Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit vom 1. November 1983 bis zum 25. Januar 1984 Konkursausfallgeld (Kaug) zusteht.
Der am 25. Januar 1984 verstorbene Ehemann der Klägerin war bis zu seinem Tode bei der Firma F. D. beschäftigt, über deren Vermögen am 3. Februar 1984 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 9. März 1984 den am 13. Februar 1984 gestellten Antrag der Klägerin ab, ihr wegen des für die Zeit vom 1. November 1983 bis zum 25. Januar 1984 ausgefallenen Arbeitsentgeltanspruchs ihres verstorbenen Ehemannes in Höhe von insgesamt 7399,47 DM Kaug zu gewähren.
Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat angenommen, § 141k Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) komme als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, denn diese Vorschrift betreffe nur den Anspruch auf Kaug für den Fall der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt durch den Arbeitnehmer und nicht den Erwerb des Arbeitsentgeltanspruchs durch Erbfolge. Auch auf § 56 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuchs (SGB I) könne die Klägerin ihren Anspruch nicht stützen, denn diese Vorschrift setze voraus, daß der Anspruch auf die Sozialleistung (hier: das Kaug) bereits zu Lebzeiten des Berechtigten fällig geworden sei. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers sei aber erst nach dem Tode des Ehemannes der Klägerin eröffnet worden, so daß zu seinen Lebzeiten ein Anspruch auf Kaug nicht entstanden sei, den die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin hätte erwerben können.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, § 141k Abs. 1 Satz 1 AFG sei über seinen Wortlaut hinaus dahin auslegungsfähig, daß er auch die Fälle des gesetzlichen Übergangs einer Forderung auf Arbeitsentgelt erfasse. Es könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, einen Zessionar von Arbeitsentgeltansprüchen eines Arbeitnehmers vor dessen Angehörigen zu bevorzugen. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung bewirke im Ergebnis, daß die Klägerin und ihr Ehemann über geraume Zeit völlig mittellos gestellt gewesen seien und über keinerlei Einkünfte hätten verfügen können. Auch das Sozialstaatsprinzip erfordere es, den § 141k AFG darin auszulegen, daß auch der Erwerber der Arbeitsentgeltforderung kraft Gesamtrechtsnachfolge einen Anspruch auf Konkursausfallgeld habe.
Die Klägerin beantragt
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. Oktober 1985 und des Sozialgerichts Stade vom 29. Januar 1985 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. März 1984 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. April 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Konkursausfallgeld in Höhe von 7.399,47 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision der Klägerin sei unbegründet.
Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Klägerin in vollem Umfang an, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung über die Revision der Klägerin entscheiden, da die Beteiligten sich übereinstimmend damit einver-standen erklärt haben.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet, denn die Vorinstanzen und die Beklagte haben den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Kaug zu Recht verneint.
Die Klägerin hat keinen eigenen Anspruch auf Kaug nach den §§ 141a, 141b AFG. Es kann zwar davon ausgegangen werden, daß sie als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes nach § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes und daher auch Inhaberin der nicht erfüllten Entgeltforderungen aus dessen Arbeitsverhältnis geworden ist. Diese Forderungen beziehen sich auch zeitlich auf die letzten drei Monate vor der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den gesetzlichen Übergang auf die Klägerin haben sie auch ihren Charakter als Forderungen auf Arbeitsentgelt nicht verloren. Die Klägerin gehört jedoch nicht zu dem in §§ 141a, 141b AFG geschützten Personenkreis, denn sie ist nicht Arbeitnehmerin des insolvent gewordenen Arbeitgebers. Das Arbeitsverhältnis ihres Ehemannes ist durch dessen Tod beendet worden. Das ergibt sich aus § 613 BGB (vgl. Soergel/ Siebert, Kommentar zum BGB, 11. Aufl. 1980, Randnummer 7 zu § 620; Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl. 1958, Vorbemerkung zu den §§ 620 bis 628 Randnummer 33). Die Rechte und Pflichten aus diesem Arbeitsverhältnis sind auch für die Vergangenheit nicht in vollem Umfang auf die Klägerin übergegangen. Das gilt insbesondere für die höchstpersönlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, z.B. für die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung (vgl. § 613 Abs. 1 BGB). Zwar hat der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger das beendete Arbeitsverhältnis abzuwickeln, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Erblasser handelt. Dadurch erwirbt er aber nicht die Rechtsstellung eines Arbeitnehmers. Die §§ 141a, 141b AFG haben den Anspruch auf Kaug bewußt auf den Arbeitnehmer beschränkt und nicht anderen Inhabern der Arbeitsentgeltforderung eingeräumt. Für den Arbeitnehmer ist das Arbeitsentgelt im allgemeinen die einzige oder doch die wichtigste Quelle für den Lebensunterhalt. Deshalb ist er besonders schutzbedürftig für den Fall, daß sein Arbeitgeber wegen Insolvenz außerstande ist, die Arbeitsentgeltforderung zu erfüllen. Dieses Schutzbedürfnis besteht für andere Personen, die den Anspruch auf Arbeitsentgelt in irgendeiner Weise erworben haben, nicht. Das gilt auch für den Erben, gleichgültig in welcher Beziehung er zu dem verstorbenen Arbeitnehmer gestanden hat. Die mangelnde Schutzbedürftigkeit des Erben wird deutlich, wenn man bedenkt, daß z.B. der Fiskus Erbe eines Arbeitnehmers sein kann. Für die in § 56 Abs. 1 SGB I genannten Personen mag ein gewisses Schutzbedürfnis bestehen, weil sie im allgemeinen mit dem verstorbenen Arbeitnehmer ihren Unterhalt aus dessen Arbeitsentgelt gedeckt haben. Diese Vorschrift ist schon deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil sie voraussetzt, daß der Rechtsvorgänger schon zu seinen Lebzeiten einen fälligen Anspruch auf eine laufende sozialrechtliche Geldleistung hatte. Da das Insolvenzereignis jedoch erst nach dem Tode des Ehemannes der Klägerin eingetreten ist, hatte dieser zu seinen Lebzeiten noch keinen Anspruch auf Kaug, sondern lediglich einen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Für diesen zivilrechtlichen Anspruch gilt § 56 SGB I aber weder unmittelbar noch entsprechend; vielmehr geht er nach den Vorschriften des BGB auf den Erben über. Der Erbe muß aber wiederum nicht zu dem in § 56 SGB I genannten Personenkreis gehören, während die in § 56 SGB I genannten Personen nicht in jedem Fall Erben und Inhaber der Entgeltforderung sein müssen, so daß aus dieser Vorschrift die Schutzbedürftigkeit und damit die erweiternde Auslegung des Begriffes "Arbeitnehmer" i.S. der §§ 141a, 141b AFG nicht hergeleitet werden kann.
Der Übergang des Anspruchs auf Arbeitsentgelt steht zwar in den Fällen des § 141k AFG der Entstehung eines Kaug- Anspruchs in der Person eines anderen als des Arbeitnehmers nicht entgegen. Dabei handelt es sich aber um eine Ausnahmevorschrift, die gerade zeigt, daß der Anspruch auf Kaug nach den §§ 141a, 141b AFG auf den Arbeitnehmer beschränkt ist und nicht jeden Inhaber der Entgeltforderung begünstigt. Auf § 141k AFG kann die Klägerin ihren Anspruch jedoch nicht stützen. Diese Vorschrift setzt nach ihrem Wortlaut voraus, daß der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt - also zu Lebzeiten des Arbeitnehmers - auf einen anderen übertragen worden ist. In der Literatur wird zwar die Ansicht vertreten, daß § 141k AFG den Anspruch auf Kaug auch dann begründet, wenn der Entgeltanspruch aufgrund gesetzlicher Anordnung oder Hoheitsakt auf einen Dritten übergegangen ist (vgl. z.B. Hess/ Kropshofer, Kommentar zur Konkursordnung, Stand: 1982, Anhang 1, Randnummer 1 zu § 141k AFG; Gagel, "Konkursausfallgeld" 1981, Randnummer 12 vor § 141k AFG; Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Stand: August 1986, Anm. 3 zu § 141k). Obwohl § 412 BGB auch den gesetzlichen Forderungsübergang als "Übertragung" bezeichnet, kann dieser Ansicht nicht zugestimmt werden. Aus der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über Kaug (BT-Drucks. 7/1750 S. 14) ergibt sich, daß die Vorschrift nur die Fälle erfassen will, in denen der Arbeitnehmer seine nicht erfüllten Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Stellung des Antrags auf Kaug bereits wirtschaftlich verwertet hat. Der Gesetzgeber wollte dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sich durch Abtretung seines Entgeltanspruchs eine entsprechende unterhaltssichernde Leistung eines Dritten zu verschaffen. Das erschien ihm nur dann durchführbar, wenn er dem neuen Inhaber der Entgeltforderung einen eigenen Anspruch auf Kaug einräumte. Deshalb ist es auch kein redaktionelles Versehen, wenn § 141k AFG die "Übertragung" der Entgeltforderung voraussetzt. Zwar mag es Fälle geben, in denen bei Übergang der Entgeltforderung kraft Gesetzes oder durch Rechtshandlung eines anderen eine ähnliche Interessenlage besteht, die eine entsprechende Anwendung des § 141k AFG rechtfertigt. Das kann aber nur dann der Fall sein, wenn die Forderung des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt deshalb auf einen anderen übergegangen ist, weil dieser dem Arbeitnehmer eine unterhaltssichernde Geldleistung erbracht hat. Bei dem Übergang des Anspruchs auf Arbeitsentgelt auf den Erben liegt eine solche Interessenlage, die der des §141k AFG vergleichbar wäre, aber nicht vor, so daß eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung dieser Vorschrift auf solche Fälle nicht in Betracht kommt. Im übrigen fällt nach allgemeiner Ansicht auch die erbrechtliche Gesamtnachfolge nicht unter § 412 BGB (vgl. Palandt - Heinrichs, BGB, 44. Aufl., Anm. 1 zu § 412).
Selbst wenn dem Gesetzgeber die Auswirkung seiner Regelungen auf Fälle der vorliegenden Art nicht bewußt gewesen sein sollte, könnte eine etwaige Gesetzeslücke doch nicht durch Richterrecht dahin geschlossen werden, daß dem Erben oder dem in § 506 SGB I genannten Personenkreis das Kaug zusteht. Auch wenn man davon ausgeht, daß eine solche Regelung sozialpolitisch wünschenswert wäre, besteht die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber aus sachgerechten Gründen eine andere, insbesondere eine differenzierte - für die Klägerin aber negative - Lösung gewählt hätte.
Hat danach die Klägerin keinen Anspruch auf Kaug und beruht also das angefochtene Urteil nicht auf einer Gesetzesverletzung, so war die unbegründete Revision der Klägerin nach § 170 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.10 RAr 1/86
Bundessozialgericht
Fundstellen