Entscheidungsstichwort (Thema)

Härte iS von § 2 Abs 7 ArbErlaubV

 

Orientierungssatz

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 2 Abs 7 ArbErlaubV am Zweck der besonderen Arbeitserlaubnis auszurichten. Diese besteht im wesentlichen darin, aus besonderen sozialen Gründen die Arbeitsaufnahme des Ausländers zu ermöglichen, obwohl dies dem Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer widerspricht. Dementsprechend können die für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnisse einen Härtefall nicht begründen und besondere Verhältnisse nur, wenn sie stärkeres Gewicht haben als der Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer (vgl BSG vom 23.6.1982 7 RAr 106/81 = BSGE 54, 14, 22 = SozR 4100 § 19 Nr 16).

2. Härten, die aufgrund von Umständen bestehen, wie sie bei einer Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmern auftreten können, rechtfertigen nicht die Erteilung einer unbeschränkten Arbeitserlaubnis (vgl BSG vom 8.10.1981 7 RAr 23/80 = SozR 4210 § 2 Nr 10).

3. Weder das Angewiesensein auf Leistungen der Sozialhilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie noch die mit einem längerfristigen Bezug von Sozialhilfeleistungen verbundene Gefahr einer Ausweisung stellen einen Ausnahmesachverhalt dar, der bereits grundsätzlich zur Anwendung der Härteregelung führt.

4. Allein die langjährige Aufenthaltsdauer ohne Rücksicht darauf, wie lange der ausländische Arbeitnehmer hiervon in das Erwerbsleben der Bundesrepublik Deutschland integriert war, vermag die Ablehnung der Arbeitserlaubnis nicht als Härte erscheinen zu lassen (vgl BSG vom 23.6.1982 7 RAr 106/81 = BSGE 54, 14 = SozR 4100 § 19 Nr 16).

5. Die Frage, ob die Versagung der Arbeitserlaubnis nach den besonderen Verhältnissen des ausländischen Arbeitnehmers eine Härte bedeuten würde, ist nicht ungeachtet der Grundrechte und der in ihnen zum Ausdruck kommenden Wertordnung zu beurteilen (vgl BSG vom 23.6.1982 7 RAr 106/81 = BSGE 54, 14 = SozR 4100 § 19 Nr 16).

6. Eine weitgehende wirtschaftliche und soziale Integration des Ausländers kann einen Härtefall begründen. Dazu gehört neben einem langjährigen Aufenthalt eine dauerhafte Eingliederung in das Erwerbsleben.

 

Normenkette

AFG § 19 Abs 1 S 2; ArbErlaubV § 2 Abs 1; ArbErlaubV § 2 Abs 7; GG Art 6 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 29.05.1986; Aktenzeichen V ARBf 55/85)

SG Hamburg (Entscheidung vom 23.09.1985; Aktenzeichen 7 AR 1236/84)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis nach § 2 der Arbeitserlaubnis-Verordnung (AEVO) hat.

Der am 27. November 1957 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger und reiste erstmals am 15. November 1970 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. In der Zeit ab 20. Juni 1971 bis zur Ableistung seines Wehrdienstes in Jugoslawien (29. Januar 1979 - 18. April 1980) war er - meist kurzfristig - bei einer Vielzahl von Arbeitgebern ua als Hilfsarbeiter, Platzarbeiter, Mühlenarbeiter, Küchenhilfskraft und Metallarbeiter beschäftigt. Am 17. August 1980 kehrte er in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Der Kläger, dessen Eltern ebenfalls in Deutschland leben, ist seit dem 12. Juni 1981 mit einer Jugoslawin verheiratet, die sich seit August 1980 im Bundesgebiet aufhält. Der Kläger hat drei Kinder, geboren 1978, 1981 und 1985, die bei ihren Eltern leben.

Nach seiner Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland arbeitete der Kläger wiederum mit Unterbrechungen bis Herbst 1982; während seiner gesamten Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet war er ca 67 Monate erwerbstätig. In der Zeit vom 3. Dezember 1981 bis 31. März 1982 bezog er von der Beklagten Arbeitslosenhilfe (Alhi). Seit dem 14. Januar 1983 lebte er mit seiner Familie von Sozialhilfe. Aufenthaltsrechtlich besitzt der Kläger eine Duldungsbescheinigung vom 15. November 1985, deren Geltung nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) bis zum 9. Mai 1986 verlängert worden ist. Am 27. Februar 1984 beantragte der Kläger erstmals die Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis, die jedoch bestandskräftig abgelehnt wurde (Ablehnungsbescheid vom 14. März 1984). Am 9. August 1984 stellte der Kläger erneut Antrag auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis. Auch diese wurde von der Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 7. September 1984; Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1984).

Durch Urteil vom 23. September 1985 hat das Sozialgericht (SG) den Ablehnungsbescheid idF des Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte zur Erteilung der beantragten Arbeitserlaubnis verurteilt, da deren Versagung nach den persönlichen Verhältnissen des Klägers eine Härte bedeuten würde.

In Vollzug des erstinstanzlichen Urteils erteilte die Beklagte dem Kläger am 25. September 1985 eine auf fünf Jahre befristete besondere Arbeitserlaubnis, die folgenden Zusatz enthielt: "Diese Arbeitserlaubnis wird in Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg erteilt und gilt nur für die Dauer des Rechtsstreits".

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 29. Mai 1986). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Ein Rechtsanspruch des Klägers auf Erteilung einer besonderen Arbeitserlaubnis ergebe sich weder aufgrund der Härteregelung des § 2 Abs 7 noch aus § 2 Abs 1 AEVO idF der Bekanntmachung vom 12. September 1980 (BGBl I 1754) mit den Änderungen vom 24. September 1981 (BGBl I 1042) und vom 9. Juli 1984 (BGBl I 890 -AEVO-). Die Versagung der Arbeitserlaubnis habe keine Härte begründet. Die persönliche Situation des Klägers rechtfertige es nicht, besondere, atypische Umstände anzunehmen. Die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen seien typischerweise bei einer Vielzahl ausländischer Arbeitnehmer anzutreffen. Besondere Verhältnisse seien nur gegeben, wenn sie von den für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnissen abweichen und stärkeres Gewicht besitzen würden als der in § 19 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) iVm § 2 Abs 7 AEVO normierte Vorrang der deutschen und diesen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer. Diese Voraussetzung erfülle der Kläger nicht. Eine weitgehende Verwurzelung des Klägers und seiner Familie in die wirtschaftliche und soziale Gemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland habe trotz des langjährigen Aufenthalts des Klägers noch nicht stattgefunden. Der Kläger sei daher nicht in ausreichendem Maße integriert. Ob eine Integration stattgefunden habe, sei nur anhand konkreter, objektivierbarer Umstände feststellbar. Daran fehle es vorliegend. Auch das Bestehen von Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber seiner Ehefrau und den Kindern könne eine Härte nicht begründen. Auswirkungen besonderer Art in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als Folge der Versagung der Arbeitserlaubnis seien nicht ersichtlich. Eine Vielzahl ausländischer Arbeitnehmer sei auf den Bezug von Leistungen der Sozialhilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen. Der Sozialhilfebezug rechtfertige daher nicht die Bejahung eines Härtefalles. Die gegenteilige Auffassung würde im Hinblick auf die Rechtsprechung zur Verfügbarkeit ausländischer Arbeitsloser ohne Arbeitserlaubnis zu widersprüchlichen Ergebnissen führen.

