Leitsatz (amtlich)
Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Schadensausgleich enthält BVG § 40a Abs 1; Abs 2 hat nur erläuternde Funktion.
Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, daß der steuerrechtlich berücksichtigte Abzug von Verlusten aus Vorjahren (EStG § 10d) bei der Feststellung des Bruttoeinkommens nach BVG § 40a Abs 2 (DV § 33 BVG § 8) unberücksichtigt bleibt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; BVG § 40a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1966-12-28; BVG§33DV § 8 Abs. 1 Fassung: 1972-01-24; EStG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 10d; BVG § 40a Abs. 2 Fassung: 1966-12-28
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig Holstein vom 28. August 1975 geändert. Der Beklagte hat bei der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin für das Jahr 1968 nur die Hälfte des Vergleichseinkommens des Ehemannes zu berücksichtigen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die 1912 geborene Klägerin bezieht als Witwe des im Osten verschollenen und für tot erklärten Obergefreiten Adolf R (R.) Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Durch Bescheid vom 24. Februar 1972 traf das Versorgungsamt (VersorgA) Lübeck die Feststellung, daß der Klägerin für das Kalenderjahr 1968 unter Berücksichtigung ihrer im Einkommensteuerbescheid 1968 ausgewiesenen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft von 29.391,- DM nur die Grundrente gewährt werden könne. Den Widerspruch, das VersorgA müsse von dem im Einkommensteuerbescheid 1968 ausgewiesenen Einkommen von 134,- DM ausgehen, wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Schleswig-Holstein durch Bescheid vom 19. Januar 1973 mit der Begründung zurück, bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gelte nach § 8 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 BVG der der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegte Gewinn - hier 29.391,- DM - als Bruttoeinkommen im Sinne des § 33 BVG.
Zur Klagebegründung hat die Klägerin einen auf die Ergebnisse einer Betriebsprüfung gestützten Steuerbescheid für 1968 vorgelegt, der als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft einen Gewinn von 6.234,- DM ausweist. Hiervon ist nach Abzug des Freibetrages für Land- und Forstwirte (§ 13 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) sowie nach Abzug von Sonderausgaben noch ein Verlustabzug in Höhe von 1.618,- DM vorgenommen worden, so daß sich als Einkommen der Betrag O (null) ergibt.
Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Klage durch Urteil vom 6. Mai 1974 abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Es hat ausgeführt, die Klägerin könne die Verluste aus ihrer Landwirtschaft in der Zeit vor 1968 nicht bei der Ermittlung des für Ausgleichsrente und Schadensausgleich maßgeblichen Bruttoeinkommens ausgleichen. Nach § 8 Abs. 1 der DVO zu § 33 BVG gelte der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft als Bruttoeinkommen im Sinne des § 33 Abs. 1 BVG; der steuerrechtlich erlaubte Ausgleich in den Vorjahren entstandener Verluste sei versorgungsrechtlich nicht vorgesehen.
Zur Berufungsbegründung hat die Klägerin ausgeführt, das SG habe nicht beachtet, daß ihr Gewinn nach dem dem SG vorgelegten berichtigten Steuerbescheid im Jahre 1968 nur 6.234,- DM betragen habe. Weiter hat sie geltend gemacht, ihr Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft im Jahre 1968 müsse im Versorgungsrecht ebenso wie im Steuerrecht um die Verluste aus den Vorjahren gemindert werden, weil sonst eine mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbare Benachteiligung derjenigen Versorgungsberechtigten eintrete, die in einem Jahr einen hohen Verlust und in den folgenden Jahren diesen Verlust nicht ausgleichende Gewinne gehabt hätten.
Mit Urteil vom 28. August 1975 hat das Landessozialgericht (LSG) Schleswig-Holstein auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide dahin geändert, daß es den Beklagten verurteilt hat, der Klägerin für das Jahr 1968 Schadensausgleich von monatlich 250,- DM zu gewähren; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Das LSG hat ausgeführt, der in § 10 d des EStG 1967 vorgesehene Verlustabzug könne bei der Ermittlung des Bruttoeinkommens in § 33 BVG nicht zur Anwendung kommen. Denn § 8 Abs. 1 der DVO zu § 33 BVG, der zahlreiche anzuwendende Vorschriften des Steuerrechts ausdrücklich nenne, sei eine abschließende Regelung mit der Folge, daß die Nichterwähnung des § 10 d EStG angesichts der in § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 2 der DVO zu § 33 BVG getroffenen Regelung ein Verbot des Abzugs von Verlusten aus vorangegangenen Jahren bedeute. Nach dem berichtigten Steuerbescheid für 1968 habe die Klägerin bei einem Gewinn von 6.234,- DM, also bei monatlichen Bruttoeinkünften von 519,50 DM, keinen Anspruch auf Ausgleichsrente. Dagegen stehe ihr wegen der Differenz zwischen ihrem Bruttoeinkommen (669,50 DM) und dem Vergleichseinkommen des R. nach der Besoldungsgruppe A 11 (bis 30. Juni 1968 monatlich 1.621,10 DM; ab 1. Juli 1968 1.685,90 DM) der Höchstbetrag des Schadensausgleichs von 250,- DM monatlich zu.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 17. September 1975 zugestellte Urteil am 6. Oktober 1975 die Revision eingelegt und begründet. Er beanstandet am Urteil des LSG allein, daß hier entgegen § 40 a Abs. 1 BVG das Bruttoeinkommen der Klägerin nicht mit der Hälfte, sondern mit dem Gesamtbetrag des Einkommens verglichen worden ist, das R. ohne die Schädigung erzielt hätte.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 28. August 1975 insoweit aufzuheben, als der Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin für das Jahr 1968 Schadensausgleich in Höhe von monatlich 250,- DM zu gewähren;
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat sich zur Revision nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig (§§ 160 Abs. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie erweist sich auch als begründet.
Maßgebend für den unter den Beteiligten allein noch streitigen Anspruch auf Schadensausgleich für das Kalenderjahr 1968 ist § 40 a Abs. 1 Satz 1 BVG idF des Gesetzes vom 20. Januar 1967 (BGBl I 141). Danach erhalten Witwen, deren Einkommen geringer ist als die Hälfte des Einkommens, das der Ehemann ohne die Schädigung erzielt hätte, einen Schadensausgleich in Höhe von vier Zehnteln des festgestellten, auf volle deutsche Mark nach oben abgerundeten Unterschiedsbetrages, jedoch höchstens 250,- DM monatlich. Entgegen dieser Regelung hat das LSG den Schadensausgleich der Klägerin durch Vergleich ihres Einkommens mit dem vollen Einkommen des Ehemannes ermittelt. Das LSG ist damit offenbar dem Wortlaut des § 40 a Abs. 2 BVG gefolgt. Danach ist nämlich zur Feststellung des Schadensausgleichs das von der Witwe erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Grundrente und der Ausgleichsrente mit dem Einkommen des Ehemannes zu vergleichen.
§ 40 a Abs. 2 BVG ist jedoch nicht eine im Gegensatz zu § 40 a Abs. 1 Satz 1 BVG stehende Anspruchsnorm, sondern nur eine ihrer Erläuterung dienende Bestimmungsnorm. Hier wird nämlich festgelegt, was zum Einkommen der Witwe gehört und was als Einkommen des Ehemannes gilt. Dagegen ist die Regelung, welches Verhältnis und zwischen welchen Einkommensbeträgen die Voraussetzung für Grund und Höhe des Anspruchs der Witwe auf Schadensausgleich ist, in § 40 a Abs. 1 Satz 1 BVG enthalten.
Nur bei dieser Zuordnung ergeben die Absätze 1 und 2 des § 40 a BVG einen logischen Zusammenhang. Nur so kann auch dem in § 40 a Abs. 1 Satz 1 BVG zum Ausdruck gekommenen Grundgedanken des Schadensausgleichs Rechnung getragen werden, daß die Witwe ohne den schädigungsbedingten Verlust ihres Ehemannes wahrscheinlich an seinem Einkommen etwa zur Hälfte teilgehabt hätte. Daraus folgt, daß Abs. 2 des § 40 a BVG nicht die Anspruchsvoraussetzungen regelt, weil die Bestimmung sonst auf der nicht zutreffenden Voraussetzung beruhen würde, daß die Witwe ohne den schädigungsbedingten Tod ihres Ehemannes dessen Einkommen in vollem Umfang allein für sich zur Verfügung gehabt hätte. Die zwischen den Absätzen 1 und 2 des § 40 a BVG scheinbar bestehende Unstimmigkeit ist im übrigen durch das 8. Anpassungsgesetz vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1481) in der Weise bereinigt worden, daß nunmehr auch § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG von der Hälfte des Vergleichseinkommens ausgeht.
Zur Feststellung des Anspruchs auf Schadensausgleich war somit jeweils die Hälfte des der Besoldungsgruppe A 11 entnommenen Vergleichseinkommens von 1.621,10 DM (bis zum 30. Juni 1968) bzw. von 1.685,- DM (ab 1. Juli 1968) mit dem Bruttoeinkommen der Klägerin zu vergleichen. Ein höheres Vergleichseinkommen als das der Besoldungsgruppe A 11 schied hier schon deshalb aus, weil R. nach den Angaben der Klägerin eine abgeschlossene Hochschulausbildung fehlte, die allein die Anwendung des Vergleichseinkommens der Besoldungsgruppe A 14 gerechtfertigt hätte (vgl. § 5 Abs. 1 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 28. Februar 1968 - BGBl I 194 - und Bl. 76 bis 78 der Versorgungsakten).
Aber auch ein niedrigeres monatliches Einkommen der Klägerin im Jahre 1968, als vom Beklagten angenommen worden ist, konnte nicht zum Ansatz kommen. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 der DVO zu § 33 BVG vom 9. November 1967 (BGBl I 1140), der gemäß § 12 der DVO 1968 zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG i. V. m. § 14 der DVO zu § 33 BVG auf den Schadensausgleich der Witwen entsprechend anzuwenden ist, gelten bei den Einkünften der buchführenden Landwirte aus Land- und Forstwirtschaft die Gewinne als Bruttoeinkommen, die der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegt worden sind. Die Versorgungsverwaltung muß somit die Gewinnfeststellung aus den Einkommensteuerbescheiden ohne eigene Prüfung übernehmen und zur Grundlage ihrer Feststellung des Bruttoeinkommens im Sinne von § 40 a Abs. 2 Satz 1 BVG machen. Das LSG ist daher zutreffend von dem im berichtigten Einkommensteuerbescheid des Finanzamts Eutin für 1968 der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegten Gewinn von 6.234,- DM pro Jahr (= 519,50 DM monatlich) ausgegangen.
Bei dieser Regelung kann der Auffassung der Klägerin nicht gefolgt werden, im Versorgungsrecht müsse - wie im Steuerrecht - ein etwaiger Gewinn mit den Verlusten aus den Vorjahren ausgeglichen werden. In § 10 d des für den vorliegenden Fall maßgeblichen EStG 1967 idF vom 27. Februar 1968 (BGBl I 145) ist zwar vorgesehen, daß Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, die Verluste der fünf vorangegangenen Veranlagungszeiträume aus Land- und Forstwirtschaft wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen können, soweit ihnen ein Ausgleich oder Abzug der Verluste in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht möglich war. Abgesehen davon, daß weder in § 1 Abs. 4 noch in § 8 der DVO zu § 33 BVG diese steuerrechtliche Regelung für das Versorgungsrecht übernommen worden ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich dabei auch nicht etwa um eine Gewinnminderung, sondern um eine Minderung der steuerpflichtigen Einkünfte durch einen sonderausgabenähnlichen Ansatz. Für die Einkommensteuer verbleibt es also dabei, daß in der Land- und Forstwirtschaft die durch die Bezugnahme auf die §§ 4 bis 7 e EStG näher umschriebenen Gewinne als Einkünfte anzusetzen sind (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 1 des EStG). Ein Verlustausgleich findet, ebenso wie der Abzug der in den §§ 10 bis 10 d EStG bezeichneten Sonderausgaben, erst nach der Gewinnfeststellung statt, wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt. Der Gewinn, welcher der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegt wird, enthält - im Gegensatz zum steuerpflichtigen Einkommen - weder den Verlustabzug noch die Berücksichtigung der Sonderausgaben. Das wäre auch mit dem steuerrechtlichen Gewinnbegriff nicht vereinbar. Gewinn ist nach § 4 Abs. 1 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des zu beurteilenden Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Ist mithin im vorangegangenen Wirtschaftsjahr ein Verlust entstanden, so ist für das zu beurteilende Wirtschaftsjahr von einem um diesen Verlust verminderten Betriebsvermögen auszugehen. Ergibt sich nun von diesem Ausgangsbetriebsvermögen her am Ende des zu beurteilenden Wirtschaftsjahres bei dem oben bezeichneten Vergleich ein Gewinn, so ist es begrifflich ausgeschlossen, ihn - nochmals - um den im Ausgangsbetriebsvermögen berücksichtigten Verlust aus dem vorangegangenen Wirtschaftsjahr zu vermindern. Auch der steuerrechtliche Gewinnbegriff führt somit nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Verlustausgleich.
Entgegen der Meinung der Klägerin verstößt diese Ergebnis auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Zweck der einkommensabhängigen Leistungen des Versorgungsrechts ist es nämlich, den unmittelbaren Lebensunterhalt der Beschädigten bzw. ihrer Hinterbliebenen zu sichern. Das geschieht nach der gesetzlichen Regelung jeweils in bestimmten Zeitabschnitten, weshalb es auf die Einkommensverhältnisse in diesen Zeitabschnitten anzukommen hat. Es würde über die Unterhaltsersatzfunktion der einkommensabhängigen Leistungen hinausgehen und praktisch einem damit nicht bezweckten Vermögensverlustausgleich dienen, wenn Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich trotz relativ hoher Gewinne in dem zu beurteilenden Zeitraum allein zum Ausgleich des Verlusts in einem früheren Zeitraum gewährt würden, dessen versorgungsrechtliche Regelung diesem Ergebnis bereits Rechnung getragen hat. Nach der Zweckbestimmung der einkommensabhängigen Leistungen erweist sich somit die versorgungsrechtliche Nichtberücksichtigung in den Vorjahren entstandener Verluste, die steuerrechtlich abzugsfähig sind, nicht als eine Verletzung des Gleichheitssatzes, sondern als die aus ihm folgende Notwendigkeit gleicher Behandlung aller von schädigungsbedingten Einkommensverlusten - nicht Vermögensverlusten - betroffenen Beschädigten und ihrer Hinterbliebenen.
Nach alledem muß auf die Revision des Beklagten das Urteil des LSG dahin geändert werden, daß bei der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin für das Jahr 1968 nur die Hälfte des Vergleichseinkommens des R. zu berücksichtigen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen