Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise bei Praxisbesonderheiten
Leitsatz (amtlich)
Zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise eines Arztes mit kurzer Zulassungszeit (Praxisanfänger) und niedrigen Fallzahlen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Prüfgremien die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei einer Fallwertüberschreitung um 50 vH ziehen.
2. Außergewöhnlich niedrige Fallzahlen können allenfalls im Einzelfall als Praxisbesonderheit zur Rechtfertigung eines Mehraufwandes anerkannt werden.
3. Anfangsschwierigkeiten nach der ersten Niederlassung des Arztes sind keine Praxisbesonderheiten, durch die ein Mehraufwand kompensiert werden könnte; sie können jedoch nach Feststellung eines unwirtschaftlichen Mehraufwandes bei der Festlegung des Kürzungsbetrages berücksichtigt werden.
Normenkette
RVO § 368n Abs. 5; EKV-Ä § 15; RVO § 368e
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 07.06.1984; Aktenzeichen L 5 Ka 16/83) |
SG Mainz (Entscheidung vom 04.05.1983; Aktenzeichen S 2 Ka 95/82) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen.
Der Kläger ist seit dem 5. Januar 1981 als Frauenarzt niedergelassen und an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt. Seine Honoraranforderungen pro Fall überschritten die durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung im ersten Quartal 1981 bei den Sonderleistungen um 217 % und bei den Laborleistungen um 188 % sowie im zweiten Quartal 1981 bei den Sonderleistungen um 155 % und bei den Laborleistungen um 154 %. Die Prüfungskommission kürzte die Honoraranforderungen in beiden Sparten und in beiden Quartalen um jeweils 10 %. Gekürzt wurden ebenfalls die Honoraranforderungen für die Quartale III und IV/1981. Die Widersprüche des Klägers und des Beigeladenen wies die Beschwerdekommission zurück mit der Begründung, mit seinen Honoraranforderungen insgesamt und bei den Sonder- und Laborleistungen liege der Kläger im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses gegenüber der Fachgruppe. Als Praxisbesonderheit sei zu berücksichtigen, daß es sich um die Überprüfung der ersten Quartale nach der Niederlassung des Klägers handele. Zu berücksichtigen seien auch die niedrigen Fallzahlen des Klägers im Verhältnis zu denen der Fachgruppe - 144 zu 466 im ersten Quartal, 195 zu 466 im zweiten Quartal -. Die darüber hinausgehenden Besonderheiten zB auf dem operativen Sektor wie auch bei diagnostischen Maßnahmen der Zytologie erreichten dagegen nicht die Bedeutung einer Praxisbesonderheit.
Das Sozialgericht (SG) hat die Bescheide der Prüfungskommission betreffend die Quartale I bis IV/1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beschwerdekommission aufgehoben. Die nur auf die Abweisung der Klage betreffend die ersten beiden Quartale 1981 gerichtete Berufung des Beigeladenen hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und ausgeführt: Die Bescheide seien rechtswidrig. Zwar sei die Annahme der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt. Der Umstand, daß der geprüfte Arzt neu zugelassen wurde, sei aber im Rahmen der Ermessensausübung bei der Höhe der Honorarkürzung zu berücksichtigen. Auf einer anzuerkennenden Praxisbesonderheit beruhe der Mehraufwand eines Vertragsarztes zu Beginn seiner Tätigkeit höchstens insoweit, als er die Grenze eines offensichtlichen Mißverhältnisses zum Fachgruppendurchschnitt nicht überschreite. Werde zugunsten des Klägers ein solcher durch anfängliche Schwierigkeiten gerechtfertigter Mehraufwand von 50 % des jeweiligen Kostendurchschnitts der Fachgruppe angenommen, so verbleibe zwar immer noch eine Überschreitung des Kostendurchschnitts bei den Sonder- und Laborleistungen zwischen 104 und 167 %. Diese Überschreitungen ließen sich jedoch überwiegend schon mit den außergewöhnlich niedrigen Fallzahlen im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt erklären. Es bedürfe dazu keiner besonderer Ermittlungen und Feststellungen, zumal die Honoraranforderungen und Überschreitungen in den folgenden Quartalen wesentlich zurückgegangen seien. In nahezu allen Fällen sei ein erhöhter Diagnoseaufwand wegen der erforderlichen Erstuntersuchungen nicht zu vermeiden gewesen. Außerdem sei das aufgrund der Anfangsschwierigkeiten nicht ausschließlich dem Kläger vorzuwerfende Mißverständnis über die Zulässigkeit der Leberdiagnose als entlastend zu berücksichtigen.
Der Beigeladene hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und macht geltend, die niedrigen Fallzahlen des Klägers stünden offenbar in unmittelbaren Zusammenhang mit seiner Neuzulassung und könnten daher nicht noch zusätzlich als Praxisbesonderheit anerkannt werden.
Der Beigeladene beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juni 1984 - L 5 Ka 16/83 - und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 4. Mai 1983 - S 2 Ka 95/82-, soweit es mit der Berufung angefochten worden ist, aufzuheben und die Klage in diesem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er macht geltend, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit, wenn die Überschreitung mehr als 100 % vom Fachgruppendurchschnitt betrage. Der Mehraufwand könne jedoch durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt sein. Im Gegensatz zu anderen Gynäkologen führe er ambulante Operationen durch. Bei Berücksichtigung auch nur dieser Praxisbesonderheit ergebe sich eine Abweichung bei den Sonderleistungen, die unter 100 % liege. Der verbleibende Mehraufwand sei, wie die Folgequartale gezeigt hätten, auf die Anfangsschwierigkeiten und die weit unterdurchschnittlichen Fallzahlen zurückzuführen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist teilweise begründet. Im Ergebnis hat das LSG zu Recht die Aufhebung der Bescheide der Beschwerdekommission durch das SG bestätigt. Die Aufhebung der Bescheide der Prüfungskommission betreffend die ersten beiden Quartale 1981 kann dagegen keinen Bestand haben. Vielmehr ist über den Widerspruch des Klägers neu zu entscheiden.
Das LSG hätte die Aufhebung der Bescheide der Prüfungskommission nicht bestätigen dürfen, denn eine abschließende gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Honorarkürzungen ist ausgeschlossen. Aufzuheben sind nur die Bescheide der Beschwerdekommission. Allerdings ist Gegenstand der Klage, wenn ein Vorverfahren stattgefunden hat, der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 95 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). In Angelegenheiten des Kassenarztrechts hat der Senat unzureichend begründete Bescheide des Beschwerdeausschusses aufgehoben und den Beschwerdeausschuß verurteilt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Widerspruch zu entscheiden (BSG SozR 2200 § 368n Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 36; vgl auch BSG SozR aaO Nr 27). Dies gilt entsprechend auch im Ersatzkassenbereich. Wie nach § 368n Abs 5 RVO ist die Wirtschaftlichkeitsprüfung in der Vorschrift des § 15 des Arzt/Ersatzkassenvertrags (EKV) Ausschüssen übertragen, die nicht weisungsgebunden sind.
Die angefochtenen Bescheide der Beschwerdekommission sind aufzuheben, weil sie den besonderen Anforderungen an einen Prüfbescheid nicht entsprechen. Den Prüfinstanzen steht, wie der Senat entschieden hat (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 31), bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein gerichtlich nicht voll nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Im Bereich eines derartigen Beurteilungsspielraums ist die Kontrolle der Gerichte auf die Frage beschränkt, ob die Verwaltung gegen übergeordnete Verfassungs- oder Verwaltungsgrundsätze, gegen zwingende Verfahrensregeln oder Denk- und Erfahrungssätze verstoßen hat, keine wesentlichen entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat, von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt und nicht von falschen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, ob sie die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs abstrakt ermittelten Grenzen eingehalten und beachtet hat und ob sie ihre Subsumtion so verdeutlicht und begründet hat, daß im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist.
Die Beschwerdekommission hat ihre Bescheide vom 11. November 1982 nicht in nachvollziehbarer Weise ausreichend begründet. Für die streitigen Quartale I und II/1981 ist der Nachweis einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise des Klägers in den Leistungssparten Sonderleistungen und Laborleistungen erbracht. Seine Fallkosten haben im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses zu den Durchschnittswerten der Fachgruppe gelegen. Nach den Feststellungen des LSG haben die Fallkosten des Klägers die Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe bei den Sonderleistungen um 217 % und (im zweiten Quartal 1981) um 155 % überschritten, bei den Laborleistungen um 188 % im ersten Quartal 1981 und 154% im zweiten Quartal 1981.
Die danach anzunehmende Unwirtschaftlichkeit kann durch den Nachweis von Praxisbesonderheiten widerlegt werden. In den angefochtenen Bescheiden der Beschwerdekommission werden (neben der Neuzulassung) die niedrigen Fallzahlen des Klägers ohne eine Begründung als Praxisbesonderheit berücksichtigt, so daß entgegen der Meinung des LSG schon deshalb nicht entschieden werden kann, ob die Honorarkürzung gerechtfertigt ist. In dem Bescheid hat die Beschwerdekommission nicht verdeutlicht, daß sie insoweit alle relevanten Gesichtspunkte in ihre Erwägungen einbezogen hat und von einem vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist. Außergewöhnlich niedrige Fallzahlen können nach der Rechtsprechung des Senats für die Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise bedeutsam sein (BSGE 46, 145, 151). Es ist aber Sache der Prüfungsgremien zu beurteilen, ob dies im Einzelfall begründet und welcher Mehraufwand deshalb gerechtfertigt ist. Schon zum ersten Punkt fehlt es in den angefochtenen Bescheiden an einer Begründung. Niedrige Fallzahlen können bedeutsam sein, wenn dadurch die Aussage über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise beeinträchtigt wird. Bei der von den Prüfungsinstanzen hier angewendeten Methode der Prüfung anhand eines statistischen Vergleichs wird die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des geprüften Arztes nicht durch Ermittlungen im Einzelfall festgestellt. Die Prüfungsinstanzen ermitteln vielmehr lediglich die durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe nach Leistungsarten und Leistungsgruppen und vergleichen sie mit denen des geprüften Arztes. Anhand dieses Vergleichs läßt sich die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise beurteilen, weil davon ausgegangen werden kann, daß die Ärzte einer Fachgruppe einschließlich des geprüften Arztes es im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und im Durchschnitt die gleichen Behandlungskosten notwendig sind. Die von den Ärzten der Vergleichsgruppe, wie auch die vom geprüften Arzt, zu behandelnden Krankheiten unterscheiden sich zwar nach ihrer Art, auch hat jeder Arzt leichtere und schwerere Fälle zu behandeln, die Fälle werden mehr oder minder große Schwierigkeiten in der Behandlung durch die besonderen Verhältnisse beim einzelnen Patienten bereiten. Wegen dieser Unterschiede dürfen erst bei einer größeren Zahl von Einzelfällen aus den Durchschnittswerten Schlüsse auf die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise gezogen werden. Allein die größere Zahl rechtfertigt die Vermutung des Ausgleichs zwischen den Unterschieden der Einzelfälle und damit die Aussagekraft von Durchschnittswerten. Eine trotzdem bei jedem derartigen pauschalen Vergleich zurückbleibende Unsicherheit kann deshalb hingenommen werden, weil eine Honorarkürzung erst beim offensichtlichen Mißverhältnis Platz greift.
Der Vergleich mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe wird eher aussagekräftig sein, wenn die Gruppe groß ist, als bei einer kleineren Zahl von Ärzten. Bei welchen Fallzahlen des geprüften Arztes nicht mehr vom rechnerischen Durchschnittswert auf die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise geschlossen werden kann oder höhere Überschreitungen des Durchschnittswerts der Fachgruppe hinzunehmen sind, ist von den Prüfungsinstanzen zu beurteilen. Maßgebend ist dafür insbesondere, inwieweit das Krankengut des Arztes homogen ist. Je nach Bandbreite der erforderlichen Behandlungen und Behandlungskosten in den Einzelfällen sind mehr oder weniger hohe Fallzahlen erforderlich, um aussagen zu können, ob die Behandlungsweise im Durchschnittsfall wirtschaftlich war. Bei 144 und 195 Fällen, die der Kläger im ersten und zweiten Quartal 1981 abgerechnet hat, wird die Annahme einer Praxisbesonderheit einer besonderen Begründung bedürfen. Vor allem aber muß aus der Begründung auch hervorgehen, in welcher Höhe die Beschwerdekommission den Aufwand des Klägers für gerechtfertigt hält. Diesen Anforderungen entsprechen die Bescheide der Beschwerdekommission nicht, so daß sie aufzuheben sind.
Die Beschwerdekommission wird bei der Entscheidung über den Widerspruch des Klägers zu beachten haben: Zu entscheiden ist nur über den Widerspruch des Klägers, dh nur darüber, ob die Kürzungen in den Leistungssparten Sonderleistungen und Laborleistungen rechtmäßig sind. Die Zurückweisung des Widerspruchs des Beigeladenen ist nicht angefochten worden.
Richten sich die Prüfgremien nach arithmetischen Durchschnittszahlen, so verstößt es allgemein nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze, wenn die Prüfungsinstanzen die Grenze zum offensichtlichen Mißverhältnis bei einer Fallwertüberschreitung um 50 % ziehen (BSG SozR 2200 § 368n RVO Nr 38 mwN). Die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise des Arztes ist nachgewiesen, wenn seine durchschnittlichen Honoraranforderungen in einem offensichtlichen Mißverhältnis zu den Durchschnittswerten der Gruppe vergleichbarer Ärzte stehen und Besonderheiten der Praxis seinen Mehraufwand nicht rechtfertigen sowie dieser Mehraufwand auch nicht durch einen Minderaufwand ausgeglichen wird. Die Beschwerdekommission wird zu prüfen haben, ob und inwieweit die geringen Fallzahlen des Klägers eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Wege eines statistischen Vergleichs zulassen bzw wie sie sich auswirken; dabei kann es zweckmäßig sein, die Behandlungsweise im RVO-Bereich mit zu berücksichtigen. Es ist auch zu prüfen, ob die operative Tätigkeit des Klägers eine Praxisbesonderheit darstellt und wie sich diese Besonderheit auf die Praxiskosten auswirkt. In Betracht kommt insbesondere ein Vergleich mit denjenigen Frauenärzten, die ebenfalls Operationen durchführen. Die Vergleichbarkeit der Behandlungsweise mit den anderen Frauenärzten kann möglicherweise hergestellt werden, wenn bekannt ist, wie viele Patienten sie zur Durchführung von Operationen an andere Ärzte überwiesen haben und welche Kosten bei diesen anderen Ärzten entstanden sind. Wenn der operativen Tätigkeit auch nach der neuerlichen Beurteilung durch die Beschwerdekommission nicht die Bedeutung einer Praxisbesonderheit zukommt, bedarf es jedenfalls dazu einer Begründung.
Der Ansatz von falschen Ziffern der Gebührenordnung durch den Kläger ist grundsätzlich vor der eigentlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung richtigzustellen (vgl Urteil des Senats vom 15. April 1986 - 6 RKa 27/84 -).
In Betracht kommt ferner die Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger erst am 5. Januar 1981 zugelassen und an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt worden ist. Der zugelassene Arzt muß seine Behandlungsweise am Gebot der Wirtschaftlichkeit ausrichten und den besonderen Erfordernissen an die kassen- und vertragsärztliche Tätigkeit anpassen. In der ersten Zeit nach der Zulassung werden diese Anforderungen zu Unsicherheiten führen, die häufig noch mit Umstellungsschwierigkeiten verbunden sind, vor allem, wenn der Arzt bisher im Krankenhaus tätig war. Es kann daher gerechtfertigt sein, die ersten Abrechnungen des Arztes mit anderen Maßstäben zu messen als die späteren (vgl BSGE 46, 145, 150). Diese Anpassungsschwierigkeiten können aber nicht dazu führen, daß die Behandlungsweise als wirtschaftlich angesehen wird, deshalb begründen sie keine Praxisbesonderheit; vielmehr können die Prüfungsinstanzen sie erst nach der Feststellung eines unwirtschaftlichen Mehraufwandes bei der Bestimmung des Honorarkürzungsbetrages nach pflichtgemäßem Ermessen berücksichtigen; soweit die ärztlichen Leistungen aber offensichtlich unwirtschaftlich waren, hat diese Möglichkeit auszuscheiden (BSGE 55, 110, 114). Damit wird keine feste Grenze begründet etwa in der Weise, daß Anfänger nur bis zu einer Überschreitung des Kostendurchschnitts der Fachgruppe um 50 % ohne weiteres gekürzt werden dürften, oder daß ein Mehraufwand von 50 % gerechtfertigt wäre. Die Prüfungsinstanzen haben vielmehr einen Ermessensspielraum und müssen dabei alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Auch vom Anfänger in der kassen- oder vertragsärztlichen Praxis kann erwartet werden, daß er grobe Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und offensichtlich unwirtschaftliche Behandlungsweisen vermeidet. Wenn ein Arzt besondere Informationen außer acht läßt, deren Beachtung schon für einen Anfänger zumutbar ist, kann er sich insoweit nicht auf eine Unsicherheit berufen. Die Prüfungsinstanzen werden im Rahmen ihres Ermessens auch zu prüfen haben, ob Anfangsschwierigkeiten nur für das erste oder für welche weiteren Quartale sie anzuerkennen sind.
Der Kläger macht im vorliegenden Fall geltend, er habe in den ersten Quartalen ausschließlich Patientinnen untersucht und behandelt, die ihm unbekannt waren und zum Teil früher keinen Frauenarzt aufgesucht hatten. Insoweit kann eine Praxisbesonderheit vorliegen. Es wird zu ermitteln sein, ob der Kläger aufgrund von objektiv bestehenden und nachweisbaren Gegebenheiten im Vergleich zu seinen Fachkollegen zusätzliche Untersuchungen und Behandlungen durchführen mußte und welcher Mehraufwand deshalb gerechtfertigt ist. Den Prüfungsinstanzen obliegt es zu beurteilen, ob und in welchem Umfang die Frauenärzte der Vergleichsgruppe Patientinnen behandeln, die sie schon kennen, und ob und in welchem Umfang dadurch Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen entfallen. Dabei werden sich die Prüfungsinstanzen insbesondere auf das Erfahrungswissen der Ärzte stützen können. Der Kläger macht noch geltend, in E. sei vor dem ersten Quartal 1981 lange Zeit kein Gynäkologe zugelassen gewesen. Ob sich nachweisen läßt, daß dadurch ein Mehraufwand an Behandlungs-und Untersuchungsmaßnahmen des Klägers notwendig gewesen ist, erscheint fraglich. Es geht zu Lasten des Klägers, wenn der Mehraufwand nicht beweisbar ist.
Die Erbringung fachfremder Leistungen kann zu den Anfangsschwierigkeiten des neuzugelassenen Arztes gehören und wird regelmäßig erfaßt, wenn die Prüfungsinstanzen im Rahmen ihres Ermessens solche Schwierigkeiten berücksichtigen. Soweit der Kläger aber mit der Erhebung von Leberwerten fachfremde Leistungen erbracht hat, die bei der Fachgruppe nicht anfallen, ist eine Kürzung nicht gerechtfertigt, wenn der Kläger, wie er behauptet, nachweisbar von der Beklagten falsch informiert worden sein sollte und dies die Ursache der Leistungserbringung war.
Der Kläger hat schließlich behauptet, er habe in der Regel die sogenannten P-Leistungen nicht gekennzeichnet. Auch diesem Einwand ist nachzugehen.
Die Revision hat aus allen diesen Gründen teilweise Erfolg. Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG gestützt.
Fundstellen