Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsbeschädigter. Stationäre Krankenhausbehandlung. Wahlleistung (Zwei-Bett-Zimmer/Chefarztbehandlung) als selbstbeschaffte Leistung. Erstattungsfähige Kosten. Versorgungsniveau der gesetzlichen KV. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Kriegsbeschädigter hat nach § 18 Abs. 4 BVG keinen Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Inanspruchnahme von Wahlleistungen im Rahmen einer stationären Krankenhausbehandlung entstandenen Kosten.
2. § 18 Abs. 8 BVG bezweckt nicht, einem Kriegsbeschädigten die Inanspruchnahme von Wahlleistungen allein deshalb zu ermöglichen, weil diese bei der Behandlung von nicht schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen durch eine von ihm abgeschlossene private Zusatzversicherung abgedeckt werden.
3. Die grundsätzliche Begrenzung der Krankenbehandlung Kriegsbeschädigter auf das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Anspruch von Kriegsopfern auf Versorgung geht von Verfassungs wegen über eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Krankenhausbehandlung nicht hinaus. Zu einer solchen gehören Wahlleistungen regelmäßig nicht.
Normenkette
BVG § 18 Abs. 4, 8; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger die Kosten für Wahlleistungen (Zwei-Bett-Zimmer/Chefarztbehandlung) während der stationären Behandlung in einem Krankenhaus zu erstatten hat.
Bei dem kriegsbeschädigten Kläger sind als Schädigungsfolgen anerkannt:
Verlust des linken Beines, Bewegungseinschränkungen im linken Hüftgelenk in Folge Deformierung des Gelenkes nach operativ versorgtem Schenkelhalsbruch links, noch liegendes Osteosynthesematerial.
Vom 9. bis 13. Dezember 1997 wurde der Kläger wegen einer serös fistelnden Läsion in den Hautfalten des linken Oberschenkelstumpfes im Krankenhaus behandelt. Die Kosten für die Grundversorgung trug die gesetzliche Krankenkasse des Klägers; seine private Krankenversicherung lehnte es ab, die darüber hinaus gehenden Kosten der Wahlleistungen (2.427,90 DM) zu erstatten.
Daraufhin beantragte der Kläger bei der Versorgungsverwaltung, ihm diese Kosten zu erstatten. Der Beklagte lehnte das ab, weil die anerkannten Schädigungsfolgen keine besonderen ärztlichen oder pflegerischen Maßnahmen während der stationären Behandlung erfordert hätten und der Kläger nicht gehindert gewesen sei, Heilbehandlung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Anspruch zu nehmen (Bescheid vom 30. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 1999).
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts ≪SG≫ Köln vom 31. Oktober 2001 und des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2002). Das LSG hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt: Nach der hier einschlägigen Vorschrift des § 18 Abs 4 BVG seien die Kosten einer selbst durchgeführten Heilbehandlung in angemessenem Umfang zu erstatten. Angemessen seien, ebenso wie im Rahmen des § 18 Abs 3 BVG, nur die Kosten in Höhe des allgemeinen Pflegesatzes. Die darüber hinaus gehenden Kosten für Wahlleistungen seien mithin nicht erstattungsfähig.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Wahlleistungen habe er im Vertrauen auf deren Erstattung durch seine private Zusatzversicherung in Anspruch genommen. Erst nachträglich sei klar geworden, dass im Krankenhaus das Kriegsleiden behandelt worden sei, wofür Leistungen seiner privaten Krankenversicherung nach dem bestehenden Vertrag ausgeschlossen und auch nicht gegen eine höhere Prämie einzubeziehen seien. Diese Lücke sei über § 18 Abs 4 BVG zu schließen, weil Kriegsbeschädigte sonst unter Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Art 3 Grundgesetz von Versicherungsschutz für Wahlleistungen bei Behandlung von Schädigungsfolgen ausgeschlossen seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2002 und des SG Köln vom 31. Oktober 2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. April 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid über die geltend gemachte Kostenerstattung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung ist die vom Kläger behauptete – allgemeine – Unversicherbarkeit von Kriegsleiden Folge der im Zivilrecht geltenden Vertragsfreiheit, jedenfalls sei sie nicht über § 18 Abs 4 BVG auszugleichen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Der Beklagte und die Vorinstanzen haben zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für Wahlleistungen während der Krankenhausbehandlung vom 9. bis 13. Dezember 1997 verneint. Der Kläger kann hier von der Versorgungsverwaltung nicht mehr verlangen, als eine Behandlung auf dem kostengünstigen Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung, wie sie ihm als Sachleistung erbracht worden ist. Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen die Verfassung.
Der Kläger hat als Kriegsbeschädigter nach § 10 Abs 1 BVG Anspruch auf Heilbehandlung, darunter stationäre Behandlung in einem Krankenhaus (§ 11 Abs 1 Nr 5 BVG), für Gesundheitsstörungen, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind. Die Sachleistung Krankenhausbehandlung ist hier nach § 18c Abs 1 Satz 3 BVG für die Verwaltungsbehörde von der gesetzlichen Krankenkasse des Klägers erbracht worden. Diese erhält die Aufwendungen für ihr Mitglied gemäß § 19 Satz 2 BVG erstattet.
Einen Anspruch des Klägers auf Erstattung für Wahlleistungen entstandener Kosten sieht das BVG hier nicht vor; er ergibt sich weder aus § 18 Abs 4 BVG noch aus dieser Vorschrift iVm § 18 Abs 8 BVG. Nach § 18 Abs 4 Satz 1 BVG sind dem Berechtigten, der eine Heil- oder Krankenbehandlung nach der Anerkennung selbst durchführt, die Kosten in angemessenem Umfang zu erstatten, wenn unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse (§ 18c Abs 2 Satz 1 BVG) oder der Verwaltungsbehörde (§ 18c Abs 1 Satz 2 BVG) unmöglich gemacht haben. Das gilt nach § 18 Abs 4 Satz 2 BVG für Versorgungsberechtigte, die Mitglied einer Krankenkasse sind, jedoch ua nur, wenn die Kasse nicht zur Leistung verpflichtet ist. Danach kommt hier keine Kostenerstattung in Betracht. Denn dem Kläger ist von seiner gesetzlichen Krankenkasse für die Zeit vom 9. bis 13. Dezember 1997 Krankenhausbehandlung gewährt worden. Anders als nach früherem Rechtszustand kann die Krankenkasse Krankenhausbehandlungen auch dann uneingeschränkt als Sachleistung erbringen, wenn der Leistungsempfänger neben der allgemeinen Krankenhausleistung privat wahlärztliche Leistungen in Anspruch nimmt. Denn nach der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 26. September 1994 (BGBl I S 2750) werden die allgemeinen Krankenhausleistungen durch Fallpauschalen, Sonderentgelte oder tagesgleiche Pflegesätze erbracht. Daneben in Anspruch genommene Wahlleistungen sind nach § 22 BPflV gesondert abzurechnen (vgl hierzu und zum früheren Rechtszustand Rundschreiben des BMA vom 20. Juni 1997 – VI 3 – 52275; BArbBL 1997, Nr 9, 98).
Nach § 18 Abs 8 BVG können in besonderen Fällen bei der stationären Behandlung eines Beschädigten auch die Kosten für Leistungen übernommen werden, die über die allgemeinen Krankenhausleistungen hinaus gehen, wenn es nach den Umständen, insbesondere im Hinblick auf die anerkannten Schädigungsfolgen erforderlich erscheint. Der Beklagte hat solche Umstände hier – nach Einschaltung des versorgungsärztlichen Dienstes – verneint. Diese Entscheidung haben die Instanzgerichte zu Recht als rechtsfehlerfrei bestätigt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es nicht Aufgabe des § 18 Abs 8 BVG, einem Kriegsbeschädigten die Inanspruchnahme von Wahlleistungen allein deshalb zu ermöglichen, weil diese bei der Behandlung von nicht schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen durch eine von ihm abgeschlossene private Zusatzversicherung abgedeckt werden.
Die – grundsätzliche – Begrenzung der Krankenbehandlung Kriegsbeschädigter auf das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Eben so wenig wie es die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet, einem Beamten Wahlleistungen in der Krankenhausversorgung zu gewährleisten (vgl BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 – 2 BvR 1053/98 –, NVwZ 2003, 720), geht der Anspruch von Kriegsopfern auf Versorgung von Verfassungs wegen über eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Krankenhausbehandlung hinaus (vgl zum Leistungsniveau BSG SozR 3-3100 § 18 Nr 5). Dazu gehören Wahlleistungen – regelmäßig – nicht. Besonderen Fällen trägt § 18 Abs 8 BVG hinreichend Rechnung.
Soweit der Kläger sich in verfassungswidriger Weise diskriminiert sieht, weil er schädigungsbedingte Gesundheitsstörungen nicht auf dem von ihm gewählten und durch Abschluss eines privaten Krankenversicherungsvertrages über Wahlleistungen im Krankenhaus im Übrigen erreichten Niveau behandeln lasse könne, macht er keinen für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erheblichen Gesichtspunkt geltend. Das System der Kriegsopferversorgung ist verfassungsrechtlich nicht gehalten, etwaige Lücken im Angebot der privaten Versicherungswirtschaft zu schließen, wie sie der Kläger behauptet: Nach den allgemein geltenden Versicherungsbedingungen seien (Wahl-) Leistungen für die Behandlung schädigungsbedingter Gesundheitsstörungen von Kriegsopfern ausgeschlossen und auch gegen Beitragsaufschlag nicht zu versichern. Gegen die Annahme des Klägers spricht bereits § 5 Abs 1 Buchst a Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten-/Krankenhaustagegeldversicherung/Teil I – Musterbedingungen des Verbandes der privaten Krankenversicherung (MB/KK). Die Vorschrift lautet:
Keine Leistungspflicht besteht für solche Krankheiten einschließlich ihrer Folgen sowie für Folgen von Unfällen und für Todesfälle, die durch Kriegsereignisse verursacht oder als Wehrdienstbeschädigung anerkannt und nicht ausdrücklich in den Versicherungsschutz eingeschlossen sind.
Danach ist der Ausschluss “selbstverständlich” durch vertragliche Vereinbarung abdingbar (vgl Schoenfeldt/Kalis in Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 3. Aufl 2002, § 5 MB/KK, RdNr 4). Sollte die Versicherungswirtschaft davon in der Praxis keinen Gebrauch machen, so ließe sich von medizinisch auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung versorgten Kriegsbeschädigten – wie dem Kläger – allenfalls noch die Frage aufwerfen, ob die Krankenversicherungsunternehmen mit einer solchen Weigerung gegen ein verfassungsrechtlich begründetes Diskriminierungsverbot verstoßen und deshalb einem Kontrahierungszwang unterliegen.
Schließlich bleibt es Kriegsbeschädigten unbenommen, unter Einsparung von Risikozuschlägen auf die Beiträge zu ihrer privaten Zusatzkrankenversicherung nach ihrem individuellen Lebenszuschnitt gewünschte und gewohnte Wahlleistungen in Fällen, die nicht unter § 18 Abs 8 BVG fallen, direkt zu bezahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen