Leitsatz (amtlich)
Das Erfordernis der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit bis zum Eintritt des Versicherungsfalles in AnVNG Art 2 § 9a Abs 2 (= ArVNG Art 2 § 9a Abs 2) bedeutet gleichzeitig, daß eine nur vorübergehende Aufgabe nicht genügt; auch die erneute Ausübung einer nur geringfügigen selbständigen Erwerbstätigkeit verhindert die Entstehung des Anspruchs (Anschluß an und Ergänzung von BSG 1978-12-14 1 RA 7/78 = BSGE 47, 275).
Orientierungssatz
Anspruch auf rechtliches Gehör:
1. Eine Rechtspflicht des Gerichts, die im Schriftsatz eines Beteiligten zitierten Entscheidungen dem anderen Beteiligten zu übersenden oder auch nur zugängig zu machen, besteht grundsätzlich nicht.
2. Betrifft ein geltend gemachter Anspruch auf rechtliches Gehör keine (rechtserhebliche) Tatsache, sondern eine Rechtsfrage, besteht nur in sehr engen Grenzen eine richterliche Hinweis-, Aufklärungs- oder (sogar) Offenbarungspflicht.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 9a Abs. 2 Fassung: 1978-07-25; ArVNG Art. 2 § 9a Abs. 2 Fassung: 1978-07-25; AnVNG Art. 2 § 13a Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 13a Fassung: 1972-10-16; SGG § 62 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob Ausfallzeiten nach Art 2 § 13a Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) iVm Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG auf die Rente anrechenbar sind.
Die am 19. September 1911 geborene Klägerin übt seit 1956 als Helferin in Steuersachen und zuletzt als Steuerberaterin eine selbständige Erwerbstätigkeit aus. Im Juli 1976 entrichtete sie gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG freiwillige Beiträge zur Angestelltenversicherung nach. Auf ihren daraufhin gestellten Antrag gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 1. Oktober 1976 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres mit dem Hinweis, die Ausfallzeiten (Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung vom 19. September 1927 bis zum 30. September 1934) seien wegen fehlender Halbbelegung nicht anrechenbar.
Während des Widerspruchsverfahrens legte die Klägerin zunächst Bescheinigungen der Steuerberaterkammer Köln vom 21. September und 23. Dezember 1976 über die Aufgabe ihrer Tätigkeit als Steuerberaterin zum 30. September 1976 vor. Im Januar 1977 teilte sie mit, inzwischen wieder selbständig tätig zu sein, weil sie trotz intensiver Bemühungen keine Anstellung gefunden habe. Einer weiteren Bescheinigung der Steuerberaterkammer Köln zufolge begann die erneute Berufsausübung der nach wie vor im Berufsregister eingetragenen Klägerin Mitte Dezember 1976. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen, weil die Klägerin nicht, wie nach Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG erforderlich, endgültig ihre selbständige Erwerbstätigkeit aufgegeben habe (Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 1977).
Das Sozialgericht (SG) Köln hat die Beklagte verurteilt, auf das Altersruhegeld die Ausfallzeit vom 19. September 1927 bis zum 30. September 1934 anzurechnen (Urteil vom 20. Oktober 1978). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat im Urteil vom 23. März 1979 ausgeführt: Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzung, ihre selbständige Erwerbstätigkeit spätestens bis zum Eintritt des Versicherungsfalles aufgegeben zu haben. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG idF des 21. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) müsse in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) jegliche Erwerbstätigkeit endgültig aufgegeben sein; eine lediglich zeitweilige Aufgabe genüge nicht. Der Gesetzgeber mute den Versicherten in einer Situation wie derjenigen der Klägerin zu, entweder durch Eintritt in die Pflichtversicherung (und erforderlichenfalls Hinausschieben des Altersversicherungsfalles) über Art 2 § 9a Abs 1 AnVNG die erleichterte Anrechnung der Ersatz- und Ausfallzeiten zu erreichen oder auf diese Anrechnung zu verzichten. Offen bleiben könne, ob im Falle der zunächst endgültigen Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit und deren Wiederaufnahme erst nach Jahren der Versicherungsträger dann zur Neufeststellung der Rente ohne Ausfallzeiten berechtigt wäre; denn hier seien die Ausfallzeiten von Anfang an unberücksichtigt geblieben, und zudem habe die Klägerin im Zeitpunkt des Versicherungsfalles nicht die vorbehaltlose, unbedingte Absicht gehabt, unter allen Umständen ihre selbständige Tätigkeit endgültig aufzugeben, wofür spreche, daß zwischen Aufgabe und Wiederaufnahme der Tätigkeit nur zweieinhalb Monate gelegen hätten.
Die Klägerin rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht. Sie habe mit Schreiben vom 18. Februar 1979 das Gericht gebeten, ein von der Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift vom 6. Februar 1979 zitiertes Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen zu übersenden, bevor sie sich zu diesem Schriftsatz äußern könne. Nach der überraschenden Ladung vom 5. März 1979 habe sie in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter vom 12. März 1979 "eine Vertagung von der rechtzeitigen Übersendung dieses Urteils abhängig gemacht, die jedoch erst am 3. April 1979 erfolgt" sei. Des weiteren macht die Klägerin geltend, sie habe nach dem 30. September 1976 keine selbständige Tätigkeit mehr ausgeübt und beim Postscheckamt ihre Berufsbezeichnung streichen lassen. Da das Steuerberatungsgesetz im Gegensatz zum Handwerksrecht keine Löschung bei Aufnahme einer unselbständigen Beschäftigung kenne, müsse die Aufgabe ihrer selbständigen Tätigkeit aus anderen Umständen entnommen werden. Ihre Bemühungen, unselbständig im Beruf zu arbeiten, seien fehlgeschlagen. Nur weil Mitte Dezember 1976 die Rechtsmittelfrist für einen fehlerhaften Einkommenssteuerbescheid abgelaufen sei, habe sie Einspruch einlegen müssen und darin die Wiederaufnahme ihrer Steuerberatertätigkeit gesehen; weitere Feststellungen seien vom LSG nicht getroffen worden. Im übrigen habe das Berufungsgericht weder die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Rechtsmißbrauchs geprüft noch dazu Stellung genommen, daß ihr die Auskunftsbeamten der Beklagten eine erneute selbständige Tätigkeit nicht verwehrt und von einer Gesetzeslücke gesprochen hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 23. März 1979 aufzuheben
und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Köln vom 20. Oktober 1978
zurückzuweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG einen Anspruch der Klägerin, die Zeit vom 19. September 1927 bis zum 30. September 1934 als Ausfallzeit auf das Altersruhegeld anzurechnen, verneint.
Der von der Klägerin gerügte Verstoß des LSG gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Es trifft zwar zu, daß sich die Klägerin an das LSG gewandt und erklärt hat, sie bitte, bevor sie sich zur Berufungsbegründungsschrift der Beklagten äußern könne, um Übersendung der beiden darin zitierten Urteile der Landessozialgerichte Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, des weiteren, daß ihr offenbar das letztere Urteil erst nach der mündlichen Verhandlung zugeleitet wurde. Indessen bedarf es keiner Prüfung, aus welchen Gründen eine frühere Information unterblieb. Denn eine Rechtspflicht des Gerichts, die im Schriftsatz eines Beteiligten zitierten Entscheidungen dem anderen Beteiligten zu übersenden oder auch nur zugängig zu machen, besteht grundsätzlich nicht. Ob ausnahmsweise etwas andere zu gelten hat, wenn eine Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ohne Angabe einer Fundstelle eine Entscheidung nennt, die dem anhängigen Verfahren eine neue Richtung geben oder bisher nicht erörterte Rechtsfragen in den Vordergrund rücken kann, ist für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung. Die Rechtsfrage nämlich, ob die in Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG vorausgesetzte Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit endgültig sein müsse oder die Wiederaufnahme einer solchen Tätigkeit nach Eintritt des Versicherungsfalles "unschädlich" bleibe, ist von Anfang an der einzige Streitpunkt gewesen, um den es geht; die Beklagte hat in der Berufungsbegründung auf die beiden LSG-Urteile lediglich mit dem Hinweis Bezug genommen, diese bestätigten im Ergebnis ihre eigene Auffassung. Deshalb kommt diesen Urteilen auch keine Bedeutung im Sinne eines Urkundenbeweises zu, der sich nur auf Tatsachen, nicht auf eine Rechtsauffassung beziehen kann (vgl § 118 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm §§ 415 ff der Zivilprozeßordnung -ZPO-; im gleichen Sinne auch § 106 Abs 3 Nr 1 SGG).
Hiernach betrifft der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf rechtliches Gehör keine (rechtserhebliche) Tatsache, sondern eine Rechtsfrage. Insoweit besteht nur in sehr engen Grenzen eine richterliche Hinweis-, Aufklärungs- oder (sogar) Offenbarungspflicht. Wenn auch unter bestimmten Voraussetzungen eine "Überraschungsentscheidung" das rechtliche Gehör verletzen kann, so jedoch nicht schon deswegen, weil der Rechtsmittelbeklagte von der Richtigkeit der von ihm erstrittenen günstigen (Vor-)Entscheidung überzeugt gewesen und vom Gericht auf die Möglichkeit einer anders lautenden Entscheidung nicht hingewiesen worden ist. Vielmehr darf das Gericht seine Entscheidung lediglich auf einen solchen rechtlichen Gesichtspunkt nicht stützen, den der Prozeßbeteiligte erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (vgl § 278 Abs 3 ZPO idF der Vereinfachungsnovelle vom 3. Dezember 1976). Wie bereits dargelegt, kommt im vorliegenden Fall keine Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes in Betracht. Im übrigen hat das Berufungsgericht in seinem Urteil die von der Beklagten genannten LSG-Entscheidungen unerwähnt gelassen.
Bei dieser Sachlage kann die Klägerin auch nichts daraus herleiten, daß ohne sie mündlich verhandelt worden ist. Die vom LSG vertretene Ansicht, für eine Vertagung habe keine Veranlassung bestanden, sowie die Feststellung, die Klägerin habe "keinen entsprechenden Antrag gestellt", ist von der Revision nicht oder allenfalls unvollkommen angegriffen worden mit dem Hinweis, sie - die Klägerin - habe "in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter vom 12. März 1979 eine Vertagung von der rechtzeitigen Übersendung dieses Urteils (gemeint ist das von der Beklagten erwähnte Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen) abhängig gemacht". Abgesehen davon hätte es bei der Klägerin gelegen, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen, sofern sie geglaubt hat, die Wahrung ihrer Rechte könne beeinträchtigt sein; um überhaupt den Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs erheben zu können, hätte sie unter den gegebenen Umständen die ihr durch die mündliche Verhandlung gebotene Möglichkeit des Rechtsgesprächs nutzen müssen. Sie hat auch nicht behauptet, daß es ihr unmöglich gewesen sei, zu erscheinen oder sich vertreten zu lassen.
Die geltend gemachten Ausfallzeiten könnten, da es unstreitig an der sogenannten Halbbelegung des § 36 Abs 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) fehlt, nur über die Sondervorschrift des mit dem Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 eingefügten Art 2 § 13a AnVNG anrechnungsfähig sein, der seinerseits den ebenfalls erst seit dem RRG bestehenden Art 2 § 9a AnVNG entsprechend gelten läßt. Nach Abs 2 dieser Vorschrift, die durch Art 2 § 5 Nr 1, Art 4 § 3 des 21. RAG vom 25. Juli 1978 rückwirkend auf den 19. Oktober 1972 eine neue Fassung erhalten hat, werden bei Personen, die von der Nachentrichtungsmöglichkeit des Art 2 § 49a AnVNG Gebrauch gemacht, vor dem 19. Oktober 1972 das 60. Lebensjahr vollendet und eine selbständige Tätigkeit von wenigstens 5 Jahren spätestens bis zum Eintritt des Versicherungsfalles aufgegeben haben, Ersatzzeiten auch ohne die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 AVG angerechnet.
Die von der Revision gegen die rückwirkende Gesetzesänderung angemeldeten verfassungsrechtlichen Bedenken sind ungerechtfertigt. Ungeachtet dessen, ob es sich bei der Neufassung überhaupt, gemessen an der ursprünglichen Norm, um ein belastendes Gesetz handelt, war die Rückwirkung hier verfassungsrechtlich zulässig, weil Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG idF des RRG wegen seiner Unklarheit von vornherein zu zahlreichen Auslegungsproblemen Anlaß gegeben hatte (vgl Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 17. Januar 1979 - 1 BvR 446/77, 1174/77 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8 S 24, 25).
Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt, da die anderen Voraussetzungen vorliegen, davon ab, ob die Klägerin ihre Erwerbstätigkeit spätestens bis zum Eintritt des Versicherungsfalles aufgegeben hat. Daran fehlt es. Schon sprachlich dürfte es näher liegen, unter "aufgegeben haben" nicht nur ein einmaliges Ereignis, sondern einen bis in die Gegenwart heranreichenden Zustand zu verstehen. Insbesondere aber die Entstehungsgeschichte und Systematik der Norm sowie die gesetzgeberische Zielsetzung gebieten die Auslegung in dem Sinne, daß eine lediglich vorübergehende Aufgabe der selbständigen Tätigkeit nicht genügt. Der Senat hat sich mit dieser Frage bereits in ähnlichem Zusammenhang befaßt und im Urteil vom 14. Dezember 1978 entschieden (1 RA 7/78 = BSGE 47, 275 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 7), Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG erfordere die Aufgabe jeglicher, nicht nur einer bestimmten Erwerbstätigkeit. Hierzu ist im Anschluß an BSGE 43, 211, 213 (= SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 2) auf die Öffnung der Rentenversicherung für Selbständige durch das RRG hingewiesen und sinngemäß ausgeführt worden, die erleichterte Anrechnungsfähigkeit von Ersatzzeiten durch § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG habe Versicherte mit lange zurückliegendem Eintritt in die Versicherung die erforderliche Halbbelegung noch nicht erreichen lassen. Deshalb sei mit Art 2 § 9a Abs 1 AnVNG eine zusätzliche Erleichterung insofern geschaffen worden, als es genüge, wenn die Zeit vom 1. Januar 1973 bis zum Versicherungsfall zur Hälfte, jedoch mit mindestens 60 Pflichtmonatsbeiträgen belegt sei. Abs 2 der Vorschrift erfasse ältere Selbständige, die auch die Voraussetzungen der verkürzten Halbbelegung nicht mehr erfüllen könnten und sich durch die Aufgabe ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit als besonders schutzwürdig erwiesen hätten. Der Normzweck und Sinn der Vorschrift erfordere die endgültige Aufgabe jeglicher selbständiger Erwerbstätigkeit, weil nur die ehemals Selbständigen den Anlaß für die besondere Vergünstigung böten (Hinweis auf Kaltenbach/Maier in: Koch/Hartmann/v Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, § 28 S V 257/175). Anknüpfend daran hat der Senat damals noch gefolgert, daß - würde nicht die endgültige Aufgabe jeglicher Erwerbstätigkeit gefordert - sonst der Versicherte seine Erwerbstätigkeit kurzfristig vor Eintritt des Versicherungsfalles aufgeben und nach Anrechnung der Ersatzzeiten wieder aufnehmen könnte, und er hat als gleichliegend den - dort gegebenen - Fall angesehen, daß der Versicherte zwar eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgebe, daneben aber noch eine weitere ausübe oder eine neue aufnehme.
Vorstehende Auslegungsregeln sind auch für die Entscheidung dieses Rechtsstreits maßgebend, wie das LSG zutreffend erkannt hat. Das Erfordernis der endgültigen Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit bedeutet gleichzeitig, daß eine nur vorübergehende Aufgabe nicht genügt; um eine solche handelt es sich aber im vorliegenden Fall. Die Klägerin ist, wie das LSG festgestellt hat (§ 163 SGG), ihren eigenen im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben zufolge zweieinhalb Monate nach dem 30. September 1976 wieder im Beruf der selbständigen Steuerberaterin tätig geworden. Dabei kann die vom LSG verneinte, allerdings auch nur im Rahmen einer Hilfserwägung ("zudem") aufgeworfene Frage offen bleiben, ob die Klägerin im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die vorbehaltlose, unbedingte Absicht hatte, unter allen Umständen nicht mehr selbständig tätig zu sein. Darauf kommt es, da die fehlende - tatsächliche - endgültige Aufgabe einer solchen Tätigkeit bereits den Anspruch scheitern läßt, ebensowenig an wie auf die an die Erwägungen des LSG anknüpfenden Rügen der Revision einschließlich des Vorwurfs, das Berufungsgericht habe die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Rechtsmißbrauchs nicht geprüft.
Soweit die Klägerin rügt, das Urteil des LSG enthalte keine Ausführungen darüber, daß ihr die Berater der Beklagten nicht verwehrt hätten, erneut selbständig tätig zu werden, andernfalls sie die sonst voraussetzungslose Anrechnung von Ausfallzeiten nicht zugebilligt erhalte, vermag sie damit keinen Verfahrensmangel mit Erfolg geltend zu machen. Denn die von ihr hierzu genannten Schriftsätze (Widerspruchsschrift vom 20. Oktober 1976 sowie Schriftsatz vom 17. März 1978) enthalten weder einen entsprechenden Beweisantritt noch überhaupt eine derartige Behauptung. Somit handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das revisionsgerichtlich nicht überprüft werden kann (§ 164 SGG).
Unerheblich ist, daß im landessozialgerichtlichen Urteil Feststellungen über Ausmaß und Ergiebigkeit der von der Klägerin nach Eintritt des Versicherungsfalles wieder ausgeübten Tätigkeit fehlen. Denn die in BSGE 47, 275, 278 offengelassene Frage, ob auch die Ausübung einer geringfügigen selbständigen Tätigkeit ("Nebentätigkeit") nach Eintritt des Versicherungsfalles die Anrechnung von Ersatz- und Ausfallzeiten verhindert, ist zu bejahen. Das folgt zunächst aus dem Gesetzeswortlaut, der sich in der Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit schlechthin erschöpft, also keine "unschädlichen" Tätigkeiten - wie etwa in § 25 Abs 4 AVG hinsichtlich des Bezugs von Altersruhegeld nach Abs 1 bis 3 dieser Vorschrift - beschreibt und auch nicht geringfügige Tätigkeiten nach § 4 Abs 2 AVG aF ausnimmt (vgl Kaltenbach/Maier aaO S V 257/177). Auch der Ausnahmecharakter der Vorschrift legt deren enge Auslegung nahe, zumal - wie dargelegt - Abs 2 des Art 2 § 9a AnVNG eine noch weitergehende Vergünstigung enthält als Abs 1, der seinerseits bereits eine Sonderregelung bringt. Im übrigen hat das BSG bereits in anderem Zusammenhang, wo die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ebenfalls die Entstehung des Anspruchs verhindert - nämlich zu § 24 Abs 2 Satz 2 AVG idF des RRG - die Ansicht vertreten, es komme auf Zeit und Umfang der Erwerbstätigkeit nicht an (BSGE 45, 238, 241 = SozR 2200 § 1247 Nr 19).
Da somit die Voraussetzungen des Art 2 § 9a Abs 2 AnVNG nicht erfüllt sind, entfällt auch die Anrechenbarkeit der von der Klägerin geltend gemachten Ausfallzeiten nach Art 2 § 13a AnVNG. Die Revision konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen