Verfahrensgang
SG Hannover (Urteil vom 11.06.1990) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juni 1990 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Beigeladenen über Beitrittsmöglichkeiten zur freiwilligen Krankenversicherung unzureichend beraten und dies zu Erstattungs- und Rückerstattungsansprüchen des Klägers gegen die Beklagte geführt hat.
Der 1965 geborene Beigeladene trat im Januar 1986 als Zeitsoldat in die Bundeswehr ein. Als infolge einer schweren Erkrankung sein vorzeitiges Ausscheiden aus der Bundeswehr wegen Dienstunfähigkeit bevorstand, meldete er sich mittels eines Vordrucks am 18. Mai 1987 als freiwilliges Mitglied bei der beklagten Krankenkasse an. Dabei kreuzte er von den im Vordruck aufgeführten Vorschriften über den Kassenbeitritt Versicherungsberechtigter (§§ 176, 176a, 176b, 176c und 238 der Reichsversicherungsordnung – RVO –) den § 176 RVO an. In der Rubrik „Grund der Anmeldung”, in der sämtliche Beitrittsgründe für die freiwillige Mitgliedschaft genannt sind, machte er durch Ankreuzen kenntlich, daß er als „Soldat auf Zeit” der Beklagten beitreten wolle und gab als Dauer seines Wehrdienstes die Zeit vom 2. Januar 1986 bis 30. Juni 1987 an. In der Rubrik „zZ bestehende Krankheiten” ist eingetragen: „Beschwerden der li. Hand, Erkrankung Morbus Hodgkin”. Entsprechend der Anmeldung stellte die Beklagte eine freiwillige Mitgliedschaft des Beigeladenen ab 20. Mai 1987 bei einer Wartezeit bis zum 30. Juni 1987 und einen Ausschluß der Leistungen für die genannten Erkrankungen gemäß § 310 Abs 2 RVO durch Aktenverfügung vom 29. Juni 1987 fest und teilte dies sowie weitere Einzelheiten zur Höhe und Entrichtung der Beiträge dem Beigeladenen durch Schreiben vom 2. Juli 1987 mit, das im Wege der automatischen Datenverarbeitung erstellt war und weder eine Unterschrift noch eine Rechtsmittelbelehrung enthielt. Der Kläger trug nach dem Ausscheiden des Beigeladenen aus der Bundeswehr am 30. Juni 1987 zunächst die Kosten für dessen mit Morbus Hodgkin zusammenhängende Heilbehandlung gemäß § 82 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) iVm § 10 Abs 1 und § 11 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aufgrund eines Bescheides des Versorgungsamtes Hildesheim vom 27. Juli 1987.
Auf einen am 4. September 1987 vom Beigeladenen gestellten Antrag stellte das Versorgungsamt H. … mit Bescheid vom 22. Juli 1988 als Behinderungen des Beigeladenen nach § 4 Abs 1 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) „Morbus Hodgkin und Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes nach Trümmerfraktur” und einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 vH fest und stellte dementsprechend am 8. August 1988 einen Schwerbehindertenausweis aus, der ab 19. Mai 1987 gültig ist. Unter Vorlage dieses Ausweises meldete sich der Beigeladene am 1. September 1988 bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied nach § 176c RVO an und aus der freiwilligen Mitgliedschaft nach § 176 RVO ab. Die Beklagte stellte fest, daß die Voraussetzungen für eine freiwillige Mitgliedschaft für Schwerbehinderte nach § 176c RVO ab 1. September 1988 erfüllt sind und teilte dies dem Beigeladenen mit. Von diesem Zeitpunkt an gewährte die Beklagte dem Beigeladenen uneingeschränkt Heilbehandlung.
Von der Beklagten forderte der Kläger daraufhin hinsichtlich der von Juli 1987 bis August 1988 dem Beigeladenen geleisteten Heilbehandlung Erstattung der Kosten für von ihm selbst erbrachte Leistungen und Rückerstattung der gemäß § 20 BVG gezahlten Erstattungen für die Heilbehandlung, die die Beklagte in seinem Auftrage dem Beigeladenen gewährt hat. Seine Forderung begründete der Kläger damit, die Beklagte habe Leistungen nach § 310 Abs 2 RVO nicht ausschließen dürfen, weil der Beigeladene bereits im Mai 1987 schwerbehindert gewesen sei und nach § 176c RVO hätte versichert werden müssen. Die Beklagte lehnte die geforderte Erstattung und Rückerstattung ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen: Entsprechend seiner An- und Abmeldung sei der Beigeladene nach § 176 Abs 1 Nr 4 RVO vom 20. Mai 1987 bis zum 31. August 1988 freiwilliges Mitglied der Beklagten gewesen. Zu Recht habe die Beklagte während dieser Mitgliedschaft Leistungen für die im Zeitpunkt des Beitritts bestehenden Krankheiten ausgeschlossen. Der Kläger könne nicht so gestellt werden, als stünde dem Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in der fraglichen Zeit eine Mitgliedschaft ohne Leistungsausschluß nach § 176c RVO zu; denn der Beklagten sei ein pflichtwidriges Verhalten oder Unterlassen nicht vorzuwerfen.
Insbesondere sei sie nicht verpflichtet gewesen, den Beigeladenen auf eine solche Mitgliedschaft hinzuweisen.
Mit der – vom SG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 13 bis 15 und 17 des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) iVm den §§ 176c, 310 Abs 2 RVO.
Er beantragt,
das Urteil des SG vom 11. Juni 1990 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Heilbehandlungskosten in Höhe von 9.025,16 DM zu erstatten bzw zurückzuerstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich zur Sache nicht geäußert und Anträge nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte weder ein Erstattungs- noch ein Rückerstattungsanspruch zu, weil die Beklagte nicht verpflichtet war, in der fraglichen Zeit Leistungen für die nach § 310 RVO ausgeschlossenen Erkrankungen zu erbringen.
Dabei kann es dahinstehen, ob der Kläger seinen Erstattungsantrag auf § 103 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – (SGB X), der Erstattung bei nachträglichem Entfallen einer Leistungsverpflichtung vorsieht, oder auf § 105 SGB X stützt, der dem unzuständigen Leistungserbringer einen Erstattungsanspruch einräumt. Beide Vorschriften – wie auch die die Rückerstattung regelnde Vorschrift des § 112 SGB X – setzen voraus, daß der Träger, von dem Erstattung oder Rückerstattung begehrt wird, zur Erbringung der Leistung verpflichtet war.
Hierzu war die Beklagte jedoch nicht verpflichtet, weil sie mit bindend gewordenem Bescheid festgestellt hatte, daß die im Zeitpunkt der Anmeldung zur freiwilligen Versicherung beim Beigeladenen bestehenden Erkrankungen gemäß § 310 Abs 2 RVO von ihrer Leistungsverpflichtung ausgeschlossen waren, und dieser Bescheid dem Kläger gegenüber Tatbestandswirkung hatte.
Das Schreiben der Beklagten an den Beigeladenen vom 2. Juli 1987, dem die von der Beklagten am 29. Juni 1987 intern verfügten Feststellungen zugrunde liegen, stellt einen rechtsverbindlichen Bescheid über die freiwillige Mitgliedschaft des Beigeladenen nach § 176 Abs 1 Nr 4 RVO sowie über den Leistungsausschluß von Erkrankungen dar und ist als feststellender Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X zu werten. Zwar ergibt sich die freiwillige Mitgliedschaft eines Versicherungsberechtigten, der seinen Beitritt zur Krankenkasse erklärt hat, unmittelbar aus dem Gesetz (hier § 176 Abs 1 Nr 4 iVm § 310 RVO). Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die freiwillige Mitgliedschaft gegeben sind und ob und ggf welche Krankheiten gemäß § 310 Abs 2 RVO von der Leistungsverpflichtung auszuschließen sind, hat die betreffende Krankenkasse nach Prüfung festzustellen und dies dem Betroffenen mitzuteilen. Hierin aber liegt insbesondere eine rechtliche Regelung eines Einzelfalles, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Wenngleich das Schreiben vom 2. Juli 1987 in einer bürgernahen, freundlichen Form gefaßt ist, enthält es alle für die freiwillige Versicherung des Beigeladenen erforderlichen Einzelheiten und ist somit inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X). Einer Begründung bedurfte es nicht, weil die Beklagte den Bescheid über den Beitritt des Beigeladenen zur freiwilligen Mitgliedschaft – wie auch sonst in gleichgelagerten Fällen üblich – mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen hat und weil eine Begründung nach den Umständen des Einzelfalles – der Beitrittserklärung ist in vollem Umfang gefolgt worden – nicht geboten war (§ 35 Abs 2 Nr 3 SGB X). Wegen der automatischen Erstellung des Bescheides durften dort auch Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen (§ 33 Abs 4 SGB X). Ob die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung im Hinblick auf eine mögliche Beschwer des Beigeladenen durch den Leistungsausschluß einen Verstoß gegen § 36 SGB X darstellt, kann dahingestellt werden; denn selbst wenn eine solche erforderlich war, führte ihr Fehlen lediglich dazu, daß der Beigeladenen innerhalb eines Jahres nach Zugang des Bescheids gegen ihn Widerspruch hätte einlegen können (§ 66 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Dies aber ist unterblieben und der Bescheid somit gemäß § 77 SGG bindend geworden.
Dieser Bescheid, der in seinem Verfügungssatz ausdrücklich den Leistungsausschluß für die Beschwerden an der linken Hand und die Erkrankung Morbus Hodgkin feststellt, schließt damit – auch mit Wirkung gegen Dritte – bis zu seiner Aufhebung eine Verpflichtung der Beklagten, für die ausgeschlossenen Krankheiten Leistung zu erbringen oder die Kosten dafür zu tragen, aus.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hat in mehreren Fällen anerkannt, daß Entscheidungen des Versicherungsträgers über den versicherungsrechtlichen Status einer Person von anderen Trägern als Tatbestandswirkung hinzunehmen sind (Urteil des 3. Senats vom 11. November 1975 – SozR 2200 § 381 Nr 5, Urteil des 8. Senats vom 26. Juli 1979 – SozR 2200 § 176c Nr 3 und Urteil des erkennenden 12. Senats vom 6. Februar 1992 – 12 RK 15/90 –). Die Feststellung über das Bestehen einer freiwilligen Versicherung nach § 176 RVO einschließlich eines Leistungsausschlusses stellt eine derartige Statusentscheidung dar. Sie schließt das Bestehen einer Versicherung nach § 176c RVO aus, denn diese Versicherung unterscheidet sich – abgesehen von den Zugangsvoraussetzungen – ua dadurch von einer freiwilligen Versicherung nach § 176 RVO, daß sie einen Leistungsausschluß nach § 310 Abs 2 RVO nicht vorsieht (§ 176c Satz 2 RVO). Ist somit der Leistungsausschluß ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden freiwilligen Versicherungen, so muß auch ein bindend gewordener Verwaltungsakt der Krankenkasse hierüber Dritten gegenüber Tatbestandswirkung entfalten.
Die Beklagte ist auch nicht nach § 86 SGB X verpflichtet, dem Kläger hinsichtlich seiner geltend gemachten Erstattungs- und Rückerstattungsansprüche so zu behandeln, als hätte ein Leistungsausschluß gegenüber dem Beigeladenen nach § 310 Abs 2 RVO nicht bestanden.
Die Rechtsprechung des BSG (BSGE 57, 146, 149, 150 = SozR 1300 § 103 Nr 2; SozR 4100 § 105b Nr 6) hat diese die enge Zusammenarbeit der Leistungsträger vorschreibende Bestimmung dahingehend ausgelegt, daß bei widerstreitenden Interessen ein Leistungsträger im Rahmen von Erstattungsverfahren von ihm getroffene, offensichtlich fehlerhafte Leistungsentscheidungen zugunsten des anderen Leistungsträgers unter bestimmten Voraussetzungen zu ändern hat. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 6. Februar 1992 (12 RK 15/90) entschieden, daß diese aus § 86 SGB X entwickelten Grundsätze auf Leistungsbescheide zu beschränken sind, und ihre Übertragung auf Bescheide über die Feststellung der Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft einer Person bei einem Versicherungsträger ausdrücklich verneint. Im vorliegenden Fall ist die Frage des Leistungsausschlusses aber dem Status des Versicherten und nicht der Leistungsebene zuzurechnen.
Damit kann die Revision des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen