Leitsatz (amtlich)
Bewilligt die Landesversicherungsanstalt einem Arbeitslosenfürsorgeempfänger von einem zurückliegenden Zeitpunkt ab Rente wegen einer auch dem AVAVG 1927 § 88 Abs 1 entsprechenden Invalidität, und entzieht darauf das Arbeitsamt diesem rückwirkend die Arbeitslosenfürsorge nach AVAVG 1927 § 177, so kann das Arbeitsamt in sinngemäßer Anwendung des MRV 117 Anh § 7 Abs 4 S 2 durch Anzeige an die LVA bewirken, daß seine Rechtsansprüche auf Erstattung der Aufwendungen an zu Unrecht gezahlter Arbeitslosenfürsorge ohne Berücksichtigung des Freibetrages bis zur Höhe der Rentennachzahlung auf das Arbeitsamt übergehen.
Normenkette
SGG § 54 Fassung: 1953-09-03; MRV BrZ 117 Anh 1 § 7 Abs. 4 S. 2; AVAVG § 88 Abs. 1; AVAVG 1927 § 88 Abs. 1; AVAVG § 177 Fassung: 1929-10-12
Tenor
Auf die Revision werden das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 27. September 1955 sowie die vorausgegangenen Entscheidungen, nämlich die Vorentscheidung des Vorsitzenden der Spruchkammer des Oberversicherungsamts B vom 3. Juli 1953 und die Vorentscheidung des Vorsitzenden des Spruchausschusses des Versicherungsamts des Landkreises G vom 24. Februar 1953 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, aus der Rentennachzahlung des Schriftsetzers T, V, außer den bereits gezahlten 916,20 DM noch einen Betrag von 494.- DM an die Klägerin auszuzahlen.
Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I. Der 1896 geborene Schriftsetzer - zuletzt Hilfsarbeiter - H ... bezog zunächst beim Arbeitsamt G seit 1949 Arbeitslosenunterstützung (Alu), dann Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu), darauf seit 1. April 1950 beim Arbeitsamt G Alfu. In seinem Antrag auf Weiterbewilligung vom 11. März 1952 gab er an, daß er am 10. Juli 1951 Invalidenrente beantragt habe.
Unter dem 23. Mai 1952 teilte die Landesversicherungsanstalt B dem Arbeitsamt mit, daß ... mit Bescheid von demselben Tage eine Invalidenrente in Höhe von 79,60 DM monatlich vom 1. November 1950 ab bewilligt worden sei, und fragte an, ob ein Ersatzanspruch für Unterstützungsleistungen gestellt werde. Der Rentenberechtigte sei nach altem Recht seit dem 13. Oktober 1950 zu 70 v. H. invalide. Der bis zum 31. Mai 1952 aufgelaufene Betrag von 1410,20 DM sei vorläufig einbehalten worden. Mit Schreiben vom 16. Juni 1952 machte das Arbeitsamt einen Erstattungsanspruch von 2066,15 DM für die vom 1. November 1950 bis zum 31. Mai 1952 gezahlte Alfu, Sonderbeihilfe, Teuerungszulage und Winterbeihilfe geltend. Durch Verfügung vom 12. Juni 1952 stellte es die Alfu rückwirkend vom 1. November 1950 ein und erteilte T einen entsprechenden Bescheid mit Rechtsmittelbelehrung. Ein Rechtsmittel hiergegen hat dieser nicht eingelegt.
Am 11. Juli 1952 teilte die Landesversicherungsanstalt dem Arbeitsamt mit, sie werde den Ersatzanspruch nur im Rahmen des § 7 der Militärregierungsverordnung (MRVO) Nr. 117 befriedigen. Erstattungsfähig sei lediglich die über den Rentenbeginn hinaus gezahlte Alfu unter Berücksichtigung des im § 7 vorgesehenen monatlichen Freibetrages von 26,- DM. Das Arbeitsamt wandte sich gegen diese Berechnungsweise, wie auch der Präsident des Landesarbeitsamtes seine ablehnende Auffassung der Landesversicherungsanstalt unter Beifügung mehrerer Spruchkammerurteile des Oberversicherungsamts H bereits am 26. Juni 1952 mitgeteilt hatte. Die Landesversicherungsanstalt unterrichtete mit Schreiben vom 3. September 1952 das Arbeitsamt, daß sie 916,20 DM für die Zeit vom 1. November 1950 bis zum 31. Mai 1952 überwiesen habe. Für den strittigen Betrag von 494,- DM stellte sie die Einleitung eines Streitverfahrens anheim.