Auch in sozialer Hinsicht seien keine Umstände gegeben, die die Annahme besonderer Verhältnisse rechtfertigen könnten. Die Rückkehr in das Heimatland sei weder für den Kläger noch dessen Ehefrau unzumutbar. Dies gelte auch mit Rücksicht auf Art 6 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Familieneinheit angemessen nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden könne, bestünden nicht. Gegenteiliges ergebe sich weder aus der Tatsache, daß das älteste Kind des Klägers eine deutsche Schule besuche noch aus der langjährigen Aufenthaltsdauer des Klägers im Bundesgebiet. Weder habe er sich während der Aufenthaltszeit eine gesicherte Existenz aufbauen können noch habe er den Kontakt zu seinem Heimatland vollständig verloren. Die lediglich theoretische Gefahr der Ausweisung wegen Sozialhilfebezuges führe nicht zur Annahme einer Härte. Auch das Bemühen des Klägers, den Familienunterhalt durch Aufnahme von Hilfsarbeiten und unständiger Beschäftigung zu sichern, sei nicht geeignet, besondere Verhältnisse darzutun. Dies entspreche nur einer Selbstverständlichkeit.

Des weiteren hat das LSG - in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil - ausgeführt, daß das Klagebegehren nicht auf § 2 Abs 1 AEVO gestützt werden könne. Auch komme die Erteilung einer allgemeinen Arbeitserlaubnis gemäß § 1 Abs 1 Nr 1 AEVO nicht in Betracht.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) und einen Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG. Er ist der Auffassung, das LSG habe seine Pflicht zur vollständigen Ermittlung des Sachverhalts dadurch verletzt, daß es unterlassen habe, die Akten des Einwohner-Zentralamtes Hamburg beizuziehen. Die Beiziehung sei erforderlich gewesen zur Klärung der Frage, wie über die vom Kläger beantragte Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz entschieden worden sei. In diesem Zusammenhang habe der Kläger bereits am 14. März 1986 auf der Geschäftsstelle des LSG eine Bescheinigung der Senatsbehörde für Inneres vorgelegt. Diese sei jedoch nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Die Wertentscheidung des GG zugunsten Ehe und Familie habe das LSG bei der Auslegung der Begriffe "Härte" und "besondere Verhältnisse" nicht berücksichtigt und daher gegen Art 6 Abs 1 GG verstoßen. Die Auslegung habe unter dem Gesichtspunkt zu erfolgen, daß die Bundesrepublik Deutschland ein sozialer Rechtsstaat sei. Zu Lasten des Klägers dürfe sich nicht nachteilig auswirken, daß er - nicht zuletzt durch sprachliche Defizite bedingt - eine Vielzahl meist nur kurzfristiger Arbeitsverhältnisse ausgeübt habe. Die Frage nach der Integration könne nicht ausschließlich oder überwiegend von den beruflichen Leistungen bzw der Kontinuität geleisteter Arbeit abhängig gemacht werden. Sein langjähriges Bemühen um eine dauerhafte Eingliederung in das Arbeitsleben sei angemessen zu berücksichtigen.

Weiterhin dürfe unter dem Gesichtspunkt des Art 6 Abs 1 GG nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger mit Unterbrechungen seit rund 16 Jahren im Bundesgebiet lebe, seit fünf Jahren verheiratet sei, drei minderjährige Kinder habe und auch diese bereits mehrere Jahre im Bundesgebiet lebten. Aufgrund dieser gesamten Lebenssituation und nicht isoliert anhand von Einzelpunkten sei die Beurteilung der persönlichen Verhältnisse vorzunehmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Verfahrensrüge greife nicht durch, da weder dargelegt noch erkennbar sei, weshalb das LSG die den Kläger betreffende Ausländerakte hätte beiziehen sollen. Eine unzureichende Sachaufklärung liege auch nicht in bezug auf die Bescheinigung der Senatsbehörde für Inneres vor, da diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Einer Entscheidung des Senats in der Sache steht kein Verfahrenshindernis entgegen. Insbesondere ist keine Erledigung der Hauptsache eingetreten, die zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses für die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage geführt hätte. Von einer solchen Erledigung ist auszugehen, wenn ein Ereignis den prozessualen Anspruch gegenstandslos gemacht hat oder eine Lage eingetreten ist, die eine Entscheidung erübrigt oder ausschließt (BSGE 42, 212, 216). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Durch Zeitablauf hat sich der Rechtsstreit nicht erledigt, da das Prozeßbegehren des Klägers nicht auf eine Arbeitserlaubnis für eine inzwischen abgelaufene Zeit beschränkt war, sondern ersichtlich auf eine Arbeitserlaubnis abzielt, die dem Kläger alsbald nach Rechtskraft des erstrebten Urteils die Aufnahme einer beliebigen Beschäftigung ermöglicht (vgl BSG SozR 4210 § 2 Nr 10).

Die Erteilung der Arbeitserlaubnis durch Bescheid vom 25. September 1985 führte gleichfalls nicht zu einer Erledigung des Rechtsstreits, da diese in Vollzug des der Klage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils erfolgte und überdies durch den rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits auflösend bedingt ist, dh mit Beendigung des Rechtsstreits von selbst in Wegfall gerät. Dies bewirkt keine Erledigung des Klagbegehrens, zumal da die Rechtswirkung der vom Kläger erstrebten unbeschränkten, auf fünf Jahre befristeten Arbeitserlaubnis über die den Kläger erteilte, durch den rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits auflösend bedingte Arbeitserlaubnis hinausgeht (vgl BSG SozR 4210 § 2 Nr 10).

In der Sache hat die Revision des Klägers jedoch keinen Erfolg.

Nach § 19 Abs 1 AFG, hier anzuwenden in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung des AFG (6. AFGÄndG) vom 3. August 1981 (BGBl I 802), bedürfen Arbeitnehmer, die nicht Deutsche im Sinne des Art 116 GG sind, zur Ausübung einer Beschäftigung einer Erlaubnis der Beklagten, soweit in zwischenstaatlichen Bestimmungen nichts anderes bestimmt ist. Letzteres ist für den Kläger als jugoslawischen Staatsangehörigen nicht der Fall (vgl BSG SozR 4100 § 19 Nrn 2 und 3). Die Erlaubnis wird nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles erteilt (§ 19 Abs 1 Satz 2 AFG). Näheres bestimmt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Rechtsverordnung (§ 19 Abs 4 AFG), was in Form der bereits erwähnten AEVO geschehen ist.

Der Kläger begehrt eine Arbeitserlaubnis ohne Beschränkung auf eine bestimmte berufliche Tätigkeit in einem bestimmten Betrieb. Rechtsgrundlage für dieses Begehren ist § 2 AEVO. Nach § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO idF der Bekanntmachung vom 12. September 1980 (BGBl I 1754; 1981 I 1245), geändert durch die 6. ÄndVO vom 24. September 1981 (BGBl I 1042) und die 7. ÄndVO vom 9. Juli 1984 (BGBl I 890) ist eine solche, sogenannte besondere Arbeitserlaubnis zu erteilen, wenn der Arbeitnehmer in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Geltungsdauer der Arbeitserlaubnis ununterbrochen eine unselbständige Tätigkeit rechtmäßig im Geltungsbereich der Verordnung ausgeübt hat. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht. Maßgebend sind die letzten fünf Jahre vor dem Tag der Entscheidung des LSG (BSG SozR 4210 § 2 Nr 10). In diesem Zeitraum war er, zumal mit Unterbrechungen, weniger als ein Jahr als Arbeitnehmer beschäftigt. Die Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 Nrn 2 und 3 AEVO liegen ebenfalls nicht vor, da der Kläger weder mit einer Deutschen verheiratet noch als Asylberechtigter anerkannt ist oder einen ihm als ausländischen Flüchtling ausgestellten Reiseausweis besitzt.

Auf die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Änderungen der AEVO durch die 8. Änderungs-Verordnung (8. ÄndVO) vom 24. Juli 1986 (BGBl I 1160) kann sich der Kläger nicht berufen. Die Revision ist nur dann begründet, wenn aufgrund des für den Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG anwendbaren Rechts der Berufung stattzugeben war. Das durch die 8. ÄndVO geschaffene neue Recht, das das LSG noch nicht berücksichtigen konnte, wäre der Revisionsentscheidung daher nur dann zugrunde zu legen, wenn ihm rückwirkende Kraft zukäme (vgl BSGE 60, 230, 231 = SozR 6100 Allg Nr 1). Das ist jedoch nicht der Fall; denn nach ihrem Art 3 ist die 8. ÄndVO erst am Tage nach der am 30. Juli 1986 erfolgten Verkündung in Kraft getreten. Im übrigen ergäbe sich der geltend gemachte Anspruch auch dann nicht, wenn die oa Änderung zugrunde zu legen wäre. Nach § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO idF der 8. ÄndVO genügt zwar eine erlaubte fünfjährige unselbständige Tätigkeit in den letzten acht Jahren vor Beginn der Geltungsdauer der Arbeitserlaubnis. Aus den Feststellungen des LSG folgt, daß der Kläger dieses Erfordernis ebenfalls nicht erfüllt.

Auf die Erteilung der besonderen Arbeitserlaubnis nach § 2 Abs 7 AEVO hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch (vgl BSG SozR 4100 § 19 Nr 2; SozR 4100 § 19 Nr 3), wenn die Versagung der Arbeitserlaubnis nach den besonderen Verhältnissen des Arbeitnehmers eine Härte bedeuten würde. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das LSG hat ohne Rechtsfehler das Vorliegen eines Härtefalles verneint.

Die vom Kläger gegen die dem Berufungsurteil zugrunde liegenden Feststellungen erhobene Rüge unzureichender Amtsermittlung greift nicht durch. Ihr ist nicht zu entnehmen, inwiefern die Entscheidung des LSG darauf beruhen kann, daß das LSG die Akten des Einwohner-Zentralamtes Hamburg über die Aufenthaltsberechtigung des Klägers nicht beigezogen hat. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, daß der Kläger weder die Voraussetzungen einer ausreichend langen Beschäftigung im Bundesgebiet iS von § 2 Abs 1 Nr 1 AEVO noch der Härteregelung des § 2 Abs 7 AEVO erfüllt. Angesichts dessen hätte der Kläger schlüssig darlegen müssen, weshalb die Entscheidung des LSG zu seinen Gunsten anders ausgefallen wäre, wenn es die oa Akten beigezogen und deren Inhalt ausgewertet hätte. Daran fehlt es jedoch.

Bei seiner Sachentscheidung ist das LSG zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anwendung des § 2 Abs 7 AEVO aF ausgegangen und hat diese Grundsätze weder verkannt noch unrichtig angewendet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 2 Abs 7 AEVO am Zweck der besonderen Arbeitserlaubnis auszurichten. Diese besteht im wesentlichen darin, aus besonderen sozialen Gründen die Arbeitsaufnahme des Ausländers zu ermöglichen, obwohl dies dem Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer widerspricht (BSGE 54, 14, 21 = SozR 4100 § 19 Nr 16). Dementsprechend können die für ausländische Arbeitnehmer allgemein gültigen Verhältnisse einen Härtefall nicht begründen und besondere Verhältnisse nur, wenn sie stärkeres Gewicht haben als der Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer (BSGE 54, 14, 22 = SozR 4100 § 19 Nr 16). Härten, die aufgrund von Umständen bestehen, wie sie bei einer Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmern auftreten können, rechtfertigen nicht die Erteilung einer unbeschränkten Arbeitserlaubnis (BSG SozR 4100 § 19 Nr 6; BSG SozR 4210 § 2 Nrn 9 und 10). Härte ist nicht, was für jeden ausländischen Arbeitnehmer eine vergleichbare oder nur ähnliche Belastung darstellt (BSG SozR 4100 § 19 Nr 6). Folglich stellen weder das Angewiesensein auf Leistungen der Sozialhilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie noch die mit einem längerfristigen Bezug von Sozialhilfeleistungen verbundene Gefahr einer Ausweisung einen Ausnahmesachverhalt dar, der bereits grundsätzlich zur Anwendung der Härteregelung führt. Derartige Umstände sind bei einer Vielzahl ausländischer Arbeitnehmer anzutreffen und vermögen daher - für sich gesehen - die Annahme besonderer Verhältnisse nicht zu rechtfertigen (vgl BSG SozR 4100 § 19 Nr 6). Aus dem gleichen Grund kann auch die Tatsache, daß der Kläger Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern zu erfüllen hat, keine Härte begründen (BSG SozR 4100 § 19 Nr 6; BSG SozR 4100 § 103 Nr 22). Zu den Verhältnissen, die bei einer Vielzahl von ausländischen Arbeitnehmern auftreten können, gehören ferner ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse in der Heimat. Ihnen ist jeder ausländische Arbeitnehmer in gleicher Lage vor seiner Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik ausgesetzt; daher ist jedem Ausländer im Regelfall zumutbar, sich wieder in diese einzufügen, wenn ihm keine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann (BSG SozR 4210 § 2 Nr 10). Daß sich für den Kläger aus einer etwaigen Rückkehrpflicht vorliegend Folgen einstellen würden, die nicht für andere Ausländer in einer vergleichbaren Weise gegeben sind, ist nicht ersichtlich. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG kann trotz der langjährigen Aufenthaltsdauer des Klägers mit Erwerbstätigkeit weder von einer weitgehenden wirtschaftlichen und sozialen Integration des Klägers gesprochen werden noch sind Anhaltspunkte dafür gegeben, daß er in seinem Heimatland als Folge der langjährigen Abwesenheit keine hinreichende Existenzgrundlage mehr finden kann. Zwar ist nicht zu verkennen, daß ausländische Arbeitnehmer mit zunehmender Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet und wachsender Verwurzelung in den hiesigen Lebensverhältnissen regelmäßig einer zunehmenden Entfremdung von den Lebensverhältnissen ihres Heimatlandes ausgesetzt sind. Dies schließt jedoch nicht aus, die Frage nach der sozialen und wirtschaftlichen Integration von der Eingliederung in das Erwerbsleben abhängig zu machen, worauf das LSG zutreffend abstellt. Allein die langjährige Aufenthaltsdauer ohne Rücksicht darauf, wie lange der ausländische Arbeitnehmer hiervon in das Erwerbsleben der Bundesrepublik Deutschland integriert war, vermag die Ablehnung der Arbeitserlaubnis nicht als Härte erscheinen zu lassen (vgl BSGE 54, 14, 22).

Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, allgemein zu der Frage Stellung zu nehmen, wieviele Jahre ausländische Arbeitnehmer sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufgehalten haben und welche tatsächlichen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sein müssen, um von einer einen Härtefall begründenden weitgehenden wirtschaftlichen und sozialen Integration eines ausländischen Arbeitnehmers sprechen zu können. Es erscheint fraglich, ob eine Aussage dazu überhaupt in generalisierender Weise möglich ist. Für die arbeitserlaubnisrechtlich erforderliche Integration in das Erwerbsleben der Bundesrepublik Deutschland fehlt es hier jedenfalls an den erforderlichen Voraussetzungen.

Auch bei einer Gesamtschau aller vom Kläger vorgebrachten Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der gesamten Lebensumstände des Klägers und seiner Angehörigen sind in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht Auswirkungen besonderer Art auf die Familie nicht gegeben. Die Situation des Klägers ist insbesondere nicht dem Sachverhalt vergleichbar, der dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. März 1978 (BSG SozR 4100 § 19 Nr 6) zugrunde lag, wo das Gericht einen derartigen Ausnahmesachverhalt für möglich gehalten hat, wenn es um den Anspruch einer Antragstellerin geht, die ua Kleinstkinder zu betreuen hat. Wenngleich aufgrund der persönlichen und familiären Verhältnisse des Klägers von einer gewissen sozialen Integration auszugehen ist, liegen doch zumindest ähnlich gelagerte soziale Verhältnisse bei einer Vielzahl ausländischer Arbeitnehmer vor, so daß die Versagung der Arbeitserlaubnis keine atypischen Auswirkungen zur Folge hat.

Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe im vorstehenden Sinne verstößt auch nicht gegen Art 6 Abs 1 GG, wie der Kläger zu Unrecht meint. Zwar trifft es zu, daß die Frage, ob die Versagung der Arbeitserlaubnis nach den besonderen Verhältnissen des ausländischen Arbeitnehmers eine Härte bedeuten würde, nicht ungeachtet der Grundrechte und der in ihnen zum Ausdruck kommenden Wertordnung zu beurteilen ist, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (vgl BSGE 54, 14, 22 = SozR 4100 § 19 Nr 16). Auch ist nicht auszuschließen, daß die Ablehnung der beantragten Arbeitserlaubnis, insbesondere wenn sie die Gefahr der Ausweisung als Folge einer längerfristigen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen erhöht, durchaus geeignet sein kann, das grundrechtlich geschützte Recht auf eheliches und familiäres Zusammenleben zu beeinträchtigen, so daß auch unter diesem Aspekt die Auslegung der in § 2 Abs 6 AEVO aufgeführten unbestimmten Rechtsbegriffe sich an Art 6 Abs 1 GG messen lassen muß.

Indessen stellt nicht jeder Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts ohne weiteres eine Rechtsverletzung dar. Staatliche Behörden haben zwar im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren nachteilige Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf die Erhaltung von Ehe und Familie zu begrenzen, zugleich haben sie aber auch die Belange der Allgemeinheit zu wahren (vgl BVerfGE 42, 95, 101). Soweit daher nachteilige Auswirkungen auf Ehe und Familie lediglich Konkretisierungen eines grundsätzlich von der Allgemeinheit im Interesse des Gemeinschaftslebens hinzunehmenden Nachteils sind, kann die Schutzbedürftigkeit von Ehe und Familie nicht als besonderer Gesichtspunkt bei der Auslegung ins Gewicht fallen (Komm zum Bonner Grundgesetz, Stand: November 1986, Art 6 GG RdNr 61). Sinn und Zweck der Härteregelung ist es, wie bereits ausgeführt, den Belangen des ausländischen Arbeitnehmers nur in besonders gelagerten Ausnahmesituationen - wenn atypische Auswirkungen in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht festzustellen sind -, stärkeres Gewicht beizumessen als dem Vorrang der deutschen und der ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer und nur aufgrund der atypischen Umstände des Einzelfalles einen Anspruch auf eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis zuzubilligen. In diesem Sinn erweisen sich daher die vom Kläger angeführten nachteiligen Auswirkungen auf Ehe und Familie lediglich als Konkretisierungen der Nachteile, die nach Sinn und Zweck des § 2 AEVO typischerweise mit der Versagung der Arbeitserlaubnis verbunden sind. Diese sind vom Kläger auch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Ehe und Familie hinzunehmen. Vor wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die mit der Übersiedlung und Rückkehr in das Heimatland verbunden sind, vermag auch Art 6 Abs 1 GG keinen Schutz zu bieten (BVerfG Beschluß vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 -, Vorabdruck S 75). Die Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG) führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Dieses gebietet nicht, Ausländer nach längerem Inlandsaufenthalt ohne weiteres einen Anspruch auf Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit einzuräumen (BSGE 54, 14, 23 = SozR 4100 § 19 Nr 16).

Nach alldem steht dem Kläger ein Anspruch auf eine besondere Arbeitserlaubnis nicht zu. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist zu Recht ergangen. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663974

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