Entscheidungsstichwort (Thema)
Truppenärztliche Überweisung in Zivilkrankenhaus
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt es bei der durch den Truppenarzt veranlaßten Behandlung eines schädigungsunabhängigen Leidens in einer zivilen Klinik zu einer unvorhergesehenen Verletzung des Soldaten, dann ist diese durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden (Fortführung von BSG 1969-12-12 8 RV 307/69).
2. Zur Verpflichtung der Truppenärzte, den Soldaten über Risiken einer operativen Behandlung aufzuklären.
Leitsatz (redaktionell)
Unter "zulässige Beeinflussung der Willensbildung" (siehe Runderlaß des BMVg vom 1968-04-18 = BVBl 1968, 86 Nr 38 unter A II 1 c aa) gehören auch Fälle, in denen eine durch wehrdiensteigentümliche Heilfürsorgeverhältnisse gebotene Pflicht zur Information des Patienten nicht oder nicht ausreichend erfüllt worden ist.
Normenkette
SVG § 80 S. 1 Fassung: 1971-09-01, § 81 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a Fassung: 1974-08-07, Buchst. b Fassung: 1974-08-07; RehaAnglG § 28 Nr. 2 Fassung: 1974-08-07
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 1974 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der 1913 geborene Kläger leistete von 1941 bis 1945 Wehrdienst und arbeitete sodann in seinem erlernten Beruf als Schneidermeister. Ab März 1957 verpflichtete er sich als Berufssoldat bei der Bundeswehr, wo er vorwiegend im Bekleidungswesen Verwendung fand. Im September 1968 wurde er wegen Erreichung der Altersgrenze als Hauptfeldwebel entlassen. Bereits 1961 aufgetretene ischialgieforme Beschwerden wiederholten sich in der Folgezeit mehrfach, bis es im April 1968 zu akuten Schmerzen an der Lendenwirbelsäule mit Ischialgie im rechten Bein kam. Das Bundeswehrlazarett A hielt eine Kur im Kurlazarett Wildbad für erforderlich. Dorthin wurde der Kläger im Juni 1968 eingewiesen. Nachdem die konservative Kurbehandlung erfolglos geblieben war, wurde der Kläger am 10. August 1968 vom Lazarett W in die Neurochirurgische Universitätsklinik T "zur Myelographie und gegebenenfalls zur operativen Versorgung" überwiesen. Am 16. August 1968 wurde der Kläger operiert, wobei es zu einer Wurzelverletzung mit Liquoraustritt kam, die eine Parese des Extensor hallucis longus rechts und der Fußheber zur Folge hatte. Das Wehrbereichsgebührnisamt III D erteilte im Juni 1971 dem Kläger einen Bescheid über die Ablehnung eines Ausgleichs nach § 85 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG), den er nicht angefochten hat.
Im September 1968 beantragte der Kläger wegen der Operationsfolgen Versorgung nach § 80 SVG i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Diesen Antrag lehnte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 27. Juli 1971 ab, weil das Wirbelsäulenleiden in der Konstitution des Klägers begründet, durch den Wehrdienst weder entstanden noch verschlimmert worden sei und die nachteiligen Operationsfolgen einem unbeabsichtigten, nicht voraussehbaren Zufall entsprächen; im übrigen habe die Operation im persönlichen Interesse des Klägers gelegen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Vor dem Sozialgericht machte der Kläger geltend, die Klinikärzte hätten ihn wegen eines Verdachts auf Bandscheibenvorfall operiert, der nicht bestätigt worden sei. An der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit habe ein dienstliches Interesse bestanden. Der Umstand, daß die Operation sechs Wochen vor Eintritt in den Ruhestand erfolgt sei, stehe dem Versorgungsanspruch nicht entgegen. Überdies sei er nicht gefragt worden, ob er die Operation durchführen lassen wolle. Das Sozialgericht erhob Beweis durch Einholung eines Gutachtens von dem Facharzt Dozent Dr. G und verurteilte den Beklagten, dem Kläger wegen " Peronäuslähmung am rechten Bein mit Ausnahme des Tibialis anterior" als Schädigungsfolge ab 1. Oktober 1968 Rente nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren (Urteil vom 23. Mai 1973).
Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 21. Mai 1974 zurück und ließ die Revision zu: Unter den dem Militärdienst eigentümlichen Verhältnissen (§ 81 Abs. 1 SVG) sei der Soldat verpflichtet, sich der Behandlung durch den Militärarzt zu unterziehen, er sei hinsichtlich der Arztwahl und Art sowie Umfang der Behandlung nicht frei. Auch der Militärarzt sei in die Truppe eingegliedert und, wenigstens aus der Sicht des Soldaten, dem gemeinsamen Dienstherrn verpflichtet. Da die den Kläger behandelnden Militärärzte durchweg ranghöher als der Kläger gewesen seien, sei für ihn das militärische Vorgesetztenverhältnis mitentscheidend gewesen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - 8 RV 307/69 -). Aus dieser Situation heraus habe die Pflicht der die Überweisung anordnenden Militärärzte bestanden, den Kläger rechtzeitig und ausreichend über das mit der operativen Behandlung der Bandscheibenerkrankung verbundene Risiko aufzuklären, was aber nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers unterlassen worden sei. Der Umstand, daß der Kläger nach Gesprächen mit Kameraden, bei denen eine gleichartige Operation erfolgreich durchgeführt worden sei, einen Tag vor der Operation eine schriftliche Einverständniserklärung gegenüber einer Krankenschwester abgegeben habe, sei ohne Bedeutung, weil der Kläger durch die Militärärzte in Unkenntnis des Operationsrisikos gelassen worden und durch die Unterlassung der Aufklärung in seiner freien Willensentscheidung beeinflußt worden sei. Zu einer Aufklärung des Klägers hätte um so mehr Veranlassung bestanden, als nach den Ausführungen des Dr. G das Lösen einer verwachsenen Wurzel gefährlich sei und überdies eine Indikation für die Operation nicht bestanden habe, weil ein Bandscheibenvorfall nicht nachgewiesen worden sei. Die Schädigung sei somit durch eine nicht indizierte Operation, über deren Risiko der Kläger nicht aufgeklärt worden sei, herbeigeführt worden. Es handle sich dabei um nachteilige Folgen einer truppenärztlichen Behandlung, die außerhalb des angestrebten Heilerfolges liege, wobei es darauf, daß die Operation in einer zivilen Klinik durchgeführt worden sei, nicht ankomme. Nach Buchstabe B Nr. 1 des Rundschreibens des Bundesministers für Arbeit (BMA) vom 2. Mai 1968 (BVBl 1968, 86) umfasse der Begriff "truppenärztliche Behandlung" Operationen, ..., sofern sie im Rahmen der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung vom Truppenarzt durchgeführt oder veranlaßt würden, weshalb dem Kläger wegen der nachteiligen Folgen Versorgung zustehe. Ausgeschlossen von der Versorgung sei nur das der Operation zugrunde liegende Bandscheibenleiden, bei dem es sich um eine konstitutionelle Erkrankung handele. Der Versorgungsanspruch des Klägers entfalle auch nicht in Anbetracht des bevorstehenden Eintritts des Klägers in den Ruhestand, weil es sich bei der zur Operation Anlaß bietenden Bandscheibenerkrankung um ein schon seit 1961 wiederholt aufgetretenes Leiden gehandelt habe, das bereits im April 1968 truppenärztliche Behandlung erforderte. Mit der Verpflichtung des Soldaten zur Gesunderhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit wäre es unvereinbar, wenn schon vor Ablauf der Dienstzeit das Interesse hieran verneint werden würde, um so mehr, als sich die Verpflichtung des Bundes, für das Wohl des Soldaten zu sorgen (§ 31 Soldatengesetz - SG -), auf die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses erstrecke.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung der §§ 80, 81 Abs. 1, 3. Alternative SVG und des § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch das LSG. Es treffe zwar zu, daß die Ausgestaltung der Heilfürsorge in §§ 30 ff SG zu den dem Militärdienst eigentümlichen Verhältnissen zähle und nach § 81 Abs. 1 SVG i.V.m. dem Runderlaß des Bundesverteidigungsministers vom 18. April 1968 (BVBl 1968, 86) unter bestimmten Voraussetzungen auch für nachteilige gesundheitliche Folgen, die bei der truppenärztlichen Behandlung ziviler Leiden eingetreten seien, Versorgungsschutz gewährt werde. Jedoch lägen für eine Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung (WDB) die besonderen Erfordernisse gemäß Buchst. A Abschnitt II Abs. 1 c, aa und bb des Runderlasses hier nicht vor. Denn nach den Feststellungen des LSG sei Ursache der Operation ein ziviles Bandscheibenleiden gewesen, das auf konstitutionellen Gegebenheiten beruhe und durch den Wehrdienst weder entstanden noch verschlimmert worden sei. Die Operation sei in einer nicht der Bundeswehr unterstehenden zivilen Klinik durchgeführt worden, deren Bereich der Kläger mit der endgültigen Überweisung überantwortet worden sei. Auf den weiteren Verlauf der Behandlung hätten die Militärärzte keinen Einfluß gehabt, die Notwendigkeit einer Operation sei ausschließlich in das Ermessen der Klinikärzte gestellt gewesen, die unabhängig von Weisungen der Militärärzte gehandelt hätten. Die Feststellung des LSG, die Operation sei durch einen Militärarzt "veranlaßt worden" sei daher unrichtig, weil "veranlaßt" nur im Sinne einer unmittelbaren Weisung verstanden werden könne. Eine solche habe aber nicht vorgelegen, sondern sei nur bewußt einschränkend "und gegebenenfalls zur operativen Versorgung" gegeben worden, weshalb keine truppenärztliche Behandlung vorgelegen habe. Der Vorwurf einer unzulässigen Beeinflussung der Willensbildung des Klägers durch die Truppenärzte, den das LSG aus einer unterlassenen Aufklärung über das Operationsrisiko herleite, sei nicht gerechtfertigt, er könne allenfalls gegen die Klinikärzte erhoben werden. Auch für die 2. Alternative des Erlasses seien die Voraussetzungen nicht gegeben, weil es hier nicht auf das Interesse der Bundeswehr, sondern auf das subjektive Interesse des Klägers ankomme. Da die Operation erst zirka sechs Wochen vor dem Ausscheiden des Klägers aus dem Wehrdienst erfolgt und der Zeitpunkt des Ausscheidens lange vorher bekannt gewesen sei, habe festgestanden, daß eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht zu erreichen sei. Aber auch bei Wertung der Operation als truppenärztliche Behandlung hätte sich das LSG zu weiterer Sachaufklärung gedrängt fühlen müssen, weil es sich hinsichtlich des Vorwurfs der unterlassenen Belehrung über das Risiko auch von seinem sachlich- rechtlichen Standpunkt aus nicht ausschließlich auf die glaubhaften Angaben des Klägers habe stützen dürfen. Für den Fall, daß die Entscheidung von einer unterlassenen Risikobelehrung abhänge, werde ausdrücklich eine Verletzung des § 103 SGG gerügt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die Rechtsauffassung des LSG für gerechtfertigt und die Verfahrensrügen für nicht zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die form- und fristgerechte, durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten ist nicht begründet (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, §§ 164, 166, 170 Abs. 1 SGG). Das LSG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger Versorgung nach §§ 80 ff SVG zusteht.
Nach § 80 Satz 1 SVG (idF der Bekanntmachung vom 20. Februar 1967 - BGBl I 201, der bei der Neufassung vom 1. September 1971 - BGBl I 1481 - unverändert geblieben ist), erhält ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, nach Beendigung des Dienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. WDB ist nach § 81 Abs. 1 SVG (Fassung vom 20. Februar 1967) eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Dienstverrichtung (Fassung vom 1. September 1971: "Wehrdienstverrichtung"), durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.
In Ergänzung dieser Vorschrift bestimmte § 81 Abs. 2 SVG (idF vom 20. Februar 1967 und vom 1. September 1971, die zwar textlich voneinander abwichen, inhaltlich aber im wesentlichen übereinstimmten), daß als WDB u.a. auch solche gesundheitlichen Schädigungen anzusehen waren, die ein Soldat durch einen Unfall bei der Durchführung einer wegen Schädigungsfolgen vorgenommenen Heilbehandlungsmaßnahme erlitt; die Voraussetzung, daß die den Unfall verursachende Heilbehandlung "wegen Schädigungsfolgen" durchgeführt wurde, war hier nicht erfüllt, denn das Wirbelsäulenleiden, dessentwegen der Kläger in W und dann in Tübingen behandelt wurde, hatte mit seinem Wehrdienst nichts zu tun. Erst nach Abschluß des Berufungsverfahrens hat die Neufassung des § 81 Abs. 2 SVG durch § 28 Nr. 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 - RehaAnglG - (BGBl I 1881) diese Einschränkung beseitigt, so daß nunmehr Unfälle bei Durchführung von Heilbehandlungsmaßnahmen auch dann zu einer WDB führen können, wenn die Heilbehandlung einem wehrdienstfremden Leiden gegolten hat. Wäre diese am 1. Oktober 1974 in Kraft getretene Regelung (§ 45 Abs. 1 RehaAnglG) von diesem Zeitpunkt an auch auf früher eingetretene Schädigungen anwendbar, so bestünde an der Berechtigung des Klageanspruchs von da an kein Zweifel, denn die während der Operation am 16. August 1968 unbeabsichtigt eingetretene Wurzelverletzung entsprach den Begriffsmerkmalen eines "Unfalles" (vgl. VerwV Nr. 1 zu § 81 SVG; § 27 Abs. 2 SVG; siehe auch BVerwG 23, 201, 205, 209 f). Da jedoch weder der Gesetzeswortlaut noch die Materialien zum RehaAnglG hinreichende Anhaltspunkte dafür bieten, daß der erweiterte Versorgungsschutz auch für vor dem 1. Oktober 1974 eingetretene Unfälle gelten soll (anders z.B. Art. V § 1 Abs. 2 des 3. NOG - KOV vom 28.12.1966, BGBl I 750 vgl. BMA, Rdschr. vom 18.1.1967, BVBl 1967, 34, zu § 1), müßte nach den in der Rechtsprechung (BSG 22, 63 ff; 23, 139 ff; 24, 88 ff) entwickelten allgemeinen Grundsätzen davon ausgegangen werden, daß der vom Kläger erhobene Anspruch auch jetzt nicht nach dieser günstigeren Fassung des § 81 Abs. 2 SVG zu beurteilen ist. Einer abschließenden Prüfung bedarf diese Frage im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht, denn eine WDB ist - wie die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben - schon auf Grund des vor dem 1. Oktober 1974 geltenden Rechts zu bejahen, weil die gesundheitliche Schädigung bei der Wirbelsäulenoperation durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs. 1 SVG). Ob außerdem die Tatbestandsmerkmale einer Wehrdienstverrichtung vorgelegen haben (vgl. BSG Urt. vom 4.10.1966, BVBl 1967, 62) kann unerörtert bleiben.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl. u.a. SozR Nr. 1 zu § 81 SVG 67; Nr. 80 zu § 1 BVG; Urteil vom 28. November 1962 - BVBl 1963, 105, weitere Nachweise in BSG 37, 282, 283 = SozR 3200 § 81 Nr. 1; siehe auch VerwV Nr. 3 zu § 81 SVG) sind dem Wehrdienst eigentümlich die von den Verhältnissen des zivilen Lebens abweichenden, mit den besonderen Gegebenheiten des Wehrdienstes verknüpften Lebensbedingungen eines Soldaten während seiner Dienstzeit. Hierzu gehört auch die Ausgestaltung der Heilfürsorge für Soldaten, die sich von den außerhalb der Bundeswehr herrschenden Verhältnissen deutlich unterscheidet (vgl. schon früher: RVG 2, 38). Dem Soldaten, der seinerseits zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung seiner Gesundheit verpflichtet ist (§ 17 Abs. 4 SG), schuldet der Bund im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses die Sorge für das Wohlergehen auch für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses (§ 31 SG). Dieser allgemeine rechtliche Rahmen wird hinsichtlich der gesundheitlichen Belange ausgefüllt durch den Anspruch des Soldaten auf Heilfürsorge (§ 30 Abs. 1 Satz 1 SG) in Gestalt unentgeltlicher truppenärztlicher Versorgung (§ 36 Abs. 2 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz - BBesG -). Bei dieser Art der Heilfürsorge hat der Soldat - im Unterschied zu einem krankenversicherten Beschäftigten (§§ 184 Abs. 5, 368 a Abs. 1 Reichsversicherungsordnung) - keine freie Wahl unter den Ärzten und Krankenhäusern, vielmehr muß er sich im Krankheitsfall von Militärärzten - ambulant oder stationär - behandeln lassen. Die Beziehungen erkrankter Soldaten unterer Dienstgrade zu den sie pflichtgemäß behandelnden Militärärzten weichen von der im Zivilleben typischen Patient-Arzt-Relation insofern erheblich ab, als der Militärarzt wegen des Rangunterschiedes dem Patienten als Vorgesetzter gegenübertritt und wegen der Eingliederung in die Truppe - wenigstens aus der Sicht des Patienten - nicht allein diesem, sondern auch dem gemeinsamen Dienstherrn verpflichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - 8 RV 307/69 -). Die truppenärztliche Versorgung wird in der Regel stationär in einem Lazarett oder Sanitätsbereich durchgeführt. Verfügt das Lazarett jedoch nicht über die geeigneten Behandlungsmöglichkeiten - so dürfte es sich im vorliegenden Fall hinsichtlich einer operativen Behandlung des Wirbelsäulenleidens verhalten haben -, dann überweist der Truppenarzt dem Soldaten in eine geeignete zivile Krankenanstalt (VV Nr. 5 zu § 36 Abs. 2 BBesG vom 31.8.1962, VMBl 1962, 446); dieser Regelung ist zweifelsfrei zu entnehmen, daß die Weiterbehandlung des Klägers in der T Universitätsklinik auf Kosten des Bundeswehrfiskus noch zur unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung gehörte und nicht etwa - unabhängig hiervon - eine anders geartete Form von Heilfürsorge darstellte. Hieraus ergab sich im vorliegenden Fall, wie das LSG mit Recht ausgeführt hat, eine besondere Verpflichtung der Militärärzte, die im August 1968 den Kläger an die Neurochirurgische Universitätsklinik T überwiesen, den Kläger über die bei der Weiterbehandlung durch diese Klinik in Betracht zu ziehenden medizinischen Eingriffe und die nach ärztlichem Erkenntnisvermögen damit verbundenen Risiken umfassend aufzuklären. Die Feststellung des LSG, eine solche durch die wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse gebotene Aufklärung des Klägers sei - zumindest in einem nach Lage des Falles hinreichenden Umfang - unterblieben, ist zwar von der Revision angegriffen worden; jedoch greift die Verfahrensrüge schon deshalb nicht durch, weil in der Berufungsverhandlung am 21. Mai 1974 der Terminvertreter des Beklagten, der dem Kläger während dessen Anhörung Fragen stellen konnte, abschließend nicht zu erkennen gegeben hat, inwiefern noch Zweifel an den Bekundungen des Klägers angebracht sein könnten; hiernach wird nicht ersichtlich, auf Grund welcher Umstände das LSG sich noch zur Zeugenvernehmung der Klinik- und Militärärzte hätte gedrängt fühlen müssen (SozR Nr. 14 zu § 103 SGG). Daß die mit der Bandscheibenoperation verbundene Gefahr einer Wurzelverletzung bei der Aufklärung des Klägers über Operationsrisiken zu berücksichtigen gewesen wäre, hat das LSG bedenkenfrei dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G entnommen, wobei es auf den höheren oder geringeren Grad der Vorhersehbarkeit eines solchen Mißgeschicks nicht ankommen konnte.
Der Entscheidung, daß die vom Kläger am 16. August 1968 erlittene gesundheitliche Schädigung durch dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse herbeigeführt wurde und somit eine WDB darstellt, steht auch nicht der Runderlaß des Bundesministers für Verteidigung vom 18. April 1968 (mitgeteilt durch BMA-Rundschreiben vom 2. Mai 1968, BVBl 1968, 86 Nr. 38) entgegen, auf den der Beklagte seine Revision maßgeblich stützt. Soweit dieser Erlaß als gesetzeskonforme Erläuterung des § 81 Abs. 1 SVG zu verstehen ist, sind die in ihm aufgeführten Tatbestandsmerkmale hier verwirklicht. Der Kläger hat sich wegen des nicht wehrdienstbedingten Bandscheibenleidens einer truppenärztlichen Behandlung unterzogen, dabei wurden Behandlungsmaßnahmen mit erheblicher Gefahr für die Gesundheit angewandt (A II 1 c), und es haben Truppenärzte die Willensbildung des Klägers unzulässig beeinflußt (aa); dieses Tatbestandsmerkmal ist nicht, wozu der Wortlaut an sich evtl. verleiten könnte, im Sinne einer vorsätzlich erteilten Falschbelehrung oder gar einer auf den Soldaten ausgeübten Pression einzuengen, vielmehr gehören bei gesetzeskonformer Auslegung hierher auch Fälle der vorliegenden Art, in denen eine durch die wehrdiensteigentümlichen Heilfürsorgeverhältnisse gebotene Pflicht zur Information des Patienten nicht oder nicht ausreichend erfüllt worden ist. Ob außerdem noch die unter A II 1 c, bb) des Runderlasses aufgeführten Merkmale (Verhalten des Soldaten im besonderen Interesse der Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit) vorliegen, kann unter diesen Umständen offen bleiben, da die unter aa) und bb) jeweils genannten Merkmale nicht kumulativ, sondern alternativ vorgesehen sind. Bei der Überweisung des Klägers vom Bundeswehrlazarett W in die Universitätsklinik T handelte es sich um eine "Veranlassung" der Operation durch den Truppenarzt (B 1); in diesem Zusammenhang kann dem Wortlaut der Überweisungsverfügung, auf dessen Formulierung der vom Lazarett überwiesene Patient in der Regel keinen Einfluß hat, jedenfalls dann keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, wenn - wie hier - dem Patienten keine andere Wahl blieb, als sich in die Verlegung aus dem Lazarett in die Universitätsklinik zu fügen.
Die Revision ist hiernach unbegründet und muß zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen