"; Bestätigung von BSG 1962-05-29 7/9 RV 634/60 = BSGE 17, 99; BSG 1962-06-19 11 RV 1188/60 = BSGE 17, 114; BSG 1963-06-25 11 RV 568/62 = BSGE 19, 201; vergleiche BSG 1967-09-21 2 RU 65/66 = BSGE 27, 142; Abgrenzung zu BSG 1973-11-29 10 RV 617/72 = BSGE 36, 285; BSG 1974-01-25 10 RV 261/73 = BSGE 37, 80).
Normenkette
BVG § 30 Abs. 1 Fassung: 1971-12-16, § 62 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1966-12-28
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. November 1974 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Hamburg zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger verlor im letzten Krieg das Sehvermögen auf dem linken Auge. Es ist - zuletzt mit Bescheid vom 6. Juli 1961 - anerkannt worden, daß diese Wehrdienstbeschädigung durch Gehirnerschütterung nach einem Kradunfall infolge Granateinschlags eingetreten ist. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit (§ 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) - der Kläger war Musiker - als um 50 v. H. gemindert erachtet worden. Im Juni 1971 verlor der Kläger auch auf dem rechten Auge die Sehkraft. An diesem Auge hatte er wegen Netzhautablösung mehrere Operationen durchmachen müssen.
Die Versorgungsverwaltung lehnte es ab, die dem Kläger gewährte Rente wegen völliger Erblindung zu erhöhen (Bescheid vom 3. März 1972; Widerspruchsbescheid vom 15. November 1973). Sie ging davon aus, daß die Erblindung des rechten Auges nach selbständig entstandener Netzhautablösung bei Kurzsichtigkeit keine Schädigungsfolge im Sinne des BVG darstelle. Dafür sprächen der Verlauf der Erkrankung, besonders der große Zeitabstand zwischen ihrem Auftreten und dem während des Krieges erlittenen Unfall.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verurteilt, bei dem Kläger Blindheit als Schädigungsfolge anzuerkennen und ihm ab 1. Juli 1971 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. zu gewähren (Urteil des SG Hamburg vom 8. November 1974). Das SG hat sich nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG 17, 99 ff; 114 ff; 19, 201; vgl. 27, 142, 145; ferner Urteil vom 6. August 1963, IMW 1964, 1959) angeschlossen, wonach bei Verlust eines Auges im Wehrdienst die spätere, davon unabhängige Erblindung des anderen Auges versorgungsrechtlich keine erhöhte Bewertung der Erwerbsminderung rechtfertige. In dieser von dem BSG vertretenen Auffassung, daß der sogenannte Nachschaden außer Betracht zu bleiben habe, hat das SG keine befriedigende Lösung des streitigen Problems gesehen. Es gehe, so hat es gemeint, nicht nur um den Verlust der Sehkraft auf dem rechten oder linken Auge, sondern schlechthin um die Blindheit und damit um einen Tatbestand, der als solcher nicht einmal teilweise bei Ausfall eines Auges bestanden habe. Die völlige Einbuße des Augenlichts sei qualitativ etwas ganz anderes als das Fehlen des Sehvermögens auf dem einen oder anderen Auge oder als die verstärkte Behinderung im Gebrauch eines schon vorher geschädigten Körperteils. Für die neue Situation sei die wehrdienstbedingte Schädigung gleichwertig mitursächlich. Im übrigen verweist das SG auf den Wandel der Rechtsprechung zum Thema "Nachschaden" in Verbindung mit der beruflichen Betroffenheit und dem Berufsschadensausgleich (BSG 36, 285; 37, 80). Mit Rücksicht auf diese Judikatur sei, so das SG, zu bedenken, daß der Kläger nunmehr nach seiner völligen Erblindung einer Erwerbstätigkeit überhaupt nicht mehr nachgehen könne, während er zuletzt als Lagerbuchhalter gearbeitet habe. Seine Einkommenslage habe sich infolgedessen erneut erheblich verschlechtert. § 31 Abs. 4 BVG schreibe denn auch vor, daß Blinde stets die Rente eines Erwerbsunfähigen zu erhalten hätten.
Die Beklagte hat im Einverständnis mit dem Kläger Sprungrevision eingelegt. Ihres Erachtens ist durch den Wandel der Judikatur, welche die Berücksichtigung späterer Schadensentwicklung nicht mehr schlechthin ausschließt, vielmehr für das besondere berufliche Betroffensein und den Berufsschadensausgleich ein Zusammenwirken von Schädigungs- und Nichtschädigungsfolgen beachtet, die hier vorzunehmende Auslegung des § 30 Abs. 1 BVG nicht präjudiziert. Allerdings meint auch die Beklagte, daß in der älteren Rechtsprechung (BSG 17, 114; 19, 201) die Bedeutung der latenten Gefährdung, die für übergeordnete Gesundheitsstörung bei paarigen Sinnesorganen und paarigen inneren Organen bereits durch den Ausfall eines Teils erzeugt werde, nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Diese latente Gefährdung werde durch den Wegfall des anderen Teils bloß aktualisiert. Unbeachtet geblieben sei auch der Gesichtspunkt der mittelbaren Verursachung. Unter diesem Aspekt sei eine Betrachtungsweise nicht angemessen, welche die zur Schädigungsfolge führende Kausalkette im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses enden lasse. Vielmehr müsse mit der Feststellung der Schädigungsfolge die latent in ihr steckende Weiterung einbezogen sein. Im übrigen tritt die Beklagte den Ausführungen des SG zur beruflichen Betroffenheit und zur Annahme der Erwerbsunfähigkeit des Klägers entgegen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er betont, daß er die versorgungsrechtliche Kausalitätsnorm, die an die wesentliche Bedingung für die Schadensfolge anknüpfe, nicht in Frage stelle. Vielmehr beanstandet er, daß diese Norm in Fällen paariger Organe (Augen, Ohren, Nieren, Lungenflügel) widersprüchlich und inkonsequent angewendet werde. Nach der versorgungsrechtlichen Kausalitätstheorie brauche eine bestimmte Bedingung nicht allein ausschlaggebend zu sein; es komme nur auf das Maß ihres Beitrages zum "Erfolg" an. Daß für die Blindheit der Verlust jedes der beiden Augen gleichwertig und wesentlich, ja notwendig sei, könne faktisch und logisch nicht in Zweifel gezogen werden. Die völlige Erblindung sei kein "Nachschaden" in dem Sinn, daß nach der Kriegsverletzung und unabhängig von dieser ein Schaden entstanden sei oder daß bestehende Schäden auch nur vergrößert worden seien. Mit der Erblindung sei nicht allein die Schadensquantität vermehrt, sondern auch die Schadensqualität verändert worden. Die Blindheit sei in dieser Beziehung dem Tode vergleichbar. Trete der Tod mit dem Wegfall der zweiten Niere ein, so werde er versorgungsrechtlich, wenn die erste Niere infolge einer Kriegsbeschädigung fehlte, auch auf diese Ursache zurückgeführt. Generell wären im Versorgungsrecht auch späte Folgen einer Kriegsschädigung relevant. Beim Zusammenwirken mehrerer Ursachen sei ferner nicht schlechthin nur das zeitlich letzte, dem "Erfolg" nächstliegende Ereignis maßgebend. Gleichwohl nehme man bei dem kriegsbedingten Verlust des ersten Auges an, die Ursachenkette sei mit dieser Gegebenheit abgeschlossen und die spätere Zivilschädigung könne an dieser eingetretenen Schädigungsfolge nichts mehr ändern.
Im Revisionsverfahren ist die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, beigeladen worden (§ 168 Halbsatz 2, § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Auf die nach § 161 Abs. 1 SGG aF zulässige Sprungrevision der Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das zuständige Landessozialgericht (LSG) zurückzuverweisen.
Für den Grundtatbestand des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG wird an dem Grundsatz festgehalten, daß zur Beurteilung der wehrdienstbedingten Schädigungsfolgen und des Grades, um den die Erwerbsfähigkeit in Verbindung mit diesen Folgen gemindert ist, auf diejenigen Gegebenheiten abzustellen ist, welche bei Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden (BSG 17, 99, 100; 17, 114, 116 f.; 19, 201, 202; 23, 188, 189; 27, 142, 145; Urt. vom 27.1.1967, BVBl. 1967, 73; ebenso für das Dienstunfallrecht: BVerwG 32, 110, 116). Die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Kriegsbeschädigung sind durch einen Vergleich zu ermitteln. Gegenüberzustellen ist regelmäßig der Zustand der Erwerbsfähigkeit unmittelbar vor Beginn der Schädigung mit der Situation unmittelbar nachher. Das Erfordernis der zeitlichen Unmittelbarkeit wird abgewandelt, aber nicht durchbrochen, wenn das schädigende, dem Wehrdienst zuzurechnende Geschehen ein andauernder Prozeß war, sich nicht in einem flüchtigen Augenblick abspielte, sondern über eine gewisse Zeitspanne hinwegging, vielleicht gar auf mehrere Phasen sich verteilte. Dann ist das Ende dieses - an sich als Einheit gedachten, anhaltenden -Einwirkens - sei es, daß die Gesundheitsstörungen erst allmählich auftraten oder sich verschlechterten oder in mehreren aufeinander folgenden Entwicklungsstufen mündeten - der zweite Gegenstand des anzustellenden Vergleich (BSG 23, 189; vgl. Urteil vom 6. August 1963, DMW 1964, 1959). Mit dem Ende des schädigenden Vorgangs ist zugleich die versorgungsrechtlich beachtliche Ursachenkette abgeschlossen (BSG 17, 116; 19, 202). Auf den gegenwärtigen Sachverhalt bezogen, bedeutet dies, daß mit der Einbuße des Sehvermögens auf dem ersten Auge im Kriege der rechtserhebliche Kausalverlauf aufhörte. Daß der Kläger später unabhängig von den Umständen des Kriegsdienstes die Sehkraft auf dem zweiten Auge verlor, lag außerhalb der hier rechtserheblichen Einflußphäre. Diese Tatsache ist mithin auch nicht den "Verhältnissen" unterzuordnen, "die für die Feststellung des Anspruchs auf Versorgung maßgebend gewesen sind" (§ 62 Abs. 1 Satz 1 BVG; dazu BSG 17, 100, 104; 17, 116; vgl. ferner BSG 27, 145). Eine Änderung dieser Verhältnisse ist für das Versorgungsrecht nur insoweit von Belang, als das Kriegsleiden sich verschlimmerte oder verbesserte oder als zu den anerkannten Gesundheitsstörungen ein Leiden hinzutrat, das ebenfalls durch wehrdienstliche Faktoren hervorgerufen oder verstärkt worden ist. Bedeutsam könnte außerdem der - hier nicht verwirklichte - Tatbestand der mittelbaren Schädigung sein (BSG 27, 75, 78; Verwaltungsvorschrift Nr. 4 Halbsatz 2 zu § 1 BVG). Daran wäre zu denken, wenn die Erblindung des ersten Auges das zweite ergriffen und so auch dessen Erkrankung herbeigeführt hätte oder wenn die völlige Blindheit damit zu erklären wäre, daß infolge Austilgung des einen Auges das andere bis zum Erlöschen überanstrengt worden sei. So ist es aber nicht, wenn jemand - wie der Kläger - des Augenlichts auf dem zweiten Auge durch eine Krankheit beraubt wurde, die mit dem Wehrdienst nicht in Verbindung zu bringen ist. Dies ist ein Fall des sogenannten Nachschadens. Eine solche Beeinträchtigung des Betroffenen fällt nicht unter den Tatbestand des § 62 Abs. 1 Satz 1 BVG (BSG 17, 100 ff; Urteil vom 6. August 1963, DMW aaO).
Das Gegenteil läßt sich in bezug auf den hier zu erörternden Fall nicht damit begründen, daß sich im Gefolge der weiteren schädigungsunabhängigen Entwicklung (Ausfall des zweiten Auges) auch die anerkannte Schädigung stärker auswirkte als zur Zeit des Vorkommnisses, das für die Anerkennung der Versorgungsberechtigung ausschlaggebend war (BSG Urteil vom 26. August 1965, KOV 1966, 55 Nr. 1671). Mit der Blindheit, die nicht eigentlich auf die Wehrdienstbeschädigung zurückgeht, wird dieser Schaden nicht erweitert. Dem steht vielmehr der zeitliche Einschnitt entgegen, der bei der versorgungsrechtlichen Betrachtung mit Abschluß des schädigenden Ereignisses vorgenommen wird.
Die Kritik, die - auch in diesem Rechtsstreit - an dieser zeitlichen Zäsur geübt wird, vernachlässigt im allgemeinen die Absicht, die der Vorstellung von der zeitlichen Zäsur zugrunde liegt (hierüber: Pesch, Betrachtungen zum Ursachenbegriff in der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung, 1965, 64 ff., 69 f; Watermann, Die Ordnungsfunktion von Kausalität und Finalität im Recht, 1968, 74). Die Angriffe stützen sich vornehmlich auf Argumente einer natürlich-logischen Bewertung des Ursachenzusammenhangs. Diese Argumente sind als solche einleuchtend. So beruht die Blindheit selbstverständlich nicht bloß darauf, daß die Sehkraft eines der beiden Augen fehlt. Beide Ursachen sind auch, um eine nach der Theorie der wesentlichen Bedingung gebräuchliche Formel zu verwenden, in ihrer Tragweite für die Blindheit annähernd gleichwertig (zu dieser Formel: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung II, 480 k II). Daß dieses Resultat sich in seiner Schadensqualität von einer bloß gesteigerten zusätzlichen Gesundheitsstörung deutlich abhebt, ist ebenfalls richtig (hierzu: Müller, SGb 1965, 357, 359; Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969, 137 ff., 139 m. N.). Zutreffend ist ferner, daß bei paarigen Sinnes- oder inneren Organen der eine Teil die Funktion des anderen weitgehend zu kompensieren vermag, dieses Kompensationsvermögen aber bereits mit der Zerstörung des ersten Organs entfällt.
Diese und ähnliche Überlegungen unterscheiden nicht Ursache oder Bewirken einerseits und Begründung oder Bestimmung andererseits. "Ursache" wird mit "Grund", aus welchem etwas dynamisch aktiv hervorgegangen ist, also Realgrund schlechthin gleichgesetzt. Diese Anschauungsweise geht indessen an der Konzeption der herrschenden versorgungsrechtlichen Kausalitätslehre vorbei. Diese Lehre hält sich an die Erwägung, daß nur "Opfer des Krieges" (vgl. die ungekürzte Gesetzesüberschrift) zu versorgen sind. Sie trifft bewußt eine Auswahl unter den beteiligten Bedingungen und trennt die an sich endlose Kausalverflechtung auf. Die Ursache im versorgungsrechtlichen Sinne vergeht gleichsam mit dem "schädigenden Ereignis", d. h. mit dem Bewirken der "gesundheitlichen Schädigung" und der "unmittelbar" an ihr haftenden "gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen" (§ 1 Abs. 1 BVG). Diese Ursache setzt sich nicht über das schädigende Ereignis hinaus in oder mit einer späteren neuen Ursache ganz oder teilweise fort. - An diesem Punkt setzt ein Angriff von Wallerath an der Nachschadenstheorie des BSG ein (Zurechnung und Kausalität im Versorgungsrecht, Vierteljahresschrift für Sozialrecht - VSSR - 2(1974), 233, 246 ff., 248). Er meint, es komme im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität, um die es hier geht, "nicht auf die Fortdauer des schädigenden Ereignisses, sondern lediglich auf die Fortdauer der schädigenden Folgen und ihr jeweiliges Ausmaß" an. Dabei bezieht sich Wallerath wohl auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 und des § 30 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BVG. Dort ist von den "gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der (einer) Schädigung" und von der "Art der Schädigungsfolgen" die Rede. Die Abstraktion der Schädigungsfolgen von dem schädigenden Ereignis, so wie sie Wallerath vorschwebt, ist indessen von dem BSG abgelehnt worden (BSG, Urteil vom 6. August 1963, DMW aaO). Allerdings könnte die Formulierung des Gesetzes - "Folgen der Schädigung" - in der Tat zu der Annahme verleiten, es handele sich um ein Kausalverhältnis zwischen der Gesundheitsstörung und ihrer Auswirkung, nämlich der MdE, und zwar um ein solches Kausalverhältnis, das nicht in dem einheitsstiftenden Begriff des schädigenden Ereignisses zusammengefaßt werde, sondern für einen mehr oder weniger zeitlichen Abstand Raum lasse. Nach der Interpretation, die das BSG dem Gesetz gibt, tritt aber zwischen der Gesundheitsstörung und dem Eintritt der wirtschaftlichen Folgen ein Geschehensablauf, der zusätzlich auf sein Verhältnis von Ursache und Wirkung hin zu untersuchen wäre, gar nicht ein. Die MdE ist die direkte miteingeschlossene Folge des schädigenden Ereignisses und nicht eine weitere Folge der durch dieses Ereignis eingetretenen Folge, nämlich der Gesundheitsstörung. In dem Grad der MdE wird die Gesundheitsstörung lediglich in ihrer Auswirkung im allgemeinen Erwerbsleben (§ 30 Abs. 1 BVG) bewertet (BSG 17, 114, 117; 19, 201, 202; 28, 145/147; Urteil vom 6. August 1963 aaO). Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang von Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 in § 1 BVG. Bestätigt wird diese Auslegung durch § 29 BVG idF vor dem 1. Neuordnungsgesetz vom 27.6.1960 (1. NOG), wo unter "Schädigung" das durch eine militärische Dienstverrichtung, durch einen Unfall im Militärdienst oder durch gleichartige Umstände verursachte schädigende Ereignis verstanden wurde. Von der Schädigung ist deren Ergebnis, der Leidenszustand, die "Gesundheitsstörung" zu unterscheiden (BSG 7, 53, 56; 24, 185, 186; SozR Nr. 66 zu § 1 BVG; Nr. 30 zu § 109 SGG; prozeßrechtlich: BSG 7, 180, 181). Dieser durch die Schädigung verursachte "Erfolg" (§ 1 Abs. 3 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG idF des Dritten Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des BVG (3. AnpG-KOV) vom 16. Dezember 1971 (BGBl I, 1985) wird als die - anzuerkennende - "Schädigungsfolge" bezeichnet. Diese Auffassung läßt die Kausalbetrachtung für die Feststellung der MdE dort enden, wo sich die Auswirkung der kriegsbedingten Schädigung zu einem konsolidierten Leidenszustand verdichtet. Dieser Zustand - in einem bestimmten Grad der Erwerbsbehinderung ausgedrückt -, ist dann unter kausalen Aspekten mit der Kriegseinwirkung endgültig fixiert (Watermann, aaO 124). Auf diese Weise wird das erwünschte Ziel einer Beschränkung der Haftung erreicht (BSG 27, 75, 78; zur Korrektivfunktion der Kausalitätslehre allgemein: Pesch, NJW 1958, 1074; Roemer, SGb 1962, 166, 167; Dorin, Kompaß 1965, 186, 187; Watermann, aaO, 98 f., 104; Brackmann, aaO 480 n m. w. N.; Gitter, aaO, 120; Wallerath, aaO, 234 f., 240). Von der Haftung des Trägers der Kriegsopferversorgung werden solche Fälle ausgesondert, in denen das Schwinden der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit dem persönlichen Lebensbereich des einzelnen, seinem allgemeinen Lebensrisiko zuzuschreiben ist, zB konstitutionsbedingt ist oder von Altersveränderungen, Verschleißerscheinungen, Unfällen, Handlungen Dritter oder des Beschädigten selbst herrührt (BSG 17, 100, 104; 17, 119; 19, 202; Urteil vom 26. August 1965, KOV 1966, 55 Nr. 1671). Die Reichweite der versorgungsrechtlichen Entschädigung muß eingegrenzt werden, weil einerseits die Voraussetzungen dieser Entschädigung weit gespannt sind und sogar individuelle Besonderheiten des Einzelfalles umfassen (BSG 11, 50, 53) und andererseits für eine teilbare Kausalität kein Raum ist, so daß gegebenenfalls nur die volle Entschädigung für den Gesundheitszustand in Betracht kommt (vgl. auch Gitter, aaO, 138).
Die am Ziel der Haftungsbegrenzung ausgerichtete Kausalitätsauffassung leidet naturgemäß am Mangel einer exakt-logischen Argumentation. Dies ist aber keine typische Schwäche der versorgungsrechtlichen Ursachenlehre. Vielmehr haftet eine ähnliche Unzulänglichkeit auch der zivilrechtlichen Adäquanztheorie an, was sich nicht zuletzt an Beispielen mittelbarer Verursachung zeigt (mit unterschiedlichen Entscheidungsergebnissen: RGZ 119, 204, 206; BGH, NJW 1952, 1010; dazu: Kirchberger, NJW 1952, 1000, 1001; Heinrich Lange, Herrschaft und Verfall der Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang, Archiv für die zivilistische Praxis - AcP - 156. Band, 1957, 114, besonders 121). Um den Haftungsrahmen, der als zu weit empfunden wurde, einzuengen, wurde im Zivilrecht die Forderung aufgestellt, daß zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem Schaden ein Rechtswidrigkeitszusammenhang bestehen müsse (BGHZ 27, 137, 140; 57, 137, 142). Dieser Rechtswidrigkeitszusammenhang wird dann als gegeben angesehen, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. Auch im bürgerlichen Recht ist also für die Rechtsfindung in Kausalitätsfällen nicht ohne eine zweckorientierte Auswahl unter den einschlägigen Fakten auszukommen. Von dem Zweckmoment und dem gesetzgeberischen Motiv läßt sich der Bundesgerichtshof (BGH) ferner in seiner Judikatur zum Wiedergutmachungsrecht leiten. Dort hat er die Anwendung der Adäquanztheorie für situationsangemessen gehalten; den Haftungsbereich hat er ausdrücklich besonders weit abgesteckt, weil nur so der gerechte Ausgleich für nationalsozialistische Verfolgung gefunden werden könne (BGH, RzW 1969, 74, wo es um die Bemessung des verfolgungsbedingten Erwerbsminderungsgrades in einem Falle ging, in dem der Verfolgte das Hörvermögen auf einem Ohr durch Verfolgungsmaßnahmen und später auf dem anderen Ohr verfolgungsunabhängig verloren hatte).
Die Abgrenzung der Kausalitätsnorm gegenüber - schädigungsunabhängigen - "Nachschäden" duldet in bezug auf paarige Organe keine Ausnahme. Man ist freilich in diesen Fällen, namentlich zugunsten eines Blinden, geneigt, die Normgrenze, die unmittelbar auf das schädigende Ereignis hin abgesteckt wird, zu verschieben. Diesem Gedanken ist jedoch entgegenzuhalten, daß der menschliche Körper als ein einheitlich zusammenhängendes Ganzes zu sehen ist. Bei jeder Verletzung eines Teiles, vor allem bei Behinderung korrespondierender, funktionell zusammenwirkender Organe (vgl. § 2 Abs. 3 der Durchführungsverordnung - DVO - zu § 31 Abs. 5 BVG) und Glieder, wie der Beine, Arme eben so wie der Ohren, wird der Körper in seiner Totalität getroffen. Freilich gelingt die Aufgabenergänzung durch gesunde Teile mal leichter, mal weniger leicht; sie ist auch von individuellen Besonderheiten abhängig. Die Unterschiede im Mangel des Funktionsausgleichs sind aber, so erheblich sie auch sein mögen, generell nicht so deutlich und verallgemeinerungsfähig, daß eine Ausnahmebehandlung für dieses oder jenes Organ als normgemäß erschiene (BSG 17, 103; 27, 78 f; 23, 188: Taubheit; Urteil vom 26. August 1965, KOV 1966, 55 Nr. 1671: Beeinträchtigung der Atmungsfunktion -; ferner: das von Feldges - KOV 1971, 5 - angeführt Beispiel, daß durch Schädigungsfolgen die erfolgversprechende Therapie - Operation - von Nichtschädigungsfolgen behindert wird). Allerdings hält das Gesetz gerade für Blinde einige Spezialvorschriften bereit. Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III (§ 35 Abs. 1 Satz 3 BVG). Kriegsblinden ist durch die Hauptfürsorgestellen eine wirksame Sonderfürsorge zu gewähren (§ 27 c BVG). Sie haben auch Anspruch auf eine Zulage zum Unterhalt eines Führhundes oder als Beihilfe zu den Aufwendungen für fremde Führung (§ 14 BVG). Ferner ist § 31 Abs. 4 BVG zu nennen. Diese Vorschrift lautete früher: "Blinde erhalten stets die Rente eines Erwerbsunfähigen." Durch das 6. AnpG-KOV vom 23. August 1974 (BGBl I 2069) hat Absatz 4 des § 31 BVG im ersten Halbsatz die Fassung erhalten: "Beschädigte, bei denen Blindheit als Folge einer Schädigung anerkannt ist, erhalten stets die Rente eines Erwerbsunfähigen." Durch diese Neufassung ist unmißverständlich klargestellt worden, daß die Rechtswohltat des Gesetzes nur demjenigen zugedacht ist, dessen Blindheit in Anwendung der versorgungsrechtlichen Kausalitätsregel als Kriegsbeschädigung festgestellt worden ist.
Der Nachschadenstheorie hat der Gesetzgeber besonders deutlich in Satz 2 des § 31 Abs. 4 BVG Rechnung getragen, worauf die Beigeladene mit Recht hingewiesen hat. Nach dieser Vorschrift "gelten Beschädigte mit Anspruch auf eine Pflegezulage stets als Schwerbeschädigte; sie erhalten mindestens eine Versorgung nach einer MdE um 50 v. H." Zu dieser Gesetzesbestimmung heißt es im Regierungsentwurf des 6. AnpG-KOV (Bundestagsdrucksache 7/2121 S. 8), daß die Vergünstigung des § 31 Abs. 4 Satz 2 BVG vornehmlich für "blinde Beschädigte, bei denen der Verlust der Sehkraft eines Auges als Schädigungsfolge anerkannt und der Verlust der Sehkraft des anderen Auges unabhängig von der Schädigung eingetreten ist", gedacht sei. Die Beschädigten, von denen an dieser Stelle die Rede ist, sollten nicht vom Berufsschadensausgleich und dem Bezug der Ausgleichsrente ausgeschlossen sein. Deshalb wurden sie den Schwerbeschädigten "gleichgestellt", aber eben auch nur gleichgestellt. Diese Gesetzgebung ist nur verständlich, wenn sie auf dem Hintergrund der Rechtsprechung gesehen wird. Einerseits wird daran angeknüpft, daß der Nachschaden für die Anwendung des § 30 Abs. 1 BVG irrelevant ist, andererseits wird davon ausgegangen, daß der gesundheitliche Nachschaden für den Tatbestand der Hilflosigkeit i. S. des § 35 Abs. 1 BVG bedeutsam sein und zur Gewährung der Pflegezulage mit beitragen kann (BSG 13, 40; 17, 114, 119; Urteil vom 10. Dezember 1975 - 9 RV 162/75 -).
Die angeführten Gesetzesbestimmungen zeigen, daß die Bestrebungen, das schwere Los der Blinden nach Möglichkeit zu lindern, sich in Vorschriften der Leistungsebene niedergeschlagen haben. Für die Tatbestands- (Voraussetzungs-)seite, also für die hier interessierenden Erfordernisse gelten hingegen die allgemeinen Normen des Versorgungsrechts.
Wollte man die Nachschadenstheorie aufgeben, so ergäbe sich ein Eingriff in den Gesamtkomplex der versorgungsrechtlichen Kausalitätslehre. Im besonderen ginge ein solches Vorhaben nicht ohne Störung des systematischen Zusammenhangs der Nachschadenstheorie mit der Auffassung vom sogenannten Vorschaden ab. Nach der Rechtsprechung zum Vorschaden ist von der Erwerbsfähigkeit im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses auszugehen, also von der Erwerbsfähigkeit, die dem Beschädigten unter Berücksichtigung der Vorbeschädigung verblieben ist (BSG 21, 63, 65 f.). Es wird auf die individuellen Gegebenheiten dieses Beschädigten -"so wie er beschaffen ist" (BSG 19, 201, 202) - abgestellt (ähnlich auch das Zivilrecht: Vgl. Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht, 12. Aufl., TZ 76, S. 43 mit Nachw.). Alsdann ist festzustellen, welcher Teil der vor dem Schadensereignis vorhandenen Erwerbsfähigkeit durch dieses Ereignis verlorengegangen ist (BSG 21, 65). Die MdE wird in der Regel höher als diejenige Beeinträchtigung sein, die sich bei einem rein rechnerischen Abzug des Vorschadens ergäbe. Freilich wird sie oft nicht den Grad der MdE erreichen, der ohne den Vorschaden zuzubilligen wäre (BSG 24, 275, 276 f.). Immerhin führt diese funktionale Betrachtungsweise zu beachtlichen Vorteilen für die Betroffenen. Eine solche Betrachtungsweise ist sinnvoll nur aufrechtzuerhalten, wenn der Nachschaden nicht in den früheren Haftungsbereich mit einbezogen wird. Bei einer Aufeinanderfolge von traumatisch bedingten Gesundheitsschäden ist die Relation Vorschaden-Nachschaden richtig geordnet, wenn der frühere Schaden als Vorschaden zu einem späteren, zB von der gesetzlichen Unfallversicherung abzugeltenden Haftungsfall beurteilt wird; eine Behandlung des späteren Schadens als Nachschaden zum früheren Haftungsfall wäre dann nicht nur überflüssig, sondern könnte auch zu systemwidrigen Anspruchskonkurrenzen führen (vgl. BSG 27, 145). Die strenge Begrenzung auf der einen Seite - Nachschadenstheorie - korrespondiert demnach mit dem Vorteil auf der anderen Seite - Vorschadenstheorie -. Mit der Abkehr von der einen Ansicht wäre die andere in Frage gestellt.
Zweifel, ob die hier vertretene Lösung angemessen ist, verlieren ihr Gewicht angesichts einer langen ungebrochenen Tradition höchstrichterlicher Spruchpraxis. Schon das Reichsversorgungsgericht konnte sich 1926 (RVG 6, 28, 32) auf eine 20 Jahre alte Judikatur des Reichsversicherungsamts berufen. An diese Überlieferung hat das BSG (vgl. hierzu BSG 17, 100) angeknüpft. Es hat sie, wie oben belegt worden ist, ständig fortgeführt. Daraus hat sich eine faktisch, wenn auch nicht rechtsnormativ geltende Ordnung ergeben (BSG 20, 226, 229; BGHZ 23, 184, 189; Flume, Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentags 1966, II k 23 f.; Welzel, An den Grenzen des Rechts, 1966, 17 f.; kritisch: Josef Esser, Richterrecht, Gerichtsgebrauch und Gewohnheitsrecht Festschrift für Fritz v. Hippel, 1967, 95, 117; aber auch Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1968, 460 f.; zur Bedeutung einer ständigen Rechtsprechung: § 40 Abs. 2 VerwVG). Der Gesetzgeber ist diesem Gerichtsgebrauch nicht entgegengetreten; er hat ihn gebilligt oder zumindest hingenommen (hierzu BVerfG 21, 1, 4; BVerwG 25, 280, 283). Von Präjudizien, zumal in einer solchen Reihe, soll im Stabilitätsinteresse und um der gebotenen Berechenbarkeit und Voraussehbarkeit der Rechtsfolgen willen nicht ohne zwingenden Grund abgewichen werden (Hilger, Überlegungen zum Richterrecht, Festschrift für Larenz, 1973, 109, 115 f.). Ein zwingender Anlaß, die herkömmliche Nachschadenstheorie aufzugeben, besteht sowohl nach dem zuvor Gesagten als auch deshalb nicht, weil der Gesetzgeber sich auf das konstante Normverständnis bei verschiedenen Gelegenheiten eingestellt hat. Bei dieser Rechtslage sind einer Rechtsprechungsänderung Grenzen gesetzt (vgl. BAG 12, 278, 284; Hueck, Anm. zu BAG AP Nr. 13 zu § 76 BetrVG; BVerwG 20, 354, 357 f.; BSG, Urt. vom 29.12.1975 - 12 RJ 290/72).
Demgegenüber verschlägt es nichts, daß sich die Auslegung zum beruflich-wirtschaftlichen Nachschaden (§ 30 Abs. 2 bis 4 BVG) gewandelt hat. Nach BSG 36, 285 ist - abweichend von BSG 23, 188 - die berufliche Betroffenheit eines Kriegsbeschädigten auch dann anspruchssteigernd zu beachten, wenn die Schädigungsfolgen für sich allein dieses Ergebnis nicht gehabt hätten, es vielmehr dazu erst im Verein mit später aufgetretenen schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen gekommen ist. Desgleichen genügt es nach BSG 37, 80 (vgl. ferner Urteil vom 27. März 1974 - 10 RV 405/73 -) zur Rechtfertigung eines Berufsschadensausgleichs, daß ein Einkommensverlust in der Kombination von Wehrdienstfolgen und einer solchen Verringerung der Arbeitskraft seinen Grund hat, die sich wehrdienstunabhängig in jüngerer Zeit zeigte. Im Ergebnis folgt der erkennende Senat dieser Auffassung zunächst, soweit es um die berufliche Betroffenheit (§ 30 Abs. 2 BVG) geht. Allerdings ergibt sich ihm diese Lösung nicht zwingend daraus, daß die berufliche Belastung nicht nur im Hinblick auf den vor der Schädigung ausgeübten, begonnenen oder angestrebten Beruf zu untersuchen ist, sondern auch in bezug auf den "derzeitigen", nach der Schädigung ausgeübten und noch gegenwärtigen Beruf (1. und 3. NOG vom 27. Juni 1960 bzw. 28. Dezember 1966). Ein besonderes berufliches Betroffensein läßt sich sowohl für den früheren als auch für den derzeitigen Beruf ermitteln, wenn man allein von den schädigungsbedingten Gesundheitsverhältnissen unmittelbar nach der Schädigung ausgeht. Dies war auch die Vorstellung, von der die in BSG 23, 188 veröffentlichte Entscheidung bestimmt worden ist; bereits diese Entscheidung hatte es mit der auf den "derzeitigen" Beruf abzustellenden besonderen Betroffenheit zu tun. Auch die in diesem Zusammenhang angestellte Erwägung, die Kausalkette in § 30 Abs. 3 und 4 BVG sei im Vergleich zu dem Tatbestand des § 30 Abs. 1 "um ein weiteres Glied verlängert" worden, kann sich nicht auf den - schädigungsunabhängigen - "Nachschaden" beziehen. In der gesetzlichen Tatbestandsbeschreibung geht es um den Einkommensausfall. Dieser ist aber die Wirkung und nicht eine der sie herbeiführenden Ursachen. Eine dieser Ursachen ist hingegen der "Nachschaden". Er ist ein Zwischenglied in der zum Einkommensausfall führenden Ursachenreihe. Daß diese Reihe um das Moment des "Nachschadens" verlängert werden sollte, ist im Gesetz - jedenfalls mit deutlichen Worten - nicht angeordnet. Gleichwohl deutet der erkennende Senat die Überlegung von der "verlängerten Kausalkette" dahin, daß hinter der Neuordnung des Kriteriums der besonderen beruflichen Betroffenheit die gesetzgeberische Absicht einer Ausdehnung des Normzwecks zu erblicken ist. Dieser neue Aspekt ging mit einem Zuwachs an Entschädigungspflicht einher. Dies mußte sich auf die Deutung auswirken, welche der versorgungsrechtlichen Kausalitätsauffassung gegeben wird. Denn für die im Versorgungsrecht maßgebliche Kausalitätstheorie wird - wie gesagt - der Kreis rechtserheblicher Faktoren gerade vom vorgegebenen Zweck her festgelegt (vgl. Watermann, aaO., 98 f., 104). - Darin, daß die Tatbestandserweiterung, soweit sie reicht, von einer umfassenden Zielsetzung des Gesetzes getragen wird, schließt sich der erkennende Senat der in BSG 36, 285 veröffentlichten Entscheidung des 10. Senats des BSG an, zumal da inzwischen die Versorgungsverwaltung sich diese Auffassung zu eigen gemacht hat (Rdschr BMA vom 30.4.74, BVBl 1974, 50, Nr. 31). Es wird aber auch der in BSG 37, 80, 83, 87 (ferner Urteil vom 27. März 1974 - 10 RV 405/73 -) nachdrücklich betonte Vorbehalt wiederholt, und zwar aus den oben angeführten Gründen, daß die Durchbrechung der Nachschadenstheorie nicht für die Bewertung der MdE nach § 30 Abs. 1 BVG gilt.
Auf der Grundlage dieser Erörterungen ergibt sich im gegenwärtigen Streitfalle: Das angefochtene Urteil kann nicht aufrechterhalten werden, soweit darin die Blindheit des Klägers als Schädigungsfolge bezeichnet und ihm ein Versorgungsanspruch wegen einer MdE um 100 v. H. zugesprochen worden ist. In dieser Höhe ist die Erwerbsbehinderung des Klägers auch nicht ohne weiteres deshalb zu bewerten, weil die Blindheit für seine besondere berufliche Betroffenheit zu berücksichtigen ist. Die Beklagte hat zwar zu erwägen gegeben, ob der Einkommensausfall, den der Kläger infolge seiner Erblindung erlitten hat, ein solches Ausmaß erreiche, daß er schon deswegen die Schwelle zur Erwerbsunfähigkeit (90 v. H; § 31 Abs. 3 Satz 2 BVG) übersteige. Hierbei sei - meint sie - die Rechtsprechung zu beachten, wonach "für eine jeweilige Einkommensminderung um 20 v. H. eine Erhöhung des MdE-Grades um 10 v. H. anzusetzen" sei. - Einen Satz des Inhalts, daß die MdE für eine jeweilige - oder: für jede - Einkommensminderung um 20 v. H. aufzustocken sei, hat das BSG jedoch nicht ausgesprochen. Es hat lediglich entschieden, daß ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil in der Regel dann Ausdruck einer besonderen beruflichen Betroffenheit sei, wenn infolge der Schädigung mit einem Minderverdienst von 20 v. H. zu rechnen oder wenn wegen der geringen Höhe des Einkommens der Minderverdienst von erheblicher Bedeutung für den Betroffenen sei (BSG 29, 139, 144 f.; vgl. auch BSG, Urteil vom 14. März 1975 - 10 RV 189/74 = SozR 3100 § 30 BVG Nr. 6 -). Dagegen ist nicht erklärt worden, daß eine Einkommensminderung von 20 v. H. "jeweils" oder jedesmal einen zusätzlichen MdE-Grad von 10 v. H. nach sich ziehe.
Mit welchem Ergebnis die neue, durch die völlige Erblindung hervorgerufene besondere berufliche Beeinträchtigung des Klägers zu bewerten ist, unterliegt der Würdigung des Tatsachengerichts. Das SG sah sich, von seiner Rechtsauffassung her, zu genaueren Ermittlungen in dieser Richtung nicht veranlaßt. Damit die gebotenen Feststellungen getroffen werden können, ist das Urteil des SG aufzuheben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Hamburg zurückverwiesen (§ 170 Abs. 4 Satz 1 SGG).
Sollte der Kläger mit seinem Versorgungsbegehren auch bei den künftigen Entscheidungen nicht voll zufriedengestellt werden, so wird die Frage nach einem Härteausgleich (§ 89 Abs. 1 BVG) aufzuwerfen sein. Hierbei ist einerseits die in BSG 27, 75 veröffentlichte Entscheidung des BSG und andererseits die - oben dargestellte - zwischenzeitliche Rechtsentwicklung zu beachten, die auch Anlaß zu einer Prüfung der bisherigen Verwaltungspraxis und Rechtsprechung im Anwendungsbereich des § 89 BVG bieten kann.
Das LSG hat auch über die Pflicht zur Erstattung der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.
Fundstellen