Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsverfahren - gleichzeitige Geltendmachung - Erstattungsanspruch wegen Krankenhausbehandlung als Sozialhilfeträger und Vergütungsanspruch als Krankenhausträger - keine unzulässige Klageänderung - Gewährung von Krankenhauspflege als Eingliederungshilfe und interne Ausbuchung der Krankenhausforderung zu Lasten der Eingliederungshilfe - kein Erlöschen der Vergütungspflicht der Krankenkasse gegenüber Krankenhausträger - Begriff der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit - freie richterliche Beweiswürdigung)
Leitsatz (amtlich)
1. Stützt ein Träger der Sozialhilfe, der einen Erstattungsanspruch gegen eine Krankenkasse wegen der Kostenübernahme für die Krankenhausbehandlung eines Versicherten geltend macht, im Revisionsverfahren die Klage auch auf seinen Vergütungsanspruch als Träger des Krankenhauses, liegt darin keine unzulässige Klageänderung.
2. Die Zusage der Gewährung von Krankenhausbehandlung im Wege der Eingliederungshilfe gegenüber dem Versicherten sowie die interne Ausbuchung der Krankenhausforderung zu Lasten der Eingliederungshilfe führen nicht zum Erlöschen der Vergütungspflicht der Krankenkasse gegenüber dem Krankenhausträger für eine notwendige Krankenhausbehandlung.
Normenkette
BGB §§ 267, 362, 397; BSHG § 40; SGB V § 39 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 4 S. 3, § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; SGB X § 61 S. 2, § 104 Abs. 1; SGG § 99 Abs. 3 Nr. 1, § 128 Abs. 1 S. 1, § 168
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Es ist streitig, ob die beklagte Krankenkasse die Kosten der stationären Behandlung des beigeladenen Versicherten in der vom klagenden Landschaftsverband betriebenen Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie M. für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis zum 9. Juli 1995 in Höhe von 124.491,90 DM (jetzt: 63.651,70 Euro) zu tragen hat.
Der 1962 geborene Beigeladene ist bei der Beklagten familienversichert. Er leidet an einer schweren schizophrenen Psychose, wegen der er seit 1978 stationär behandelt wurde. Ab September 1988 war er in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie M. untergebracht.
Bis zum 31. Mai 1994 trug die Beklagte die Kosten der Krankenhausbehandlung. Den wiederholten Kostenübernahmeerklärungen lagen jeweils Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) zu Grunde, nach denen vor allem wegen der hohen Dosierungen der verabreichten Medikamente (Neuroleptika und Benzodiazepine) eine ambulante Behandlung nicht für möglich gehalten wurde. Für die Zeit ab 1. Juni 1994 hielt der MDK aber eine weitere stationäre Behandlung des Beigeladenen nicht mehr für notwendig.
Mit Bescheid vom 11. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1995 lehnte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen die weitere Gewährung von Krankenhausbehandlung ab dem 1. Juni 1994 ab. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Bescheid vom 7. April 1995 bewilligte der Kläger in seiner Funktion als überörtlicher Träger der Sozialhilfe auf Antrag des Beigeladenen rückwirkend ab 1. Juni 1994 Eingliederungshilfe nach § 40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) unter Übernahme der Kosten der stationären Behandlung. Mit Schreiben vom gleichen Tag meldete er bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an. Durch interne Buchung hat der Kläger als Sozialhilfeträger die in der Zeit vom 1. Juni 1994 bis zum 9. Juli 1995 angefallenen Kosten der Krankenhausbehandlung in Höhe von 124.491,90 DM „übernommen”. Von Seiten der Klinik wurde ab dem 10. Juli 1995 eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung des Beigeladenen nicht mehr für erforderlich gehalten.
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, der Beigeladene habe im streitigen Zeitraum noch der stationären Krankenhausbehandlung bedurft. Die Beklagte sei daher zur „Kostenerstattung” verpflichtet.
Das Sozialgericht (SG) hat auf Grund eines ärztlichen Gutachtens der Klage stattgegeben (Urteil vom 1. September 1999). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 20. März 2001): Dem Kläger stehe ein Erstattungsanspruch nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Beigeladene in der fraglichen Zeit krankenhausbehandlungsbedürftig iS des § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gewesen. Bei dem Beigeladenen habe ein dramatisches Krankheitsbild vorgelegen, das bei den formulierten Therapiezielen grundsätzlich die Rufbereitschaft eines Arztes vorausgesetzt habe. Dem Erstattungsanspruch stehe der bestandskräftig gewordene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 11. August 1994/10. März 1995 nicht entgegen.
Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 27 Abs 1 Nr 5, 39 Abs 1 SGB V, der §§ 39 Abs 1, 104 Abs 1 und 3 SGB X sowie des § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie hält den Ablehnungsbescheid auch im Verhältnis zum Kläger für bindend. Zudem bestreitet sie weiterhin die Notwendigkeit der stationären Behandlung des Beigeladenen im fraglichen Zeitraum. Heimbetreuung mit ambulanter ärztlicher Behandlung hätte ausgereicht.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. März 2001 und des SG Münster vom 1. September 1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zusätzlich zum Erstattungsanspruch, der ihm als Sozialhilfeträger zustehe, stützt er die Klage auch auf den aus seiner Sicht nach wie vor offenen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für die erbrachte Krankenhausbehandlung, der ihm als Krankenhausträger gebühre.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht der Klage auf Zahlung der Behandlungskosten für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis zum 9. Juli 1995 stattgegeben. Dabei kann allerdings offen bleiben, ob – wie von den Vorinstanzen angenommen – dem Kläger der geltend gemachte Zahlungsanspruch in seiner Funktion als Sozialhilfeträger in der Form eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X zusteht. Die Klage ist bereits deshalb begründet, weil sich der Kläger als Krankenhausträger auf einen noch offenen Vergütungsanspruch in Höhe von 124.491,90 DM gegen die Beklagte stützen kann.
1) Der Senat war nicht gehindert, die erhobene Zahlungsklage (auch) daraufhin zu prüfen, ob ihr unter dem Aspekt des aus dem krankenversicherungsrechtlichen Sachleistungsprinzip folgenden unmittelbaren Vergütungsanspruchs eines Krankenhausträgers gegen die Krankenkasse für die stationäre Behandlung eines Versicherten stattzugeben ist. Es ist unerheblich, dass die Beteiligten und auch die Tatsachengerichte die erhobene Klage erst- und zweitinstanzlich lediglich unter dem Gesichtspunkt des Erstattungsanspruchs (§ 104 SGB X) geprüft haben und die Frage, ob der Klage möglicherweise schon wegen des Vergütungsanspruchs stattzugeben sein könnte, erst im Revisionsverfahren aufgeworfen worden ist. Die Gerichte haben den mit einer Klage erhobenen Anspruch und den dazu vorgetragenen Sachverhalt stets unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher rechtlicher Gesichtspunkt von den Beteiligten bisher nicht berücksichtigt worden ist. Das Gericht hat in solchen Fällen die Beteiligten zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte nur auf seine rechtlichen Überlegungen hinzuweisen, um dem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) Genüge zu tun.
Dies kann auch – wie hier – noch im Revisionsverfahren geschehen. Insbesondere steht dem nicht die Regelung des § 168 SGG entgegen, wonach Klageänderungen im Revisionsverfahren unzulässig sind. Der Kläger hat lediglich die rechtlichen Ausführungen, die erst- und zweitinstanzlich nur auf den Erstattungsanspruch (als Sozialhilfeträger) ausgerichtet waren, im Hinblick auf den Vergütungsanspruch (als Krankenhausträger) ergänzt. Derartige Ergänzungen rechtlicher Ausführungen ohne gleichzeitige Änderung des gestellten Antrags und des vorgetragenen Lebenssachverhalts sind nach § 99 Abs 3 Nr 1 SGG nicht als Klageänderung anzusehen.
Beide materiellen Ansprüche müssen prozessual mit einer Klage geltend gemacht werden, da es sich um einen Streitgegenstand handelt. Da der Kläger als Krankenhausträger und als überörtlicher Träger der Sozialhilfe im konkreten Lebenssachverhalt eine Doppelfunktion, nämlich als Leistungsanbieter und als Sozialleistungsträger, ausübt, kann er seinen Zahlungsanspruch gegen die Krankenkasse auf beide Anspruchsgrundlagen stützen. Auch für den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses ist die Sozialgerichtsbarkeit zuständig (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4); die umfassende Entscheidungsbefugnis ergibt sich aber schon aus § 17 Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
Die Zahlungsklage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig; denn es geht um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt der Beklagten gegen den Kläger nicht ergehen musste und auch nicht ergangen ist. Dies betrifft nicht nur den Erstattungsanspruch, bei dem sich die Beteiligten als Sozialleistungsträger im Streit um die materielle Leistungspflicht gleichgeordnet gegenüberstehen, sondern auch den Vergütungsanspruch des Klägers als Leistungserbringer.
Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4; BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 109 Nr 6), entsteht das Gleichordnungsverhältnis zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse bereits durch den öffentlich-rechtlichen Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs 2 SGB V (bis 31. Dezember 1988: § 372 Abs 1 bis 3 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) sowie den koordinationsrechtlichen, bei so genannten Plankrankenhäusern (wie der vom Kläger betriebenen Klinik) fingierten Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V.
2) Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Betrag als Vergütung für die erbrachten Krankenhausleistungen zu.
a) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs, dessen Höhe von 124.491,90 DM (jetzt: 63.651,70 Euro) nicht angegriffen wird, ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm dem zwischen der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen und den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossenen Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs 2 Nr 1 SGB V in seiner in den Jahren 1994 und 1995 geltenden Fassung. Nach § 109 Abs 4 Satz 2 SGB V ist das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung der Versicherten verpflichtet; Satz 3 dieser Vorschrift verpflichtet die Krankenkassen, mit den zugelassenen Krankenhäusern Pflegesatzverhandlungen zu führen und setzt damit die Vergütungspflicht als selbstverständlich voraus. Der Sicherstellungsvertrag regelt ua die Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflichten der Krankenkassen.
b) Das Fehlen einer Kostenübernahmeerklärung (Kostenzusage) der Beklagten für den hier streitigen Leistungszeitraum ist im Verhältnis des Klägers als Krankenhausträger (Leistungserbringer) zur Beklagten unschädlich und steht dem Vergütungsanspruch daher nicht entgegen. Der Senat hat bereits mehrfach verdeutlicht, dass das Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenkasse und Krankenhaus zu trennen ist vom Behandlungsverhältnis zwischen Krankenhaus und Versichertem sowie vom Versicherungsverhältnis zwischen Versichertem und Krankenkasse, kraft dessen der Versicherte nach Maßgabe des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V die Krankenhausbehandlung als Naturalleistung (Sachleistung) verlangen kann. Im Abrechnungsverhältnis, das für den Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegen die Krankenkasse entscheidend ist, entsteht die Zahlungspflicht der Krankenkasse – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (Urteile des Senats vom 21. August 1996 – 3 RK 2/96 – SozR 3-2500 § 39 Nr 4 und vom 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R – BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 109 Nr 6).
c) Dem Vergütungsanspruch steht hier auch nicht die gegenüber dem Beigeladenen ausgesprochene Ablehnung der weiteren Kostenübernahme für die Krankenhausbehandlung ab 1. Juni 1994 (Bescheid vom 11. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 1995) entgegen, die vom Beigeladenen nicht im Klagewege angefochten und daher im Verhältnis des Beigeladenen zur Beklagten (Versicherungsverhältnis) bestandskräftig und bindend geworden ist. Die Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass die im Versicherungsverhältnis getroffene Feststellung, die Voraussetzungen von Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) hätten ab 1. Juni 1994 nicht mehr vorgelegen, auf das Abrechnungsverhältnis durchschlägt und deshalb ein Zahlungsanspruch des Krankenhauses nicht entstanden bzw nach dem Eintritt der Bestandskraft des entsprechenden Verwaltungsakts weggefallen ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass eine im Versicherungsverhältnis ergangene bindende Leistungsablehnung mangels Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit für das Abrechnungsverhältnis ohne Bedeutung ist (Urteil vom 17. Mai 2000 – B 3 KR 33/99 R – BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 109 Nr 6). Der Auffassung der Beklagten über die Ausstrahlung der Bindungswirkung des Verwaltungsakts aus dem Versicherungsverhältnis auf das Abrechnungsverhältnis steht entgegen, dass das Krankenhaus am Subordinationsverhältnis zwischen Krankenkasse und Versichertem, in dem der Ablehnungsbescheid ergangen ist, selbst nicht beteiligt ist, sondern – wie oben bereits ausgeführt – mit der Krankenkasse im Gleichordnungsverhältnis steht und seine Zahlungsansprüche aus vertraglichen Grundlagen ableitet (BSG aaO). Hieraus folgt, dass es durch die hoheitlich getroffene Entscheidung der Krankenkasse, auch wenn sie ihm zur Kenntnis gegeben wird, nicht gebunden sein kann.
d) Die Beklagte war zur Leistung verpflichtet, weil der Kläger als Krankenhausträger die stationäre Behandlung ordnungsgemäß erbracht hat. Der Beigeladene hatte im streitigen Zeitraum einen Anspruch nach § 39 Abs 1 SGB V auf vollstationäre Krankenhausbehandlung gegen die Beklagte. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit besteht bei einem Krankheitszustand, dessen Behandlung aus medizinischen Gründen den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses (geschultes Pflegepersonal, apparative Mindestausstattung, intensive Behandlung durch rufbereite Ärzte) erforderlich macht (BSG SozR 2200 § 184 Nr 11, 22, 28).
Das LSG hat diese rechtlichen Kriterien zutreffend erkannt und ist nach eingehender Würdigung der Ausführungen des Gutachters Dr. B. sowie der verschiedenen Stellungnahmen des MDK zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beigeladene im fraglichen Zeitraum krankenhausbehandlungsbedürftig war. An diese tatsächliche Feststellung ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), weil die Beklagte der Beweiswürdigung des LSG nicht mit durchgreifenden Rügen entgegengetreten ist (§ 164 SGG). Eine Verletzung des Rechts der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) ist nicht formgerecht gerügt, wenn die Revision lediglich ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt oder die eigene Beweiswürdigung als der des Tatsachengerichts überlegen bezeichnet (BSG SozR 1500 § 164 Nr 31; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl, IX Nr 333, 336). Ein Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 1 SGG liegt nicht vor, wenn das Tatsachengericht bei widersprechenden gutachterlichen Äußerungen seine Auffassung unter Abwägung der ärztlichen Gutachten und Berichte darlegt und danach seine Entscheidung trifft (BSGE 1, 150, 154; 2, 236, 237). Das LSG überschreitet deshalb nicht die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung, wenn es sich einem dieser Gutachten anschließt und dabei nicht dem Gutachten folgt, das der Revisionskläger für überzeugender erachtet (Krasney/Udsching aaO Nr 336), sofern nicht eine Verletzung von Denkgesetzen oder ein Verstoß gegen Erfahrungssätze vorliegt. Das wird von der Beklagten aber nicht geltend gemacht.
e) Der Vergütungsanspruch ist auch nicht erloschen. Er ist weder erfüllt worden (§ 61 SGB X iVm § 362 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫), noch hat der Kläger den Anspruch erlassen (§ 397 BGB).
Als Erlöschenstatbestand kommt hier ausschließlich der Buchungsvorgang in Betracht, mit dem der Kläger innerhalb von zwei Abteilungen haushaltsmäßig den Betrag von 124.491,90 DM einerseits als Sozialhilfeleistung verbucht („Ausgabe” der Abteilung Sozialhilfe) und andererseits als Forderung des Krankenhauses ausgebucht („Einnahme” der Abteilung Krankenhausbetrieb) hat. Dieser interne Buchungsvorgang, der mit einer Geldleistung (Bargeldzahlung oder Geldbetragsüberweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr) nicht verbunden war, stellt keine Erfüllung der Forderung im Wege der „Leistung durch Dritte” iS des § 267 BGB dar. Nach dieser Vorschrift kann auch ein Dritter die Leistung bewirken, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat (Abs 1 Satz 1), was für Geldforderungen grundsätzlich zutrifft.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sein können, wenn die Person des Gläubigers und des Dritten rechtlich identisch sind und lediglich zwei unselbstständige Abteilungen dieser (juristischen) Person als Gläubiger (Krankenhausabteilung) und Dritter (Sozialhilfeabteilung) fungieren. Diese Frage kann jedoch auf sich beruhen. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Dritte die Leistung „bewirkt” hat und er dabei mit dem Willen gehandelt hat, die Verpflichtung des Schuldners zu tilgen (Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl 2002, § 267 RdNr 3 ff; BGHZ 46, 325 und 75, 303). Diese Voraussetzungen sind zu verneinen, weil der Kläger als Sozialhilfeträger allein mit dem Buchungsvorgang die geschuldete Leistung nicht bewirkt hat und dabei auch nicht den Willen hatte, die krankenversicherungsrechtliche Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu tilgen. Die geschuldete Leistung bestand in der Zahlung oder Überweisung eines Geldbetrags von 124.491,90 DM. Ein solcher Betrag ist dem Kläger als Krankenhausträger nicht zugeflossen. Er hat die Forderung lediglich dort haushaltsrechtlich ausgebucht, ohne dass der Vermögensbestand des Klägers um diesen Betrag vermehrt worden ist. Der Buchungsvorgang geschah auch nicht mit dem Willen, die Zahlungspflicht der Beklagten abzulösen. Zu Recht hat die Beklagte daher den Erfüllungseinwand nicht erhoben. Auch der Forderungserlass setzt einen rechtsgeschäftlichen Willen voraus, auf die Forderung zu verzichten (Palandt/Heinrichs, aaO, § 397 RdNr 4), der hier nicht zu erkennen ist.
Auf die Frage, ob die Klage auch unter dem Blickwinkel des – von den Vorinstanzen bejahten – Erstattungsanspruchs begründet sein könnte, und wie sich der Ablehnungsbescheid der Beklagten in diesem Verhältnis auswirkt, kam es danach nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
FEVS 2003, 13 |
NZS 2003, 152 |
SozR 3-2500 § 109, Nr. 9 |
ZfF 2004, 190 |
PflR 2002, 419 |