Der Präsident des Landesarbeitsamts wies den Direktor des Arbeitsamts an, dieses unverzüglich beim Versicherungsamt der Stadt Braunschweig einzuleiten. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1952 wurde daraufhin beim Versicherungsamt Entscheidung beantragt, daß die Ersatzforderung bis zur Höhe der Rentennachzahlung (1410,20 DM) berechtigt sei und die Landesversicherungsanstalt den zurückbehaltenen Betrag von 494,- DM noch zu erstatten habe. Beim Fehlen einer Grundvoraussetzung, hier der Arbeitsfähigkeit, bestehe kein Unterstützungsanspruch. Deshalb könne der Freibetrag von 26,- DM je Monat (für 19 Monate = 494,- DM) nicht abgesetzt werden. Das Versicherungsamt der Stadt B erklärte sich für unzuständig. Darauf stellte das Arbeitsamt mit Schriftsatz vom 7. November 1952 den Antrag beim Versicherungsamt des Landkreises G. Mit Vorentscheidung des Vorsitzenden seines Spruchausschusses vom 24. Februar 1953 wurde zwar die Klage für zulässig erklärt, aber als unbegründet abgewiesen. Das Arbeitsamt könne seinen Erstattungsanspruch auf zu Unrecht gewährte Leistungen nach § 177 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) gegen den Unterstützten geltend machen. Es könne aber auch nach § 7 Abs. 4 Satz 2 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 durch Rechtsübergangsanzeige bewirken, daß die Ansprüche des Unterstützten gegen einen Versicherungsträger auf das Arbeitsamt übergehen, jedoch nur in Höhe der Mehraufwendungen.
Gegen diesen Bescheid legte das Arbeitsamt Berufung beim Oberversicherungsamt B ein. Der Vorsitzende der Spruchkammer des Oberversicherungsamts änderte darauf mit Vorentscheidung vom 3. Juli 1953 die Vorentscheidung des Vorsitzenden des Spruchausschusses beim Versicherungsamt des Landkreises G vom 24. Februar 1953 dahin ab, daß der Antrag des Arbeitsamts als unzulässig verworfen werde.
Dieses sei nicht Rechtsnachfolger ... . Denn es habe einen selbständigen Anspruch, der neben den ... trete. Dessen Anspruch sei "eingeschränkt" durch den öffentlich-rechtlichen des Arbeitsamts gegen die Landesversicherungsanstalt. Da es sich um eine Streitigkeit des öffentlichen Rechts handele, für die nicht die Sondervorschriften der §§ 1531 ff. der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Betracht kämen, gehöre sie nach der MRVO Nr. 165 zur Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte.
Daraufhin erhob das Arbeitsamt Klage beim Landesverwaltungsgericht Braunschweig. Dieses stellte mit Beschluß vom 26. Januar 1954 fest, daß der Rechtsstreit am 1. Januar 1954 gemäß §§ 215 Abs. 7, 224 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufung auf das Landessozialgericht Celle übergegangen sei.
II. Mit Urteil vom 27. September 1955 hob das Landessozialgericht die Vorentscheidung des Oberversicherungsamts B auf und wies die Klage ab. Es sah die Berufung nach den §§ 51 und 215 Abs. 7 SGG als zulässig an, hielt sie materiell-rechtlich dagegen für unbegründet. Die trotz Arbeitsunfähigkeit gewährte Alfu habe ihren Charakter als solche behalten. Nach § 7 Abs. 4 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 könne das Arbeitsamt deshalb nur in Höhe der Mehraufwendungen, also nach Abzug des monatlichen Freibetrags von 26,- DM, befriedigt werden.
Die Revision ist wegen der Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage zugelassen worden.
III. Gegen dieses dem Arbeitsamt am 12. Januar 1956 zugestellte Urteil hat die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mit Schriftsatz vom 8. Februar 1956 - beim Bundessozialgericht eingegangen am Montag, dem 13. Februar - Revision eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der Vorentscheidung des Vorsitzenden der Spruchkammer des Oberversicherungsamts B vom 3. Juli 1953 und der Vorentscheidung des Vorsitzenden des Spruchausschusses beim Versicherungsamt des Landkreises G vom 24. Februar 1953 die Beklagte zu verurteilen, aus der Rentennachzahlung des Schriftsetzers H ... außer den bereits gezahlten 916,20 DM noch den Betrag von 494,- DM an die Klägerin auszuzahlen.
Mit Schriftsatz vom 2. März 1956 - beim Bundessozialgericht eingegangen am 7. März - hat sie die Revision begründet. Sie rügt Verstöße gegen § 75 SGG, §§ 1, 3, 6, 7 der MRVO Nr. 117 und § 177 AVAVG. Ihren Antrag hat sie dahin ergänzt, gegebenenfalls die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Sie ist der Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Anzeige, durch die ein gesetzlicher Forderungsübergang bewirkt worden sei, auf ihre Rechtmäßigkeit nachzuprüfen. Als "Mehraufwendungen" seien die Unterstützungsaufwendungen zu verstehen, auf die infolge rückwirkender Bewilligung der Rente ein Rechtsanspruch nicht mehr bestehe, auch wenn, wie hier, der Grund im Fortfall der Arbeitsfähigkeit liege. Der Freibetrag könne deshalb nicht berücksichtigt werden.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31. März 1956 beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Von einer Gegenäußerung hat sie Abstand genommen, da zur Rechtsfrage schon im bisherigen Verfahren hinreichend Stellung genommen sei. Im übrigen hat sie mitgeteilt, daß der Rentenempfänger ... am 3. Februar 1955 gestorben ist.
IV. Die Revision ist zulässig und mußte auch Erfolg haben.
Die Frage der Zulässigkeit der Berufung ist eingehend vom Landessozialgericht geprüft und bejaht worden. Diesen Ausführungen ist beizutreten. Insbesondere liegt auch kein Ausschließungsgrund nach § 149 SGG vor, da der Beschwerdewert 300,- DM übersteigt.
V. Unstreitig ist, daß das Arbeitsamt für die Zeit vom 1. November 1950 bis zum 31. Mai 1952 infolge der rückwirkenden Invalidisierung ... in Höhe von 70 v. H., also in einem Ausmaß, das jedenfalls Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 88 Abs. 1 AVAVG ausschloß, an diesen zu Unrecht Alfu gezahlt hat. Unstreitig ist auch, daß die Klägerin insoweit einen Ersatzanspruch hat. Streitig ist aber, gegen wen und in welcher Höhe sie diesen geltend machen kann.
Ihr standen hierzu verschiedene Wege offen. Nachdem durch die Invalidisierung festgestellt war, daß die Voraussetzungen zum Bezug der Alfu seit dem 1. November 1950 nicht mehr vorlagen, konnte sie gemäß § 177 AVAVG nicht nur, wie es rechtskräftig geschehen ist, rückwirkend die Alfu entziehen, sondern auch die zu Unrecht gezahlten Beträge von ... unmittelbar zurückverlangen, und zwar in Höhe der gesamten Leistungen für die fragliche Zeit, das sind 2066,15 DM. Die Klägerin wählte statt dessen die andere, nach ihrer Meinung durch § 7 Abs. 4 Satz 2 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 (Amtsbl. der Militärregierung Deutschland- Britisches Kontrollgebiet Nr. 22 - S. 652) eröffnete Möglichkeit, durch Anzeige an die Landesversicherungsanstalt kraft Gesetzes den Übergang ihrer Forderung - hier aber nur in Höhe der Rentennachzahlung für die angegebene Zeit, also von 1410,20 DM - zu bewirken. In diesem Falle hätte sie den weiteren Restbetrag von 655,95 DM nur von ... selbst gemäß § 177 AVAVG verlangen können, hat dies übrigens aber nicht getan. Eine dritte Lösung, die des Abschlusses eines Abtretungsvertrages durch den Rentenberechtigten, der allerdings der Genehmigung des Versicherungsamts (§ 119 Abs. 2 RVO) bedurft hätte, ist offenbar nicht erwogen worden.
Welchen Weg die Klägerin wählte, blieb ihrer Entschließung überlassen. Wenn sie ihren Ersatzanspruch nicht gegen ... persönlich gemäß § 177 AVAVG geltend machte, so ging sie offensichtlich davon aus, daß insoweit in aller Regel ein Erfolg nur in den Fällen zu erwarten ist, in denen die Unterstützung voll oder teilweise weitergewährt wird und der Ersatzanspruch von den laufenden Zahlungen einbehalten werden kann. Wird die Unterstützung aber rückwirkend ganz entzogen, so ist im allgemeinen keine geeignete Grundlage zu einer Durchsetzung dieses persönlichen Erstattungsanspruchs gegeben, auch nicht über die im § 185 AVAVG vorgesehene Möglichkeit, den überhobenen Betrag wie Gemeindeabgaben beizutreiben. Dies gilt ebenso für den Fall, daß einem Arbeitslosen eine Rentennachzahlung gewährt wird, da genügend Möglichkeiten gegeben wären, die Beitreibung abzuwenden.
Hinsichtlich des Forderungsübergangs trifft § 7 Abs. 4 Satz 2 bis 4 a. a. O. folgende Regelung:
"Hat der Arbeitslose sonstige Rechtsansprüche, nach denen ein Dritter Leistungen zur Deckung seines Lebensbedarfs, insbesondere der Sozialversicherung zu gewähren hat, so kann das Arbeitsamt durch eine Anzeige an den Dritten bewirken, daß die Rechtsansprüche in Höhe der Mehraufwendungen an Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, die durch Außerachtlassung dieser Leistungen entstanden sind, auf das Arbeitsamt übergehen. Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Anspruch des Arbeitslosen nicht der Pfändung unterworfen ist. Der Zustimmung des Arbeitslosen bedarf es nicht".
Die Klägerin glaubt, durch diese Forderungsübergangsanzeige einen unmittelbaren Anspruch auf die Rückerstattung des ganzen Rentennachzahlungsbetrag für die in Frage kommende Zeit zu haben. Die Beklagte dagegen hält sich, um gegen etwaige Ansprüche des Berechtigten gesichert zu sein, mit Rücksicht auf die Einschränkung im § 7 Abs. 4 durch das Wort "Mehraufwendungen" der Klägerin gegenüber nur zur Zahlung des den monatlichen Freibetrag von 26,- DM übersteigenden Nachzahlungsbetrages für verpflichtet. Den Freibetrag in Höhe von 494,- DM aber will sie an den Berechtigten - nach seinem Tode an seine Erben - auszahlen und es der Klägerin überlassen, ihn gemäß § 177 AVAVG von diesen unmittelbar zurückzufordern. - Der Rentenberechtigte hatte übrigens einen Rechtsbehelf gegen die Übergangsanzeige, über die ihn das Arbeitsamt unterrichtet hatte, nicht eingelegt. - Wenn in diesem Zusammenhang die Klägerin annimmt, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Anzeige nachzuprüfen, sondern sei kraft der Tatbestandswirkung des Verwaltungsakts daran gebunden, so kann dem in dieser Form nicht allgemein zugestimmt werden. Mindestens ist die Beklagte berechtigt, zahlenmäßig festzustellen, ob die Forderung zutrifft. Das beweist gerade der vorliegende Fall, wo das Arbeitsamt zunächst den Gesamtbetrag von 2066,15 DM geltend gemacht und ihn erst später auf den Rentennachzahlungsbetrag von 1410,20 DM beschränkt hat. Würde der Landesversicherungsanstalt das Recht der zahlenmäßigen Nachprüfung nicht zugestanden werden, so könnte sie sich Regreßansprüchen aussetzen.
§ 7 Abs. 1 a. a. O. regelt die Frage, welcher Verdienst oder welches Einkommen auf die Alfu anzurechnen ist und in welcher Höhe. Im Abs. 1 Buchst. a ist die Anrechnung von sonstigem Einkommen vorgeschrieben, sofern es 6,- DM in der Woche (= 26,- DM im Monat) übersteigt. Da die Invalidenrente nicht im Abs. 2 von der Anrechnung ausgenommen ist, fällt sie unter die Anrechnungsvorschrift des Abs. 1 Buchst. a. § 7 Abs. 4 berechtigt das Arbeitsamt zu einer Forderungsübergangsanzeige für den Fall, daß die Anrechnung solcher Leistungen unterblieben ist. Wenn die Beklagte der Auffassung ist, daß der monatliche Freibetrag auch bei einer solchen Forderungsübergangsanzeige wegen Gewährung von Invalidenrente zu berücksichtigen ist, so ist dies grundsätzlich zutreffend, bezieht sich aber, wie noch dargelegt werden wird, nicht auf Erstattungsansprüche wie den vorliegenden.
§ 7 betrifft zunächst - seinem Wortlaut nach - nur die Fälle, in denen die Alfu zu Recht gewährt wird, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Das geht einmal aus den Eingangsworten: "Auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung ist anzurechnen" hervor - denn eine Anrechnung auf eine Leistung kann nur erfolgen, wenn und solange sie dem Berechtigten zusteht - und weiter aus der mehrfachen Verwendung des Ausdrucks "Arbeitsloser", der hier als Rechtsbegriff im Sinne des § 87 a AVAVG und des § 2 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 aufzufassen ist. § 2 sieht deshalb vor: "Arbeitslose, die der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen, erhalten ... Arbeitslosenfürsorgeunterstützung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen". Daraus ergibt sich, daß unterstützungsberechtigt nur ist, wer arbeitslos im Sinne des AVAVG ist (vgl. Art. III MRVO Nr. 117), also trotz Arbeitsfähigkeit für kürzere oder längere Zeit keine Arbeit hat, dem Arbeitsmarkt aber subjektiv und objektiv zur Verfügung steht. Zur Auslegung des Begriffs "arbeitslos" im einzelnen wird auf das Urteil des erkennenden Senats vom 21. März 1956 (BSG. 2 S. 67) Bezug genommen. Arbeitslos in diesem Sinne ist nicht mehr, wer mehr als 66 2/3 v. H. in seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt ist (§ 88 Abs. 1 AVAVG). Da jedoch nach § 2 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes (SVAG) vom 17. Juni 1949 (WiGBl. S. 99) § 1254 RVO dahin abgeändert worden ist, daß Invalidität schon bei einer Beschränkung der Arbeitsfähigkeit von mehr als 50 v. H. eintritt, konnte es, soweit die Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 88 Abs. 1 AVAVG um nicht mehr als 66 2/3 v. H. vermindert war, zahlreiche Fälle geben, bei denen die Alfu trotz Invalidisierung zur Recht gewährt worden ist. Auf sie ist § 7 Abs. 4 Satz 2 in seiner vorliegenden Fassung - also einschließlich der Berücksichtigung des Freibetrages - anzuwenden. Dies gilt auch für die Altersinvalidenrente bis zum 31. März 1956. Wegen der seit dem 1. April 1956 eingetretenen Rechtsänderungen wird auf § 141 b und Art. III § 5 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AVAVG vom 16. April 1956 (BGBl. I S. 243) und für die Zeit vom 1. April 1957 ab auf § 146 AVAVG in der Fassung vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 321) verwiesen.
Die Beklagte stützt ihre Rechtsauffassung, daß der Freibetrag in jedem Falle zu berücksichtigen sei, auf die zum früheren § 112 a AVAVG ergangene Grundsätzliche Entscheidung Nr. 5087 des Reichsversicherungsamts vom 21. Januar 1937 (AN. 1937 S. 184). Hierin kann ihr allerdings nicht gefolgt werden. § 112 a ist durch die Novelle vom 12. Oktober 1929 in das AVAVG eingefügt worden, da die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung aus den eigenen Mitteln ihre Verpflichtungen ohne die Inanspruchnahme erheblicher Darlehen des Reichs nicht mehr hatte erfüllen können. Um sie zu entlasten, wurde im § 112 a vorgeschrieben, daß auf öffentlichem Recht beruhende Renten - mit einigen Ausnahmen - und Bezüge aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis voll oder zum Teil anzurechnen waren Aus dem Wesen des § 112 a als einer reinen Anrechnungsvorschrift erklärt sich die Entscheidung des Reichsversicherungsamts. § 7 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 spricht zwar ebenfalls von der Anrechnung von Verdienst und sonstigem Einkommen und führt diese in wesentlich größerem Umfange durch als § 112 a, indem auch zivilrechtliche Ansprüche einbezogen werden. § 7 stellt aber auf die Prüfung ab, ob noch Bedürftigkeit als eine der Voraussetzungen der Alfu gegeben ist. Beide Vorschriften sind demnach so wesensverschieden, daß die Entscheidung des Reichsversicherungsamts nicht auf § 7 übertragen werden kann.
Eine andere - und hier die wesentliche - Frage ist, wie zu verfahren ist, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Alfu bisher zu Unrecht gezahlt worden ist, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben. Insoweit beruft sich die Beklagte auf das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 4. November 1954 (Breithaupt 1955 S. 286), das dem Arbeitsamt einen Anspruch auf die Rentennachzahlung versagt, wenn die Alfu nach dem Gesundheitszustand des Versicherten schon bisher nicht hätte gezahlt werden dürfen. Hier könne nur § 177 AVAVG angewandt werden. Dem kann jedoch schon wegen der zum Teil anderen Sach- und Rechtslage in dem entschiedenen Falle nicht beigetreten werden; es würde übrigens - auf die praktische Unwirksamkeit des § 177 wurde bereits oben hingewiesen - letzten Endes dazu führen können, daß der Arbeitslose für dieselbe Zeit von zwei öffentlich-rechtlichen Versicherungsträgern die vollen Leistungen erhalten würde.
Um dieser auch z. Zt. des früheren Rechts immer wieder in Erscheinung getretenen Folge zu begegnen, hatte schon der Reichsarbeitsminister mit Erlaß vom 1. Juni 1938 (RABl. 1938 I S. 176) auf Grund des § 1 Abs. 2 Satz 3 und 4 AVAVG die Reichsanstalt beauftragt, in solchen zweifelhaften Fällen (vgl. dazu Rdschr. d. RVA. vom 19.5.1938 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3, AN. S. 223) die Alu in der Höhe, die dem Arbeitslosen bei Arbeitsfähigkeit zustehen würde, als Vorschuß auf die Sozialrente zu gewähren, und zwar so lange, bis die erste Auszahlung der Invalidenrente erfolge. In seinem Erlaß II c - 157/51 - 2885 vom 20. August 1951 hat der Bundesminister für Arbeit festgestellt, daß mit der Neufassung des AVAVG durch die Ländergesetze und in der - ehemals - britischen Zone durch die MRVO Nr. 111 die Rechtsgrundlage für die Fortzahlung der Alu in der Form der "Sonderunterstützung" weggefallen sei. Deshalb sollten Personen, die wegen mangelnder Arbeitsfähigkeit aus der Alu oder Alfu ausscheiden müßten, unbeschadet des § 88 Abs. 3 AVAVG im Falle ihrer Hilfsbedürftigkeit an die öffentliche Fürsorge verwiesen werden. Die Schaffung bundeseinheitlicher Richtlinien für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Arbeitsämter gegenüber den Trägern der Rentenversicherung in Fällen, in denen die Voraussetzungen zum Unterstützungsbezug nicht vorgelegen haben, sollte bis zur Neugestaltung des AVAVG und Herstellung einheitlichen Rechts in der Alfu zurückgestellt werden.
Die vom Bundesminister für Arbeit vertretene Auffassung, daß für eine vorschußweise zu gewährende Sonderunterstützung in den nach 1945 geltenden Rechtsvorschriften kein Raum mehr ist, ist zutreffend. Die von ihm daraus gezogenen Folgerungen konnten jedoch nicht befriedigen. In der Praxis ist deshalb - sinngemäß in Fortführung des Gedankens der Vorschußgewährung - in einem Teil der Bundesrepublik im Sinne der Klägerin verfahren, also der Freibetrag nicht berücksichtigt worden, während in einem anderen Teil so vorgegangen wird, wie es die Beklagte für zutreffend hält. Es bedarf keines näheren Eingehens darauf, daß dieser Zustand zu unbilligen Ergebnissen führen muß. Das gilt besonders für die Fälle, in denen das Arbeitsamt nicht erkennen konnte, daß der Versicherte bereits arbeitsunfähig im Sinne des § 88 Abs. 1 AVAVG war, und deshalb mit rückwirkender Invalidisierung in entsprechender Höhe nicht zu rechnen brauchte. Dieser Tatbestand aber war hier gegeben; denn bei T hatte der Arzt des Landesarbeitsamts die Erwerbsminderung nur auf 50 bis 66 2/3 v. H. festgestellt, so daß Arbeitsfähigkeit noch anzunehmen war.
Die Ursache dieses zwiespältigen Zustandes liegt darin, daß insoweit im Gesetz eine Lücke vorhanden ist; denn die MRVO Nr. 117 regelt nicht, welcher Ersatzanspruch gegeben ist, wenn sich nachträglich herausstellt, daß für eine bestimmte Zeit die Alfu ohne Rechtsgrund gewährt worden ist. Aufgabe des Gerichts ist es, eine solche erkennbare Lücke zu schließen, und zwar in dem Sinne, wie es der Gesetzgeber getan haben würde, wenn er sie bei Erlaß der gesetzlichen Vorschriften als solche erkannt hätte. Auf die frühere vorschußweise Zahlung als eine Sonderregelung konnte dabei nicht zurückgegriffen werden. Deshalb hat der Senat im Wege der Rechtsschöpfung (vgl. dazu BSG. 2 S. 164 (168)) die Lücke in der Weise ausgefüllt, daß § 7 Abs. 4 Satz 2 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 als sinngemäß anwendbar auf solche Leistungen aus der Alfu anzusehen ist, denen durch rückwirkende Invalidisierung über die Grenze des § 88 Abs. 1 AVAVG hinaus nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen wird. Bewilligt in einem solchen Falle eine Landesversicherungsanstalt einem Alfu-Empfänger von einem zurückliegenden Zeitpunkt an die Invalidenrente und entzieht diesem darauf das Arbeitsamt rückwirkend die Alfu nach § 177 AVAVG, so kann es durch Anzeige an die Landesversicherungsanstalt bewirken, daß seine Rechtsansprüche auf Erstattung der Aufwendungen an zu Unrecht gezahlter Alfu ohne Berücksichtigung des Freibetrages bis zur Höhe der Rentennachzahlung auf das Arbeitsamt übergehen. Der Begriff "Mehraufwendungen" kann insoweit nur in dem Sinne verstanden werden, daß die Aufwendungen, für welche die Voraussetzungen nicht mehr gegeben waren, als "Mehraufwendungen" anzusehen sind. Für die Berücksichtigung einer Freigrenze ist unter diesen Umständen kein Raum. Jedoch kann die Erstattung nur in dem Rahmen und Ausmaß erfolgen, in dem für die fragliche Zeit die Rente nachgezahlt wird.
Diese Regelung allein wird der Sachlage gerecht.
In ähnlicher Weise ist die Frage übrigens für die anstelle der Alfu getretene Arbeitslosenhilfe durch § 149 Abs. 4 AVAVG in der Fassung vom 3. April 1957 (BGBl. I S. 321) geregelt worden. In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, daß § 186 AVAVG in der Neufassung auch eine entsprechende Ergänzung des früheren § 177 (jetzt § 185) vorsieht, um den Erfolg dieser Vorschrift zu gewährleisten.
VI. Der Anspruch der Klägerin auf Auszahlung der von der Landesversicherungsanstalt einbehaltenen Summe von 494.- DM war demnach begründet. Das Urteil des Landessozialgerichts und die vorhergehenden Entscheidungen mußten deshalb aufgehoben werden (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG), ohne daß es eines Eingehens auf weitere Rügen bedurfte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen