Leitsatz (amtlich)
Die Regelung, wonach der Anspruch auf den Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers nach RVO § 381 Abs 4 S 1 oder 2 entfällt, solange Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach RVO § 405 besteht (RVO § 381 Abs 4 S 3), verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (GG Art 3 Abs 1) noch gegen die Eigentumsgarantie (GG Art 14).
Das gilt auch für den Fall, daß ein gegenüber dem Arbeitgeberzuschuß höherer Beitragszuschuß bewilligt war.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1970-12-21, S. 2 Fassung: 1970-12-21, § 405 Abs. 1 Fassung: 1970-12-21; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 14 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1949-05-23; RVO § 381 Abs. 4 S. 3 Fassung: 1970-12-21
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Juli 1974 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Frage geführt, ob mit § 381 Abs. 4 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Zweiten Krankenversicherungs-Änderungsgesetzes (2.KVÄG) vom 21. Dezember 1970 (BGBl I 1770) der Wegfall auch des den Arbeitgeberzuschuß (vgl. § 405 RVO idF des 2.KVÄG) übersteigenden Teils des Beitragszuschusses des Rentenversicherungsträgers ohne Verstoß gegen das Grundgesetz (GG) bestimmt werden konnte.
Die Klägerin bezieht seit 1966 Witwenrente und als freiwillig Krankenversicherte den Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag nach § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO. Sie ist als Angestellte beschäftigt und wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO) versicherungsfrei. Mit Bescheid vom 2. Juli 1971 lehnte die Beklagte die Weitergewährung dieses Beitragszuschusses ab und verlangte die für die ersten vier Monate des Jahres 1971 noch bezahlten Zuschüsse zurück. Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage - die sie auf die Zeit vom 1. Mai 1971 an beschränkt hat - von der Beklagten die Zahlung der Differenz zwischen dem Arbeitgeberzuschuß und dem Beitragszuschuß, die im Jahre 1971 monatlich etwa 10,- DM betragen habe. Sie meint, § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO verstoße insoweit gegen Art. 3 und 14 GG, als der völlige Wegfall des Anspruchs auf den Beitragszuschuß beim Zusammentreffen mit dem Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß vorgesehen ist.
Klage (Urteil vom 18. April 1972) und Berufung (Urteil vom 11. Juli 1974) hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat dargelegt, der Ausschluß aus dem Kreis der Berechtigten nach § 381 Abs. 4 RVO verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, sondern werde von diesem Grundsatz sogar geboten. Es sei nicht vertretbar, nur die versicherungspflichtig beschäftigten Rentner und nicht auch die wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfreien, aber nach § 405 RVO zuschußberechtigten Rentner auszuschließen. Die wirtschaftliche Schlechterstellung, die § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO zur Folge habe, sei, wenn es sich überhaupt um eine Enteignung handele, nach Art. 14 Abs. 3 GG zulässig. Sie sei im allgemeinen Interesse geboten, angemessene Entschädigung - eben der Anspruch nach § 405 RVO - sei vorgesehen, ein volles Äquivalent für den enteigneten Gegenstand sei nicht erforderlich, weil mit dem 2.KVÄG eine sozialpolitisch bessere Lösung des Krankenversicherungsschutzes der höherverdienenden Angestellten gefunden worden sei.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen Arbeitgeberzuschuß und Beitragszuschuß weiter und beantragt, unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Beklagte entsprechend zu verurteilen. Sie meint, § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO diskriminiere die höherverdienenden beschäftigten Rentner. Unterschiedliche Rentnergruppen, wie sie das LSG herausstelle, seien hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes nicht vorgesehen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend hat das LSG entschieden, daß mit Wirkung vom 1. Januar 1971 an die Stelle des von der Beklagten bisher gezahlten Beitragszuschusses der im Falle der Klägerin geringere Arbeitgeberzuschuß nach § 405 RVO getreten ist. Wortlaut und Sinn des § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO (idF des Art. I Nr. 24 des 2.KVÄG), der diese Ersetzung anordnet, sind - was auch von der Klägerin nicht bestritten wird - eindeutig. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hierin keine Verletzung grundgesetzlich gesicherter Rechte, die zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht führen müßte, zu erblicken. Das gilt sowohl für die Regelung des § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO überhaupt, wie auch für das Fehlen einer Sonderregelung - Besitzstandsgarantie - für diejenigen Rentenbezieher, denen ein gegenüber dem Arbeitgeberzuschuß höherer Beitragszuschuß bereits bewilligt war.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO bewirkt die Gleichstellung der wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze versicherungsfrei beschäftigten Rentner mit den versicherungspflichtig beschäftigten Rentnern. Diese Invergleichsetzung ist sachgerecht, weil beide Rentnergruppen hinsichtlich der Finanzierung ihres auf ihrer Beschäftigung beruhenden Krankenversicherungsschutzes wirtschaftlich gleichgestellt worden sind. Den höher verdienenden Angestellten ist durch § 405 RVO (idF von Art. I Nr. 24 des 2.KVÄG) der Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß gewährt worden, der den versicherungspflichtig Beschäftigten in Form des Arbeitgeberanteils (§ 381 Abs. 1 RVO) schon bisher zustand. Durch § 405 RVO werden die mit ihrem Verdienst über der Versicherungspflichtgrenze liegenden Angestellten zwar nicht wie die anderen Angestellten und die Arbeiter zwangsweise versichert. Es wird ihnen aber im Interesse der sozialversicherungsrechtlichen Gleichstellung mit den versicherungspflichtig Beschäftigten (Gemeinsamer Senat in BSG 37, 292) die Möglichkeit gegeben, sich grundsätzlich ohne höheren Kostenaufwand als diese einen vergleichbaren freiwilligen (in der gesetzlichen Krankenversicherung) oder privaten Krankenversicherungsschutz zu verschaffen.
Liegt ein aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses teilweise von dem Arbeitgeber finanzierter Krankenversicherungsschutz vor, so ist eine weitere durch § 381 Abs. 4 Satz 1 oder 2 RVO gewährte Finanzierungshilfe sowohl im Falle der Pflichtversicherung wie auch im Falle der Berechtigung nach § 405 RVO entbehrlich.
Würden die nach § 405 RVO zuschußberechtigten Rentner neben dem Arbeitgeberzuschuß noch den Anspruch auf den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Satz 1 oder 2 RVO behalten, so wären sie ohne sachlichen Grund besser als die versicherungspflichtig beschäftigten Rentner gestellt. Allein diese Invergleichsetzung ist sachgemäß. Ihre Gleichstellung mit den freiwillig versicherten Rentnern, die nach § 165 Abs. 6 2.Alternative RVO von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR), nicht aber von der Zuschußberechtigung nach § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO ausgeschlossen sind (BSG 23, 211), wäre nicht sachgerecht. Diese Rentner müßten - wie auch die privat Versicherten und von der KVdR nach § 173a RVO zu befreienden Rentner - ohne den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO ihre Versicherung in vollem Umfang selbst finanzieren.
Die Tatsache, daß die nach § 405 RVO berechtigten Rentner ihren Krankenversicherungsschutz zumindest zur Hälfte selbst finanzieren müssen, spricht nicht gegen ihre Gleichstellung mit den versicherungspflichtig beschäftigten Rentnern. Denn auch diesen Rentnern wird wie allen versicherungspflichtig Beschäftigten zugemutet, daß sie die Hälfte ihres Versicherungsbeitrages selbst tragen.
Die Ersetzung des Anspruchs auf den Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 Sätze 1 oder 2 RVO durch den Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß nach § 405 RVO stellt keinen Eingriff in ein als "Eigentum" im Sinne des Art. 14 GG zu beurteilendes Recht dar. Selbst wenn man dem Anspruch auf den Beitragszuschuß grundsätzlich den Schutz des Art. 14 GG zubilligen wollte, steht es dem - einfachen - Gesetzgeber frei, diesen Anspruch durch einen anderen Anspruch zu ersetzen, der zu einem wirtschaftlich im wesentlichen gleichen Ergebnis führt (vgl. BSG 9, 127: Ersetzung einer Rente durch einen beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch). Der Anspruch auf den Beitragszuschuß und der Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß sind zwar in der Höhe unterschiedlich. Der Anspruch auf den Beitragszuschuß entspricht dem Durchschnitt der von den Rentenversicherungsträgern für die Pflichtversicherten zur Verfügung gestellten Beiträgen (§ 381 Abs. 4 Satz 1 RVO; vgl. wegen der Bemessung der Beiträge § 385 Abs. 2 und 3 RVO). Der Arbeitgeberzuschuß hingegen entspricht der Hälfte des höchsten Pflichtbeitrages, wenn der Arbeitnehmer zumindest den gleichen Betrag für seine Krankenversicherung aufwendet. Auch wenn - vor allem wegen der Begrenzung des Arbeitgeberzuschusses auf den eigenen Aufwand des Arbeitnehmers (§ 405 Abs. 1 Satz 2 RVO) - der Arbeitgeberzuschuß im Einzelfall niedriger als der Beitragszuschuß sein kann, steht doch fest, daß der - unabdingbare (§ 405 Abs. 2 RVO) - Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuß seiner sozialen Schutzfunktion nach dem Beitragszuschuß voll entspricht. Die verhältnismäßig geringen Unterschiede in der Bemessung der beiden Zuschußarten sind jedenfalls angesichts des großen Spielraums, den der Gesetzgeber bei der Hilfe für den Krankenversicherungsschutz von Rentnern hat, verfassungsrechtlich ohne Belang.
Für den Beitragszuschuß ist zwar die eigene Leistung des Rentners - Beitragsleistung zur Rentenversicherung - Voraussetzung. Eine weitere Abhängigkeit zwischen Beitragsleistung zur Rentenversicherung und Beitragszuschuß für die Krankenversicherung besteht aber nicht. Der Beitragszuschuß ist unabhängig von der Höhe der Rente. Aus mehreren Rentenverhältnissen kann grundsätzlich keine mehrfache Sicherung erworben werden (BSG in SozR Nr. 28 und 34 zu § 381 RVO). Umgekehrt können, wenn aus einem Versicherungsverhältnis mehrere Hinterbliebenenrenten zu zahlen sind, auch die Voraussetzungen für mehrere Beitragszuschüsse erfüllt werden. Da somit soziale Gründe für die Gewährung des Beitragszuschusses im Vordergrund stehen, war der Gesetzgeber in seinem Gestaltungsermessen weniger als bei strikt an Vorleistungen des Einzelnen gebundenen und somit "erdienten" Leistungen beschränkt (vgl. BVerfGE 16, 94, 111 und - zu den möglichen Abstufungen innerhalb des Eigentumsschutzes - BVerfGE 32, 129, 143). Auf die volle Gleichwertigkeit des Arbeitgeberzuschusses mit dem weggefallenen Beitragszuschuß brauchte der Gesetzgeber deshalb nicht zu achten.
Das gilt auch für den - hier vorliegenden - Fall, in dem die Ersetzung des schon bewilligten Beitragszuschusses durch den Arbeitgeberzuschuß zu einer wirtschaftlichen Einbuße führt. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß sich die von § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO erfaßten Rentner darauf eingestellt hatten, einen wesentlichen Teil der Krankenversicherungsprämien nicht selbst tragen zu müssen. In diesem Vertrauen sind sie aber nicht getäuscht worden. Denn sie konnten nicht damit rechnen, daß ihnen der Zuschuß auch in Zukunft in einer bestimmten gesicherten Höhe zufließen würde. Sie konnten allenfalls damit rechnen, den Betrag zu erhalten, "der dem Durchschnitt der von den Rentenversicherungsträgern für die Pflichtversicherten zur Verfügung gestellten Beiträgen entspricht" (§ 381 Abs. 4 Satz 1 RVO). Die Höhe des Beitragszuschusses war damit abhängig gemacht nicht nur von der jährlich unterschiedlichen Berechnung der Beiträge nach § 385 Absätze 2 und 3 RVO, sondern auch von den Vorstellungen des Gesetzgebers darüber, was den Rentenversicherungsträgern und was den Krankenkassen hinsichtlich der Finanzierung der KVdR zuzumuten wäre. Schließlich mußten die von § 381 Abs. 4 Satz 3 RVO erfaßten Rentner wie alle zuschußberechtigten Rentner, die ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingehen, damit rechnen, daß ihr Anspruch dann entfalle, wenn sie kraft Gesetzes einen Anspruch gegen ihren Arbeitgeber auf Finanzierung ihres Versicherungsschutzes erhalten und damit wirtschaftlich den versicherungspflichtig beschäftigten Rentnern gleichgestellt würden.
Die Revision war daher zurückzuweisen (§§ 170 Abs. 1 Satz 1, 193 des Sozialgerichtsgesetzes).
Fundstellen